Protocol of the Session on November 23, 2011

Lassen Sie mich, sehr geehrte Damen und Herren, nun zum Thema der Ausbildung kommen. Eines ist klar: Staatliche Maßnahmen im Bereich der Ausbildung müssen sich natürlich in dem Maße verändern, wie Rahmenbedingungen sich ändern. Das heißt, Fördermaßnahmen, die von der Staatsregierung nicht mehr fortgeführt wurden, wurden nicht zwingend deswegen nicht fortgeführt, weil sie schlecht sind, sondern weil sie einfach für die momentane Situation auf dem Ausbildungsmarkt nicht mehr geeignet sind.

Wir hatten im Freistaat Sachsen die Situation, dass einer Vielzahl von ausbildungswilligen Jugendlichen nur eine geringe Zahl von Ausbildungsplätzen gegenüberstand. Es war daher richtig, diese Lücke zu schließen, indem man außerbetriebliche Ausbildungsplätze angeboten hat, um ebendiesen jungen Menschen eine Perspektive zu geben. Die GISA ist nur ein Beispiel dafür.

Allerdings müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass auf dem Ausbildungsmarkt eine erfreuliche, eine positive Entwicklung eingetreten ist. Diese positive Entwicklung eröffnet auch jungen Leuten mit schlechteren Startchancen die Möglichkeit für eine berufliche Erstausbildung. Diesen Weg müssen wir als Freistaat Sachsen, als Staatsregierung mit geeigneten Fördermaßnahmen unterstützen und begleiten.

Wir haben für die Förderung betrieblicher Ausbildung für Jugendliche mit schlechten Startchancen zunächst 5 Millionen Euro für eine spezielle Förderung bereitgestellt, und wir werden bei einer entsprechenden Nachfrage dieses Förderprogramm auch um weitere 5 Millionen Euro auf insgesamt 10 Millionen Euro aufstocken. Wichtig in diesem Bereich ist es, dass wir diese jungen Menschen in den ersten Arbeitsmarkt integrieren. Es ist in der Debatte bereits angesprochen worden: Es geht bei diesen Jugendlichen nicht um eine zusätzliche Qualifizierung, um eine Weiterbildung.

Ich sage es einmal sehr deutlich: Die jungen Leute, über die wir reden, die „Problemjugendlichen“, haben von Schule die Schnauze voll. Das heißt, mit einer Weiterbildung auf der Schulbank erreichen wir diese jungen Menschen nicht. Wir müssen deswegen Programme schaffen, mit denen wir diese jungen Menschen in das Unternehmen, in den Arbeitsalltag integrieren. Wir haben

das Programm QAB I im Februar 2011 erfolgreich abgeschlossen. 70 % der Teilnehmer dieses Programms wurden in einen Arbeitsplatz integriert. Aufgrund der Situation, wie wir sie vorfanden, haben wir das Programm fortgeführt, QAB II, und dafür fast 45 Millionen Euro bewilligt. Seit Mitte 2010 haben fast 2 000 Teilnehmer hier ihre Qualifizierungsmaßnahmen begonnen.

Es gibt ein weiteres Programm: das Programm QAB dual. Das Thema duale Ausbildung ist hier bereits angesprochen worden. Wir wollen erreichen, dass wir mehr duale Ausbildung auch für diese Problemjugendlichen an den Lernorten, im Unternehmen und in der Berufsschule schaffen. Wir müssen den Kontakt schaffen von den jungen Leuten in das Unternehmen, wo sie im Arbeitsalltag auch sehen, dass sie gebraucht werden, und wo sie auch sehen und erkennen, welche Dinge man im Unternehmen tatsächlich erreichen kann. Deswegen liegt eine ganz klare Prämisse in diesem Zusammenhang auf der Integration dieser Problemjugendlichen in den ersten Arbeitsmarkt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir wollen auch die duale Berufsausbildung stärken. Ich hatte es bereits angesprochen. In Zeiten, in denen entsprechende betriebliche Ausbildungsplätze für die Vielzahl der jungen Menschen nicht zur Verfügung standen, war es richtig, sich auch mit anderen vollzeitschulischen Ausbildungen außerhalb der beruflichen Ausbildung um diese Jugendlichen zu kümmern. In dem Maße aber, in dem eine Veränderung auf dem Ausbildungsmarkt stattgefunden hat, ist es richtig, diese vollzeitschulischen Ausbildungen zugunsten der dualen Ausbildung zurückzuführen. Überall dort, wo es einen dualen Ausbildungsgang gibt, muss der vollzeitschulische Ausbildungsgang abgeschafft werden.

