Protocol of the Session on May 26, 2011

Eine landesweite Koordination der Beratung und Schulung, wie sie zum Beispiel für ganz Sachsen vom Leipziger Antidiskriminierungsbüro angeboten wird und noch weiter angeboten werden könnte, wäre sinnvoll. Aber

diese Arbeit muss natürlich auch finanziert werden. Einige Möglichkeiten, sich dem Thema zu nähern, sind schon in den Fragestellungen der Großen Anfrage aufgezeigt worden, aber – damit komme ich zum Anfang meiner Rede zurück – die richtige Diagnose für den an Homophobie erkrankten Freistaat ist eigentlich gestellt, und die richtige Medizin gibt es auch. Ich denke jedoch, der Wille der Verantwortlichen im Lande, die Probleme anzugehen und zu lösen und sich dabei auch helfen zu lassen, ist nicht – ich hoffe, noch nicht – zu erkennen; denn was nicht ist, kann noch werden. Ganz in diesem Sinne nehme ich das alte Sprichwort zum Abschluss: "Einsicht ist der erste Weg zur Besserung."

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Als nächste Rednerin spricht Frau Dr. Deicke für die SPDFraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Es wird Zeit, dass die Staatsregierung ihre Vorbehalte ablegt. In den Antworten auf die Große Anfrage zeigt sie aber: Sie kennt die Situation von Schwulen und Lesben nicht und will sie auch nicht kennen.

(Andreas Storr, NPD: Wer will das schon? Wer will die Situation schon kennen?)

Wir wollen stattdessen ein klares Bekenntnis zu Akzeptanz und Gleichberechtigung aller Bürgerinnen und Bürger." Diesem Zitat von Christian Richter, dem Initiator der Initiative "2=2", ist eigentlich nichts hinzuzufügen.

Schauen wir uns aber einmal die Historie an, in der die Staatsregierung schon einiges zur Gleichstellung NichtHeterosexueller und Heterosexueller unterlassen hat. Vor 21 Jahren, am 17. Mai 1990, hat die Weltgesundheitsorganisation Homosexualität aus ihrem Diagnoseschlüssel gestrichen, und seit 2005 wird am 17. Mai der Internationale Tag gegen Homophobie begangen.

In den letzten Jahren haben wir im Kampf gegen den Hass auf Homosexuelle und für die schrittweise Gleichstellung Homosexueller viel erreicht. Die wirksamste Politik gegen Homophobie ist die Gleichstellung Homosexueller.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und des Abg. Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, GRÜNE)

Ein wichtiger Meilenstein war dazu 2001 die Schaffung des Rechtsinstituts der eingetragenen Lebenspartnerschaft unter der rot-grünen Bundesregierung. In den letzten zehn Jahren konnten zahlreiche Ungleichbehandlungen der Lebenspartnerschaften mit der Ehe Stück für Stück abgebaut werden. Im Grundgesetz fehlt aber nach wie vor ein klares Bekenntnis zu den Rechten von Lesben und Schwulen. Konkret geht es dabei um die Erweiterung des Artikels 3 um den Passus, dass niemand wegen seiner sexuellen Identität benachteiligt werden dürfe.

Aber nicht nur Bundesrecht ist betroffen. Die Große Anfrage hat gezeigt: Es bleibt noch immer viel zu tun, insbesondere bei uns in Sachsen. Auch das Landesrecht regelt nämlich viele Belange. Begriffe wie "schwul" und "Schwuchtel" sind verbreitete Schimpfwörter auf Sachsens Schulhöfen, an Kneipentischen und Arbeitsplätzen. Daher sind Aufklärungsarbeit und eine aktive Gleichstellungspolitik dringend notwendig.

