Protocol of the Session on November 24, 2011

Seit Januar 2011 wird sogar das Bundeselterngeld auf das Arbeitslosengeld II und das Sozialgeld angerechnet. Auch das nennt die Staatsregierung in ihrer Stellungnahme systemgerecht. Wie gesagt, das ist armutsmanifestierend.

Ich hatte es schon erwähnt: Diejenigen, die transferleistungsabhängig sind und nicht vom Kinderfreibetrag profitieren können, müssen sich für jede zusätzliche Sozialleistung sogar noch rechtfertigen, die sie für ihre Kinder in Anspruch nehmen.

Von der Staatsregierung haben wir heute gehört, dass es ein gewisses Dickicht von Sozialleistungen gibt. Es wird eben nicht beantwortet, wie man die Eltern, die es besonders nötig haben, damit ihre Kinder davon profitieren

können, besser in Familienbildungsmaßnahmen und Beratung zur Antragsstellung einbindet. Alle Kinder sollen davon profitieren. Wer sich schon einmal damit beschäftigt hat, wie solche Beratungsveranstaltungen, Bildungsvorträge usw. in Kindertageseinrichtungen in Anspruch genommen werden, wer mit den Erzieherinnen und Erziehern dort gesprochen hat, wird erfahren haben, dass es eben nicht die bildungsfernen, benachteiligten Eltern sind, die das in Anspruch nehmen, um ihre Situation zu verbessern. Es sind vor allem diejenigen, die die Systemlogik in der Bundesrepublik schon verstehen, die bildungsorientiert sind und das Beste für ihre Kinder herausholen wollen. Die eigentlichen Zielgruppen werden nicht oder nur zum Teil erreicht.

Auch das Bildungs- und Teilhabepaket wurde heute von linker Seite mehrfach kritisiert, weil es nicht alle Bedürftigen erreicht und – das muss man deutlich sagen – in der Ausgestaltung einerseits unzureichend und andererseits ein bürokratischer Moloch ist. Wir wissen, dass von den 800 Millionen Euro, die der Bund dafür jährlich ausgibt, etwa 100 Millionen Euro allein Verwaltungskosten für die Antragsbearbeitung und -bewilligung sind.

Herr Krauß, das wollte ich Ihnen schon vorhin sagen, und ich kann es auch jetzt noch einmal erklären: Mit den 10 Euro für kulturelle Teilhabe aus dem Bildungs- und Teilhabepaket kommen Sie nicht weit. Wenn man sein Kind zum Beispiel im Sportverein anmeldet, auch als Hartz-IV-Empfänger, ist das eigentliche Problem nicht so sehr der Monatsbeitrag. Da kommt man mit den 10 Euro hin. Das eigentliche Problem ist das, was man braucht, um Sport treiben zu können, nämlich Sportschuhe, Sportbekleidung, Gelder für Wettkampfteilnahme usw. Das wird nicht abgedeckt, und dafür ist das Bildungs- und Teilhabepaket unzureichend. Damit erreichen wir die Kinder, die arm sind, überhaupt nicht. Das Gleiche kann man am Beispiel der Musikschulen aufzeigen. Wissen Sie, was eine Musikschulstunde kostet? Mit 10 Euro kann man gerade einmal die Türklinke der Musikschule in die Hand nehmen und hat den Unterricht noch nicht von innen gesehen.

(Zuruf der Abg. Kristin Schütz, FDP)

Das Bundesverfassungsgericht hat 2008 zu Recht festgestellt, dass Kinder keine kleinen Erwachsenen sind und ein eigenes, bedarfsgerechtes Budget benötigen.

Ich komme zu unserem Antrag. Was will DIE LINKE mit diesem Antrag erreichen? Wir wollen eine individuelle und bedarfsorientierte Grundsicherung. Wir wollen sie als eigenständiges Grundsicherungssystem für alle in

Deutschland lebenden Kinder, das heißt, nicht nur für diejenigen, die momentan in Bedarfsgemeinschaften leben, sondern für alle Kinder. Wir betrachten Kinder und Jugendliche als eigenständige Persönlichkeiten.

Auch die UN-Kinderrechtskonvention verwies bereits darauf; Kollegin Herrmann hat es heute schon angesprochen. Ein großer Unterschied zwischen dem Konglomerat aus Kinderfreibetrag, Kindergeld, Sozialgeld usw. und der

Kindergrundsicherung ist ja, dass diese Kindergrundsicherung ermöglichen würde, Kinder nicht mehr am Eigentum und Einkommen ihrer Eltern zu messen, sondern als eigenständige Persönlichkeiten zu betrachten. Darum sollte es uns gehen.

