Protocol of the Session on October 12, 2011

(Beifall bei der CDU und der FDP – Jürgen Gansel, NPD, steht am Mikrofon.)

Vielen Dank, Herr Krauß. – Es gibt eine Meldung am Mikrofon 7.

Ja, Herr Präsident. – Herr Krauß, geben Sie mir die Gelegenheit zu einer direkten Erwiderung, weil Sie in ziemlich unverfrorener Art und Weise hier Nebelkerzen geworfen haben. Sie sprachen davon, dass im Moment in Sachsen offiziell 200 000 Menschen arbeitslos sind. Mit ein bisschen Ehrlichkeit wüssten Sie genau, dass diese Zahlen seit vielen Jahren, seit den Arbeitsmarktreformen der Regierung Schröder geschönt sind, weil in den offiziellen Arbeitslosenzahlen die EuroJobber, die Frührentner, die Umschüler und die Menschen, die sich in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen befinden, überhaupt nicht mehr erfasst werden. Insofern operieren Sie hier mit statistischen Fälschungen. Die Arbeitslosenzahl in Sachsen liegt deutlich über 200 000.

Die Sachsen, die hier noch Arbeit gefunden haben, das wissen Sie eigentlich auch, sind zunehmend im Niedriglohnbereich beschäftigt. Das heißt, wir haben hier in Sachsen noch viel stärker als in den alten Bundesländern das Phänomen der Armut trotz Arbeit. Viele Menschen können hier von ihrer Arbeit – egal, ob sie 40 Stunden oder 45 Stunden pro Woche arbeiten – nicht leben. Das heißt: Wir haben nach wie vor eine massive Arbeitslosigkeit unter den Deutschen, und die Sachsen, die hier noch Beschäftigung haben, leiden oftmals unter Niedriglöhnen und können ihre eigene Familie nicht durchbringen. Es

gehört zur Redlichkeit, das alles hier einmal beim Namen zu nennen. Und dann fordern Sie für bestimmte Branchen, in denen es einen sogenannten Fachkräftemangel gibt, allen Ernstes als buchhalterischen Ersatz für fehlende deutsche Arbeitskräfte Ausländer.

Auch das ist zynisch und unverfroren; denn in den Bereichen, in denen es einen punktuellen Fachkräftemangel gibt, ist das auf Ihre fehlende Familien- und Bevölkerungspolitik zurückzuführen und Ihre falsche Wirtschaftspolitik. Denn politisch kann man viele Gründe dafür nennen, dass es Abwanderung und Geburtenmangel gibt. Alles das, was Sie hier gesagt haben, sind entweder Nebelgranaten oder Sie legen hier absichtlich eine falsche Fährte. Sorgen Sie endlich dafür – und das ist auch der Wählerauftrag der CDU –, –

Bitte zum Schluss kommen.

– inländische Beschäftigungsinteressen zu vertreten.

(Beifall bei der NPD)

Das war die Kurzintervention von Herrn Abg. Gansel. Herr Krauß, möchten Sie erwidern? – Das ist nicht der Fall. Wir setzen mit der Aussprache fort. Ich frage die FDP-Fraktion. – Kein Redebedarf. Die LINKE? – Auch nicht. Die SPD? – Auch nicht. Die GRÜNEN? – Auch nicht. Die NPD? – Auch nicht. Dann käme jetzt die dritte Runde. Es ist hier nichts gemeldet. Ich frage die Staatsregierung: Wird das Wort gewünscht? – Herr Staatsminister Wöller, Sie haben das Wort.

Vielen Dank Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin froh, dass offensichtlich Einigkeit besteht in der Überzeugung, dass wir aus einer ganzen Reihe von Gründen auch auf die Qualifikation unserer ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger mit angewiesen sind,

(Andreas Storr, NPD: Nein, Einigkeit besteht nicht!)

die wir im Laufe der nächsten Jahre immer dringender benötigen werden. Es herrscht breiter Konsens darüber, dass die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse erleichtert werden soll. Wir haben die Argumente für Verbesserungen in diesem Bereich bereits gehört und deswegen möchte ich nur noch einmal kurz auf die beiden maßgeblichen Ziele eingehen.

