Das sehen nicht nur wir so, sondern auch die Vertreter der evangelisch-lutherischen Kirchgemeinden in diesem Land. Auf Antrag des sozialethischen Ausschusses beschloss die Landessynode der evangelisch-lutherischen Landeskirche Sachsen am 11. April dieses Jahres, das Landeskirchenamt zu Gesprächen mit dem Kultusministerium bezüglich der Kooperationsvereinbarung zwischen SMK und Bundeswehr aufzufordern. Bei diesem Gespräch sollen folgende Bedenken der Landessynode zur Sprache kommen:
Erstens die verpflichtende Teilnahme von Schülern an Veranstaltungen und Angeboten der Bundeswehr während des Schulunterrichts,
zweitens die nicht geregelte Informationspflicht der Schule gegenüber den Eltern zu geplanten Veranstaltungen der Bundeswehr,
viertens die fehlende Eingrenzung der Schulform und der Klassenstufen für die Angebote der Bundeswehr,
fünftens der fehlende Hinweis auf das Schulgesetz und das damit verbundene Mitwirkungsrecht der Eltern und
Wir bieten mit unserem Antrag, eine Verwaltungsvereinbarung zu erlassen, die alle oben angeführten kritischen Punkte klar regelt, einen für Sie, Herr Minister, gangbaren Weg.
Das Grundgesetz verpflichtet den Staat zu Neutralität und Toleranz gegenüber den erzieherischen Vorstellungen von Eltern. Herr Minister, Sie klagen diese Verantwortung – zu Recht, wie ich finde – immer wieder ein.
Wenn Sie es ernst damit meinen, können Sie nicht bei einem Thema wie der Friedenserziehung den Eltern auf einmal Vorschriften machen und Ihre Haltung zur Bundeswehr zum Maßstab erheben.
Ich habe vergessen zu erzählen, wie das POL&IS-Spiel im Feature vom Deutschlandfunk ausgegangen ist. Der amerikanische Superminister entscheidet sich nach schweren Verlusten von Soldaten für eine diplomatische Lösung in Afghanistan und unterstützt Afrika bei der Bewältigung seiner Konflikte mit Europa. Der Superminister Europas, der noch am Anfang des Spiels die “Höhlenbewohner in Afghanistan“ einfach machen lassen wollte, versenkt im Laufe des Spiels ein Piratenschiff,
obwohl sich die Seeräuber bereits ergeben hatten, bedroht andere Regionen und erpresst schließlich Afrika. Der Kommentar des Jugendoffiziers am Ende des Features: „Ich hätte gern noch länger mit Ihnen gespielt. Sie waren eine liebe Truppe und sehr kreativ.“
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Kollegin von den GRÜNEN, Frau Annekathrin Giegengack, hat mir ihrem Beispiel und ihren Ausführungen sehr deutlich gemacht, worum es geht. Ich kann mich dem eigentlich nur anschließen.
Ausgelöst wurde dieser Antrag durch die mündliche Anfrage und die Weigerung des Kultusministers, auf die Forderung der Eltern einzugehen, diese gegebenenfalls vom Unterricht freizustellen, um eine gewaltfreie Erziehung zu ermöglichen. Der Hintergrund ist an diesem Beispiel sehr gut zum Ausdruck gekommen.
Ich möchte eines ergänzen: Uns geht es nicht darum, den Jugendoffizieren in irgendeiner Weise zu unterstellen, dass sie indoktrinativ in der Schule wirksam werden. Die Jugendoffiziere sind – so jedenfalls meine Kenntnisse und meine Gespräche mit ihnen – sehr gut ausgebildet. Sie sind außerdem dem Beutelsbacher Konsens verpflichtet. Sie sind des Weiteren verpflichtet, das Überwältigungsverbot, das Kontroversitätsgebot und die Schülergerechtheit – die Interessenlage der Schüler – zu berücksichtigen.