Frau Kollegin Stange, Sie haben zu Recht angesprochen, dass sich viele Unternehmen inzwischen beklagen und man junge Leute nicht mehr ausbilden möchte, weil sie zum Beispiel nach einem halben Berufsschultag für das Unternehmen nicht mehr zur Verfügung stehen, weil die Entfernungen einfach zu groß geworden sind. Diese Klage höre ich auch. Ich denke, wir sollten uns ganz vorurteilsfrei darüber Gedanken machen, ob das Wohnortprinzip hinsichtlich der Berufsschule in jedem Fall die richtige Lösung ist, oder ob es nicht sinnvoller für das Unternehmen ist, weil dann die Wege von der Berufsschule zum Arbeitsplatz kürzer werden und deswegen die Attraktivität für die Unternehmen steigen würde.

Ich weiß allerdings auch – –

Sie geben mir, Frau Stange, Herr Kollege Brangs, eigenartige Zeichen. Ich weiß nicht, was Sie mir damit bedeuten möchten.

Möchten Sie eine Zwischenfrage zulassen, Herr Minister?

Wenn es zur Klärung beiträgt, gern.

Frau Dr. Stange, bitte.

Ich will Sie gern fragen, damit ich das Zeichen aufklären kann: Haben Sie schon einmal mit Ihrem Kollegen Herrn Wöller darüber gesprochen, dass die Berufsschulen eventuell ihre Ausbildung dort durchführen, wo die Arbeitgeber sind, oder umkehrt die Arbeitgeber dort gefunden werden, wo die Berufsschulen ausbilden?

Ich habe, Frau Kollegin Stange, bewusst die Formulierung gewählt, dass wir uns vorurteilsfrei dieser Frage nähern sollten. Ich weiß sehr wohl, dass es dazu auch andere Auffassungen gibt und dass man berücksichtigen muss, welche Konsequenzen es für Berufsschulen hat. Wenn junge Leute in bestimmten Regionen die Ausbildungsplätze nicht mehr finden, dann stehen auch Berufsschulstandorte oder andere Dinge auf dem Spiel. Deswegen habe ich das bewusst positiv formuliert. Ich meine aber, dass wir uns dieser Frage widmen und sie diskutieren müssen, ohne dass ich jetzt hier und heute in jedem Fall sagen möchte, dass wir zu Veränderungen in der gesamten Fläche kommen wollen. Aber ich meine schon, dass es im Einzelfall auch dazu führen kann, dass ein Ausbildungsplatz im Unternehmen entsteht, wenn sichergestellt wird, dass der Jugendliche dort ausgebildet werden könnte, wo dann tatsächlich auch der Ausbildungsplatz ist.

Darf ich eine Nachfrage stellen?

Gern.

Dass Sie das nicht auf einmal lösen können, ist mir vollkommen klar. Die Schulnetzplanung läuft. Gibt es Abstimmungen zwischen Ihrem Haus und dem Haus des Kultusministeriums in der Schulnetzplanung für die Berufsschulzentren, denn diese Schulnetzplanung läuft aktuell?

Ich weiß, dass das Kultusministerium in dieser Frage eine andere Auffassung vertritt, und es wäre aus meiner persönlichen Sicht wünschenswert, wenn wir hier zu etwas Bewegung kommen könnten.

