Protocol of the Session on June 29, 2011

2. Lesungen der Entwürfe

Gesetz zur Neuordnung des Gaststättenrechts in Sachsen

Drucksache 5/4013, Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE

Drucksache 5/6064, Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit

Sächsisches Gesetz zur Neuordnung des Gaststättenrechts

Drucksache 5/5691, Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und der FDP

Drucksache 5/6065, Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr

Den Fraktionen wird das Wort zur allgemeinen Aussprache erteilt. Es beginnt die Fraktion DIE LINKE; Herr Abg. Tischendorf, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Beim Thema Gaststätten haben einige etwas falsch verstanden. Sie haben gedacht, das ist der Punkt, bei dem sie in die Gaststätte gehen müssen.

(Heiterkeit bei den Fraktionen – Beifall bei der FDP und des Abg. Michael Weichert, GRÜNE)

Nein, Sie sollten eigentlich alle zuhören, wir wollen über Gaststätten sprechen. Aber das macht nichts. Ich denke, die noch Verbliebenen stimmen mir zu: Wir werden heute erstmals unter diesem Tagesordnungspunkt ein Sächsisches Gaststättengesetz beschließen, und Sie werden zustimmen. Die Grundlage, dass es heute dazu gekommen ist, hat DIE LINKE gelegt. Bereits im November vorigen Jahres haben wir den jetzt zu behandelnden Gesetzentwurf eingebracht. Dem vorausgegangen waren seit Anfang 2009 umfangreiche Gespräche mit Gaststättenbesitzern, Hoteliers, Vorstandsmitgliedern der DEHOGA und des Regionalverbandes.

(Alexander Krauß, CDU: Und viele Bierrunden!)

Auch das Gaststättenrecht, das bundesweit diskutiert worden ist, in dem es um die Frage der Ausgestaltung der Betriebserlaubnis geht, haben wir in unseren Gesetzentwurf einbezogen.

Bereits mit der Einbringung hatte ich damals die Sächsische Staatsregierung kritisiert, die nicht in der Lage war, einen eigenen Gesetzentwurf einzubringen, wenn man daran denkt, dass gerade Sachsen bei der Föderalismusreform 1 ein eifriger Befürworter war, dass diese Kompetenz den Ländern übertragen wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da der Kollege Herbst über die Sache so belustigt ist: Ich gebe zu, dass unsere Fraktion gerade in diesem Punkt am Beginn der Legislaturperiode von einer falschen Annahme ausgegangen ist. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will es

öffentlich eingestehen: Auch meine Fraktion kann sich irren. Das unterscheidet uns im Übrigen von so manchem Abgeordneten der Koalition.

Wir waren nach der Landtagswahl 2009 irrtümlich davon ausgegangen, dass eine Regierungskoalition mit einem liberal geführten Wirtschaftsministerium geradezu ein Garant dafür sein müsste, beim Abbau von staatlicher Überbürokratisierung in sächsischen Unternehmen Tempo zu machen und für die eigene Klientel glaubwürdig zu sein.

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Das hätte ich Dir vorher sagen können, dass dem nicht so ist!)

Ja, gut. – Obwohl seit mehreren Jahren auf der Tagesordnung, gibt es bis zum heutigen Tag keine ernst zu nehmende Wortmeldung unseres Wirtschaftsministers, wie er sich die Ausgestaltung des Gaststättengesetzes vorstellt. Aber, meine Damen und Herren, zur Ehrenrettung möchte ich noch anführen, dass er den Koalitionsfraktionen seinen halbseitigen Referentenentwurf für die heutige Debatte geschenkt hat. Ansonsten stünden diese heute nämlich immer noch mit leeren Händen da. Klar, Herr Staatsminister, es war nicht mehr möglich, als eine Tingeltour im eigenen Haus und dann noch vor dem Kabinettstisch zu veranstalten, um hier noch rechtzeitig einen solchen Gesetzentwurf hinzulegen. Das ist mir schon klar. Da war es wohl für die Koalition etwas einfacher, den angearbeiteten Referentenentwurf im Wirtschaftsministerium etwas weiter zu verschlimmbessern.

