Protocol of the Session on May 25, 2011

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Ich stelle fest: Die Sächsische Staatsregierung hatte wirklich keinen Einfluss. Vielleicht hat sie es auch nicht versucht. Denn mit der Laufzeitverlängerung – Sie können sich erinnern – und mit dem Energiekonzept der Bundesregierung hat man den Bundesrat umgangen. Sachsen hat am Ende stillschweigend mitgemacht, während andere Bundesländer eine Verfassungsklage eingereicht haben, weil sie völlig zu Recht darauf hingewiesen haben: Wenn es um Fragen des Atomgesetzes geht, dann sind auch die Bundesländer im Bundesrat entsprechend zu beteiligen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nunmehr will Frau Merkel aus der Atomenergie aussteigen und die Rolle rückwärts probieren. Ich stelle wiederum fest:

Sachsen windet sich heute zum wiederholten Male um eine konkrete Antwort herum. Dabei ist die CSU in Bayern – Herr Hahn hat es angesprochen – wesentlich weiter.

Kollege Flath, ich habe das heute so verstanden: Sie haben ausdrücklich die Einheit der Koalition in Sachsen beschworen, weil Sie das nötig haben; denn die Zerrissenheit von Union und FDP, nicht nur beim Atomausstieg, wird doch in Sachsen immer deutlicher.

(Holger Zastrow und Torsten Herbst, FDP: Was? – Heiterkeit bei der FDP)

Da können Sie darüber lachen, Herr Zastrow. Es gibt Lippenbekenntnisse. Herr Brangs hat es ja mit der Schicksalsgemeinschaft kommentiert. Ich will es gar nicht mehr erläutern. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, es liegt doch auf der Hand, dass es überall knirscht.

(Holger Zastrow, FDP: Ja, ja!)

Wenn ich die Bundesebene anschaue, so stelle ich fest, dass es momentan den Bericht der Reaktorprüfungskommission gibt. Er liegt vor. Dabei war jedem klar, dass die drei Monate viel zu kurz waren, um die Sicherheit der AKWs tatsächlich überprüfen zu können. Insofern sagt uns dieser Bericht auch wenig aus.

Jetzt schauen alle gebannt, was Ende Mai von der Ethikkommission als Bericht vorgelegt wird, und man fragt sich, was die Ethikkommission sagen wird. Da prescht die CSU – ich habe es erwähnt – bereits vor und sagt: Atomausstieg bis 2022. Insofern hat sie da eine klare Vorlage gegeben, und Herr Söder bemüht sich gerade, irgendwo noch ein grünes Etikett angesteckt zu bekommen.

Wie sieht es aber mit der FDP aus? Auf Bundesebene hörten wir auch, dass sie gleich alle Atomkraftwerke abschalten wollte. Da staunten manche. Doch die sächsische FDP ist da wohl nicht konsequent. Herr Zastrow – das muss ich Ihnen zugestehen –, an dieser Stelle sind Sie wirklich glaubwürdig. Ich zitiere aus dem Parteitagsbeschluss der FDP Sachsen vom 16. April dieses Jahres. Es ist fünf Wochen her, als Sie auf Ihrem Parteitag beschlossen haben: „Die sächsische FDP fordert eine sachliche und schlüssige Diskussion auf der Basis des Energieprogramms der Bundesregierung.“ – Wohlgemerkt, das alte. „Das Energieprogramm der Bundesregierung ist bis zum Abschluss der Diskussion umzusetzen.“ Das heißt, wenn es nach Ihnen gegangen wäre, hätten wir nicht einmal die Reaktoren überprüft, sondern wir hätten wie bisher weitergemacht. Ich stelle fest, dass sich damit die sächsische FDP zur letzten Atompartei in Deutschland erklärt.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Letztlich konstatiere ich Folgendes, wenn man sich die drei Bündnispartner im Bund und die zwei im Land anschaut: Die einen müssen sich noch entscheiden, die anderen sagen 2022, und die Dritten wollen mit Atom gar weitermachen. Ich nenne das Chaos pur.

Doch halt, meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt ja in Sachsen noch ein gültiges Energieprogramm, und zwar jenes aus dem Jahr 2004. Ich will es gar nicht zitieren, sondern ganz kurz zusammenfassen. Dieses Programm diskreditiert ganz klar das ErneuerbareEnergien-Gesetz, das Gesetz zur Kraft-Wärme-Kopplung und die ökologische Steuerreform. Es ist immer noch gültig. Die Instrumente, die uns vorangebracht haben und uns weiter voranbringen, werden diskreditiert. Wir brauchen ganz klare Regeln, die auch den Verbraucher schützen und den Wettbewerb erst möglich machen.

