Vorausgeschickt sei noch einmal: Von den Funkzellenabfragen wurde eine Vielzahl von Bürgern betroffen, die Teilnehmer von Mahnwachen genauso wie friedliche Bürger und friedliche Demonstranten. Das ist Fakt. Das ist Grundlage des Berichts des Datenschutzbeauftragten und auch unseres Antrages. Wir haben zu bedauern, dass diese Ausweitung sein musste. Aber wenn sich Personen rechtswidrig verhalten haben, Kolleginnen und Kollegen, sind sie noch lange keine Gewalttäter. Das müssen Sie unterscheiden.
Ich finde es nicht gut, dass die Menschen gleichgesetzt werden. Sie wollten doch immer das Prinzip der Gewaltfreiheit hochhalten,
und ich kann mich von dieser Kriminalisierungsstrategie, rechtswidriges Verhalten mit Gewalt gleichzusetzen,
nur distanzieren und fordere Sie auf, dies ebenfalls ausdrücklich zu tun. Sie haben jetzt die Gelegenheit.
Herr Schiemann, bevor Sie von Ihrem Recht, auf diese Kurzintervention zu antworten, Gebrauch machen, möchte ich Sie, meine sehr verehrten Abgeordneten, bitten, bei der Brisanz der beiden Anträge gegenseitige Angriffe auf Abgeordnete zu unterlassen. Ich möchte das einmal im Raum stehen lassen. Die vorhergehende Auseinandersetzung konnten wir gerade klären. Ich bitte Sie, das zu berücksichtigen, wenn Sie in der Debatte fortfahren.
Jetzt hat Herr Schiemann die Gelegenheit, auf die Kurzintervention von Frau Jähnigen zu antworten. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube in meiner Rede deutlich gemacht zu haben, dass es eine große Zahl friedlicher Demonstranten gegeben hat und dass sich unter diese Gruppe der friedlichen Demonstranten auch gewaltbereite Menschen gemischt haben, die aus dieser Gruppe heraus, aus dieser Anonymität heraus Steine geworfen haben, Zaunlatten benutzt haben, um Polizisten zu verletzen, Eisenstangen und Feuerwerkskörper geworfen haben. Die friedlichen Bürger, die keine Straftaten begangen haben, werde ich nie angreifen. So lange kennt mich jeder hier im Hohen Haus, dass er weiß, dass ich mir das nicht anmaßen würde. Aber die Straftäter müssen verfolgt werden, damit sie sich nicht wieder in unser Land begeben.
Meine Damen und Herren, wir fahren in der allgemeinen Aussprache fort. – Für die SPD-Fraktion Frau Friedel.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich zunächst einmal bei Herrn Schiemann für seinen Redebeitrag, zumindest für große Teile des Redebeitrags, bedanken. Ich möchte mich dafür bedanken, dass Sie gesagt haben, dass Sie den Bericht des Datenschützers sehr ernst nehmen. Ich habe Sie so verstanden, dass Sie diesen Bericht und das, was in diesem Bericht aufgeführt wird, nicht in Zweifel gezogen haben. Ich habe Sie so verstanden, dass auch Sie das Recht des Datenschützers, einen solchen Bericht zu erstatten, nicht in Zweifel gezogen haben, sondern dass sie sich im Gegenteil dafür bedankt haben, dass der Datenschützer einen solchen Bericht geschrieben hat.
Das ist auch ein wichtiges Zeichen vor dem Hintergrund dessen, was wir heute Vormittag erlebt haben, vor dem Hintergrund dessen, dass der Bericht des Datenschützers seitens der Staatsregierung mittelbar durchaus in Zweifel gezogen worden ist und dass der Bericht des Datenschützers Gegenstand eines Gegengutachtens geworden ist. Aus dem Redebeitrag von Herrn Schiemann ist ebenso
deutlich geworden, wie aus dem Redebeitrag von Herrn Kollegen Bartl oder von Herrn Lichdi, dass das Parlament dies anders sieht und den Umgang der Staatsregierung mit dem Bericht des Datenschützers als nicht angemessen betrachtet.
