Protocol of the Session on November 23, 2011

Herr Gansel, nehmen Sie bitte auf den Debattenbeitrag Bezug.

Ja, ich nehme sofort auf den Debattenbeitrag Bezug.

(Zuruf von den GRÜNEN: Sonst Maul halten!)

Bitte sofort. Sonst entziehe ich Ihnen das Wort.

Ich nehme Bezug auf Frau Köditz. Ist das deutlich genug geworden?

(Zuruf von den LINKEN: Nein!)

Was man eben gehört hat, ist, dass es Frau Köditz und anderen Rednern vor allem darum geht, dass Staatsknete fließt. Man gewinnt förmlich den Eindruck, dass Antifaschismus ohne Fördermittelbescheide, die rechtzeitig genehmigt werden, nicht nur eine blutleere Angelegenheit ist, sondern dass dann nichts funktioniert. Idealismus als Treibmittel der Zivilgesellschaft scheint nicht mehr existent zu sein. Das ist das, was mir die Debatte heute Morgen gezeigt hat, in der Sie die Toten instrumentalisiert haben, um eine Erhöhung staatlicher Mittel zu fördern,

(Zuruf von den LINKEN: Bla, bla, bla!)

und das zeigt sich jetzt auch wieder an dieser Debatte. Idealismus scheint auf Ihrer Seite nicht mehr vorhanden zu sein.

(Zuruf von den LINKEN: Bla, bla, bla!)

Ihnen geht es nur um Staatsknete, und das ist erbärmlich genug.

(Beifall bei der NPD)

Frau Köditz, möchten Sie erwidern?

(Lachen bei der NPD – Andreas Storr, NPD: Kann sie nicht! – Jürgen Gansel, NPD: Jetzt sag' doch einer, dass ohne Moos was los ist! Nur Staatsknete abgreifen!)

Nun hat Herr Abg. Homann das Wort, der für die SPDFraktion spricht. Herr Homann, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! – Das mit der Zeit kommt aber nicht hin. Wir hatten gerade noch zehn Minuten.

Sie haben Redebeiträge zu Protokoll gegeben. Das müssen Sie beachten. Die Zeit geht schon in Ordnung.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eingedenk der Extremismusklausel in Bund und Land müssen wir feststellen, dass wir viele Diskussionen geführt haben. Sehr geehrter Herr Bandmann, um gleich geschmeidig einzusteigen: Wir würden Ihnen niemals vorwerfen, in

dieser Frage auf einem Auge blind zu sein. In dieser Frage müssen Sie sich vorwerfen lassen, auf beiden Augen blind zu sein, weil Sie die Dimension dieses Problems nicht verstanden haben.

(Vereinzelt Beifall bei den GRÜNEN)

Deshalb muss man hier wieder beim Urschleim anfangen. Das beginnt mit der theoretischen Ebene. Die schwarzgelbe Interpretation der sogenannten Extremismustheorie erschafft ein Bild eines Hufeisens mit einer guten Mitte und bösen extremistischen Rändern. Da sich in diesem Bild die extremistischen Ränder annähern, ist es in Ihren Augen so, dass sich Leute, die sich gegen Rechts engagieren, automatisch links oder linksextrem verdächtig machen.

(Zuruf von den GRÜNEN: Das stimmt nicht!)

Dieses Bild täuscht jedoch, Herr Bandmann. Ich erkläre es zum wiederholten Mal: Der Gegensatz eines Rechtsextremisten in diesem Land ist nicht der Linksextremist. Der Gegensatz eines Neonazis ist der Demokrat, Herr Bandmann.

(Jürgen Gansel, NPD: Der Gutmensch!)

Es ist egal, wie oft Sie das hier vorne vortragen.

Das zeigt Folgendes: Die Demokratieerklärung ist in diesem Fall schon theoretisch gescheitert. Auf der politischen Ebene sehen wir, dass Sachsen auf seine Landschaft an Demokratieinitiativen und Vereinen stolz sein kann. Viele davon feiern dieses Jahr ihr zehnjähriges Bestehen.

Für sie stellt sich aber die Frage: Wie geht es weiter? Sie werden nämlich von Ihnen unter eine Generalverdächtigung gestellt. Dabei ist klar, dass Ihre Demokratieerklärung an dieser Stelle zu einem Demokratiehemmnis wird. Wenn Sie den Beschluss von heute Morgen ernst nehmen würden, hätten Sie die Größe, die gestern Ihr Generalsekretär Hermann Gröhe im Deutschen Bundestag hatte. Er hat auf Nachfrage eingeräumt, dass mit der Überprüfung der Hemmnisse auch eine Überprüfung der Extremismusklausel – in Übersetzung die sächsische Demokratieklausel – gemeint ist. Diese Größe hatten Sie heute leider nicht.