Ein gutes Beispiel, wo der Staat regulierend eingreifen kann, sind die Netznutzungsentgelte. Ihr Anteil am Strompreis ist von 39 auf 32 % durch die Regulierung gesunken. Es macht deutlich, dass es durchaus auch Anlass gibt, wo der Staat in die Gestaltung der Strompreise sinnvoll eingreift, um letztlich Wettbewerb erst möglich zu machen.

Da komme ich zu der schwierigen Passage in diesem Energieprogramm von 2004, zum Atom. Darin steht wörtlich: „Die Option der Kernenergie muss als technologische Variante für die Zukunft offengehalten werden.“ Meine sehr verehrten Damen und Herren! Selbst all jene, die immer noch glauben, die Kernfusion würde uns retten, sagen, dass die vielen Milliarden, die dort hineingesteckt wurden, verpulvert wurden. Wir werden auch die Kernfusion nicht stemmen können. Wir sollten Schluss machen mit der Meinung, dass die Atomenergie uns retten könnte.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Ich finde, dass das übrigens gemeinsam in der Staatsregierung damals zwischen den Ministerien verhandelte Programm des Jahres 2007 auch heute noch eine gute Grundlage zur Kursbestimmung für die Energiepolitik im Freistaat Sachsen wäre. Ich gestehe gern ein, dass sich die Zeit weiterentwickelt hat und man nicht nur wegen Fukushima die Realitäten zur Kenntnis nehmen und Anpassungen vornehmen muss, auch was die Zielerreichung bei erneuerbaren Energien betrifft. Ich hätte gern einmal gewusst, wenn Sie sagen, Sie haben 2006 formuliert, in 100 Jahren können wir 100 % aus erneuerbaren Energien produzieren, wie heute Ihre Meinung ist und ob das noch heute für Sie gültig ist oder nicht.

Fakt ist doch, dass wir damals in Absprache mit dem heutigen Ministerpräsidenten einiges erreicht und vorangebracht haben. Es ist leider an der Staatskanzlei gescheitert. Ich sage aber trotzdem: Das Programm von 2007 können Sie in Kraft setzen. Wir würden damit allemal besser sein als das, was wir von 2004 geerbt haben, meine sehr verehrten Damen und Herren. Und wenn die FDP unter dem schweren sozialdemokratischen Erbe leidet, dann sollte sie bitte mit diesem schönen Programm leiden.

(Beifall bei der SPD)

Ich finde, dass Sie sich auch mit fremden Federn schmücken, wenn Sie sagen, Sie wollen den Aktionsplan Klima und Energien fortsetzen. Wir haben es übrigens auch als

eines der damaligen Baustelle des Energieprogramms von 2007 gemeinsam umgesetzt. Es war eine gute Entscheidung, wozu wir heute noch Briefe bekommen. Sie haben auch Briefe vorgelesen, in denen deutlich steht, dass der Aktionsplan Klima und Energien des Jahres 2008 uns vorangebracht und wenigstens konkrete Maßnahmen beschrieben hat. Ich bin einmal gespannt, was Sie demnächst vorlegen werden.

Völlig klar ist für die Sozialdemokraten: Wir brauchen, was Energiepolitik betrifft, einen Ausgleich zwischen wirtschaftlicher Vernunft und ökologischer Notwendigkeit, und wir brauchen die nötige soziale Balance. Deutschland braucht insbesondere als Industrieland – darauf lege ich großen Wert – eine sichere, stabile Versorgung mit Energie, und zwar für Industrie, Handwerk und unsere Haushalte, meine sehr verehrten Damen und Herren. Dabei muss Klimaerzeugung heute so umweltfreundlich und klimafreundlich wie irgend möglich vonstatten gehen. Wir brauchen natürlich auch beim Energieverbrauch Effizienz so dringend wie möglich. Wir brauchen einen klaren Vorrang auch für Energieeinsparungen. Deshalb sage ich unter dem Strich: Energie hat eine soziale Funktion, Energie muss bezahlbar sein.