Das hindert offenbar nicht daran, dass genau solche Spiele, wie Frau Giegengack sie hier dargestellt hat, oder der unmittelbare Besuch in Bundeswehreinheiten dazu führen, dass es – nicht direkt, aber indirekt – zu einer Werbung für die Bundeswehr kommt. Außerdem kommt es zu einer Verbreitung der Sicherheits- und Verteidigungspolitik der derzeitigen Bundesregierung bzw. der jeweiligen Bundesregierung, weil die Jugendoffiziere unmittelbar der Öffentlichkeitsabteilung des Bundesverteidigungsministeriums unterstehen. Das ist ihre unmittelbare Dienststelle. Deshalb ist es nicht möglich, abweichende oder andere Positionen in diesen Fragen als die allgemein herrschende Politik der Bundesregierung darzustellen. Zum Beispiel ist auch die Frage, Auslandseinsätze der Bundeswehr nicht positiv zu begleiten, aus ihrem Auftrag heraus gar nicht möglich.
Nach wie vor ist mir der Sinn des Kooperationsvertrages, der eingegangen wurde, noch nicht ganz klar ist. Es gab vorher bereits eine freiwillige Zusammenarbeit. Er existiert nun einmal. Unsere Forderung lautet: Nun muss die Möglichkeit geschaffen werden, dass zum Beispiel zivilen Friedensorganisationen gleichermaßen der Zugang zu den Schulen eingeräumt wird und sie in die Diskussion ihre gewaltfreie Position einbringen können.
Ich möchte auf einen weiteren Punkt hinweisen: Die Diskussion läuft nicht nur in Sachsen sehr heftig, sondern auch in allen anderen Bundesländern, in denen die Kooperationsvereinbarung zwischen dem Bildungs- oder Kultusministerium und der Bundeswehr abgeschlossen wurde.
Insbesondere Organisationen wie terre des hommes, die sich vor allen Dingen darum bemühen, die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland zu begleiten, kritisieren heftig diesen Umgang und diesen Einsatz der Jugendoffiziere in den Schulen und fordern unter anderem – das wäre auch noch einmal meine Bitte und mein Appell an das Kultusministerium – zu überprüfen, ob minderjährige Jugendliche, also Jugendliche unter 18 Jahren, mit der Werbung der Bundeswehr unmittelbar konfrontiert werden.
Wir haben in den Schulen, in den Lehrplänen eindeutig auch eine Verpflichtung zur Friedenserziehung. Die kann ich leider in diesem Kooperationsvertrag bzw. in dessen Umsetzung nicht erkennen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich verkürze meine Rede, weil ich denke, dass das meiste gesagt worden ist. Unser Antrag bezieht sich gleichermaßen auf die Umsetzung des Beutelsbacher Konsenses, aber vor allen Dingen auf die Möglichkeit der Befreiung vom Unterricht und evtl. eines Ersatzunterrichtes. Wir würden es sehr unterstützen, wenn das Kultusministerium das begleitet mit einer entsprechenden Verwaltungsvorschrift, mit einer Rechtsverordnung bzw. einer Klärung gegenüber den Schulen, wenn man nicht bereit ist, diesen Kooperationsvertrag aufzulösen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Giegengack hat sehr anschaulich in das Thema eingeführt, sodass auch ich das eine oder andere aus meinem Redebeitrag nicht wiederholen möchte.
Trotzdem, Frau Giegengack, wir gehen weiter. Wir möchten, dass die Kooperationsvereinbarung mit der Bundeswehr zurückgenommen wird, weil wir der Auffassung sind, dass diese überflüssig ist.
Es soll auch Leute geben, die aus Getanem lernen können. Ich weiß nicht, ob das bei Ihnen auch der Fall ist. Vielleicht ist es ja so.
Sie widerspricht den Grundsätzen schulischen Lehrens, insbesondere im Bereich der politischen Bildung. Fragen
der Friedens-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik gehören in die Hände der pädagogischen Fachleute und nicht in die Hände von Jugendoffizieren. Lehrkräfte entscheiden souverän, ob sie für ihren Unterricht externen Sachverstand hinzuziehen wollen oder nicht. Sie brauchen dazu keine Kooperationsvereinbarung zwischen dem Kultusministerium und der Bundeswehr, die einseitig die Möglichkeit haben wird, an den Schulen zu agieren.