(Zuruf des Abg. Andreas Storr, NPD)

Umso schwerer wiegt es, dass die schwarz-gelbe Staatsregierung in den letzten Haushaltsverhandlungen die Etats für Gleichstellung drastisch zusammengestrichen hat. Am Thema Lebenspartnerschaften wird der Handlungsbedarf des Freistaates besonders deutlich. 13 Bundesländer haben die Gleichstellung im Beamtenrecht bereits vollzogen. Thüringen und Baden-Württemberg ziehen jetzt nach. In elf Bundesländern ist die Gleichstellung bereits im gesamten Landesrecht vollzogen. Nur Sachsen verwehrt homosexuellen Paaren wichtige Rechte und ist damit trauriges Schlusslicht bei der Gleichstellung homosexueller Partnerschaften.

Nachdem ein schwuler Angestellter vor dem Europäischen Gerichtshof wegen Ungleichbehandlung bei den Ruhestandsbezügen im Vergleich zu einem Ehemann geklagt und Recht bekommen hat, ist es an der Zeit zu handeln. Das hat sogar die Bundesjustizministerin erkannt, und sie wirbt für weitere Gesetze zur Gleichbehandlung Homosexueller. Sie will Bundesbeamte, Richter und Soldaten, die in einer eingetragenen Partnerschaft leben, im Beamtenrecht mit der Ehe gleichstellen. Wenn nun noch die Union ihre Blockadehaltung aufgeben würde, wären wir schon einen Schritt weiter. Das gilt auch auf Landesebene.

Herr Staatsminister Martens, ich gehe davon aus, dass Sie es Ihrer Kollegin gleichtun und sich auch auf Landesebene dafür starkmachen, dass sächsische Beamte gleichbehandelt werden. Im zehnten Jahr des Gesetzes über die Eingetragene Lebenspartnerschaft ist es an der Zeit, ideologische Scheuklappen fallen zu lassen und in Sachsen eine Initiative zur rechtlichen Gleichstellung von Lebenspartnerschaften mit der Ehe auf den Weg zu bringen. Homophobie ist heilbar, auch in Sachsen. Unsere Unterstützung haben Sie.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Frau Jonas für die FDP-Fraktion. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Abgeordneten! Ein Parlament hat Verantwortung für alle Lebensbereiche seiner Bürger und sollte sich auch mit ihnen befassen. Okay. Somit widmen wir uns heute dem spannenden Lebensbereich der Sexualität des Menschen.

Ich erspare Ihnen an dieser Stelle einen fachlichen Exkurs über die Entwicklung der Identität des Menschen, bezogen auf die Sexualität, obgleich dies bei den vielen Fragen, die in der Großen Anfrage gestellt worden sind, die nicht beantwortbar waren, wahrscheinlich notwendig wäre.

Manche sexuellen Lebensweisen oder Orientierungen verändern sich in den verschiedenen Lebensabschnitten. Nicht jede nicht-heterosexuelle Erfahrung führt zu einer nicht-heterosexuellen Orientierung. Erlauben Sie mir an dieser Stelle, eines zu sagen: Ich glaube nicht, dass Sachsen an Homophobie leidet.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Aber zurück zur Anfrage. Es geht also um die Verhinderung bzw. Vermeidung von Diskriminierung in Bezug auf nicht-heterosexuelle Lebensweisen, die auch die Form der Homosexualität und Transsexualität umfasst. Wichtig erscheint mir an dieser Stelle der Hinweis, dass es auch in heterosexuellen Lebensformen Diskriminierung und Stigmatisierung gibt. Es ist also kein nicht-heterosexuelles Problem.

In einem freiheitlichen Rechtsstaat versteht es sich von selbst, dass Minderheiten nicht deshalb benachteiligt werden dürfen, weil sie Minderheiten darstellen. Dabei hat der Staat keineswegs die Aufgabe, menschliche Lebensweisen zu kontrollieren, sexuelle Vorlieben zu erfassen oder Menschen in schützenswerte und weniger schützenswerte Gruppen zu unterteilen.