Bis April dieses Jahres – meine sehr geehrten Damen und Herren, können Sie sich erinnern? – war die Koalition in eine derartige Schockstarre gefallen und wusste nicht, was sie zu dem Thema an eigenen Überlegungen überhaupt zu Papier bringen sollte. Das heißt, es gab nicht einmal ein Stück Papier, auf dem es stand. Spätestens jetzt war klar: Wenn die Koalition nicht völlig neben der Fachdebatte landen will, bliebe ihr nichts weiter übrig, als die inhaltliche Nähe zu unserem Gesetzentwurf zu suchen. Natürlich durfte das nicht zu weit gehen. Nachdem ich die Presse zu diesem Gebaren im vorigen Monat richtig zitiert hatte, war mein geschätzter Kollege Herbst nicht mehr zu halten.

(Torsten Herbst, FDP: Uiuiui!)

Ich wies im Pressegespräch darauf hin – Sie werden sich daran erinnern –, dass der Umgang von CDU und FDP mit unserer Gesetzesinitiative ganz gut als weiterer Beleg zu den bereits festgestellten Plagiatsvorwürfen auf Bundesebene verwendet werden kann. Mit Schaum vor dem Mund erwiderte daraufhin Kollege Herbst am 11. Mai 2011 Folgendes gegenüber der Nachrichtenagentur – ich zitiere ihn einmal –: „Gerade DIE LINKE sollte mit Plagiatsvorwürfen aber vorsichtig sein. Die LINKEFraktion hat beim Kopieren des Gaststätten-Gesetzentwurfes aus Brandenburg selbst schwere handwerkliche Fehler gemacht, die hektisch durch Änderungsanträge nachgebessert worden sind.“

Nun, liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Blick auf die Stellungnahme der kommunalen Spitzenverbände zur Koalition würde deutlich machen, dass diese Aussage des Kollegen Herbst einfach nur peinlich ist. Ich will Ihnen auch gern ein Beispiel dafür liefern, wer hier wem in der Fachdiskussion gefolgt ist. Nach dem umfangreichen Meckerzettel des Landkreistages sowie des Städte- und Gemeindetages zum Gesetzentwurf der Koalition ruderte diese nun kleinlaut zurück und schwenkte in einem entscheidenden Punkt auf unseren Vorschlag ein: Die Zuständigkeit für den Vollzug des Gaststättengesetzes verbleibt nun doch bei den Gemeinden. Dazu kann ich nur sagen: Das kommt davon, wenn man völlig in überstürzten Aktionismus verfällt – wie in diesem Fall die Koalition.

Nun zum Handwerklichen, Kollege Herbst. Wie sieht es handwerklich bei der Koalition aus? Dort wird es nämlich erst so richtig peinlich. Lieber Kollege Herbst, wenn man eine Aufgabenübertragung von den Gemeinden auf die Landkreise schon politisch will, dann gehört auf jeden Fall eine Regelung zum Mehrbelastungsausgleich in ein Gesetz. Dieses kleine Einmaleins sollte eigentlich jeder Landespolitiker, der hier auf diese Bühne tritt, draufhaben. Das müsste das Handwerkszeug sein, bevor man solche Sprechblasen gegenüber einer Presseagentur herausgibt.

Zu den Markierungen der Koalition in den Ausschüssen zu den Gesetzentwürfen gäbe es noch eine Menge zu sagen, aber ich möchte meinem geschätzten Kollegen Stange in der zweiten Runde nicht vorgreifen, der in seiner von allen geschätzten Art ausführen wird, wie Sie sich dazu verhalten haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! DIE LINKE hat im Vorfeld zu dem Gesetzentwurf solide gearbeitet.

(Lachen des Abg. Torsten Herbst, FDP)

Wir haben in unseren Anträgen notwendige Schlussfolgerungen aus Vorgesprächen sowie aus der Sachverständigenanhörung im Wirtschaftsausschuss gezogen. Darüber wird noch zu reden sein. Dass man nicht allen alles recht machen kann, ist uns auch klar. Dennoch wird uns niemand ernsthaft widersprechen, dass unser Gesetzentwurf von den geladenen Experten im Wirtschaftsausschuss als

gute Grundlage bewertet wurde. Dieser Prüfung, meine sehr geehrten Damen und Herren, hat sich die Koalition mit ihrem Entwurf übrigens gar nicht erst unterzogen – für mich ein seltsames Verständnis von parlamentarischem Umgang. Wenn die kommunalen Spitzenverbände nicht von sich aus nachträglich auf ihr Anhörungsrecht laut Geschäftsordnung bestanden hätten, wäre überhaupt niemand Externes hier zu dem, was die Koalition vorlegt, zur Sprache gekommen. Aber vielleicht ist das auch nur der neue Stil der Koalition. Also, man denkt jetzt: bis zum Ende der Legislaturperiode einfach durchregieren.

