Im Jahr 2030 werden voraussichtlich bundesweit 450 000 Lehrerinnen und Lehrer, 580 000 Ingenieure fehlen. Nach aktuellen Prognosen steuert Sachsen bereits im Jahr 2014 auf eine schwierige Situation zu. Dann wird nämlich erstmals die Anzahl der jährlichen Berufsaussteiger die Anzahl der Berufseinsteiger übertreffen. Damit sind wir doch an dem Punkt, bei dem wir schon längst hätten gestalten müssen. Wenn es uns gelänge, die Quote der Schul- und Ausbildungsabbrecher jeweils um 50 % zu senken, bekämen auf einmal 22 000 junge Menschen in
Sachsen eine berufliche Perspektive. Eine 20-prozentige Senkung des Anteils der Geringqualifizierten würde 19 000 Fachkräfte für Sachsen gewinnen. Von daher ist die Nachwuchsförderung eine außerordentliche Herausforderung und die entscheidende Investition in die Zukunft unseres Landes.
Was aber hat Sachsen bezüglich der abschlussgefährdeten Kinder und Jugendlichen gemacht? Wir veranstalten Feriencamps und produktives Lernen und sagen: Das ist unsere Förderung dieser Jugendlichen. Dazu muss man aber sagen, dass diese Maßnahmen zum größten Teil über EU-Mittel finanziert werden. Wie sieht es aber in Zukunft aus, wenn die EU-Mittel nicht mehr in dieser Größenordnung fließen? Was machen wir dann? Dann bleiben wir bei der Quote, die wir jetzt haben, oder was?
Wir brauchen eine langfristige Überlegung in Bezug auf die Schulnetzplanung. In dem Handlungskonzept – es ist heute schon angesprochen worden – zwischen den ostdeutschen Ländern und dem Bundesbeauftragten wird vorgeschlagen, die Schulen zu konzentrieren und größere Schüler in Internate zu schicken. Das ist doch nicht innovativ, das kann doch nicht unsere Antwort auf den demografischen Wandel sein.
Wir sagen, ja, die Gestaltung des demografischen Wandels muss unbedingt erfolgen, man muss endlich mal anfangen und loslegen. Ich halte Sachsen – jedenfalls im Bereich Bildung – diesbezüglich nicht für ein Vorbild.
Das war die Abg. Frau Giegengack für die Fraktion GRÜNE. – Hat die NPD-Fraktion noch Redebedarf in dieser Rednerrunde? – Das kann ich nicht erkennen. Wir könnten damit eine dritte Rednerrunde eröffnen. Bei der einbringenden CDU sehe ich keinen Redebedarf. – Bei der FDP auch nicht. Gibt es bei den anderen Fraktionen Redebedarf in einer dritten Runde? – Das Wort ergreift erneut für die Fraktion DIE LINKE Herr Kollege Stange.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich sehe mich genötigt, doch noch etwas zu sagen. Erstens. Auch Fraktion DIE LINKE hat in den Haushaltsverhandlungen Vorschläge innerhalb des von der Staatsregierung vorgeschlagenen Budgetrahmens gemacht. Auch unser Konsens war, keine Mehrausgaben zu tätigen.
Zweitens, zum ÖPNV. Der Staatsminister – Herr Staatsminister, Sie entschuldigen, an dieser Stelle lobe ich Sie einmal – hat Transparenz dadurch hergestellt, dass er die Kosten für den City-Tunnel mit einem eigenen Haushaltstitel transparent gemacht hat. Er hat aber zugleich die im Doppelhaushalt vorgesehenen 104 Millionen Euro dem ÖPNV entzogen. Denn er hat nicht eingesehen, dass die
Mehrfinanzierung für den City-Tunnel – ebenso wie die Mehrfinanzierung für die Landesbank, denn hier wäre ja auch niemand auf die Idee gekommen, die Landesbank in einem kleinen Haushaltstitel zu verpacken und irgendwo einen Kahlschlag zu machen – eine gesamtstaatliche Aufgabe gewesen wäre. Man hätte ihn im Landesinvestitionsplan unterbringen müssen. Das war auch unser Ansatz. Dann hätte man beim ÖPNV nicht diesen Kahlschlag machen müssen.
