Wie es ausgeht, wenn die SPD einmal über längere Zeit Bildungspolitik machen kann, sehen wir bei Vergleichstests wie PISA oder anderen Studien. Da sind diese Länder leider meistens ziemlich weit hinten – leider, weil es ja dort um Kinder geht.
Doch, meine sehr geehrten Damen und Herren, fangen wir einmal mit einigen guten Aspekten des Antrages an. Sie wollen die Zusammenarbeit der zukünftigen Oberschule mit einigen Einrichtungen, also Gymnasien, Berufsschulzentren usw., verbessern. Das ist aus vielerlei Hinsicht sinnvoll wie aus Gründen der Berufsorientierung, aber auch aus Gründen des Klimas zwischen den Schulen und der Zusammenarbeit. Natürlich muss es auch Inhalt der Oberschule sein, dass Mittelschulen weiter verstärkt mit Gymnasien kooperieren. Deswegen unter
Sie wollen auch mehr Freiheiten für Schulen, um von der äußeren Differenzierung absehen zu können. Auch das ist Teil der Oberschulreform und soll in die Änderung der Schulordnung einfließen. Sie sehen also, dass wir bereits sinnvolle Sachen machen, die auch von Ihnen für gut befunden werden.
Was nicht geht, ist, dass Sie aus der Oberschule eine Gemeinschaftsschule machen wollen, und zwar so eine Gemeinschaftsschule, wie Sie sie letzten Freitag vorgestellt haben. Die FDP steht für Leistungsorientierung, und deswegen lehnen wir beispielsweise die Abschaffung der Bildungsempfehlung ab. Wissen Sie, was der Unterschied zwischen Ihnen und uns ist? – Sie wollen die Hürden absenken oder abschaffen, und wir wollen den Schülern über diese Hürde helfen. Das ist der Unterschied. Über diese Hürde helfen, Frau Stange, das heißt Angebote machen, wie – dazu komme ich jetzt – –
Herr Bläsner, erklären Sie mir bitte einmal, wie Sie diese Hürde jetzt ohne die zweite Fremdsprache abbauen und eine zweite Bildungsempfehlung nach Klasse 6 geben wollen, die die Mittelschüler im Prinzip gar nicht schaffen können, weil sie die zweite Fremdsprache nicht mitbekommen haben.
Ich komme jetzt ganz konkret zu Ihren Vorschlägen, die Herr Colditz vorhin schon genannt hat. Die FDP steht – darauf können wir uns hier im Raum einigen – für ein durchlässiges und einflussfähiges Bildungssystem. Wir wollen, dass die Entscheidung in Klassenstufe 4 keine Entscheidung gegen das Abitur wird, sondern nur über den Ort der Bildung, über die Art der Förderung und über das Lernumfeld. Das ist auch wichtig. Wir wollen dafür einige Maßnahmen umsetzen. Dazu haben Sie schon Ausführungen gemacht. Sie haben allerdings nur die Bildungsempfehlung ab Klassenstufe 4 genannt. Das ist richtig. Wir haben jetzt die Basis auf drei Fächer verbreitert und sie wieder auf 2,0 gesenkt, und wir werden auch eine neue Bildungsempfehlung ab Klassenstufe 6 machen, und zwar so, dass alle Schüler diese bekommen, dass sie eine Bildungsberatung bekommen, die noch einmal eine echte zweite Chance bietet, zeitig auf das allgemeinbildende Gymnasium zu wechseln.
Wir werden schrittweise – dazu komme ich jetzt – die zweite Fremdsprache an den Gymnasien vorziehen. Bisher hat etwa knapp die Hälfte der Mittelschulen ein solches Angebot. Unser Ziel ist es, dieses Angebot flä
chendeckend in allen Mittelschulen auszubauen, weil genau das der Punkt ist, wo die Durchlässigkeit noch nicht so gegeben ist, wie wir sie uns vorstellen.
Wir wollen den Schülern auch noch weitere Angebote machen, über diese Hürde zu gehen. Wir wollen sie in Leistungsgruppen besonders fördern und ihnen Angebote machen, damit sie ihre Talente zeigen können, wo sie gefordert werden, um für den eventuellen späteren Übergang auf das Gymnasium oder auf das berufsbildende Gymnasium gerüstet zu sein.