(Beifall bei der SPD)

Ich habe auch mit CDU-Kollegen darüber gesprochen, dass wir eigentlich empört sein müssten, wenn die EEGUmlage für das Jahr 2011 falsch berechnet wurde. Statt der eigentlich nötigen 2,7 Cent pro Kilowattstunde hat man 3,5 Cent pro Kilowattstunde berechnet – wie auch immer. Jedenfalls hat es sich herausgestellt, dass diese Angabe falsch war. Das heißt, wir nehmen von allen Energieverbrauchern momentan 0,8 Cent pro Kilowattstunde zu viel. Ich halte das für einen Skandal. Jene, die das falsch berechnet haben, müssten eigentlich ihrer Funktion enthoben werden, und wir müssten zum Ursprungswert zurückkehren.

(Beifall bei der SPD)

Ich bin sehr erstaunt, Herr Flath, wenn ich den gestrigen Vorschlag von Herrn Röttgen höre. Darüber hatten wir übrigens gestern auch diskutiert. Ich weiß, dass sich die Sächsische Staatsregierung für die energieintensiven Betriebe eingesetzt hat, als es darum ging, dass ihre Erleichterungen abgeschafft werden sollten. Jetzt höre ich von Herrn Röttgen – das finde ich schon bemerkenswert –, dass die nötigen Entlastungen für energieintensive Industrien ausgebaut werden sollen, und zwar sollen auch in Zukunft Betriebe mit einem Jahresverbrauch von 5 statt bisher 10 Gigawattstunden einbezogen werden und Erleichterungen bei der Ökostrom-Umlage erfahren. Was ist denn die Konsequenz?

Damit werden dann Großbäckereien entlastet, und der Bäcker um die Ecke hat nichts davon. Ich finde, dass es schwierig ist, solche Grenzwerte festzulegen. Halten wir uns doch lieber an das, was bisher vereinbart war. Da gab es nicht mehr den Aufschrei – darüber hat man sich jetzt verständigt. Es sollte jetzt deutlich gemacht werden, dass

es Privilegierte und weniger Privilegierte gibt. Da geht es nicht nur um die Privathaushalte, die das dann alle mit bezahlen müssen, sondern auch um Handwerk und Kleingewerbe, die eben nicht von dieser Erleichterung profitieren. Hier sollte sich die Staatsregierung starkmachen.

(Beifall bei der SPD)

Für uns als Sozialdemokraten ist der Atomausstieg unumkehrbar. Da hat es nicht Fukushima bedurft. Es ist längst keine Option mehr für uns, Energie so zu erzeugen. Deshalb ist es wichtig, dass wir die erneuerbaren Energien ausbauen. Ob es Sonne, Wind, Wasser, Geothermie oder Biomasse sind – wir haben viel, viel Potenzial auch bei uns in Sachsen. Herr Flath, ich habe formuliert: Wir wollen im Jahr 2050 100 %, also Vollversorgung, der Energie aus erneuerbaren Energiequellen. Das heißt auch, dass wir dann die Braunkohle nicht mehr brauchen. Ein Ausstiegsbeschluss zur Braunkohle sieht anders aus. Ich denke einmal, wenn man weiß, dass man 100 % erneuerbare Energie produzieren kann, dann braucht man die Braunkohle nicht mehr zur Verstromung. Aber ich gestehe gern, dass wir die Braunkohle möglicherweise und gerade auch zur chemischen Nutzung brauchen, weil die Braunkohle uns auch bei der Frage des Energieträgers Treibstoffe durchaus helfen kann.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben uns als Sozialdemokraten zur Brückentechnologie der Braunkohlestromerzeugung bekannt. Ich sage das als Mensch, der aus der Lausitz kommt, dessen Heimatort im Jahre 2010, hätte es die DDR weiter gegeben, abgebaggert worden wäre. Ich kenne die Schmerzen, die mit der Braunkohle in der Region verbunden sind, für Natur, für Umwelt und vor allem auch für die dort lebenden Menschen. Ich weiß, was das für alte Menschen bedeutet.

Aber ich stelle auch fest, dass wir einen gesellschaftlichen Konsens haben, der vielleicht von manchen, die aus Großstädten kommen, nicht beachtet wird. Aber es ist wirklich so, dass man von und mit der Braunkohle lebt, und man gibt einen Konsens nicht einfach auf. Es bringt uns wenig, den Leuten Angst damit einzujagen, dass neue Braunkohlentagebaue errichtet werden sollen. Das sollte man sich sparen. Wir sollten alles tun, um bei der Entwicklung der erneuerbaren Energien voranzukommen.

