Ich möchte kein Öl ins Feuer gießen, aber die Sache mit dem Unterrichtsausfall finde ich nicht redlich von Ihnen, Herr Prof. Wöller.
Ich bin mit 18 Kleinen Anfragen der Problematik des Unterrichtsausfalls nachgegangen. Ich habe ein halbes Jahr an diesen Anfragen gesessen und immer wieder nachgehakt, weil die Antworten zum Teil nicht ganz schlüssig waren. Ich habe allein zwei Tage Ihre Zahlen in Prozentangaben umgerechnet.
Sie kommen auf Zahlen – wenn Sie den Durchschnitt nehmen über ein halbes Jahr über alle Fächer, dann können Sie natürlich solche Zahlen präsentieren. Aber wenn Sie es sich ganz genau anschauen: Ich halte es wirklich für hoch problematisch, dass 18 % des Unterrichts in Ethik und Gemeinschaftskunde jeweils in der Förderschule komplett ausfallen. Das gehört zur Wahrheit dazu.
Auch die Regelung, wie Sie Unterrichtsausfall erfassen: Es wird nicht jeder Unterricht als Ausfall erfasst, wo der Lehrer nicht vor der Klasse steht – eben nicht. Das hat mir Ihr Ministerium selbst mitgeteilt. Die sogenannte Stillbeschäftigung – eine Klasse, die sich selbst beschäftigt – gilt je nach Aufgabenstellung als fachgerecht vertretener Unterricht, Herr Wöller. Zusammengelegte Klassen werden als Vertretung gewertet.
Ich finde das nicht lauter. Wir können doch dazu stehen. Wir wissen, wir haben Probleme. Wir müssen die Versorgung sicherstellen. Aber man muss auch ehrlich mit diesen Problemen umgehen und klare Zahlen auf den Tisch legen. Sonst finde ich das nicht in Ordnung.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich denke, den Redebeitrag von Herrn Wöller können wir so nicht stehen lassen.
Herr Wöller, ich weiß nicht, wie Sie auf diese Idee kommen, sich derart unglaubwürdig im Freistaat Sachsen machen zu wollen. Ich weiß nicht, wer Ihnen das einredet, oder ob Sie selbst davon überzeugt sind, dass Sie hier so auftreten können.
Es ist unglaublich! Draußen an den Schulen fragen sich die Elternvertreter, die Schülerinnen und Schüler, die Lehrerinnen und Lehrer, die Gewerkschaften: Hat der überhaupt nichts mitbekommen, was macht der eigentlich? Bekommt der gar nicht mit, was los ist?
Herr Wöller, Unterrichtsausfall! Wir haben in der vergangenen Legislaturperiode mehrfach darüber diskutiert. Übrigens schönen Dank; die FDP hatte damals den entsprechenden Antrag eingebracht. Wir haben dazu den Ergänzungsantrag „Unterrichtsausfall erfassen!“ gestellt. Frau Giegengack hat das heute erneut aufgegriffen.
Wenn ein Lehrer zwei Klassen betreut und zwischen den Räumen hin- und herrennt, gilt das nicht als Unterrichtsausfall. Wenn ein Schulleiter festlegt, dass Unterricht nicht stattfindet – wie im vergangenen Winter, der sehr hart war –, gilt das nicht als Unterrichtsausfall. Wenn sich Klassen einen Film anschauen, weil kein Lehrer mehr da ist, gilt das nicht als Unterrichtsausfall.
Wenn eine Klasse aufgeteilt wird – auf die 1., 2., 3. und 4. Klasse, die noch da sind –, gilt das nicht als Unterrichtsausfall; denn die Schüler hatten ja „Unterricht“, sie sind irgendwie beschäftigt worden.
Sogar, wenn Schüler einen Hausarbeitstag hatten – das gibt es auch im Freistaat Sachsen –, ist das kein Unterrichtsausfall, weil sie Hausaufgaben bekamen, die sie zu Hause erledigen konnten. Das gilt nicht als Unterricht!
Herr Minister, Sie zählen auch den Förderunterricht nicht als Unterrichtsausfall. Mein Kollege hatte doch recht mit seinem Hinweis auf die Schüler am Gymnasium in Taucha: Der Förderunterricht wird vollständig gestrichen. Den gibt es dort nicht mehr. Auch an manchen Grundschulen existiert er nicht, obwohl sowohl die leistungsschwachen als auch die leistungsstarken Schüler Anspruch auf Förderunterricht haben. Dieser ist jedoch gestrichen, er wird gar nicht gehalten!
Ich will gar nichts zu den Ganztagsangeboten im Freistaat Sachsen sagen, die noch von Lehrern getragen werden. Solche Angebote werden gestrichen, sie existieren nicht mehr.
