Protocol of the Session on December 14, 2011

Aber, das möchte ich deutlich sagen, er ist Präsident dieses Amtes und hat sich gegenüber der Parlamentarischen Kontrollkommission dafür zu verantworten, was im Amt gelaufen ist und was nicht. Wir müssen in der Parlamentarischen Kontrollkommission die richtigen Fragen stellen. Das ist der Teil der Verantwortung, die wir als Parlamentarier tragen.

Ich hatte am Anfang den Eindruck, dass wir von regionalen und überregionalen Zeitungen mehr erfahren als von den Gremien, die wir im Landtag haben. Dieser Eindruck hat sich bei mir gewandelt.

(Sabine Friedel, SPD: Was?)

Mittlerweile werden wir ausführlich informiert. Ich habe nicht den Eindruck, dass das Landesamt für Verfassungsschutz Erkenntnisse zurückhält oder Informationspflichten gegenüber anderen Behörden verletzt hat.

(Zuruf des Abg. Karl Nolle, SPD – Heiterkeit und Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Aber, meine Damen und Herren, ich möchte durchaus kritisch anmerken, dass man nichts zurückhalten oder pflichtwidrig an andere Behörden weitergeben kann, wenn man nichts weiß. An diesem Punkt müssen wir einhaken. Warum wusste das Landesamt für Verfassungsschutz von einigen Sachen nichts?

Der Antrag spricht davon, das Landesamt habe seine Aufgaben nur unzureichend wahrgenommen. Man muss dabei berücksichtigen, dass die Vorkommnisse mehr als zehn Jahre zurückliegen und es mit dem Kenntnisstand von heute einfach ist zu sagen, man hätte etwas anderes machen müssen. Man muss sich in die damalige Lage zurückversetzen. Es liegt noch ein Stück Weg vor uns, die Sache aufzuarbeiten.

Die LINKEN fragen nach der Verantwortung für die Versäumnisse. Diese Verantwortung müssen wir meines Erachtens anders definieren, als es DIE LINKE macht. Der Antrag der LINKEN greift zu kurz. Wir müssen uns fragen, wo die Verantwortung der Strukturen liegt. Ist es möglich, mit 16 einzelnen Landesbehörden und einer Bundesbehörde Extremisten zu bekämpfen, die deutschlandweit tätig sind? Müssen 16 Landesbehörden eigenständige Quellen führen und keiner weiß, ob die Quelle auch von anderen Ämtern bezahlt wird? Reicht es aus, in Thüringen Bomben zu legen, in Sachsen zu wohnen und deutschlandweit zu morden, um unerkannt zu bleiben? Ist das der Preis für unsere föderalen Strukturen, die wir in der Bundesrepublik Deutschland haben? Muss man sich nur bieder genug geben, einfach nett wohnen, mit zwei Katzen im Haus, die Nachbarn freundlich grüßen, und schon fällt man durch alle Raster, die sich für Rechtsradikale herausgebildet haben? Trägt man eine Glatze oder Springerstiefel, trinkt viel Bier und geht zu rechtsradikalen Konzerten, ist man auf dem Schirm; ist man der nette Nachbar, ist man nicht auf dem Schirm.

Diese Fragen müssen wir uns stellen und nicht nur retrograd betrachten, ob man irgendwann eine Akte nicht richtig ausgewertet hat.

(Beifall bei der FDP)

Das ist für mich der Hauptkritikpunkt an diesem Antrag. Die Untersuchungskommission ist nur rückwärtsgewandt. Wir müssen aber nach vorn schauen und uns überlegen, wie wir mit den Sicherheitsstrukturen in der Zukunft umgehen wollen. Da ist eine Untersuchungskommission nicht das richtige Mittel, sondern eher eine Enquetekommission, die sich mit der Frage befasst, wie wir die Sicherheitsarchitektur in den nächsten Jahren aufstellen wollen.

Um nicht falsch verstanden zu werden: Mir ist die Aufklärung wichtig. Wir müssen zuerst aufklären, ob in der Vergangenheit Fehler in den vorhandenen Strukturen gemacht wurden, und uns dann über die Strukturen unterhalten.

Den Antrag werden wir ablehnen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Nun die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Herr Abg. Jennerjahn. Herr Jennerjahn, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit Auffliegen des selbsternannten Nationalsozialistischen Untergrundes Anfang November dieses Jahres diskutiert die ganze Republik fieberhaft über das Ausmaß der Gewalt. Es stehen viele Fragen im Raum, vor allem, in welcher Form unter Umständen Fehler von Verfassungsschutz, Polizei und Staatsanwaltschaft begangen wurden. Was tut die Sächsische Staatsregierung? Sie versteckt sich, sie schiebt Verantwortung beiseite und behindert die Aufklärung. Zugegeben wird immer nur das, was medial ohnehin schon aufgearbeitet wurde und sich nicht mehr länger leugnen lässt.