Kein Schüler und keine Schülerin darf zu Veranstaltungen mit Bundeswehrangehörigen verpflichtet oder gezwungen werden. Diese Veranstaltungen finden während der Unterrichtszeit statt und sind daher Bestandteil des Pflichtunterrichts.
In der Sächsischen Verfassung heißt es im § 101: „Eltern bestimmen die Bildungs- und Erziehungsziele ihrer Kinder.“ Dies gilt an sächsischen Schulen offensichtlich nicht; denn wir haben in diesem Hohen Hause von Herrn Wöller bereits gehört, dass Eltern, die ihre Kinder aus dem Unterricht herausnehmen wollen, wenn die Bundeswehr die Unterrichtsstunden hält, dies nicht gestattet wird. In der Stellungnahme der Staatsregierung gibt es nun natürlich – ich sage das ganz bewusst – eine Aufweichung. Der Kultusminister schiebt die Verantwortung an die Schulleiter ab. In der Stellungnahme heißt es: „Die Schulleiter können darüber entscheiden, ob die Schüler an dem Unterricht teilnehmen müssen oder nicht.“
Herr Wöller, wir fordern Sie auf, Ihre Verantwortung wahrzunehmen und Entscheidungen zu treffen und diese nicht immer abzuschieben!
Die Schule ist kein Ort für die Rekrutierung von Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten. Die Bundeswehr erhält mit der Kooperationsvereinbarung vielfältige Möglichkeiten, in den Schulen und darüber hinaus zu wirken. Die jungen Offiziere gehen in den Unterricht. Sie sollen zukünftig in der Aus- und Fortbildung von Lehrkräften und Lehramtsanwärtern agieren.
Andere Organisationen, die sicherheitspolitische und friedenspädagogische Konzepte haben und diese selbstverständlich in den Schulen darstellen sollten – wir haben das schon von Frau Giegengack und von Frau Stange gehört –, haben diese Möglichkeiten nicht.
Nach der Bundeswehrreform fehlen Rekruten. Da lässt sich der Verdacht offensichtlich nicht wirklich von der Hand weisen, dass die Kooperationsvereinbarung der Bundeswehr die Möglichkeit zu werben gibt.
Dass die Schulen über die Sicherheitspolitik der Bundesrepublik informiert werden sollen und dort darüber diskutiert werden kann, ist, glaube ich, unstrittig. Das ist auch Bestandteil des Lehrplanes und deshalb für uns keine Frage. Aber existenzielle Fragen wie Krieg und Frieden dürfen an unseren Schulen mit Schülerinnen und Schülern nicht einseitig nur durch die Bundeswehr behandelt werden, die dadurch einen großen Einfluss erhalten würde.
Die Anträge von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD gehen uns nicht weit genug. Daher werden wir diese Anträge ablehnen.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im schwäbischen Beutelsbach wurden 1976 durch die baden-württembergische Landeszentrale für politische Bildung und Politikdidaktiker die Grundlagen und Zielsetzungen politischer Bildung neu definiert. Der verabschiedete Beutelsbacher Konsens geht dem Grunde nach von einer wertorientierten, individuell interpretierbaren und offenen politischen Bildung aus. Dies gilt auch im Rahmen der schulischen Ausbildung.
Im Dezember letzten Jahres unterzeichnete das Kultusministerium eine Kooperationsvereinbarung mit dem Wehrbereichskommando III der Bundeswehr bezüglich der Zusammenarbeit an sächsischen Schulen. Danach können Schulen freiwillig das Angebot der Bundeswehr nutzen, Jugendoffiziere in den Unterricht einzuladen, um beispielsweise Fragen zur aktuellen Sicherheitspolitik zu diskutieren.