Es ist für mich ganz wichtig, dass wir auch das Thema Energiespeicherung stärker beleuchten. Die Bundesregierung hat gerade ein Förderprogramm für 200 Millionen Euro aufgelegt. Ich denke, es ist an der Zeit, dass wir im Freistaat Sachsen eine Landesexzellenzinitiative Energiespeicherung auf den Weg bringen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben unsere Energiepolitik vorgestellt. Es gibt ein Programm von uns. Ich denke, die Menschen haben Erwartungen und wollen von der politischen Führung klare Ziele und keinen Schlingerkurs.

(Beifall bei der SPD)

Für die SPD-Fraktion sprach Herr Kollege Jurk. – Als Nächstes spricht für die FDP der Fraktionsvorsitzende Herr Kollege Zastrow.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich höre immer wieder, dass die Welt nach Fukushima eine andere geworden ist; aber ich frage mich, ob sie tatsächlich anders ist und ob sich gerade für uns in Deutschland die Fakten wirklich so geändert haben oder ob die gesamte Debatte ihre Gründe vielleicht darin hat, dass einige erkannt haben, dass man mit Angst politisches Geschäft betreiben kann.

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Das machen Sie doch! – Weitere Zurufe von der SPD und den LINKEN)

Wie man an den Landtagswahlergebnissen der jüngsten Vergangenheit sieht, verstehen sich ja vor allem die GRÜNEN hervorragend auf dieses Geschäft, meine Damen und Herren.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Die GRÜNEN haben mit dem Geschäft mit der Angst Rekordwahlergebnisse eingefahren und das hat dazu geführt, dass ich mich erstmals wirklich für mein Heimatland Deutschland geschämt habe. Denn während in Japan mehr als 20 000 Menschen – und zwar nicht durch einen Atomunfall, sondern durch einen Tsunami und ein Erdbeben – ihr Leben verloren haben, hatten einige in Deutschland nichts Besseres zu tun, als diese Katastrophe parteitaktisch zu missbrauchen. Ich finde das falsch, ich finde das zynisch und unserem Land unwürdig, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung – Stefan Brangs, SPD: Schönen Gruß an Merkel! – Weitere Zurufe)

Es war bislang politischer Konsens in unserem Land, dass die Kernkraft eine Übergangstechnologie ist. Es ist keine Technologie für die Ewigkeit – darin sind wir uns einig –, aber sie sichert uns eine verlässliche und bezahlbare Stromversorgung so lange, bis wir alternative Energiegewinnungsmöglichkeiten markttauglich gemacht haben. Dafür, dass diese Alternativen, möglichst regenerative Technologien, die Kernkraft ablösen, investiert der Staat seit vielen Jahren – auch ein Konsens in unserem Land – enorme Finanzmittel. Trotzdem können wir heute und auch in naher Zukunft mit Sicherheit noch nicht allein von Wind und Sonne leben, wenn wir Deutschland als führenden Industriestandort erhalten wollen, wenn wir weiter wollen, dass in Deutschland produziert werden kann, wenn wir weiter zu den Besten in der Welt gehören wollen. Deshalb benötigen wir die Kernenergie bestimmt noch eine gewisse Zeit; schließlich decken wir rund ein Viertel unseres Energiebedarfes aus der Kernkraft – übrigens genauso viel, wie die Braunkohle dazu beiträgt.

Die Kernkraftwerke, meine Damen und Herren, waren und sind nach menschlichem Ermessen in Deutschland sicher. An dieser Einschätzung kann sich nach Fukushima

nichts geändert haben und hat sich auch nichts geändert; denn das, was dort passiert ist, kann nun einmal in Deutschland nicht passieren. Bei uns gibt es weder Tsunamis, noch gibt es Erdbeben in dieser Größenordnung – und wir sollten den Menschen auch nichts anderes einreden. Diese Angstmacherei muss ein Ende haben, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Im Übrigen, wenn es anders wäre, wenn wir der Meinung wären, dass unsere Kernkraftwerke ein permanentes akutes Sicherheitsrisiko darstellen würden, dann hätte jede bisherige Regierung diese Kernkraftwerke abschalten müssen – jede Regierung, auch rot-grüne Regierungen –, und zwar nicht an irgendeinem beliebigen, willkürlich festgelegten Ausstiegsdatum, sondern sofort. Dass das niemand gemacht hat, liegt daran, dass wir den Betrieb unserer eigenen Kernkraftwerke schon immer an strengste Sicherheitsauflagen gekoppelt haben und wir der Meinung sind, Risiken nach menschlichem Ermessen ausschließen zu können.

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Frau Merkel hat doch gerade welche abgestellt!)