Obwohl es in den Ausschüssen bereits genügend Gelegenheiten gab, möchte ich noch einmal zusammenfassend die wesentlichen Eckpunkte unseres Gesetzentwurfes vortragen. Vielleicht überlegen Sie es sich ja noch einmal. DIE LINKE will mit dem vorgelegten Gesetzentwurf das nach dem geltenden Bundesrecht bis heute fortbestehende Erlaubnisverfahren durch ein Anzeigeverfahren ablösen. Dadurch sollen bürokratische Hemmnisse für Gewerbetreibende wirksam abgebaut werden. Unmittelbar nach der Erstattung der Werbeanzeige, also mindestens vier Wochen vor Beginn des Betriebes, hat die Gewerbebehörde diese Prüfung im Falle des Alkoholausschanks durchzuführen, um rechtzeitig auf problematische Gewerbetreibende reagieren zu können. Die Daten der Anzeige sind von der Behörde an die Lebensmittelüberwachung, die untere Bauaufsicht sowie die Umweltbehörde zu übermitteln, damit diese rechtzeitig ihren Teil der Überwachung wahrnehmen können. Falls dazu Anlass besteht, müssten sie tätig werden.

Beim Ausschank alkoholischer Getränke steht künftig die Überprüfung der Zuverlässigkeit der Person des Gastwirtes im Vordergrund – auch eine wichtige Änderung. Trotz Abkehr vom Erlaubnisverfahren bleiben dabei Gesundheit und Umwelt durch die künftig zu beachtenden Vorschriften des sonstigen Gewerbegefahrenabwehrrechtes bestehen. Insbesondere möchte ich hierbei noch einmal auf die Bauordnung sowie die immissions- und hygienerechtlichen Bestimmungen hinweisen, die mit unserem Gesetzentwurf wirksam geschützt werden.

Das Thema Alkoholmissbrauch und Flatrate haben wir ebenfalls bereits behandelt. Die zuständige Behörde hat unverzüglich nach Erstattung der Gewerbeanzeige für einen Gaststättenbetrieb mit Alkoholausschank und Vorlage der Unterlagen die persönliche Zuverlässigkeit der zukünftigen Gewerbetreibenden zu prüfen. Zur Prüfung gehört auch die steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung, um die wir den Gesetzentwurf erweitert haben. Diese ist, wie Sie wissen, beim Gewerbeuntersagungsverfahren von besonderer Bedeutung. Abweichend von der Gewerbeordnung wollen wir Möglichkeiten eröffnen, bei Vorlage problemhafter Unterlagen die Tätigkeit bereits vor Beginn zu untersagen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch mit diesem Gesetzentwurf nehmen wir den Beschluss der Innenministerkonferenz vom 07.12.2007 zur effektiven Eindämmung des Alkoholmissbrauchs junger Menschen

wahr und versuchen, diesen umzusetzen. So bezieht er sich auch auf die vorsätzliche Missachtung des Verbotes, „alkoholische Getränke in einer Art und Weise anzubieten, die darauf gerichtet ist, zu übermäßigem Alkoholkonsum zu verleiten". – So lautete damals der Beschluss.

Zusammengefasst will unser Gesetzentwurf Folgendes erreichen: Durch die Abschaffung des Erlaubnisverfahrens werden Pflichten – und damit der Verwaltungsaufwand – für die zukünftigen Gaststättenbetreiber reduziert, ohne dass das Schutzniveau der Bürgerinnen und Bürger damit gesenkt wird. Die parlamentarische Behandlung unseres Gesetzentwurfes hat gezeigt, dass sich unser Ansatz für ein Sächsisches Gaststättengesetz als richtig und tragfähig erwiesen hat. Dafür – um noch einmal auf die Koalition zurückzukommen – muss man nicht einmal das Hinterhergehechel der Koalition hinter unserem Gesetzentwurf als Kronzeuge nehmen.

Ich hatte vor der 1. Lesung im November, vor nunmehr sieben Monaten, den demokratischen Fraktionen ausdrücklich ein Angebot zur Zusammenarbeit gemacht. Warum die Koalition dennoch versucht, sich mit schlecht geschriebenen Plagiaten zu retten, die sie dann in Windeseile noch selbst ändert, wird sie uns im nächsten Redebeitrag darlegen.

