Positiv zu werten ist, dass sich vor allem bei europäischen Programmen wie „Jugend in Aktion“ die Fördermodalitäten deutlich verbessert haben, sowohl was die Förderhöhe als auch die Fördermodalitäten angeht. Es ist aber nicht zu übersehen, dass beim komplizierten Antragsverfahren somit nur große Verbände und Vereine durchblicken. Wir sollten die Landesmittel auf kleinere Vereine und Verbände konzentrieren, die eben nicht über jene Personalstärke verfügen, um den großen Aufwand bei der Beantragung solcher Fördermittel bewältigen zu können.
Ich will die Aufmerksamkeit aber noch auf einen anderen Punkt lenken. Jugendaustausch organisiert sich nicht von allein. Im Gegenteil, die Organisation eines Jugendaustausches ist enorm aufwendig. Es ist unrealistisch zu glauben, dass eine Jugendgruppe ohne hauptamtliche Unterstützung einen solchen Austausch organisieren kann.
Das beginnt bei der Beantragung der Mittel für die Maßnahme und hört bei der Abrechnung auf. Wenn wir wollen, dass Jugendliche die Möglichkeit haben, fremde Kulturen und Lebenswelten kennenzulernen, dann brauchen wir eine ausfinanzierte Struktur der Kinder- und Jugendarbeit, die genau diesen Austausch erst möglich macht. Ohne eine funktionierende Kinder- und Jugendarbeit in Sachsen wird es mittelfristig keinen Jugendaustausch, sondern nur noch Schüleraustausch geben.
Dass der Antrag also auf keine bedarfsgerechte Struktur der Kinder- und Jugendarbeit trifft, ist das eine. Andererseits kommt dieser Antrag von CDU und FDP, ausgerechnet von jenen Fraktionen, die schon längst hätten handeln müssen, um den strukturellen Schlamassel in der sächsischen Kinder- und Jugendarbeit zu beheben, den sie doch selbst angerichtet haben. Sosehr ich den Antrag mit meiner Fraktion auch unterstütze, so können wir einfach nur feststellen: Es wäre besser gewesen, darüber im Ausschuss im Detail zu sprechen, statt das Große und Ganze aus den Augen zu verlieren, das wir gerade in der Debatte vorher diskutiert haben.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, Herr Jurk, ich gebe Ihnen recht. Eigentlich kann man mit diesem Antrag nahtlos an die Debatte von vorhin anknüpfen. Grundsätzlich ist dazu zu sagen, dass es wichtig und notwendig ist, dass Jugendliche Gelegenheit haben, anderen Jugendlichen bei unseren europäischen Nachbarn zu begegnen, sie auch hierher einzuladen und sich über unsere gemeinsame Vergangenheit und die Belastungen, die sich aus dieser Vergangenheit ergeben, auseinanderzusetzen. Deshalb wird auch unsere Fraktion diesem Antrag zustimmen.
Es ist immer noch so – und wir haben das jetzt gerade auch im polnischen Wahlkampf erlebt –, dass manche Politiker der Meinung sind, dass man mit antideutschen Parolen und Ressentiments gegen Deutschland Wählerstimmen gewinnen kann. Auch wenn wir nach Tschechien schauen, in den Schluckenauer Zipfel, dann können wir dort erleben, wie deutsche und tschechische Nazis gemeinsam Front gegen Roma machen.
Genau in der Unvoreingenommenheit von jungen Menschen und in der Gelegenheit zum Austausch, die Begegnung bieten kann, liegt der Schlüssel zum Erfolg, dass wir anders mit unserer Vergangenheit umgehen und dass wir auch Verständnis füreinander entwickeln. Trotzdem – und das hatten die Vorredner gesagt – ist dieser Antrag sozusagen ein Schmalspurantrag. Erstens steht darüber „Jugendaustausch zwischen Sachsen und seinen europäischen Nachbarn ausbauen“. Das sind nicht nur Polen und Tschechen, sondern es gibt noch sehr viele Nachbarn mehr, die in diesem Antrag nicht bedacht werden. Dann ist es auch eine einseitige Form des Austausches, auf die dieser Antrag zielt.
Ich denke, ganz entscheidend ist aber, dass alle Jugendlichen die Chance haben, am Austausch und an Begegnung teilzunehmen. Gerade die von Ihnen angesprochenen Partnerschaften zielen stärker auf eine bestimmte Gruppe von Jugendlichen ab, um das einmal so zu formulieren, und sind nicht allen zugänglich. Deshalb werden wir dem Änderungsantrag der Linksfraktion zustimmen.
