Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Schreiber, Sie haben eben von der Schuldenfreiheit der Landeshauptstadt gesprochen. Wir kommen beide aus Dresden. Dazu meine Frage: Stimmen Sie mit mir überein, dass es, wenn mit Zustimmung der CDU-Fraktion im Dresdner Stadtrat der Kulturpalast umgebaut wird und statt der erhofften 35 Millionen Euro Fördermittel des Landes als Zuschuss nur 20 Millionen Euro fließen, die restlichen 15 Millionen Euro als revolvierender Fonds an den Freistaat Sachsen zurückgezahlt werden müssen, auch ein schuldenähnliches Geschäft ist?
Zum einen befinden wir uns hier – diesbezüglich gebe ich sogar Herrn Krauß mal recht – im Sächsischen Landtag, und wir müssen hier keine Dresdner Kommunalpolitik austragen.
Aber eines, liebe Frau Klepsch, ist natürlich klar: Erstens sind bei dem Thema die Messen noch nicht gesungen. Wo aber die Messen in Dresden bereits gesungen sind – das gebe ich Ihnen jetzt einfach mal mit –, ist beispielsweise das Thema Kultur-Kraftwerk Mitte, bei dem Sie gemeinsam mit den GRÜNEN und der SPD ein 90-MillionenEuro-Projekt beschlossen haben, wohl wissend, dass Sie überhaupt nicht wissen, woher Sie diese 20 bis 30 Millionen Euro an Mehrkosten nehmen sollen. Das haben Sie mit beschlossen.
Also kommen Sie nicht her und stellen sich hin, als würde niemand außer Ihnen eine solide Haushaltspolitik machen. Sie gehen Projekte ein, die Sie überhaupt nicht
finanziert haben, und schmücken das Ganze in dem Sinne dann aus, dass Sie sagen: Na ja, entweder Schulden aufnehmen oder beim Straßenbau kürzen.
Damit sind wir beim nächsten Punkt. Ich habe Ihnen nicht umsonst die Frage gestellt, warum Kinder und Jugendliche abgewandert sind. Ich sage Ihnen sehr deutlich: Die Kinder und Jugendlichen in Sachsen sind abgewandert – diesbezüglich haben Sie völlig recht – aufgrund von Arbeitsplatzproblemen und mangelnden Ausbildungsplätzen. Warum ist das denn so?
Sie sind die Fraktion, die am meisten immer wieder geißelt: Infrastrukturmaßnahmen in diesem Land. Für Sie sind sinnvolle Ausgaben immer nur Ausgaben im Sozialbereich, im Kinder- und Jugendhilfebereich. Aber Ausgaben in anderen politischen Bereichen, die genau dazu führen könnten, dass im ländlichen Raum Arbeitsplätze entstehen oder wenigstens gehalten werden, sind für Sie Ausgaben, die Sie als Betonpolitik von CDU und FDP bezeichnen. Das ist genau der Punkt, an dem wir sagen: –
– Ja, das sehe ich, aber ich würde zunächst den Satz beenden wollen. – Das ist genau der Punkt, an dem wir Ihnen sagen: Investitionen in Infrastruktur, die dazu führen, dass Arbeitsplätze vorhanden sind, sind genauso richtig und wichtig wie Investitionen im Sozialbereich. Und das muss ausgewogen sein.
Herr Schreiber, ich stelle Ihnen noch einmal die Frage. Sie müssen mir auch Gelegenheit geben, wenn die Sätze zu lang werden. Nicht, dass Ihre Rede beendet ist und Herr Jurk nicht die Möglichkeit hatte, Sie gegebenenfalls zu fragen, sofern Sie die Frage zulassen.
Sehen Sie, Herr Schreiber, ich habe auch Verständnis dafür, dass solch ein Schachtelsatz geschlossen werden muss. – Sehr geehrter Herr Kollege, Sie haben soeben übers Geld gesprochen. Wie hoch waren denn die Überschüsse im ersten Halbjahr 2011 im Haushalt des Freistaates Sachsen?
Herr Jurk, das fragen Sie am besten Ihre Kollegen, die im Finanzausschuss sitzen. Ich sitze nicht im Finanzausschuss, und es ist an dieser Stelle für mich auch nicht das Thema; denn wir haben jetzt keine Haushaltsberatung.
Ich wüsste aber nicht, was das mit der Großen Anfrage zum Jugendpolitischen Programm des Freistaates Sachsen hier und heute zu tun hätte.