So oder so, meine sehr geehrten Damen und Herren, werden wir heute ein Ergebnis unserer Landesinitiative als Gesetz beschließen – auf jeden Fall eines, das in die richtige Richtung geht. Wie weit es geht, werden wir sehen.

Am Schluss möchte ich noch einen Wunsch äußern: Ich hoffe, dass der Wirtschaftsminister mitbekommt, dass wir ein Gaststättengesetz beschließen, und dass er zumindest die Schlagzahl bei der Umsetzung des Gesetzes etwas erhöht. Das ist meine Erwartungshaltung an Sie. Mir bleibt eigentlich nach diesem erfolgreichen Gesetzesdurchlauf, den wir hatten, nur noch, mich bei allen, die an diesem langen Prozess beteiligt waren, zu bedanken. Unser Versprechen als LINKE haben wir eingelöst: Es wird heute ein Sächsisches Gaststättengesetz geben, das modern und aktuell ist sowie den Anforderungen entspricht.

Danke schön.

(Beifall bei den LINKEN)

Die CDUFraktion, bitte; Herr Abg. Heidan.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Tischendorf, es ist schon etwas ungeheuerlich,

(Klaus Tischendorf, DIE LINKE: Was?)

wenn Sie von Ihrem Gesetzentwurf im Hohen Hause sagen, dass er handwerklich sehr gut vorbereitet worden sei. Ich frage mich, warum Sie ausgerechnet heute einen Änderungsantrag mit der Drucksachennummer 5/6215 einbringen, in dem handwerkliche Fehler korrigiert

werden müssen. Aber darauf komme ich in meinem Redebeitrag gern noch zu sprechen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf der Koalition von CDU und FDP setzt die Zuständigkeit der Bundesländer für das Gaststättengesetz in Deutschland – und damit auch im Freistaat – um. Mit unserem vorliegenden Gesetzentwurf wollen wir zur Entbürokratisierung beitragen und legen Ihnen ein wesentlich schlankeres Gesetz vor als das bisherige, auf Bundesebene geregelte – und das aus gutem Grund: Wir wollen nur das regeln, was zur Aufnahme einer Tätigkeit als Gastronom erforderlich ist. Baurechtliche Belange – auch dazu werden wir uns noch verständigen – oder Gesundheitsschutz sowie weitere fachspezifische Bedingungen sind bereits in entsprechenden Gesetzen definiert und sollten daher im Gaststättengesetz nicht zwangsläufig eine nochmalige Erwähnung erfahren.

Auch das Verfahren zur Aufnahme einer Tätigkeit haben wir vereinfacht und verschlankt. Mit der Übertragung der Zuständigkeit sind die Länder angehalten, durch eigene landesgesetzliche Regelungen die Fragen des Gaststättenrechtes spezifisch zu klären. Ich hatte es bereits angekündigt; auch auf diese Problematik werden wir noch zu sprechen kommen.

Der vorliegende Gesetzentwurf der LINKEN beschreibt ebenfalls eine Vereinfachung für Gastwirte und Gewerbetreibende. Das möchte ich Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren von den LINKEN, neidlos, aber ohne große Leidenschaft anerkennen; sozusagen Ehre – nun hören Sie gut zu! –, wenn – nicht wem – Ehre gebührt. Aber letztendlich haben Sie die Regelung aus dem Gesetz des Landes Brandenburg lediglich eins zu eins übernommen. Herr Tischendorf, bitte rühmen Sie sich nicht allzu sehr. Sehr viel Energie für ein Sächsisches Gaststättengesetz haben Sie dabei nicht verwendet.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Klaus Tischendorf, DIE LINKE: Was?)

Ich hatte bereits in der Ausschusssitzung nach der Anhörung betont, dass sich einige Passagen in beiden Gesetzentwürfen sehr ähneln. Das liegt aber in der Natur der Sache und ist nicht weltbewegend schädlich, meine sehr geehrten Damen und Herren. Einige Länder haben bereits von ihrer Regelungskompetenz Gebrauch gemacht, hierzu Hinweise zu geben und Gesetze zu erlassen, die sich in der Sache natürlich ebenfalls – bei 16 Bundesländern – ähnlich sind.