Ich habe Sie auch so verstanden, dass Sie ebenso wie wir der Auffassung sind, dass die etwas überbordende Kritik – Meinungsfreiheit in allen Ehren – des Sächsischen Richterverbandes, des Generalstaatsanwalts und was noch zu nennen ist, an der unabhängigen Institution des Datenschutzbeauftragten ebenfalls durchaus nicht angemessen ist.
Sehr geehrte Damen und Herren! Über den Hergang all dessen, was wir hier debattieren, ist schon viel gesagt worden. Deswegen will ich nur noch an eines erinnern: Wir hatten vor der Sommerpause die letzte Plenarsitzung. Es war am 29. Juni, dass wir im Rahmen einer Aktuellen Debatte über die ersten Erkenntnisse gesprochen haben. Da waren die Berichte keine zwei Wochen alt. Es gab am Abend dieser Plenarsitzung noch eine Fragestunde, in der auf mündliche Anfragen nur schwerlich geantwortet werden konnte, wo Pressemitteilungen verlesen wurden und wo Pressemitteilungen mit neuen Fakten im Nachgang der Plenarsitzung verschickt worden sind.
Wir haben seither über die Sommerpause versucht, in zahlreichen Sitzungen in den zuständigen Ausschüssen mehr Informationen zu bekommen. Wir haben mit dem Bericht und mit der Beanstandung des Datenschutzbeauftragten neue Fakten hinzugelernt. Wir haben durch einzelne Presseberichte über die Sommerpause neue Fakten hinzulernen müssen. Aber nach wie vor ist der Grundeindruck, der verbleibt: dass sich die Staatsregierung nicht bemüht, ihr Handeln und das Handeln der staatlichen Behörden aufzuklären.
Wir sind uns völlig einig, dass Straftaten konsequent verfolgt werden müssen. Das ist überhaupt keine Frage. Wir sind uns völlig einig, dass allen Polizeibeamten, die an dem 19. Februar einen besonnenen Einsatz durchgeführt haben, unsere Hochachtung gehört. Das alles ist aber gar nicht Gegenstand dieser Debatte. Gegenstand dieser Debatte ist die Frage: Haben staatliche Behörden Fehler gemacht oder nicht?
Nur müssen wir uns als ein Gemeinwesen begreifen, in dem Fehler nicht vertuscht werden, sondern in dem Fehler offengelegt werden, um aus ihnen zu lernen.
Das ist doch unsere Grundaufgabe, und daran – so habe ich Sie verstanden – haben die Koalitionsfraktionen genauso ein Interesse wie die Oppositionsfraktionen. So habe ich auch Ihre Pressemitteilungen nach der Vorlage des Berichts des Datenschützers verstanden. Wenn es etwas aufzuklären gibt, wenn Fehler gemacht worden sind, dann muss das im Plenum auch auf den Tisch und es müssen Konsequenzen gezogen werden. Sie haben selbst angesprochen, dass es eine ganze Reihe von Maßnahmen gibt, die nun auch nach Ihrer Vorstellung ergriffen werden sollen.
Was ich nicht verstehe – dafür fehlt mir das Verständnis –, ist, dass der Aufklärungswille in den Koalitionsfraktionen nahezu größer ist als bei der Staatsregierung. Wir haben im Anschluss an die Vorstellung des Berichts des Datenschutzbeauftragten gehofft, gebeten und die Staatsregierung aufgefordert, Stellung zu dem zu nehmen, was auch der Datenschutzbeauftragte beanstandet.
Die Staatsregierung hat das bisher nicht getan. Die Staatsregierung hat lediglich ein Gutachten, das sie in Auftrag gegeben hat, vorstellen lassen – heute.
Ich denke aber, das reicht nicht aus. Herr Ministerpräsident, sagen Sie Ihren Staatsministern Ulbig und Martens, sie können sich hier nicht aus der Verantwortung stehlen.
Denn das, was hier passiert ist – Sie hinterlassen bei der Bevölkerung – nicht bei uns, wir wissen ja, worum es geht –, bei den ganz normalen Menschen ein tiefes Gefühl von Verunsicherung: Ist da jetzt etwas falsch gemacht worden oder nicht? Wer hat denn nun recht? Die einen oder die anderen? Durften die das? Durften die das nicht?