Ich möchte noch eines sagen: Herr Mann hatte davon gesprochen, dass sich Fachkräfte in Dresden oder wo auch immer – vielleicht habe ich an dieser Stelle etwas falsch verstanden – selbst entlassen, weil sie nicht wissen, wie es im nächsten Jahr weitergeht. Wenn ich davon ausgehe, dass Sie von Fachkräften auf der kommunalen Ebene reden, dann muss ich Ihnen sagen: Ich sitze seit fast acht Jahren im Dresdner Jugendhilfeausschuss und habe es nicht einmal erlebt, dass sich Fachkräfte in vorauseilendem Gehorsam selbst entlassen, weil sie nicht wissen, wie es weitergeht. Wenn man sich die Situation in bestimmten kommunalpolitischen Bereichen anschaut, dann habe ich das – wie gesagt – bisher nicht erlebt.
Die Landesebene betreffend, muss ich Ihnen deutlich sagen: Wir wussten mitten im Jahr 2010 durch die notwendigen Bewirtschaftungsmaßnahmen der Staatsregierung, wie die Situation ist. Wir wussten letztendlich Mitte bzw. Ende des Jahres 2010, als der Haushalt vorgelegt worden ist, was im Haushalt zum Thema überörtlicher Bereich – Förderung Kinder- und Jugendhilfe drinsteht.
Als verantwortungsvoller Arbeitgeber muss ich deutlich sagen: Wenn ich weiß, dass da soundso viel weniger drinsteht und die Staatsregierung aufgrund der finanziellen Situation eben nur so viel einstellen konnte, dann muss ich logischerweise, wenn ich zu 80 oder 90 % von Fördertöpfen abhängig bin, mein Handeln danach ausrichten und mich darauf einstellen. Das ist der entscheidende Punkt. Ich kann nicht immer nur Gott vertrauen und in der Hoffnung leben, es bleibt schon alles so, wie es ist, und dann geht es irgendwie weiter. Die Welt dreht sich weiter und sie wird sich auch in den kommenden Jahren weiter drehen. Eines ist klar: Wir werden auch in den kommenden Jahren nicht mehr Geld in den Kassen unseres Landes haben, eher noch weniger als bisher.
Frau Herrmann, Sie bemängeln, dass uns die Staatsregierung nicht auf die Schwierigkeiten hinweist. Ich sage es jetzt mal ein wenig flapsig: Ich brauche keine Staatsregierung, um mitzubekommen, wo die Schwierigkeiten in der Kinder- und Jugendhilfe im Freistaat Sachsen liegen. Ich denke – Sie unterhalten sich sicher gerade mit Frau Giegengack über die Kinder- und Jugendhilfe in Sachsen und die Schwierigkeiten, die letztendlich damit verbunden sind –, wir hatten in der Vergangenheit genügend Möglichkeiten, haben sie jetzt und werden sie auch zukünftig haben, um über genau diese Knackpunkte zu reden – sei es Schulsozialarbeit, das Thema der Entwicklung der Kinder- und Jugendhilfe im ländlichen Raum, der Kinder- und Jugendschutz, der Umgang der freien Träger mit Fördergeldern und wie diese vonseiten des KSV ausgereicht werden. Ich denke, wir haben dort genügend Möglichkeiten, uns selbst darüber ein Bild zu machen.
Die jugendpolitischen Sprecher sind mittlerweile so nah beieinander, dass das – so hoffe ich – ein Bereich ist, bei dem wir begriffen haben, dass wir dort nur gemeinsam in eine Richtung marschieren können. Dazu fordere ich Sie weiterhin auf. Fensterreden bzw. populistische Unterstellungen helfen uns dabei nicht weiter.
Herr Mann, ich möchte das noch einmal klarstellen, weil mir das wichtig ist: Dass wir einen „Überbedarf“ an Fachkräften haben, sprich: einen „Überbedarf“ an Kindern und Jugendlichen, ist ja völliger Irrsinn, weil dem überhaupt nicht mehr so ist. Wir haben ja mittlerweile, demografisch gesehen, viel zu wenige Kinder und Jugendliche. Demzufolge müsste das entweder von mir ein Versprecher gewesen sein oder Sie haben es wirklich falsch verstanden.
Wir hatten in den Neunzigerjahren ein Überangebot an Kindern für die Ausbildungsstellen, die wir zur Verfügung hatten. Das Blatt hat sich aber gewendet. Wir haben jetzt zu wenige Kinder für Ausbildungsstellen, die wir eigentlich haben. Das heißt auch: Kinder- und Jugendhilfe und Schule und alle, die etwas damit zu tun haben, müssen sich etwas einfallen lassen.