Ich glaube, man muss diesen Austausch mehr öffnen, damit auch Jugendliche, die zum Beispiel kein Gymnasium besuchen oder bestimmten Bevölkerungskreisen angehören, mehr an diesem Austausch teilnehmen können. Darüber hinaus ist natürlich auch der Austausch zu fördern, der in der sächsischen Landesjugendhilfeplanung vorgesehen ist und für den überörtliche Träger entsprechend ausgestattet sein müssen.
Ich möchte Ihnen einmal ein Zitat aus der gültigen Jugendhilfeplanung vorlesen. Dort steht auf Seite 61: „Der Anteil der Maßnahmen der internationalen Jugendarbeit liegt im Gesamtvergleich auf einem niedrigen Niveau. Das ist insoweit erwartbar, da es sich hier um Angebote handelt, die in der Beantragung und Durchführung ver
gleichsweise ressourcenkritisch sind. In diesem Zusammenhang wird von den Trägern in den Sachberichten ein hoher administrativer Aufwand bei der Beantragung der Mittel beanstandet.“ Darauf ist mein Kollege Jurk schon eingegangen. Das ist zum einen der Vorrang der EU und der Bundesförderung – diese Anträge müssen erst abgelehnt sein, bevor man Mittel aus der Förderrichtlinie in Anspruch nehmen kann –; zum anderen ist es das erwähnte Gastgeberprinzip, das verhindert, dass tatsächlich auch ein Austausch stattfinden kann.
Ich glaube, wenn wir das ernst nehmen, was Sie in Ihrem Antrag geschrieben haben, dann müssen wir an der Stelle die Ressourcen so ausstatten, dass Jugendbegegnung möglich ist. Das sollten wir dann auch tun. Ich hoffe, dass Sie sich im nächsten Haushaltsplan auch für internationalen Jugendaustausch einsetzen werden.
Die NPD-Fraktion hatte keinen Redebedarf signalisiert. Das hat sich nicht geändert. Damit schließe ich die erste Runde. – Mir liegen noch Wortmeldungen für eine zweite Runde vor. Für die CDU-Fraktion hatte das Herr Schreiber signalisiert.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktionskollegin Annekatrin Klepsch hat den vorliegenden Koalitionsantrag durchaus zutreffend kritisch hinterfragt. Aber trotz seiner Schwächen und jugendpolitischen Schmalspurigkeit kann der vorliegende Antrag ein Schritt zur praktischen Realisierung von Artikel 12 der Sächsischen Verfassung sein. Hierdurch wird er für uns LINKE interessant, da es in diesem Verfassungsartikel heißt: „Das Land strebt grenzüberschreitende regionale Zusammenarbeit an, die auf den Ausbau nachbarschaftlicher Beziehungen, auf das Zusammenwachsen Europas und auf eine friedliche Entwicklung in der Welt gerichtet ist.“ Wir LINKE haben stets dazu gestanden, dass diese Verfassungsbestimmung mit Leben erfüllt werden muss.
Meine Damen und Herren, was brauchen wir in der gegenwärtigen Lage in Europa mehr, als jeden noch so kleinen Schritt, um – wie es im Antrag heißt – Verständigung und Zusammenhalt zu fördern? Es ist also durchaus mit einem politischen Mehrwert verbunden, wenn sich dieses Hohe Haus etwas vertiefter mit dem grenzüberschreitenden Jugendaustausch, den dazu bestehenden Strukturen und der Position Sachsens beschäftigt.
Wenden wir uns zunächst dem sächsisch-polnischen Austausch zu. Die Ausgangslage ist hier für Sachsen nicht schlecht. Der Freistaat gehört neben Brandenburg und
Mecklenburg-Vorpommern zu den drei Bundesländern, die unmittelbar an Polen angrenzen. Unsere Nachbarwoiwodschaft Dolny Śląsk liegt unter den 16 polnischen Woiwodschaften im deutsch-polnischen Jugendaustausch bezüglich der Zahl der Projekte und der Teilnehmerzahlen auf Platz 1. In der Jugendaustauschstatistik bezüglich der deutschen Bundesländer sucht man Sachsen auf diesem Platz allerdings vergeblich. Im Hinblick auf die Anzahl der Projekte findet sich Sachsen 2010 auf Platz 6. Vor dem Freistaat liegen Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Baden-Württemberg und MecklenburgVorpommern. Was die Anzahl der Teilnehmer an Jugendaustauschprojekten betrifft, so befindet sich Sachsen wenigstens auf Platz 4. Brandenburg ist im Vergleich mit Sachsen um das Doppelte bis Dreifache besser.