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Alexander Delle, NPD)

Seine Aufgabe ist es vielmehr, gleiche Rechte für alle Menschen zu verankern und durchzusetzen. Die Fragen und die Antworten der Staatsregierung auf diese Große Anfrage haben gezeigt: Es geht vorwiegend um die Anpassung von Gesetzen. Diesbezüglich verweise ich ausdrücklich auf die gestrige Debatte. Es geht darum, Gewalttaten zu ahnden. Das gilt aber für jede Form von Gewalt, unabhängig von der sexuellen Orientierung. Es geht darum, Projekte und Maßnahmen des Landes für alle zu öffnen. Das ist auch unser Anliegen und darum kümmern wir uns.

Einige Punkte, die Sie in Ihrer Großen Anfrage ansprechen, passen für mich aber nicht in jenes Bild. Sie fragen beispielsweise nach Teilnehmern von Projekten, aufgelistet nach der sexuellen Orientierung, bzw. es geht Ihnen um eine Bestandsaufnahme zur Lebenssituation nichtheterosexueller Jugendlicher bzw. diese zu veranlassen. Ich verweise darauf: Es ist mitunter schwierig, bei Jugendlichen, die keine Erfahrung haben, überhaupt schon von einer sexuellen Orientierung zu sprechen. Die Einteilung in Gruppen „Wer liebt wen?“ oder „Wer liebt was?“ ist für mich Diskriminierung.

(Beifall bei der FDP)

Es wäre schon fortschrittlicher, die Vielfalt anzuerkennen, indem man gerade nicht durch Scheinfürsorgen den Unterschied permanent herausstellt.

Des Weiteren sprechen Sie in der Großen Anfrage einen sogenannten Aktionsplan gegen Homophobie an. Einen solchen Aktionsplan haben die GRÜNEN bereits in einem Antrag auf Bundesebene und in anderen Bundesländern gefordert. Ihr Vorhaben, durch staatszentriertes Handeln Verhaltensmuster ändern zu wollen, ist nicht tragbar. Es ist vor allen Dingen eine Frage der Erziehung und der Verantwortung der Eltern, ihren Kindern Werte wie Toleranz zu vermitteln, ihnen die entsprechende Sensibilität für die Vielfalt in der Gesellschaft beizubringen. Ich kann in verschiedenen pädagogischen Kursen und Angeboten immer nur die verschiedenen Sichtweisen, Möglichkeiten und Lebensformen aufzeigen, ich kann sie aber nicht verordnen und als allgemeine Toleranzpflicht ausschalten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Verstehen Sie unter Toleranz die Einrichtung von speziellem Notfalltelefon gegen homophobe Gewalt? Verstehen Sie unter Toleranz spezielle Jugend- und Seniorenpolitik für gleichgeschlechtliche Lebensweisen? – Ich nicht. Die Polizei ist Ansprechpartner für alle Opfer von Gewalttaten. Es darf keinen Unterschied geben, ob es sich bei der betroffenen Person um eine Person mit nicht-heterosexueller oder einer Person mit einer heterosexuellen Orientierung handelt.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Jede Form von Gewalt ist abzulehnen, und bei Bedrohung hat die Polizei sofort einzugreifen.

Unsere Jugend- und Seniorenpolitik gilt ausdrücklich für alle Jugendlichen und für alle Senioren. Ich bin davon überzeugt, dass niemand die von Ihnen vorgeschlagene Sonderbehandlung, Sonderbefürwortung und Sonderstellung will. Aus meiner Sicht trägt die Große Anfrage nicht dazu bei, dass sich die Bilder in den Köpfen ändern, denn auch Sie – so hat es bei mir den Eindruck erweckt – orientieren sich ausschließlich an defizitären Problemkonstellationen. Diese Große Anfrage hat für mich in großen Teilen stigmatisierenden Charakter. Wir wollen, dass alle Menschen trotz ihrer Verschiedenheit – auch in der sexuellen Orientierung – gleichbehandelt werden.

