Protocol of the Session on October 12, 2011

(Zuruf des Abg. Andreas Storr, NPD)

Deswegen heißt es, hier deutlich Flagge zu zeigen. Unbenommen davon – das will ich an der Stelle noch einmal deutlich machen – lehnen wir auch jegliche Form von linker Gewalt, von Linksextremisten ab.

(Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Ganz klar ist aber zu sagen, dass wir als Erstes den Dialog der demokratischen Parteien in diesem Hohen Hause und in der Stadt Dresden brauchen, um gemeinsam ein Vorgehen zu besprechen, wie wir jeglicher Form von Gewalt entgegentreten. Dazu brauchen wir Ihre klugen oder altklugen Ratschläge nun wahrlich nicht.

(Andreas Storr, NPD: Das sind keine Ratschläge, das sind Hinweise!)

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Als Nächstes spricht für die miteinbringende Fraktion der FDP Herr Kollege Karabinski.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! CDU und FDP haben diese Aktuelle Debatte beantragt, weil wir der Auffassung sind, wir müssen unbedingt einmal über die Demokratieauffassung von Teilen der Opposition reden. Den Anlass dafür hat uns die sogenannte Aktivierungskonferenz am vergangenen Wochenende geliefert.

Wir haben den Eindruck, Teile der Opposition dulden und unterstützen jegliches Mittel, um rechte Demonstrationen rund um den 19. Februar zu stören, zu verhindern, gegebenenfalls sogar mit Gewalt zu sprengen.

(Andreas Storr, NPD: Genau das sind die Absichten! Alles richtig!)

Wir müssen an dieser Stelle aber sagen: In der Demokratie gelten die Grundrechte für alle Menschen,

(Andreas Storr, NPD: Genau! – Beifall bei der NPD)

auch für die, deren Auffassung wir nicht teilen. Auch für die Feinde der Demokratie gelten die Rechte der Demokratie. Es ist unbestritten: Es ist unerträglich, es ist abartig zu sehen, wie rechte Parteien und Vereine jedes Jahr zum Jahrestag der Bombardierung Dresdens durch die Straßen ziehen, die Bombardierung und die hohen Opferzahlen missbrauchen, um ihre menschenverachtenden Parolen und Forderungen unter das Volk zu bringen. Aber: Sind deswegen auch alle Maßnahmen und Aktionen einschließlich der Gewalt gegen Menschen nach dem Motto „Der Zweck heiligt die Mittel“ gerechtfertigt? – Ich glaube, das ist nicht der Fall.

Wir müssen uns schon fragen: Ist Gewalt gerechtfertigt, Gewalt gegen die Einsatzkräfte der Polizei, die nur ihren Job machen, die versuchen, die öffentliche Sicherheit aufrechtzuerhalten, und die versuchen, die Demonstrationen und die Gegendemonstrationen einigermaßen friedlich ablaufen zu lassen? Nein! Die Gewalt ist nicht gerechtfertigt.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit aus Artikel 8 Grundgesetz deckt Gegenveranstaltungen in Sicht- und Hörweite der Rechten, so, wie Sie es auch immer wieder betonen. Das sehe ich ganz genauso wie Herr Hartmann.

Gewalttätige Maßnahmen und Blockaden von genehmigten Demonstrationen sind durch den Artikel 8 des Grundgesetzes nicht gedeckt. Genau solche Maßnahmen standen im Mittelpunkt eines Blockadeseminars – beispielsweise das Training zur Durchbrechung von Polizeiketten.

Ein solches Blockadetraining sollte am 7. und 8. Oktober – vergangenes Wochenende –, organisiert vom Bündnis „Dresden Nazifrei“, im Rahmen einer sogenannten Aktivierungskonferenz stattfinden. Der Programmpunkt „Blockadetraining“ wurde allerdings kurzfristig von der Tagesordnung heruntergenommen. Das geschah mit Sicherheit nicht aus Einsicht, sondern auf Druck der Universitätsleitung.

Wie wäre es sonst zu erklären, dass auf der Internetseite des Bündnisses im Resümee zu der Aktivierungskonferenz unverhohlen folgende Aussage zu lesen ist – ich zitiere das Bündnis: „Dennoch sehen wir, dass eine inhaltliche Vermittlung eines solchen Trainings in Dresden notwendig ist. In diesem Zuge wollen wir das Training in den nächsten Wochen in Dresden nachholen, um zu vermitteln, was es bedeutet, zu blockieren, und wie wir spektrenübergreifend und solidarisch Aktionen auf einer Blockade gestalten.“

(Andreas Storr, NPD: Vorbereitung einer Straftat ist das, und die Regierung guckt zu!)

Meine Damen und Herren von der Opposition, friedlicher Protest sieht anders aus!

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

Interessant und bezeichnend für das Demokratieverständnis beispielsweise der Sozialdemokraten ist, dass man über einen Banner der Dresdner Jungsozialisten ohne Weiteres auf die Internetseiten des Bündnisses „Dresden Nazifrei“ kommt, auf der man die eben zitierten Aussagen nachlesen kann.

Eigentlich ist es kein Wunder, weil der Sprecher dieses Bündnisses auch Angestellter einer SPD-Abgeordneten ist: der innenpolitischen Sprecherin der SPD-Fraktion.

(Zuruf des Abg. Andreas Storr, NPD)

Frau Friedel hat offenbar überhaupt kein Problem. Einerseits fordert sie im Landtag öffentlich wirksam am 14. September, dass Straftaten konsequent verfolgt werden müssen. Sie bringt außerdem immer wieder ihre Hochachtung vor der Leistung der sächsischen Polizeibeamten für ihren Einsatz zum Ausdruck. Andererseits beschäftigt sie den Sprecher des Bündnisses „Dresden Nazifrei“ – einen der Verantwortlichen für die geplanten Anleitungen zur Blockade und des daraus resultierenden gewalttätigen Widerstandes gegen Polizeibeamte.