Die dritte juristische Ebene ist der heutige Anlass. Das Gutachten des Landtages und im Übrigen auch ein juristisches Gutachten des Bundestagsdienstes kommen zum selben Schluss: Die Gesinnungsprüfung durch die Extremismusklausel und die sogenannte Demokratieerklärung ist schlicht verfassungswidrig. Sie ist nicht deswegen verfassungswidrig, weil die Werte der freiheitlichdemokratischen Grundordnung nicht schützenswert sind. Nein, das Gegenteil ist der Fall: Werte wie die Meinungsfreiheit sind besonders schützenswert, insbesondere vor dem Zugriff des Staates.

(Zuruf des Abg. Andreas Storr, NPD)

Gesine Schwan formulierte es bei der Verleihung des Sächsischen Demokratiepreises 2010 wie folgt: In einer

Demokratie ist jeder Bürger ein Bürger aus eigenem Recht. Ich muss nicht überprüfen, ob er unschuldig ist – um dies einmal in das juristische Gutachten zu übersetzen. Dort wird klipp und klar erklärt – ich wiederhole an dieser Stelle sehr gern, Herr Jennerjahn, weil es einer der wesentlichen Sätze ist –: Durch das Verlangen nach Abgabe eines Bekenntnisses zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung wird in nicht gerechtfertigter Weise in das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung eingegriffen.

Herr Bandmann, verstehen Sie diese Aussage? Ich muss Ihnen an dieser Stelle einmal in die Augen schauen, weil ich das Gefühl habe, dass Sie das Gutachten gar nicht gelesen haben. Egal, wie man es formuliert: Die Demokratieerklärung der Staatsregierung ist juristisch gescheitert.

Bitte kommen Sie zum Schluss.

Hier bleiben wir auch dabei: Eine Verfassung kann nicht mit einer verfassungswidrigen Klausel geschützt werden.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Ich komme zu meinem letzten Satz: Die Demokratieerklärung ist juristisch, theoretisch und politisch gescheitert. Deshalb muss sie im Bund und im Land abgeschafft werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Homann. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Abg. Biesok. Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir diskutieren zum wiederholten Mal in diesem Haus die Demokratieerklärung. Vielleicht kann sich der eine oder andere noch erinnern: Bei der ersten Formulierung der Demokratieerklärung habe ich den zweiten Satz kritisiert und nicht befürwortet.

Meines Erachtens muss man, wenn man diese Diskussion hier führt, aufpassen, dass man das Kind nicht mit dem Bade ausschüttet. Man muss davon unterscheiden, ob es zu Verzögerungen bei der Auszahlung des Programms gekommen ist. Das ist zu prüfen. Hier muss die Staatsregierung schauen, woran es gelegen hat, dass die Förderprogramme nicht richtig ausgezahlt wurden. Ich kenne auch Beschwerden darüber, dass die SAB sehr lange gewartet hat, um die entsprechenden Förderbescheide rauszuschicken.

(Zurufe der Abg. Dr. André Hahn, DIE LINKE, und Miro Jennerjahn, GRÜNE)

Das muss man aufarbeiten. Das hat aber nichts damit zu tun, ob man eine Demokratieerklärung politisch will oder ob sie verfassungswidrig ist.

(Zuruf des Abg. Dr. André Hahn, DIE LINKE)

Wir haben das Gutachten des Juristischen Dienstes des Landtags vorliegen. Dort wird in Teilen eine Verfassungswidrigkeit festgestellt. Meines Erachtens ist dieses Gutachten nicht geeignet, weiterhin dafür zu sorgen, dass Organisationen, die nicht auf dem Boden der freiheitlichdemokratischen Grundordnung stehen, Geld aus Steuermitteln erhalten. Das gilt auch vor dem Hintergrund der Ereignisse in unserem Land, über die wir heute Morgen diskutierten. Es darf uns nicht dazu verleiten, das Geld einfach auszuschütten: Es ist gegen Rechts, also ist es gut. Egal, wer es bekommt, Hauptsache, er ist gegen Rechts. Das machen wir nicht mit.

(Beifall bei der FDP)

Dem Gutachten des Juristischen Dienstes entnehme ich zum Beispiel auch einige andere Punkte: Das Verlangen nach der Abgabe einer Demokratieerklärung verstößt nicht gegen das Verbot der Diskriminierung wegen politischer Anschauungen. Ich entnehme dem Gutachten, dass das Verlangen nach einer Erklärung, keine Aktivitäten gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu entfalten, sachlich gerechtfertigt ist, um zwischen Antragstellern der Förderrichtlinie „Weltoffenes Sachsen“ zu differenzieren.

Ich entnehme dem Gutachten ebenfalls, dass es verfassungsrechtlich unbedenklich ist, wenn juristische Personen des öffentlichen Rechts eine solche Demokratieerklärung nicht abgeben müssen. Ebenso entnehme ich dem Gutachten, dass der Begriff der freiheitlich-demokratischen Grundordnung hinreichend bestimmt ist, um zu definieren, was wir meinen.

Nur in einem einzigen Punkt ist der Juristische Dienst der Meinung, dass ein Verfassungsverstoß vorliegen würde. Er sagt, es sei ein nicht gerechtfertigter Eingriff in das Grundrecht der freien Meinungsäußerung, wenn ein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung gefordert wird.

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Das steht doch aber darin!)