Erstens. Wir möchten die Qualifikation der zugewanderten Menschen besser nutzen, um den Fachkräftebedarf auch in Zukunft zu sichern. Zweitens. Wir möchten die Integration der Migrantinnen und Migranten in Sachsen erleichtern. Ganz in diesem Sinne wurde vom Deutschen Bundestag Ende September das Berufsanerkennungsgesetz des Bundes beschlossen. Es umfasst allgemeine Regelungen und Anpassungen zur Anerkennung von

Berufsqualifikationen in rund 60 auf Bundesebene geregelten Berufsgesetzen und Verordnungen.

Lassen Sie mich vier besonders wichtige Aspekte dabei hervorheben. Jeder Migrant und jede Migrantin hat Anspruch darauf, dass der eigene Berufsabschluss jeweils individuell auf Gleichwertigkeit geprüft wird. Die Anerkennungsverfahren werden einheitlicher und transparenter. In der Regel muss innerhalb von drei Monaten geklärt werden, inwieweit die ausländischen Berufsabschlüsse den deutschen Abschlüssen entsprechen. Für eine Reihe von Berufen, für die bisher die deutsche oder EUStaatsangehörigkeit Voraussetzung war, entfällt diese Einschränkung.

Am 4. November soll der Bundesrat über das Gesetz entscheiden. Sobald es beschlossen ist, können wir in Sachsen unverzüglich entsprechende landesrechtliche Regelungen erarbeiten. Mein Haus hat in Zusammenarbeit mit den anderen betroffenen Ressorts die Aufgabe übernommen, diesen Gesetzentwurf zu erstellen.

Sachsen wird sich für einen lösungsorientierten und zügigen Abschluss von Abstimmungsprozessen einsetzen. Dabei ist mir die Abstimmung zwischen den Ländern sehr wichtig, denn wir können diesen Weg nur gemeinsam gehen. Ein einseitiges sächsisches Vorpreschen würde weder den Interessen der Migrantinnen und Migranten dienen, noch der Sicherung des Fachkräftebedarfs – im Gegenteil. Es würde die länderübergreifende Wirkung der Anerkennungsentscheidung und der Einheitlichkeit des Verfahrens behindern. Nur eine koordinierte Gesetzgebung in den Ländern kann unser gemeinsames Anliegen verwirklichen.

Bei all den Bemühungen um ein vereinfachtes und transparentes Anerkennungsverfahren muss aber auch klar sein: Die Qualitätssicherung hat Priorität. Es können nur Qualifikationen anerkannt werden, die das deutsche Ausbildungs- und Qualifikationsniveau auch tatsächlich erreichen. Auch in diesem Punkt ist sich die Sächsische Staatsregierung einig.

In die Erarbeitung eines Gesetzentwurfes fließen natürlich die Impulse aus den verschiedenen sächsischen Initiativen und Vorarbeiten ein. Herausheben will ich dabei die im September vorgelegten Empfehlungen des runden Tisches „Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse“ unter Leitung unseres Kollegen und Ausländerbeauftragten des Freistaates Sachsen, Prof. Martin Gillo. Dieser runde Tisch wurde auf Initiative der Staatsregierung gegründet. Mitgewirkt haben die Staatsministerien des Innern, für Soziales und Verbraucherschutz, für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, für Wissenschaft und Kunst und mein Haus.

Dank der Tatsache, dass sich die Sächsische Staatsregierung bereits frühzeitig um das Thema Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse bemüht hat, kann ich an dieser Stelle noch auf zwei weitere Errungenschaften hinweisen. Im Jahre 2010 wurde im Auftrag meiner Kollegin Christine Clauß und des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge die sogenannte ANSA-Studie erstellt. Auch darauf ist im Rahmen der Diskussion

hingewiesen worden. Die Ergebnisse dieser Studie haben zur Eröffnung der ersten Informations- und Beratungsstelle „Anerkennung Sachsen“ am vergangenen Mittwoch in Dresden geführt.