Geschlagene zwei Wochen hat es gedauert, bis sich der Ministerpräsident überhaupt mal zu einer Stellungnahme zum Thema herabließ. Das geschah dann auch nicht freiwillig oder durch Einsicht, sondern ausschließlich, weil der mediale Druck so groß geworden war, dass das Tillichsche Dauerlächeln und Dauerschweigen ganz offenkundig keine tragfähige Strategie mehr war.

(Beifall des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Und was erfährt die staunende Öffentlichkeit dann? Es habe sich um eine thüringische Terrorzelle gehandelt. Sie machen damit auch sprachlich deutlich, dass Sie sich mit dem Thema schlichtweg nicht befassen wollen, dass Sie damit nichts zu tun haben wollen.

(Vereinzelt Beifall bei den GRÜNEN – Beifall bei der SPD)

Es interessiert Sie nicht, dass sich Sachsen seit über zehn Jahren zum Rückzugsraum für die Mitglieder des Nationalsozialistischen Untergrundes samt Unterstützernetzwerk entwickelt hat. Dann kommt eine Anfrage der Thüringer Staatsregierung zur Einrichtung einer gemeinsamen Untersuchungskommission, die abgelehnt wird. Wenn ich die Ausschusssitzungen verfolge, kann ich auch dort kaum Aufklärungswillen seitens der Staatsregierung erkennen. Der Rücken des Generalbundesanwalts ist derzeit ein beliebtes Versteck für die Sächsische Staatsregierung. Momentan bettelt die Staatsregierung förmlich nach der Einsetzung eines weiteren Untersuchungsausschusses. Um doch noch irgendwelche Handlungen vorzutäuschen, wirft der Ministerpräsident höchstpersönlich mal wieder den Köder eines NPD-Verbots in den Raum. Aber auch hier keine Anzeichen für die Übernah

me von Verantwortung, um überhaupt Verfahrensvoraussetzungen zu schaffen. Stattdessen sei der Verfassungsschutz für den Ablauf verantwortlich. Das ist unverantwortlich. Ein Scheitern eines neuerlichen Verbotsverfahrens wird damit quasi billigend in Kauf genommen.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN)

Herr Tillich, wir lassen Ihnen diese Ablenkungsdebatte nicht durchgehen. Unter dem Strich bleibt festzustellen, dass hier ein umfassendes Führungsversagen der Sächsischen Staatsregierung vorliegt, und zwar nicht nur der zuständigen Fachministerien, sondern beim Ministerpräsidenten höchstpersönlich. Es wäre seine Verantwortung, Licht ins Dunkel zu bringen und endlich die unselige Tradition Sächsischer Staatsregierungen zu beenden, Rechtsextremismus systematisch zu verharmlosen und zu leugnen – eine Tradition, für die der Freistaat Sachsen übrigens bundesweit berühmt-berüchtigt ist und die ihren Anteil daran hat, dass sich überhaupt so manifeste Neonazistrukturen hier haben entwickeln können. Stellen Sie sich endlich Ihrer Verantwortung!

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD – Volker Bandmann, CDU, steht am Mikrofon.)

Herr Jennerjahn, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich gestatte eine Zwischenfrage.

Herr Bandmann, bitte.

Herr Jennerjahn, ist Ihnen der Sächsische Verfassungsschutzbericht von 2010 bekannt? Das ist also der letzte Bericht, der Ihnen normalerweise zugänglich sein müsste und der allein von Seite 2 bis Seite 34 Rechtsextremismus mit all seinen Facetten im Freistaat Sachsen behandelt.

(Widerspruch der Abg. Kerstin Köditz, DIE LINKE – Jürgen Gansel, NPD: Warum steht denn die NSU nicht drin?)

Er ist vom Staatsministerium des Innern herausgegeben. Wenn er Ihnen bekannt ist, wie kann Sie das zu der Aussage verleiten, dass im Freistaat Sachsen nichts gegen Rechtsextremismus getan werde? Ich kann nur bedauern, dass Sie die Bevölkerung falsch informieren.

Die Frage ist verstanden worden, denke ich, Herr Bandmann.