Sie machen das alles nur noch schlimmer, indem Sie schweigen und indem Sie nicht dazu beitragen, Fehler aufzuarbeiten, sondern indem Sie nur so wenig wie möglich, wie man nur irgend zugeben muss, zugeben. Ich wäre nicht überrascht, wenn wir in den nächsten Tagen wieder einen Zeitungsartikel oder eine Pressemitteilung oder sonst etwas finden, wo am Ende von noch mehr die Rede ist, als wir bisher wissen. Das ist für eine Staatsregierung kein verantwortungsvolles Handeln.
Ich bitte Sie sehr herzlich – auch im Interesse der demokratischen Kultur in diesem Lande –, die Gelegenheit hier zu nutzen, um Stellung zu nehmen und deutlich zu machen, was Sie als Staatsregierung unternehmen werden, um deutlich zu machen, welche Fehler gemacht worden sind – es ist nicht schlimm, Fehler zu machen; überall passieren Fehler, man muss sie nur eingestehen und daraus lernen können – und um deutlich zu machen, dass die Fehler ihren Ursprung nicht darin hatten, dass jemand kriminalisiert werden soll, sondern ihren Ursprung nur in menschlichem Versagen haben. Wenn Sie das deutlich machen, dann, denke ich, haben Sie ein wichtiges Signal
an die Menschen in diesem Land gesandt: dass es sich lohnt, sich friedlich für die Demokratie zu engagieren, weil die Demokratie Sie darin dann auch unterstützt. Ich bitte Sie also herzlich, Stellung zu nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir diskutieren hier heute erneut über die Nutzung von Mobilfunkdaten anlässlich der Aufklärung von schweren Straftaten, die am 13. und 19. Februar verübt worden sind. Herr Kollege Bartl hat darauf hingewiesen, dass die Verarbeitung von Informationen bei Menschen durch alle Teile der öffentlichen Gewalt nichts Nebensächliches oder Randständiges ist, sondern von zentraler Bedeutung für unser Gemeinwesen und für die grundgesetzliche Ordnung.
Diese neuen technischen Möglichkeiten, die sich heute im Strafprozess bieten, um alle Maßnahmen durchzuführen, sind hier das erste Mal richtig zum Tragen gekommen. Deshalb finde ich es wichtig und richtig, hier politisch darüber zu diskutieren, wo die Trennlinie zwischen dem staatlichen Strafverfolgungsinteresse und dem Interesse des Einzelnen an der Verfügbarkeit seiner eigenen Daten verläuft. Uns ist wichtig, darüber zu diskutieren, wo eine Vertraulichkeit der Daten gegeben sein muss – auch gegenüber der staatlichen Gewalt. Ich habe mich beim letzten Mal deutlich dazu positioniert, und daran halte ich fest.
Gerade weil mir der Datenschutz so wichtig ist, ist es mir auch wichtig, dass man den Datenschutz nicht für andere politische Zwecke missbraucht.
Diesen Eindruck gewinne ich jetzt mehr und mehr, wenn wir hier diese politische Debatte verfolgen. Nehmen wir allein den Titel der beiden Anträge, die wir heute beraten. Der eine nennt sich „Dresdner Handygate“ und der andere „Dresdner Handydatenaffäre“. Meine Damen und Herren, die drei Beschlüsse des Amtsgerichts Dresden, auf deren Grundlage die Funkzellenabfragen durchgeführt wurden, haben nichts mit der Watergate-Affäre in den USA zu tun, und sie sind möglicherweise noch nicht einmal eine Affäre, sondern man muss einfach gucken, ob diese Beschlüsse rechtswidrig waren oder nicht. Doch wer hat das zu beurteilen? Wir sicher nicht. Wir nicht als Landtagsabgeordnete, weil: Wir sind nicht die rechtsprechende Gewalt, sondern wir sind die Legislative.
Zu Recht hat der Präsident des Oberlandesgerichts Dresden, Hagenloch, darauf hingewiesen, dass das Gewaltenteilungsprinzip eine zentrale Säule des demokratischen
Rechtsstaats ist. Es dient dazu, eine ausgewogene Balance zwischen dem Parlament, der Verwaltung und der rechtsprechenden Gewalt zu gewährleisten. Der Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN widerspricht diesem Gewaltenteilungsgrundsatz in seinen Punkten I, II bis V in eklatanter Weise.