Protocol of the Session on October 12, 2011

Frau Friedel, bitte.

Herr Staatsminister, herzlichen Dank. Ich habe Sie jetzt so verstanden, dass Sie gesagt haben: All jene Sachverständigen, deren berufliche Zukunft durch die Umsetzung des Gesetzes beeinflusst

wird, seien nicht neutral, weil sie betroffen sind. Würden Sie sich in dem Sinne als neutral und nicht betroffen bezeichnen?

Sehr geehrte Frau Abgeordnete, ich glaube, auch in diesem Punkt haben Sie nicht richtig verstanden, was ich gesagt habe. Ich habe das nicht generalisierend gesagt, sondern ich habe auf eine konkrete Nachfrage des Kollegen Lichdi geantwortet.

(Eva Jähnigen, GRÜNE, und Enrico Stange, DIE LINKE, stehen am Mikrofon.)

Herr Martens, es gibt zwei weitere Nachfragen.

Ich würde gern noch einige Ausführungen zu den hier angemahnten Kosten machen.

Dann fahren Sie bitte fort.

Ich gehe davon aus, dass sich danach etliche der hier möglichen Fragen erledigen werden.

Die Frage der Kosten für die Wirtschaftlichkeitsberechnung sind immer wieder Gegenstand von Debatten – auch in diesem Haus. Die Kosten für die Umsetzung der Standortkonzeption sind ressortgenau und im Einzelnen auch standortgenau beziffert worden. Sie betragen 309 Millionen Euro. Darin sind im Übrigen weitaus mehr Kosten inbegriffen, Frau Jähnigen, als nur Umzugskosten.

(Eva Jähnigen, GRÜNE: Eben!)

Diese Summe setzt sich – dabei müssen Sie eben aufpassen – zusammen aus geplanten Netto-Neubauinvestitionen in Höhe von 295 Millionen Euro und übrigen Aufwendungen wie Umzugskosten, Trennungsgelder oder ITAnwendungen Anpassungsmaßnahmen in Höhe von 14 Millionen Euro. Diesen Aufwendungen stehen Minderausgaben von insgesamt 1,1 Milliarden Euro gegenüber. Es sind vor allen Dingen Personalminderausgaben, die wir dargelegt haben. Hierzu kommen Einsparungen durch aufzugebende Mietobjekte sowie mögliche Einnahmen aus der Verwertung nicht mehr benötigter Objekte in Höhe von über 48 Millionen Euro.

Per Saldo resultiert damit für den Freistaat Sachsen für den Zeitraum bis zur vollständigen Umsetzung der Standortkonzeption ein finanzieller Vorteil von rund 842 Millionen Euro. Das ist ein beträchtlicher Betrag. Ich wüsste nicht, welche Vorschläge der Opposition hierzu vorliegen, mit denen überhaupt irgendwelche Einsparungen erzielt werden sollten.

Auch das kennzeichnet diese Diskussion: dass man grundsätzlich immer Vorgaben der Staatsregierung verlangt, diese dann als unzureichend zurückweist, sich aber selbst nicht die Mühe macht, auch nur einen Änderungsvorschlag hierzu einzubringen.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

Herr Dr. Martens, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?

Ich gestatte!

Herr Stange, bitte.

Herr Dr. Martens, Entschuldigung, dass wir derzeit noch in der Opposition sind. Sie sind in der Staatsregierung. Es obliegt Ihnen, entsprechende Entscheidungen vorzubereiten und Gesetzentwürfe zu Ihrer Staatsmodernisierung einzubringen.

Nun zu meiner Frage. Herr Dr. Martens, wie viele Betroffene haben Sie im Zuge des staatlichen Anhörungsverfahrens und im Zuge der Erarbeitung dieses Gesetzentwurfes angehört?

Sehr geehrter Herr Stange, wir haben in diesem Verfahren zur Vorbereitung der Standortekonzeption intern etliche Betroffene angehört. Selbstverständlich werden auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Behörden, zum Beispiel der Justiz, frühzeitig unterrichtet und umfassend eingebunden. Ein Kennzeichen des Standortegesetzes ist seine Langfristigkeit und seine Vorhersehbarkeit.

Mit dieser Konzeption schaffen wir Klarheit für einen längeren Zeitraum und werden dies auch mit den Beteiligten besprechen. So werden wir, insbesondere, was die notwendigen Personalmaßnahmen angeht, dies frühzeitig mit allen Betroffenen umfassend erörtern.

Gestatten Sie eine Nachfrage?

Ich möchte jetzt zum Ende kommen.

Meine Damen und Herren! Neben diesem Standortegesetz – auch das wird verkannt – ist es nicht nur die Struktur, die wir verändern müssen, sondern wir werden uns im Rahmen der Staatsmodernisierung auch einem geänderten Kommunikationsverhalten der Bürgerinnen und Bürger anpassen, das heißt, wir werden versuchen, den Gang zur Behörde für so viele Bürger wie möglich überflüssig zu machen, zum Beispiel durch die Nutzung neuer Kommunikationsmittel.