Wir werden uns dafür einsetzen, dass in Gesetzen diese Vorstellungen umgesetzt werden und die Gleichstellung vollzogen wird. Wie gesagt, gestern ist darüber intensiv debattiert worden.

(Sabine Friedel, SPD: Ohne Erfolg!)

Die FDP hat sich immer gegen Ungleichbehandlung zur Wehr gesetzt bzw. hat sich für die Gleichstellung eingesetzt. Bereits in der vergangenen Legislaturperiode haben wir uns dafür eingesetzt und dafür gesorgt, dass Verpartnerungen, die früher nur in den Landesdirektionen stattfanden, heute – genauso wie bei allen anderen Paaren – auf dem Standesamt stattfinden. Das ist der richtige Weg

zur Gleichstellung. Genau hier werden und müssen wir weitermachen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Für jeden sollte unabhängig von seiner Orientierung gelten: Es ist egal, ob ein Mann einen Mann oder eine Frau eine Frau liebt. Wichtig ist doch in dieser Gesellschaft, dass man weiß, was Liebe ist.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Wir beschließen die erste Runde der allgemeinen Aussprache mit dem Redner der NPD-Fraktion. Herr Gansel, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist wirklich nicht einzusehen, warum sich der Sächsische Landtag mit solchen Belanglosigkeiten wie Kinderarmut, Abwanderung und Geburtenmangel befassen sollte. Warum sollte sich das sächsische Landesparlament mit Nebensächlichkeiten wie Grenzkriminalität und Asylmissbrauch beschäftigen? Warum sollte es sich mit Euro-Krise, Staatsverschuldung, Armutslöhnen und Massenarbeitslosigkeit beschäftigen?

Auf die Idee, dass diese Themen den Sachsen auf den Nägeln brennen könnten, kann auch nur die NPD kommen. Nah an den wirklichen Alltagsproblemen der Sachsen und sowieso am Puls der Zeit sind hingegen wie immer die GRÜNEN, eine Partei wie Schnittlauch: außen grün und innen hohl, aber eine Partei aus der Mitte des Volkes, lebensnah und mit einem untrüglichen Instinkt für die Themen, die die Menschen wirklich bewegen, Themen, die etwa den Arbeitsplatz suchenden Schulabgänger bewegen, die alleinerziehende Mutter, den armutsgefährdeten Frührentner, den existenzbedrohten kleinen Selbstständigen oder den prekär beschäftigten Zeitarbeiter.

Sie alle und noch viel mehr treibt nur eine Sorge um: ein Gedanke, mit dem sie morgens aufwachen und abends zu Bett gehen, ein Thema, das die bienenfleißigen GRÜNEN in eine Große Anfrage gegossen haben und heute hier diskutieren lassen, ein Thema, bei dem die Sachsen dankbar die Hände falten und gen Himmel die Worte rufen: Endlich spricht es mal jemand aus, endlich stellt mal jemand die richtigen Fragen!

(Zuruf der Abg. Heike Werner, DIE LINKE)

Das Thema, von dem ich spreche, lautet: „Situation der Nicht-Heterosexuellen in Sachsen“. Damit zeigen die GRÜNEN einmal mehr, dass sie immer noch die wahren Tabubrecher sind, die sich trauen, alle Eisen anzufassen – die heißen und auch die lauwarmen.

Bevor ich angesichts dieser Randgruppenverhätschelung vollends in die Politsatire abgleite, will ich einige Grundsatzpositionen der NPD kurz darstellen. Sexualität ist Privatsache, und in der Abgeschiedenheit ihrer vier Wände können auch Schwule und Lesben tun und lassen, was sie wollen – auch wenn es unappetitlich sein mag. In

der Öffentlichkeit aber haben sie das Anstandsgefühl der übergroßen heterosexuellen Bevölkerungsmehrheit zu akzeptieren und eine Zurschaustellung ihrer sexuellen Neigungen zu unterlassen, wie sie etwa auf Schwulenparaden zelebriert werden.