Frau Klepsch, an Sie richte ich meinen letzten Satz: Dass sich die ganze Reihe und im Zweifel die Reihe rechts von mir, die Staatsregierung, für das Thema Kinder und Jugendliche interessiert und einsetzt, das finde ich, ehrlich gesagt, gut.
Ich fände es viel erschreckender, wenn sich keiner von denen dazu äußern würde. Demzufolge zeigt das, dass Kinder- und Jugendhilfe in der Sächsischen Staatsregierung einen hohen Stellenwert hat.
Sehr geehrter Herr Präsident! Ich würde gern vom Mittel der Kurzintervention Gebrauch machen, da mich Herr Schreiber mehrfach angesprochen hat. Herr Schreiber, ich glaube nicht, dass ich Sie falsch verstanden habe. Aber da wir uns hier ja zuhören, habe ich jetzt verstanden, dass Sie es anders gemeint haben. Das werte ich als gutes Zeichen, dass wir hier miteinander und nicht nur übereinander reden. Dabei möchte ich es bewenden lassen.
Der zweite Punkt: Auch wenn Sie selbst sagen, wir sollen nicht über Kommunalpolitik in Dresden reden, so haben Sie selbst mit diesem Thema angefangen. Wenn Sie versuchen, diese hochkomplexen Zusammenhänge in dieses Bild zu pressen, dass Sie 20 Euro von der Oma nehmen, um damit Schulden zu begleichen und aus den Zinsersparnissen daraus besser wirtschaften zu können, dann, denke ich, hinkt dieses Bild. Denn Dresden hat
nicht das gemacht, sondern Dresden hat die Oma verkauft. Dresden hat die Oma verkauft, um damit die Schulden zu begleichen.
Und wenn Dresden nicht viel Glück hat – was ich Dresden sehr wünsche – und dieser ausländische Investor am Ende zahlen muss, dann kann so etwas auch massiv schiefgehen.
Sie hatten noch einmal angesprochen, dass Sie nicht verstanden haben, wer hier wen entlässt. Es ist schlichtweg so, dass es auch für die Kommunen nicht absehbar war, dass wir im letzten Doppelhaushalt im Etat des Sozialministeriums gleich mit 14 % Kürzungen hineingingen, obwohl wir zum Haushaltsabschluss Überschüsse in Sachsen erwirtschaftet haben. Das war für die wenigsten Kommunen abzusehen. Dementsprechend gab es finanzielle Einbußen, nicht nur bei den überörtlichen Trägern, sondern auch auf lokaler Ebene. Das auszugleichen war kaum möglich. In diese Lücken konnte keiner mehr springen, weil kein Geld mehr da war. Deshalb gab es dort weniger Geld für gleiche Personalstellen. Das führte dazu, dass die Leute in vielen Häusern gesagt haben: Wir haben keine andere Wahl, als uns vor Ablauf des Jahres –
– wirklich selbst zu entlassen, damit wir mit weniger gewordenen Haushaltsmitteln arbeiten können, ohne dass die Arbeit und die Bedarfe zurückgegangen sind.
Ich hoffe, ich mache es etwas flinker. Um bei dem Oma-Bild zu bleiben: Der Unterschied zwischen Dresden und Leipzig ist der, dass wir noch eine Oma hatten, die etwas wert war, und nicht wie die SPD-geführte Stadt Leipzig uns an der Oma vorher schon und vor allen Dingen an den Enkeln und Kindern vergriffen haben, wenn ich an die Finanzpolitik dieser Stadt denke, auch im Hinblick auf Amerika und CrossBorder-Leasing etc. pp.
Wie gesagt, brüsten Sie sich nicht an dieser Stelle. Darin, was die Schwierigkeiten der Gegenwart angeht, sind wir uns einig: Es gibt viele, viele Probleme, die wir zu lösen haben. Wir werden sie auch lösen. Aber das Alternativkonzept zu dem Konzept „Keine Schulden machen“ kann nicht heißen, alles auf Pump zu finanzieren. Jetzt komme
ich wieder mit dem Satz von Sabine Friedel, den ich mir so schön gemerkt habe: „Ich möchte, dass es den Menschen heute gut geht.“ Wir möchten, dass es den Menschen auch morgen und übermorgen noch gut geht.