Ich komme auf ein weiteres sehr problematisches Feld zu sprechen: Herr Wöller, Sie haben im Landtag mehrfach erklärt, dass es auf den Anfang der Schullaufbahn ankomme. Wir stehen insoweit voll auf Ihrer Seite. Aber wollen Sie wirklich gestatten, dass die Stunden, die für die vorschulische Erziehung gedacht sind und die in einer Verwaltungsvorschrift festgeschrieben sind – Sie haben die Stundenzahl zwar schon gesenkt, aber das ist jetzt egal –, auch noch gestrichen werden? Ich kann den Schulleiter verstehen, der sagt: In der 2. Klasse fällt Mathe aus? Da schicke ich doch den Lehrer nicht in den Kindergarten, um dort vorschulische Erziehung zu betreiben, sondern stecke ihn lieber in den Matheunterricht.
Wenn Sie behaupten, dass Abordnungen hauptsächlich deshalb vorgenommen werden müssten, weil wir in Sachsen dem Ansatz der Integration folgten und die Förderschullehrer in die allgemeinbildenden Schulen gingen, dann ist das eine Verhöhnung. Der Förderschullehrer hat noch eine halbe Stunde Zeit für die Integrationskinder in den allgemeinbildenden Schulen – eine halbe Stunde pro Woche! Rechnen Sie das zusammen!
Wenn Sie hier so klar sagen, dass es keine Einstellungen ohne pädagogischen Abschluss gebe, dann entgegne ich Ihnen: Ich habe es selbst erlebt. Ich saß dabei, als das entschieden worden ist. Das ist eine Lüge. Entweder sie haben sie schon wieder rausgeschmissen, oder sie sind noch da. Ich möchte hier ganz klar sagen: Das lasse ich mir nicht bieten! Ich lege Ihnen die Namen der Personen vor, die das betrifft.
Als Antragstellerin hat zunächst die Fraktion der SPD das Wort. Es geht in folgender Reihenfolge weiter: CDU, DIE LINKE, FDP, GRÜNE, NPD; Staatsregierung, wenn gewünscht.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir, nach der spannenden 1. Aktuellen Debatte mit folgendem Hinweis auf das nächste Thema überzuleiten: Der Verantwortliche für den Lehrermangel sitzt nicht nur auf dieser Seite.
Wie ist die Situation? Insbesondere die Unionsabgeordneten reisen durch die Wahlkreise und tragen das Motto „Sparen! Sparen! Sparen!“ ständig vor sich her. Gesagt wird: Alles geht zurück, wir haben immer weniger Geld. – Das wird immer wieder gepredigt, sodass manche es sogar glauben, wie man an einigen Äußerungen des Herrn Schreiber erkennen kann. Die FDP-Abgeordneten tauchen, wenn es um diese Probleme gibt, in den Wahlkreisen meist nicht auf; das müssen dann immer die Wahlkreisabgeordneten der Union rausreißen.
Warum sage ich das? Der Freistaat Sachsen verzeichnet Haushaltsüberschüsse, nach der letzten Schätzung rund 1,3 Milliarden Euro. Herr Schreiber, angesichts dessen frage ich mich, wo das Problem liegt, ein paar Hundert Millionen für die Beseitigung des Lehrermangels in die Hand zu nehmen. Deswegen verweise ich nicht nur auf die Verantwortung des Kultusministers, sondern auch auf die des Finanzministers.
Wie verhalten sich CDU und FDP im Bund? All das, was hier gepredigt wird – „Sparen! Sparen! Sparen!“–, ist im Bund angeblich nicht wahr, also auch nicht notwendig. Dort werden rund 26 Milliarden Euro neue Schulden – wohlgemerkt: neue Schulden – aufgenommen. Nach übereinstimmenden Berechnungen wären eigentlich nur 18 Milliarden Euro notwendig. Hinter dem von der Bundesregierung geplanten Aufstocken der Schulden, das sowohl auf europäischer Ebene als auch in Sachsen gegen jede Logik ist, verstecken sich Steuergeschenke, eine Herdprämie und Weihnachtsgeldzahlungen an Beamte. Letztere haben wir in Sachsen abgeschafft, weil wir doch – so die Aussage der Koalition hier – sparen müssen.
Letztlich handelt es sich bei den von der Bundesregierung geplanten Maßnahmen um Steuergeschenke für eine dahinsiechende FDP.
Unter dem Deckmantel „Bekämpfung der kalten Progression“ werden Milliardenbeträge an neuen Schulden aufgenommen. Schaut man aber, was für den Einzelnen herauskommt, so stellt man fest: 4 bis 10 Euro für den Durchschnittsverdiener. Dieses Geschenk ist als Dopingspritze für die siechende FDP gedacht, damit sie noch halbwegs über die Runden kommt und der Union nicht als Koalitionspartner abhandenkommt.