Zu den einzelnen Punkten unseres Antrages. Mit der Einführung der Kindergrundsicherung stehen wir nicht allein. Das ist eine Forderung, die längst bundesweit in allen Familienverbänden diskutiert wird. Auch die Kirchen sind dabei, weil auch sie den Bedarf erkannt haben. Insofern müsste es der CDU möglich sein, sich dazu positiv zu verhalten.

In unserem Antrag sagen wir noch nicht, in welcher Höhe wir uns das vorstellen, sondern uns geht es erst einmal darum, dass sich der Freistaat Sachsen auf Bundesebene dafür einsetzt, dass es zu einer Umgestaltung des Steuersystems und der Finanzierung von Kindern kommt. Man kann sicher noch verschiedene Modelle diskutieren, aber es muss erst einmal der Anstoß dafür gegeben werden.

Das Zweite ist die Abschaffung von Kinderfreibeträgen im Steuerrecht. Wie gesagt, Kinder sollten nicht nach dem Einkommen der Eltern bemessen werden, sondern als eigenständige Persönlichkeiten betrachtet werden. Es ist davon auszugehen – gerade im Osten haben wir die Situation –: Über 50 % der Kinder werden in nicht ehelichen Lebensgemeinschaften geboren oder von alleinlebenden Eltern aufgezogen. Dort greift das Steuerrecht noch weniger.

Ein dritter Punkt bei der Kindergrundsicherung und der Voraussetzung der Finanzierung ist selbstverständlich die Abschaffung des Ehegattensplittings. Im Moment alimentiert der Staat Erwachsene, die verheiratet sind, nicht, weil sie Familie mit Kindern haben, sondern weil sie schlicht verheiratet sind. Er alimentiert damit die Ein-VerdienerEhe mit der Hausfrau. Dieses Modell ist längst überholt. Die ganze Fachkräftedebatte sollte uns auch an dieser Stelle zu denken geben, dass Frauen zunehmend als Arbeitskräfte benötigt werden und ein eigenes Einkommen erzielen. Für die Zukunft gibt es schlicht keine Berechtigung mehr, sich als Staat dort Millionenverluste zu bescheren, indem man auf Steuereinnahmen verzichtet und sie über das Ehegattensplitting wieder subventioniert.

Punkt vier dreht sich um den Bereich der Kindertagesbetreuung. Wir wollen die Einführung einer Regelfinanzierung des Bundes für die Kitas anstelle der steuerlichen Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten. Davon profitieren eher Vielverdiener als Niedrigverdiener. Das passt recht gut in die Bildungsdebatte. Frau Schavan als Bildungsministerin beklagt selbst, dass es im Moment nicht möglich ist, alle Bildungsinstitutionen aus Bundesperspektive gleichmäßig zu unterstützen. Im Moment ist der Ausbau der Kindertagesbetreuung in sehr hohem Maß von den kommunalen Finanzen abhängig.

Ich habe es vorhin gerade gehört. Es gibt in Sachsen in vielen Landkreisen die Bestrebungen, die Zugangskriterien und die Betreuungszeiten einzuschränken, nicht, weil man es für pädagogisch sinnvoll hält, sondern weil es um

Geld geht. Genauso wie der Bund die Hochschulen finanziell unterstützt, wäre es auch aus unserer Sicht angemessen, im Bereich der Kindertagesbetreuung Geld in die Hand zu nehme, das System komplett umzustellen und nicht investive Maßnahmen zu unterstützen, sondern auch die Betreuung an sich.

So weit zu unserem Antrag. Ich werbe um Zustimmung.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Die CDUFraktion, bitte. Herr Abg. Krauß.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine Debatte zum heutigen Thema hatten wir an dieser Stelle vor zwei Jahren. Ich hatte auch die Ehre, damals hier sprechen zu können. Ich habe das Gefühl, dass man die Argumente, die man damals ausgetauscht hat, auch heute austauschen wird.

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Sie hätten ja dazulernen können!)

Wenn Sie einen Wunsch an den Weihnachtsmann frei hätten, dann sollten Sie das Thema Einfallsreichtum einmal auf den Wunschzettel schreiben, damit neue Anträge diskutiert werden, über die hier noch nicht gesprochen wurde.

Ich habe aber das Gefühl, dass dem Weihnachtsmann, wenn er Ihren Wunschzettel liest, alle Haare ausfallen. Mich wundert es immer, was Ihnen einfällt, wo man noch mehr Geld ausgeben kann, ohne zu sagen, wo es herkommt. Aber kreativ sind Sie in dem Punkt, wo man noch Geld hinbringen kann. Das gestehe ich Ihnen gern zu.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben damals wie heute nichts über die Höhe gesagt. Deswegen nehme ich an, dass Sie immer noch bei 500 Euro sind?

(Annekatrin Klepsch, DIE LINKE: Nicht konkret!)