Wenn jemand glaubt, dass die ÖPNV-Zweckverbände nicht in der Lage sind, selbst einzuschätzen, ob sie warme Luft durch die Gegend fahren oder tatsächlich Personen befördern, empfinde ich als starkes Stück. Das ist genau dieser Blödsinn – jetzt komme ich wieder zur Kritik –, den Ihr Minister, Herr Morlok, geäußert hat. Es ging um Effizienzreserven. Sie wussten gar nicht, woher Sie es holen sollten, weil sich die Effizienzreserven schon in dieser Effizienz, die Sie heute haben, widerspiegeln. Das ist der Punkt. Sie haben dennoch einen Kahlschlag gemacht, unter anderem mit gravierenden Auswirkungen für den ZVNL. Das wird sich im Übrigen auch auf den CityTunnel auswirken. Das ist eine interessante Geschichte.
ÖPNV und Schülerverkehrsfinanzierung: Lesen Sie noch einmal das Protokoll der Anhörung. So viel um die Ohren bekommen haben dieser Staatsminister bzw. die Staatsregierung für ein Gesetz schon lange nicht mehr. Sie zirkeln derzeit herum, wie Sie mit dem Gesetz überhaupt umgehen. Eigentlich gehört es eingestampft. Der Änderungsantrag wird umfangreich sein. Zugleich verändern Sie die Busförderung so, dass diese flexiblen Lösungen im ländlichen Raum nicht mehr möglich werden, weil die Busförderung in Zukunft nicht mehr abgerufen werden wird. Wer soll es sich leisten können, einen teueren Bus nach acht Jahren im Unternehmen rauszuschmeißen? Der ist ja noch nicht einmal vollständig bezahlt. Das ist der Punkt.
Lassen Sie mich noch eines sagen, wenn Sie sich hier als Vorbild gerieren und feiern. Das Berlin-Institut hat in einer Studie „Demografischer Wandel – Ein Politikvorschlag unter besonderer Berücksichtigung der neuen Länder“ einige dieser Modellprojekte in Sachsen unter die Lupe genommen und bewertet. Ich darf einmal aus der Bewertung zitieren: „Verbindlichkeit fraglich“, „Noch keine Ergebnisse“, „Breitenwirkung fraglich“, „vage“, „zu schwach“. – So zieht sich das durch die gesamte Studie. Sich dann als Vorbild zu gerieren – man muss schon ziemlich besoffen sein, um das hinzubekommen.
Meine Damen und Herren! Ich finde, Sie sollten auf schmalem Fuß Rhetorik üben und vor allem endlich anfangen, die Auswirkungen des demografischen Wandels zu bearbeiten, und zwar nachhaltig.
Kollege Stange, stimmen Sie mir zu, dass die von der Koalition angezettelte Debatte die Koalition scheinbar gar nicht interessiert, da beide Vorredner nicht mehr im Raum und der Debatte nicht mehr gefolgt sind? Stimmen Sie mir zu, dass die Koalition eine Scheindebatte führt?
Das war für die Fraktion DIE LINKE Herr Stange. – Ich sehe am Mikrofon 4 eine Wortmeldung für eine Kurzintervention. Bitte, Herr Kollege Bläsner.
Sehr geehrter Herr Präsident! Ich möchte mich auf die Rede des Vorredners beziehen. Das Thema Ausbildungsverkehrsfinanzierung wurde heute schon des Öfteren angesprochen. Es wurde gesagt, wir als Koalition würden den ländlichen Raum vernachlässigen. Ich möchte feststellen, dass die Neuregelung der Ausbildungsverkehrsfinanzierung im Wesentlichen für den ländlichen Raum gedacht ist. Es sind die kreisfreien Städte, die hier etwas abgeben müssen. Der Schwerpunkt wird hier ganz klar auf den ländlichen Raum gelegt.
Das war eine Kurzintervention des Herrn Kollegen Bläsner von der FDPFraktion. – Es reagiert darauf Herr Kollege Stange von der Fraktion DIE LINKE.
Vielen Dank, Herr Präsident! Herr Bläsner, der Unsinn wird durch ständige Wiederholungen nicht wahrer.
Hören Sie zu! – Fakt ist eines: In der Anhörung haben der Staatsminister bzw. die Staatsregierung von den Landkreisen so viel um die Ohren gekriegt, weil festgestellt wurde, dass der Staatsregierung ein Schüler im ländlichen Raum im Durchschnitt 25 Euro weniger wert ist als ein Schüler in den großen Städten. Fakt ist ferner, dass die Schülerverkehrsfinanzierung seit 16 Jahren – ich könnte noch einmal genau nachschauen, seit wie viel Jahren – nicht angepasst wurde.