(Beifall der Abg. Thomas Jurk und Stefan Brangs, SPD)

Ich möchte gern in der Rede fortfahren. – Wir müssen uns auch darüber Gedanken machen, ob der Wunsch der Unternehmen, der an den Staat herangetragen wird, in jedem Fall jede Spezialisierung im Bereich der Berufsausbildung zu erfüllen, der richtige Weg ist. Nach meiner Auffassung ist es insbesondere Aufgabe des Staates, eine breite, eine solide berufliche Qualifikation zu schaffen. Es ist gerade die Stärke des dualen Systems, dass wir nicht

Spezialisten für einen ganz bestimmen Bereich haben, sondern dass wir eine breite Ausbildung haben, die den Jugendlichen später auch ermöglicht, verschiedene Wege zu gehen. An diesem Weg sollten wir festhalten und wir sollten uns darüber Gedanken machen, ob es nicht sinnvoll ist, das eine oder andere Vetorecht der Bundesländer gegenüber der Schaffung von neuen Ausbildungsbildern auf der Bundesebene zu schaffen, um genau diesen Trend von immer mehr Spezialisierungen zu vermeiden; ob es nicht sinnvoller ist, hier tatsächlich eine breite und solide Ausbildung einer spezialisierten Ausbildung vorzuziehen.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Frage der Durchlässigkeit zwischen den verschiedenen Wegen – sage ich einmal – der beruflichen Aus- und Weiterbildung, Durchlässigkeit natürlich auch in Richtung Hochschulen. Wir müssen eine gleichwertige Architektur – lassen Sie es mich einmal so formulieren – von beruflichem und akademischem Bildungsweg schaffen. Wir brauchen einen bedarfsorientierten Ausbau dualer Studiengänge an den Fachhochschulen und an den Berufsakademien. Wir müssen auch dafür sorgen, dass Bewerber ohne Abitur die Möglichkeit haben, an diesen Ausbildungen teilzuhaben.

Ich sage ganz deutlich – ohne in die Freiheit von Forschung und Lehre im Hochschulbereich eingreifen zu wollen –: Wir müssen uns überlegen, ob jede Hochschulausbildung tatsächlich dazu führt, dass ein Mensch, der sie durchläuft, auch eine Anstellung in einem Unternehmen erhält. Das heißt also: Auch die Hochschulen sind bezüglich der Bereitstellung ihrer Studienplätze dazu aufgerufen, sich daran zu orientieren, welche Dinge auf dem Arbeitsmarkt nachgefragt werden.

Ein weiteres Problem ist die Berufsorientierung.

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Das ist immer schwierig!)

Viele der Jugendlichen, die wir als „Problemjugendliche“ bezeichnen, die Bestandteil der Bugwelle sind, die Sie, Herr Kind, angesprochen haben, sind junge Menschen, die nicht dumm sind, sondern in ihrer schulischen Entwicklung vielleicht nicht die richtige Motivation hatten, weil sie nicht genau wussten, worauf sie lernen sollten, oder nicht gewusst haben, wofür sich das Lernen lohnt. Das heißt, das Thema Berufsorientierung spielt eine wichtige Rolle. Es muss unser Anliegen sein, jungen Menschen möglichst frühzeitig klarzumachen, welche Möglichkeiten sie später auf ihrem beruflichen Weg haben. Ein engeres Vernetzen von Schule und Wirtschaft ist deshalb sicherlich sinnvoll. In dem Maße, in dem sich Unternehmen an diesem Prozess beteiligen, wird in den Schulen deutlich, welche Dinge benötigt werden – und umgekehrt.