Es gibt also aus sächsischer Sicht mehr als genügend Grund, ernsthaft über eine effektivere Ausgestaltung des Jugendaustausches mit unseren polnischen Nachbarn nachzudenken und hierzu neue, sächsische Ideen zu entwickeln.
Eine dieser Ideen könnte zum Beispiel von dem in der Statistik des deutsch-polnischen Jugendaustausches weit vor uns platzierten Bundesland Nordrhein-Westfalen übernommen werden. Während das offizielle DeutschPolnische Jahr in den Jahren 2005 und 2006 auch in Sachsen begangen wurde, aber augenscheinlich wenig nachhaltige Effekte zeigte, wird in NRW in den Jahren 2011 und 2012 das offizielle Polen-NordrheinWestfalen-Jahr begangen. Na, liebe Kolleginnen und Kollegen des Hohen Hauses und werte Mitglieder der Staatsregierung, könnte ein spezielles Polen-Sachsen-Jahr nicht auch neue Impulse für den sächsisch-polnischen Jugendaustausch setzen? Wir von den LINKEN würden eine solche Initiative jedenfalls unterstützen.
Meine Damen und Herren, eine wesentliche Frage zur Ausgestaltung des deutsch-polnischen Jugendaustausches ist an dieser Stelle auf jeden Fall noch zu erörtern. In seinem aktuellen Jahresbericht kritisiert das DeutschPolnische Jugendwerk, dass – Zitat – „anders als im Falle des Deutsch-Französischen Jugendwerkes die deutschen Bundesländern ihre Kompetenzen in Hinsicht auf die Förderung deutscher Schüler in Austauschprojekten mit Polen nicht auf das Deutsch-Polnische Jugendwerk übertragen haben“.
Daraus ergibt sich, dass, anders als im deutschfranzösischen Jugendaustausch, bei Austauschprojekten mit polnischen Jugendlichen den Schülerinnen und Schülern aus der Bundesrepublik und somit auch aus Sachsen das Deutsch-Polnische Jugendwerk keine Zuschüsse für Reisekosten nach Polen erteilen kann. Auch die für deutsche Teilnehmer anfallenden Programmkosten eines in Deutschland durchgeführten Projektes können durch das DPJW nicht bezuschusst werden. Zwar besteht die Möglichkeit, sich in einem gesonderten Antrags- und
auch Abrechnungsverfahren um sächsische Fördermittel zu bewerben, aber durch diese werden für Maßnahmen in Sachsen nur bis zu 75 % der Projektkosten und für Maßnahmen in Polen nur bis zu 70 % der Reisekosten ersetzt.
Die sich hieraus für sächsische Schüler und auch Lehrer ergebenden Schwierigkeiten und Hindernisse im deutschpolnischen Jugendaustausch sind aus Sicht der LINKEN nicht hinnehmbar. Wenn der Jugendaustausch zwischen Sachsen und seinen europäischen Nachbarn ausgebaut werden soll, dann ist an dieser Stelle Geiz nicht geil. Deshalb haben wir diesen Punkt auch in unserem Änderungsantrag aufgegriffen.
Meine Damen und Herren, kommen wir nun zum sächsisch-tschechischen Jugendaustausch. Hier war die Situation zunächst viel schwieriger. Im Regierungsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der damaligen ČSFR vom November 1990 wurde zunächst kein deutsch-tschechisches Jugendwerk geschaffen, sondern lediglich die Gründung eines bilateralen Jugendrates vereinbart. Erst seit 1997 sind der DeutschTschechische Zukunftsfonds und das Koordinierungszentrum Deutsch-Tschechischer Jugendaustausch „Tandem“ tätig.
Auch innerhalb dieser Möglichkeiten des deutschtschechischen Jugendaustausches sind die Position und das Engagement Sachsens keineswegs zufriedenstellend. Von der Gründung des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds bis etwa 2006 kamen nur etwa 6,6 % der geförderten Projekte aus Sachsen. Dies ist für Sachsen aufgrund seiner unmittelbaren Nachbarschaft zu Tschechien nicht akzeptabel.
Seither ist zwar eine erfreuliche Erhöhung des Anteils der sächsischen Projekte feststellbar, aber immer noch liegen wir zum Teil erheblich hinter Bayern zurück.