Gut, es soll nicht konkret sein. Egal. Wir hatten ja damals die Zahl gehabt und gesagt, wenn das 500 Euro wären, dann reden wir hier allein über 10 Milliarden Euro. Wir hätten damit zum Teil eine Verdreifachung der Kosten in vielen Bereichen. Wir halten es schon für wichtig zu fragen, woher das Geld kommen soll.

Sie haben jetzt einen Vorschlag erwähnt, nämlich das Ehegattensplitting. Das ist verfassungsrechtlich geschützt, aber man könne es ja streichen. Was ist das Ehegattensplitting eigentlich bzw. warum hat man es eingeführt und warum misst die Verfassung ihm einen Wert bei? In der Verfassung steht, dass Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehen. Was begründet eigentlich dieses Ehegattensplitting?

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Das möchte ich auch wissen!)

Das will ich Ihnen jetzt auch gern erklären, Herr Pellmann. Sie haben ja Ihre Frau geheiratet?

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Das war noch zu anderen Zeiten, Herr Kollege!)

Das macht ja nichts. Ja, gut. Machen wir es einmal an Ihrem Beispiel fest. Sie haben Ihre Frau geheiratet, und Sie sind damit eine Verpflichtung eingegangen.

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Zunächst war das gegenseitige Zuneigung!)

Das freut mich besonders. Ich hoffe, dass die Zuneigung noch anhält, die muss ja nicht nachlassen.

(Allgemeine Heiterkeit)

Aber das hat auch einen Rechtsstatus, den man damit erlangt hat. Einer ist zum Beispiel: Wenn es Ihrer Frau schlecht geht, dann stehen Sie für Ihre Frau ein, auch finanziell. Umgekehrt das Gleiche: Wenn es Ihnen schlecht geht, dann steht Ihre Frau für Sie ein. Wenn Sie nicht verheiratet wären, wäre das nicht so, dann würde die Gemeinschaft dafür einstehen. Wenn Sie alt und pflegebedürftig sind, ist klar, dann würde Ihre Frau Sie pflegen, wenn sie kann. Umgekehrt das Gleiche.

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Nein, nein!)

Das würde ich einmal vermuten, Herr Dr. Pellmann, dass dies bei Ihnen nicht anders ist als bei vielen anderen Familien auch. Das ist der Grund, weshalb der Staat sagt, dass wir die Ehe privilegieren, weil nämlich der eine für den anderen Verantwortung übernimmt.

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Das kann man doch auch außerhalb der Ehe!)

Das kann man nicht unbedingt besser außerhalb der Ehe organisieren, sondern es ist das Preiswerteste und Richtige, das so zu machen. Ich finde es übrigens auch menschlicher, Herr Kollege Pellmann, wenn Ihre Frau Sie pflegt, als jemand anderes. Es ist für Sie bestimmt der bessere Weg ist, wenn Sie von Ihrer Frau bzw. von Verwandten gepflegt werden.

Gehen wir einmal zu den Kinderfreibeträgen ins Steuerrecht. Das ist eine komplizierte Materie. Was ist das eigentlich? Was ist mit dem Kindergeld, was ist mit den Kinderfreibeträgen, was stellt man sich darunter vor? Wie ist die Systematik?

Klar ist für uns, dass das Existenzminimum – das sagt auch das Bundesverfassungsgericht – steuerfrei gestellt sein muss. Das ist ja auch logisch. Was ich für Lebensmittel und meine Wohnung brauche, kann nicht noch weggesteuert werden. Das gilt natürlich nicht nur für den, der arbeitet, sondern auch für die Kinder. Das ist der Grund dafür, dass es Kindergeld und Kinderfreibeträge gibt. Das ist keine familienpolitische Leistung, dass der Staat sich gönnerhaft hinstellt und sagt, wir geben einmal etwas Geld für Familien. Der Name legt das ja nahe. Aber der Name ist da etwas irreführend. Genauso wie der Zitronenfalter nicht Zitronen faltet, ist das Kindergeld etwas, was

nur für die Kinder da wäre, sondern es geht darum, dass derjenige, der Steuern gezahlt hat, zu viel gezahlte Steuern zurückbekommt. Das ist keine Sozialleistung des Staates, sondern einfach eine Rückerstattung von zu viel gezahlten Steuern. Das muss man wissen, damit man die Systematik versteht.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben noch andere Punkte, wo der Staat wirklich auch für Familien etwas tut. Ich erinnere einmal an das, was der Freistaat Sachsen macht. Er zahlt zum Beispiel Landeserziehungsgeld.

Frau Klepsch, Sie haben noch eine Frage?

Danke, Frau Präsidentin! – Herr Krauß, ich möchte das verstehen, was Sie gerade versucht haben zu erklären. Stimmen Sie mir zu, dass jemand, der ein hohes Einkommen hat, aus Steuern einen höheren Kinderfreibetrag zurückbekommt als jemand mit einem niedrigeren Einkommen, dass also dessen Kinder mehr davon profitieren?