Es gibt sehr viele lobende Beispiele, gerade bei Kooperationen von Schulen und Wirtschaft. Leider hängt das viel zu oft vom persönlichen Engagement einzelner Lehrer, Eltern oder Unternehmen ab. Hier mehr zu tun würde sicherlich dazu beitragen, mehr Motivation bei jungen

Menschen zu erreichen, was verstärktes Lernen, bessere Noten und geringere Abbrecherzahlen bedeuten würde.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sehr geehrte Damen und Herren, lassen Sie mich zusammenfassend feststellen: Die Staatsregierung wird weiterhin ein Augenmerk auf die Weiterbildung von Menschen im Freistaat Sachsen legen, weil Weiterbildung für Arbeitnehmer eine verstärkte Arbeitssicherheit schafft. Weiterbildung sorgt dafür, dass Unternehmen die dringend benötigten Fachkräfte zur Verfügung stehen.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir werden in unserem Engagement nicht nachlassen, mehr junge Menschen – gerade Problemjugendliche und diejenigen, die noch in der Bugwelle sind – durch geeignete Maßnahmen an den ersten Arbeitsmarkt heranzuführen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und den GRÜNEN)

Ich rufe jetzt Herrn Abg. Heidan für das Schlusswort auf.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollegin Giegengack, dass Sie ratlos sind, ist verständlich. Das ist die richtige Bezeichnung bezüglich dessen, was Sie hier vorhin gesagt haben. Ich habe in den Redebeiträgen der Opposition keine Alternativen festgestellt, die Sie uns hier aufzeigen können.

(Unruhe bei der SPD – Zurufe von den LINKEN)

Sie haben etwas kritisiert, was es überhaupt nicht zu kritisieren gab; darauf gehe ich jetzt noch einmal ein. Dieser Antrag zeigt ganz deutlich, wie wichtig uns duale Ausbildung ist. Deswegen machen wir uns als Koalition für diese Ausbildung stark.

Herr Kind, Sie haben gesagt, dass Ausbildung notwendig ist, aber: Ausbildung setzt auch Arbeit voraus. Das, was Sie gesagt haben, ist genau das, was wir nicht wollen: die vollzeitschulische Ausbildung weiter zu pushen. Ein Beispiel: Als ich hier im Landtag, in meiner ersten Legislaturperiode im Jahre 2004 meine Arbeit begonnen habe, haben wir rund 700 Kosmetikerinnen, die kein Mensch gebraucht hat, in vollzeitschulischer Ausbildung ausgebildet.

(Zuruf von den LINKEN)

Das ist Fakt. Mit der dualen Ausbildung ist das durchaus möglich. Sie haben von problembelasteten Jugendlichen gesprochen, die in JVAs einsitzen oder andere soziale Probleme haben. Hier ist eine breit aufgestellte Jugend vorhanden. Denen müssen wir einen dualen Ausbildungsplatz geben.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, ich gestatte keine Zwischenfrage, weil meine Redezeit gleich zu Ende ist.

(Protest bei den GRÜNEN)

Zu Frau Dr. Stange: Frau Kollegin, entweder haben Sie meine Ausführungen zur Weiterbildung nicht richtig verstanden, oder Sie haben nicht zugehört. Ich hatte bezüglich Weiterbildung klare Formulierungen zu Berufsakademien getroffen, die teilweise von privaten Anbietern in den Ausbildungsmarkt gebracht werden, was, denke ich, auch wichtig ist; der Herr Minister hat gerade ausgeführt, wie viele Millionen der Freistaat in den Weiterbildungsscheck pumpt.

Die Struktur der Berufsschulen muss sich den demografischen Bedingungen sicherlich anpassen, das ist klar und bekannt, aber: Wir haben bereits gemeinsam Dinge erledigt, die für eine duale Ausbildung wichtig sind. Ich bitte Sie deshalb um Zustimmung unseres Antrags.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Frau Dr. Stange hat sich zu einer Kurzintervention gemeldet. Bitte.

Da Herr Heidan keine Zwischenfrage zugelassen hat, mache ich es auf diese Art und Weise.