Im Bereich der durch das Koordinierungszentrum Deutsch-Tschechischer Jugendaustausch „Tandem“ geförderten Projekte ist die Lage für Sachsen etwas günstiger. Der Abstand zu Bayern ist bei der Anzahl der Maßnahmen, der Teilnehmer und der erlangten Förderung geringer als beim Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds. In Einzelfällen konnte Bayern erreicht oder sogar leicht überflügelt werden.
Als durchaus positiv vermerken will ich auch die Tatsache, dass Sachsen die Grundkosten des Koordinierungszentrums mit finanziert und diesen Betrag vor zwei Jahren sogar leicht auf nunmehr 60 000 Euro jährlich erhöht hat. Allerdings habe ich ernste Zweifel, ob die damit gegebene zehnprozentige Förderung – Bayern zahlt 30 % und der Bund 60 % – für Sachsen als unmittelbarem Nachbarn Tschechiens angemessen ist. Soll der sächsischtschechische Austausch wirklich, wie im vorliegenden Koalitionsantrag formuliert, ausgebaut werden, so gilt der bereits zitierte Satz vom nicht geilen Geiz auch hier.
Meine Damen und Herren, der Vorschlag, den Jugendaustausch vor allem an für Sachsen und seine Nachbarn
historisch bedeutsamen Orten zu unterstützen, wird von meiner Fraktion mitgetragen, hinsichtlich der exemplarisch genannten Gedenkstätten in Krzyżowa/Kreisau und Terezín/Theresienstadt sogar ausdrücklich unterstützt. Die Benennung weiterer historisch bedeutsamer Orte in diesem Zusammenhang sollte aber ausdrücklich im Einvernehmen mit den polnischen und tschechischen Partnern erfolgen.
Meine Damen und Herren, abschließend kann festgestellt werden, dass der vorliegende Antrag nicht zum Anlass für Selbstgefälligkeit oder sogar Selbstbeweihräucherung genommen werden sollte, sondern für Sachsen als Impuls verstanden werden muss, neue, mutige Schritte zur Verbesserung des grenzüberschreitenden Jugendaustausches zu gehen. Damit diese Schritte nicht gar so klein und zu langsam gesetzt werden, haben wir von den LINKEN das dazu Notwendige in unserem Änderungsantrag formuliert.
Ich frage die Abgeordneten: Wünscht noch ein Abgeordneter in der zweiten Runde der allgemeinen Aussprache das Wort? – Das kann ich nicht erkennen. Ist eine dritte Runde gewünscht? – Das kann ich auch nicht erkennen. Die Staatsregierung? – Herr Staatsminister Prof. Dr. Wöller, Sie haben das Wort.
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich denke, im Verlauf dieser Debatte ist deutlich geworden, dass die Kooperation und der Austausch von Sachsen mit Polen und Tschechien sowohl auf qualitativ als auch quantitativ hohem Niveau anzusiedeln ist. Die Staatsregierung, die Lehrkräfte, die Schulträger und alle weiteren Beteiligten bemühen sich intensiv und erfolgreich um einen möglichst nachhaltigen Austausch. Das ist auch völlig in Ordnung, denn – im behandelten Antrag wurde das dankenswerterweise bereits sehr richtig angesprochen – für die Gegenwart und für die Zukunft der jungen Menschen ist es von größter Wichtigkeit, die Ereignisse der Vergangenheit zu kennen.
Konrad Adenauer hat im Rückblick auf die Zeit nach dem Krieg gesagt: „Die Einheit Europas war ein Traum Weniger, sie wurde eine Hoffnung für viele, und sie ist heute eine Notwendigkeit für alle.“
Vor 60 Jahren beschäftigten sich nur Visionäre mit dem Thema Europa. Heute ist europäisches Denken und Handeln alltäglich. Schule kann und muss dazu beitragen, dass junge Menschen ein Bewusstsein für die eigene europäische Geschichte entwickeln. Schule kann und muss helfen, Respekt vor und Interesse an europäischer Vielfalt zu wecken und auszubauen.
Jean Monnet, einer der Mitbegründer der Europäischen Gemeinschaft, hat gesagt: „Wenn ich die gesamte europäische Gemeinschaft noch einmal zu gestalten hätte, so
Das bedeutet, dass das Verhältnis der Menschen füreinander und der Austausch untereinander eine der wichtigsten Voraussetzungen dafür ist, dass Europa weiter zusammenwächst.