Diese Beratungsstelle hat drei Funktionen: Lotsenfunktion, Servicefunktion und eine Verzahnungsfunktion. Sie berät zu den Anerkennungsmöglichkeiten, informiert über Anerkennungsverfahren, gibt Hinweise zu Qualifizierungsmöglichkeiten und zu beruflichen Alternativen. Sie bietet persönliche Beratung in Chemnitz, Dresden, Leipzig und Zwickau und richtet sich dabei nicht nur an Migrantinnen und Migranten, sondern möchte mittelfristig alle für die Anerkennung relevanten Akteure miteinander vernetzen.

Die zweite Errungenschaft: Aus der Studie ist ein Leitfaden zur Anerkennung ausländischer Qualifikation in Sachsen als Orientierungshilfe für Akteure und Ratsuchende entstanden. Er wird ein wichtiges Instrument im Rahmen dieser Beratungsstelle IBAS darstellen.

Ich erlaube mir in diesem Hause auch darauf hinzuweisen, dass die beiden sächsischen Koalitionsparteien bereits in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart haben, sich für verbesserte Möglichkeiten zur Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse einzusetzen. Mit den genannten Initiativen der Unterstützung der Bundesgesetzgebung durch die Sächsische Staatsregierung und einer darauf aufbauenden Landesgesetzgebung wird dieses Ziel erreicht. Ich freue mich, dass drei Oppositionsfraktionen dieses Ziel teilen.

Meine Damen und Herren! Der Wirtschaftsminister, mein Kollege Sven Morlok, verfolgt dieses Thema im Rahmen der von ihm federführend bearbeiteten Fachkräftestrategie des Freistaates Sachsen weiter. Der vorliegende Antrag der Regierungsfraktionen fügt sich nahtlos in diese Strategie ein. Ich bitte deshalb um Zustimmung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Meine Damen und Herren! Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Die Aussprache ist beendet. Das Schlusswort haben nun die Fraktionen CDU und FDP. Wer spricht? – Herr Abg. Herbst, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bedanke mich für die sachliche und konstruktive Diskussion – mit Ausnahme einer Fraktion hier im Hause. Wir sind aber auch nichts anderes gewöhnt.

(Andreas Storr, NPD: Ich kann Ihre Meinung nicht teilen! Damit müssen Sie sich abfinden!)

Ich glaube, wir sind uns einig, dass wir erkannt haben, dass bei der Anerkennung der Qualifizierung und ausländischen Berufsabschlüssen Nachholbedarf besteht. Wir müssen handeln. Der Bund schafft die rechtliche Grund

lage auf Bundesebene, wir werden die landesrechtlichen Regelungen schaffen.

Ich habe die Hoffnung, dass wir eine Willkommenskultur schaffen, die deutlich macht, dass diejenigen, die hier arbeiten wollen und die entsprechende Qualifikation nachweislich mitbringen, auch die Chance haben, hier zu arbeiten. Das hilft uns als Freistaat. Das hilft den Betroffenen. Insofern freue ich mich über die Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Herbst. – Wir kommen nun zur Abstimmung. Meine Damen und Herren! Hierzu liegt Ihnen außerdem ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD mit der Drucksache 5/7201 vor. Der Antrag soll eingebracht werden. Herr Mann, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte auch betonen, dass ich mich sehr freue, dass alle demokratischen Fraktionen im Haus das Ansinnen und damit den Antrag unterstützen – bis auf eine, die den Grund des Antrages bis heute nicht verstanden hat. Sonst hätte sie erkennen müssen, dass dieser Antrag nicht nur Ausländern, sondern allen nützt, die im Ausland einen Berufsabschluss machen – also auch der Gruppe, für die sie immer versuchen, den Anwalt darzustellen.