(Widerspruch des Abg. Karl Nolle, SPD)

Herr Kollege Bandmann, ich könnte es mir leicht machen und einfach antworten: Ja, der Verfassungsschutzbericht ist mir bekannt. Sie haben aber noch weitere Dinge impliziert und allein von der Anzahl der Seiten, die im Verfassungsschutzbericht zum Thema Rechtsextremismus zu lesen sind, darauf

geschlossen, dass es eine fundierte Auseinandersetzung gegeben habe.

Wenn ich den Verfassungsschutzbericht lese, dann sehe ich eine Reihe von Plattitüden, von Oberflächlichkeiten, von Informationen, die selbst ohne Probleme aus öffentlich zugänglichen Medien zu erfassen sind.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN – vereinzelt Beifall bei der SPD)

Wozu ich dafür 12 Millionen Euro im Jahr für einen Verfassungsschutz ausgebe, ist mir schleierhaft. Wenn ich dann noch mit in Rechnung stelle, dass gravierende Fehleinschätzungen drinstehen, zum Beispiel zum Thema Freies Netz, kann ich nur noch die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und teile ganz ausdrücklich Ihre Einschätzung des Verfassungsschutzberichtes nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den LINKEN, wir sind uns sicher einig – ich denke, das konnte man meinen Ausführungen entnehmen –, dass der Aufklärungswille der Staatsregierung unterentwickelt ist und sich ändern muss. Wenn ich mir Ihren konkreten Vorschlag zur Einsetzung einer unabhängigen Untersuchungskommission anschaue, bin ich entsetzt. Ich frage mich, was Sie sich dabei gedacht haben. Zunächst klingt es ganz gut, dass Sie eine unabhängige Untersuchungskommission einsetzen wollen, aber alle weiteren Fragen bleiben Sie schuldig. Sie sagen nicht, wie der Aufbau der Kommission konkret aussehen soll. Sie sagen nicht, welche konkreten Kompetenzen diese Kommission haben soll. Sie sprechen nicht darüber, ob gegebenenfalls gesetzliche Voraussetzungen zu schaffen sind, um überhaupt Ermittlungsbefugnisse sicherzustellen.

Jenseits der plakativen Forderung haben Sie Ihre Hausaufgaben aus meiner Sicht nicht gemacht. Das Einzige, was Sie uns dort anbieten, ist die Formulierung: „Der Landtag und die hierzu ersuchte Staatsregierung setzen unverzüglich eine unabhängige Untersuchungskommission ein, die unter Leitung und Mitwirkung namhafter sachkompetenter Persönlichkeiten prüft und lückenlos aufklärt.“ Meine Güte, noch schwammiger und beliebiger geht es aus meiner Sicht nicht! Haben Sie sich Gedanken darüber gemacht, dass Sie ausgerechnet die Staatsregierung mit der Einrichtung einer Kommission beauftragen wollen, die alles tut, um nicht aufzuklären?

(Peter Schowtka, CDU: Ungeheuerlich!)

Wollen Sie an der Stelle tatsächlich den Bock zum Gärtner machen? Vertrauen Sie der Staatsregierung tatsächlich so sehr? Was Sie an dieser Stelle tun, ist nichts weiter als die Selbstentleibung des Parlaments – tut mir leid, ich muss das so hart sagen.

(Vereinzelt Beifall bei den GRÜNEN)

Ich erinnere an der Stelle an die Worte meines Kollegen Johannes Lichdi im Oktober-Plenum, der Ihnen damals

ins Stammbuch geschrieben hat, dass es meine Fraktion ein wenig leid ist, Ihre permanenten Versuche mitzuerleben, sich mit ungeeigneten Methoden in der Öffentlichkeit als Vorkämpfer für Demokratie und Recht zu inszenieren. Ich wiederhole das heute ausdrücklich und schließe mich dem auch an. Das Thema ist zu ernst für solche unsoliden, hingeschluderten Anträge. Und bitte, fangen Sie jetzt nicht noch an, mit Nebelkerzen um sich zu werfen. Es reicht vollkommen, wenn die Staatsregierung das tut.

Trotzdem werden wir uns dem Antrag nicht vollständig entgegenstellen, wir können aber auch nicht einfach zustimmen. Bei den Punkten I und II werden wir uns enthalten. Dem Punkt III können wir unsere Zustimmung geben. Ich bitte daher ebenfalls um punktweise Abstimmung.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. – Herr Abg. Gansel für die NPD-Fraktion; Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der LINKEN ist eine Mischung aus Dilettantismus und Unverfrorenheit, was es einem relativ schwer macht, sich mit diesem Antrag sachlich auseinanderzusetzen.