Das sind die Fakten und nicht das, was Sie daherbeten. Die Landkreise, die die Beförderung durchziehen, haben sich massiv beschwert, weil es künftig keinerlei Investitionsspielraum mehr für sie geben wird. Das ist umso bedenklicher, als sie den demografischen Wandel gestal
ten oder bewältigen – wie auch immer Sie es nennen – und dabei auch noch ökologisch vorgehen wollen. Na dann Prost Mahlzeit!
Das war die Reaktion darauf. Gibt es in dieser Rednerrunde weiteren Redebedarf aus den Fraktionen? – Den kann ich nicht erkennen. Gibt es für weitere Runden Redebedarf? – Das erkenne ich auch bei Herrn Stange nicht mehr.
Damit hat die Staatsregierung in dieser 1. Aktuellen Debatte das Wort. Herr Staatsminister Beermann, bitte, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon verführerisch, die Demografiedebatte etwas kleinteiliger zu führen – angefangen von kleinen Biokläranlagen in Espenhain, die im Rahmen von Modellprojekten gefördert werden und die die Abwassergebühren auf einen Betrag von knapp 2,40 Euro herabsenken, über die Tatsache, wie eine Arbeitsmarktpolitik aussieht – wir haben die geringsten Arbeitslosenzahlen seit über 20 Jahren; das ist ein Erfolg dieser Regierung –, bis hin zu den demografischen Versäumnissen in der Bildungspolitik, wobei es mittlerweile keinen nationalen oder weltweiten Wettbewerb gibt, in dem Sachsen nicht vorn liegt. Diese Defizite, meine Damen und Herren, vermag ich nicht zu erkennen.
Deshalb erlauben Sie mir, dass ich versuche, wieder etwas zum Thema zurückzukommen und zu drei Stichworten etwas zu sagen. Sie lauten: Verantwortung, Vertrauen und Zuversicht.
Verantwortung ist das, was Sachsen in der Demografiepolitik tatsächlich nach vorn gebracht hat. Das ist auch Ihr Verdienst – parteiübergreifend – in diesem Hohen Haus. Nirgendwo gehört die Demografiefrage so zum politischen Common aller Parteien wie in Sachsen, und das seit Jahrzehnten.
Angefangen von Demografiekongressen, auf denen diskutiert wurde, über die Expertengruppe, die die Staatsregierung eingesetzt hat, bis hin – Sie haben es, Herr Fraktionsvorsitzender, vorhin schon erwähnt – zu dem dicken Bericht der Enquete-Kommission, den dieses Haus diskutiert hat – Sie haben ihn vor sich liegen –, hat die Demografiepolitik einen sehr hohen Stellenwert in Sachsen.
Die Fortführung dieses Stellenwertes ist genau das, was die Bundesregierung und auch das Berliner Bevölke
Ich denke, das, was gerade diese Regierung macht, ist, den einzelnen Akteuren Zuversicht zu vermitteln, indem man sagt:
rungsinstitut an anderer Stelle für Sachsen als herausragenden Erfolg bezeichnen. Die Fortführung dieser Analyse, dieser Politik und dieser Verantwortung ist Aufgabe der Staatsregierung, und das ist es, was die Bundesregierung in ihrem Demografiebericht als vorbildlich beschreibt. Das ist es, was in der vergangenen Woche auf der Regionalkonferenz der Regierungschefinnen und Regierungschefs der ostdeutschen Länder passiert ist, weil gerade Sachsen in diesem Kanon seine Verantwortung für demografische Entwicklung, für Politik auf einer demografisch-analytischen Lage wahrgenommen hat.
Das ist kein Schicksal, was uns demografisch überrollt. Das ist kein unabwendbares Ereignis, sondern wir haben es in der Hand, Zukunft entsprechend zu gestalten. Wir haben es in der Hand und dafür helfen wir euch über Netzwerke, praktische Beispiele, Vernetzung und Information, nicht nur demografisch verantwortlich zu handeln, sondern die demografische Herausforderung zu bewältigen. Wir als Staatsregierung haben es – der Demografietest ist schon angeklungen – selbst schon getan. Das, was die Bundesregierung als herausragend bezeichnet, ist die verantwortungsvolle Haushaltspolitik, um nur zwei Dinge zu nennen.