Ich komme nun zum Änderungsantrag. Wir unterstützen Ihren Antrag. Wir denken dennoch, dass es einige Punkte gibt, auf die hingewiesen werden sollte und die dem Antrag sowie dem Agieren der Staatsregierung guttun würden. Ich will konkret auf die Punkte eingehen, weil mir signalisiert wurde, dass bei einzelnen Punkten die Bereitschaft besteht, eine Zustimmung zu erteilen.

Der erste Unterpunkt unseres Änderungsantrages bezieht sich auf ihren Berichtsteil. Wir sagen: Es wäre bereits jetzt sinnvoll, transparent zu machen, für welche Berufsabschlüsse – für die eine Anerkennung in Sachsen stattfinden muss – es Qualifizierungsmöglichkeiten gibt. Es soll nicht wieder weitere Zeit verstreichen. Deswegen bitten wir die Staatsregierung, darüber zu berichten.

Mit dem zweiten Unterpunkt möchten wir – insbesondere in Würdigung des Prozesses der letzten Monate, bei dem es selbst Herrn Gillo manchmal schwierig war zu identifizieren, welches Ministerium sich in der Verantwortung sieht –, dass beim bevorstehenden Gesetzgebungsprozess nach außen transparent wird, bei welchem Ministerium in der Sächsischen Staatsregierung die Koordinierung für diesen Gesetzgebungsprozess liegt. Das würde uns auch im Sächsischen Landtag den Umgang mit diesen Gesetzen vereinfachen. Ich denke, dass auch hier eine Zustimmung möglich ist.

Drittens wollen wir mit unserem Änderungsantrag Folgendes unterstreichen – dieser Punkt bezieht sich auf die Nummer 5 Ihres Antrages –: die Einrichtung einer kompetenten Beratungs- und Informationsstelle. Diese ist bereits

eingerichtet. Sollte diese – das konnte ich bisher noch nicht heraushören – im Falle von auftretenden Problemen im Verfahren die Funktion einer Clearingstelle einnehmen, so hätte sich dieser Änderungsantrag erledigt. Nichtsdestotrotz braucht es eine solche Stelle auch im Verfahren auf Landesebene.

Der vierte Änderungspunkt bezieht sich auf Punkt 6. Hier bin ich etwas anderer Meinung als Frau Klier. Es gibt tatsächlich eine Möglichkeit – –

(Zuruf von den LINKEN: Klinger!)

Das ist im Moment, glaube ich, egal. Ich entschuldige mich später. Stellen Sie mir eine Zwischenfrage, dann habe ich die Zeit dafür. – Ich stelle darauf ab, dass es im Bundesrat am 4. November eine Abstimmung geben wird. Sachsen hatte Punkte in das Bundesgesetz einzubringen versucht. Diese fanden jedoch keine Aufnahme. Sachsen hätte nun die Möglichkeit, im Bundesrat darauf zu drängen, dass es zu einem Vermittlungsverfahren kommt. Dann könnte unter anderem über diese Punkte wie Willkommenskultur oder die Bereitstellung von finanziellen Mitteln für Nachqualifizierungen gesprochen werden. Die Sächsische Staatsregierung sowie wir als Landtag hätten auch mit diesem Änderungsantrag die Möglichkeit, ein Signal zu setzen.

Zu guter Letzt fordern wir in dem letzten Änderungspunkt, dass es eine Obergrenze für die Gebühren in diesem Qualifizierungsverfahren gibt. Dann hat auch wirklich jeder die Möglichkeit, daran teilzunehmen.

Herr Mann, bitte kommen Sie zum Schluss.

Ich hoffe, dass diese sachlichen Änderungsanträge Ihre Zustimmung finden. Ich werbe für die Annahme dieser Änderungsanträge, über die ich gern artikelweise abstimmen lassen würde.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Sie würden gern artikelweise abstimmen lassen? Sie beantragen auch die entsprechende punktweise Abstimmung?

(Holger Mann, SPD: Genau! Danke!)