Wir setzen dabei auf den Zugang zu Ämtern und Behörden, wie die Rufnummer D 115 oder die Internetplattform „Amt 24“. Im Weiteren wollen wir mit Blick auf ältere Mitmenschen, die im Umgang mit dem Internet nicht so erfahren sind, über die Bürgerplattform und das Bürgerterminal Zugangsmöglichkeiten schaffen. All das wird die Realität des Verwaltungshandelns und der Verwaltungsar

beit in Sachsen deutlich verändern. Das wird ein anderes Bild ergeben, auch der Verwaltung und des Zugangs.

Es wird eine modernere Verwaltung sein. Wir richten die Strukturen auf die Zeit nach 2020 aus. Auch wenn manche Struktur gegenwärtig noch leidlich funktionieren mag, so stellt uns das nicht zufrieden, sondern wir wollen auf die Herausforderungen antworten, die ab 2020 auf uns zukommen, und uns dann nicht von der Hektik und den Ereignissen treiben lassen.

Das ist der Unterschied zur Opposition: dass wir vorausschauend, verlässlich und solide planen und dieses umsetzen. Lassen Sie uns das nach der weiteren Befassung in

den Ausschüssen in diesem Haus nochmals in aller Ruhe diskutieren.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Meine Damen und Herren! Damit ist diese Debatte abgeschlossen. Der Tagesordnungspunkt ist beendet. Ich unterbreche die heutige Sitzung bis 13:55 Uhr für eine Mittagspause.

(Unterbrechung von 13:07 bis 13:55 Uhr)

Meine Damen und Herren! Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 4

2. Lesung des Entwurfs Gesetz zur Änderung der Verfassung des Freistaates Sachsen und zur Änderung des Gesetzes über Volksantrag, Volksbegehren und Volksentscheid

Drucksache 5/3705, Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE

Drucksache 5/7061, Beschlussempfehlung des Verfassungs-, Rechts- und Europaausschusses

Den Fraktionen wird das Wort zur allgemeinen Aussprache erteilt. Die Reihenfolge in der ersten Runde lautet DIE LINKE, CDU, SPD, FDP, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Ich erteile Frau Roth für die einbringende Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu Beginn meines Beitrages möchte ich Ihre Fantasie anregen. Leider sind nur sehr wenige Abgeordnete anwesend, deren Fantasie ich anregen kann. Aber Herr Piwarz ist da und er ist bekannt für seine reiche Fantasie.

(Zurufe der Abg. Volker Bandmann und Christian Piwarz, CDU)

Lassen Sie uns die Demokratie doch einmal bildlich darstellen als eine junge, fröhliche, mitreißende, sehr lebendige Frau. Meine Herren, es kann nur eine Frau sein. Die Demokratie und die Volksherrschaft sind weiblich.

(Staatsminister Dr. Jürgen Martens: Ja!)

Demokratia – so ist ihr griechischer Name – eilt auf ihren wohlgeformten Beinen immer dorthin, wo Probleme auftreten. Weil sie sehr anziehend ist, beteiligen sich an Meinungsbildung, Problemlösungen und gesellschaftlicher Gestaltung viele, viele Menschen – auch jene, die für fünf Jahre vom Volk zu Volksvertretern gewählt worden sind. Das eine Bein Demokratias verkörpert nämlich die repräsentative und parlamentarische Demokratie, das andere Bein die direkte Demokratie.

Demokratia ist eine sportliche und kühne Frau, aber die Hürden, die sie mit dem Bein direkte Demokratie beim Lauf zur Teilhabe, Mitbestimmung und Entscheidung in Sachsen zu überwinden hat, sind überdurchschnittlich

hoch. So bleibt sie beim Sport zur Problemlösung hängen, stolpert über die hohen Hürden und fällt. Am Bein wird ein komplizierter Bruch diagnostiziert.

Demokratia kann nicht mehr gerade stehen, geschweige denn laufen. Ein Standbein ist kaputt. Sie ist nicht mehr lebendig, sie humpelt, kränkelt und geht am Stock. Doch sogar der wird ihr von der Staatsregierung, den Herrschenden, immer wieder entrissen. So knickt auch die repräsentative Demokratie ein. Als Beispiel seien dafür die Landesbank, die Kreisreform oder jüngst die Handygate-Affäre genannt.

Meine Damen und Herren! Wir, die das Volk im Parlament repräsentativ vertreten, sollten die deutlichen Signale aus ganz Deutschland endlich hören. Stuttgart 21 und aktuell die Auseinandersetzung um die Flugrouten in Berlin, aber auch die Wahlbeteiligung zeigen, dass das Volk eine gesunde, lebendige Demokratie fordert und nicht gewillt ist, die Arroganz der Macht länger zu ertragen. Wir müssen handeln.

Deshalb, sehr verehrte Volksvertreter von CDU und FDP, springen Sie über Ihren ideologischen Schatten und stimmen Sie unserem Gesetz und den dazu vorgelegten Änderungen zu!

(Christian Piwarz, CDU, steht am Mikrofon.)