Anstatt über Konsequenzen nachzudenken und sich zu fragen, ob die Verknüpfung mit ihrer Funktion als innenpolitische Sprecherin tatsächlich tragbar ist, verkündet sie die soeben zitierten Tatsachen freudig auf ihrer Homepage. Frau Friedel, unterlassen Sie künftig Ihre Doppelzüngigkeiten! Sie brauchen nicht mehr zu betonen, dass Sie Hochachtung und Respekt vor den Polizeibeamten haben; kein Polizeibeamter kann das noch aus Ihrem Mund hören und ertragen.

(Beifall bei der FDP, der CDU, der NPD und der Staatsregierung – Zuruf des Abg. Andreas Storr, NPD)

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist gleich zu Ende.

Einen Satz möchte ich noch sagen: Es ist auch lächerlich, dass Sie so vehement gegen das Stellenkonzept ankämpfen. Wenn Sie solche Blockadetrainings und gewalttätigen Auseinandersetzungen nicht indirekt fördern würden, wäre die Polizei entlastet.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung – Unruhe bei den LINKEN und der SPD)

Das war für die miteinbringende Fraktion der FDP der Kollege Karabinski. – Für die Fraktion DIE LINKE spricht nun Herr Kollege Bartl.

(Karl Nolle, SPD: Was hat denn der FDP-Kollege heute Morgen geraucht?)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Hartmann, ich gebe zu, dass Sie meine Fraktion und mich mit der Herangehensweise überrascht haben. Die Rede passt nämlich nicht zur Überschrift.

(Zuruf der Abg. Andreas Storr und Jürgen Gansel, NPD)

Hätten sich die demokratischen Fraktionen in diesem Hause darüber verständigen sollen, dass es in der Bundesrepublik Deutschland eine überwiegende Mehrheit gibt, die der Auffassung ist, dass es nach dem Maßstab des Grundgesetzes nicht normal ist, dass Neonazis einen derartigen Jahrestag missbrauchen, um ihre Geschäfte auf dem Buckel der damaligen Opfer zu besorgen?

(Andreas Storr, NPD: Meinungsbekundungen sind nie ein Missbrauch! Das ist ein Grundrecht!)

Das Problem der Auseinandersetzung im Rahmen des 13. und 19. Februar in Dresden ist die Entwicklung in den letzten Jahren. Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit schließt im Kernbereich ausdrücklich das Recht auf Gegenversammlung in Sicht- und Hörweite ein. Kollege Hartmann räumt dieses Recht heute ausdrücklich ein. Dieses wurde unterbunden.

(Kerstin Köditz, DIE LINKE: Genau!)

Es ist dadurch unterbunden worden, indem gesagt wurde, dass nur ein Teil – nämlich der, der nach der Erinnerungskultur von CDU und FDP als „ehrbar“ gilt – in der Altstadt demonstrieren durfte. Der Rest der Demonstranten hatte grundsätzlich an dem anderen Elbufer zu demonstrieren, an dem die Nazis aufmarschierten.

(Andreas Storr, NPD: Das war gerechtfertigt!)

Die Verletzung des Grundrechts auf Gegendemonstrationen in Sicht- und Hörweit und zum Ausdruck zu bringen, dass man nicht damit einverstanden ist, dass der europaweit größte Neonaziaufmarsch am 13. Februar in Dresden stattfindet, hat dazu geführt, dass es zu den besagten Auseinandersetzungen kam. Es hat außerdem dazu geführt, dass es Überlegungen gab, wie man verhindert, dass Neonazis tatsächlich ungehindert durch Dresdner Straßen in besten Stadtgebieten marschieren können. Diese Auseinandersetzung haben sowohl Demokraten im Stadtrat als auch im Landtag geführt. Sie wird des Weiteren bundesweit in der Bevölkerung geführt. Das gilt genauso für den 5. März in Chemnitz. Das gilt auch für den April in Plauen. Dresden ist hier keine Ausnahme.

Worum geht es bei der ganzen Problematik letzten Endes? Wir müssen auf den eigentlichen Ansatz, den die Mütter und Väter des Grundgesetzes in den Artikel 8 geschrieben haben, zurückkommen.

(Andreas Storr, NPD: Genau!)

Das ist das Entscheidende. Es ist dort definitiv enthalten, dass jeder das Recht hat, sich ohne Anmeldung und Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

Deshalb ist die Frage der Friedlichkeit überhaupt kein Streitpunkt. Das steht selbstverständlich fest.

Die Frage ist, wie ich in das Versammlungsrecht eingreife. Ich spreche von dem unsäglichen Versammlungsgesetz, welches im Koalitionsvertrag enthalten ist. Dieses wurde Ihnen durch die Nichtigkeitserklärung aus der Hand genommen. Sie hatten damit letzten Endes gegen das Versammlungsrecht und die -freiheit aufgerüstet. Das Problem steht im Raum. Dieses muss im Landtag geklärt werden. Das Angebot, in parlamentarischen und außerparlamentarischen Strukturen darüber zu reden, nehmen wir dankbar an. Kollege Hartmann, insofern steht das Gesprächsangebot.

Herr Karabinski, dass Sie auf die „BILD-Zeitung“ aufspringen und exakt das Geschäft dieser Zeitung – auch mit Bildern – betreiben, ist umso erschreckender, wenn man einmal bedenkt, dass Sie von einer liberalen Partei kommen.

(Beifall bei den LINKEN)