Wir nehmen insgesamt den Schülern den Druck, sich in der Klassenstufe 4 entscheiden zu müssen. Wir sagen ihnen, dass zu jedem Zeitpunkt in der Bildungslaufbahn die Möglichkeit besteht, eine Hochschulzugangsberechtigung zu erwerben.
Es ist vielleicht die größte Lüge der deutschen Bildungspolitik, dass die Entscheidung gegen das Gymnasium Klassenstufe 4 den Weg zum Abitur verbaut. Das Problem ist, dass das genau diese falsche Annahme ist, auf der Sie Ihre Politik fußen lassen. Das ist die Wahrheit.
Der Vorschlag der SPD, jetzt einen gymnasialen Zweig an den Oberschulen einzuführen, ist auch nicht realistisch. Sie haben es nun als realistisch bezeichnet. Schauen wir uns aber einmal die Mittelschulen von den baulichen Voraussetzungen her an. Ich kenne viele Mittelschulen, die jetzt wunderbar saniert wurden. Sie sind zwei- oder dreizügig eingerichtet. Sie sind durchaus voll. Meine Frage ist hier: Was haben Sie unternommen, um einmal Schulträger zu fragen, ob sie das überhaupt machen können? Was halten unsere Träger der Schulnetzplanung davon, wenn sie jetzt erneut Unruhe in die Schulnetzplanung bekommen? Ich sage Ihnen voraus: Mit Ihrem Vorschlag, Frau Dr. Stange, werden sich die Schulen zehn Jahre lang mit Schulstrukturen, Standorten und Versetzung von Lehrkräften beschäftigen müssen, aber nicht um Inhalte kümmern. Das ist das Problem bei Ihrem Vorschlag.
Sehr geehrte Damen und Herren! Die Koalition von CDU und FDP geht konkrete und umsetzbare Schritte zur Weiterentwicklung unserer Bildungslandschaft.
Wir stärken die bisherigen Mittelschulen mit der Weiterentwicklung zur Oberschule und geben allen Schülern die Chance, den für sie besten Abschluss zu erreichen. Ich freue mich auch, dass das sächsische Modell – Modell der Mittelschule und der Oberschule auch vom Namen her – bundespolitisch beispielsweise bei der CDU Anklang findet. Ich denke, dass Sachsen hier weiter Impulsgeber sein sollte. Die Weiterentwicklung der Mittelschule zur Oberschule ist der richtige Weg für ein leistungs- und chancengerechtes Bildungssystem. Das ist etwas, worauf sich Eltern und Schüler in Sachsen freuen können.
Für die FDP-Fraktion war das Herr Kollege Bläsner. – Für die Fraktion GRÜNE spricht jetzt Frau Kollegin Giegengack.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die bildungspolitische Diskussion in Sachsen wird seit Jahren von der Debatte um die Gemeinschaftsschule beherrscht, und viele bildungspolitische Fragestellungen wurden auf die Systemfrage reduziert und das Pro und Kontra zum längeren gemeinsamen Lernen zur Scheidemarke bildungspolitischer Positionen.
Ich möchte daran erinnern: Auch die FDP zog mit der Forderung nach längerem gemeinsamem Lernen in den Wahlkampf. Im Exklusivinterview mit der „Freien Presse“ im August 2009 tönte Herr Zastrow noch, er ließe die Koalition platzen, wenn die bildungspolitischen Vorstellungen der FDP nicht umgesetzt würden.
Das Ergebnis nach zwei Jahren Koalition ist ernüchternd: Bisher ein neuer Name für die Mittelschule; denn alle anderen Änderungen, wie zum Beispiel die Änderung des Zugangdurchschnitts für das Gymnasium, hätte die CDU auch ohne die FDP vorangebracht.
Vor diesem Hintergrund ist es nur allzu verständlich, dass der alte Koalitionspartner SPD den Finger in die Wunde legt und Forderungen zur inhaltlichen Ausgestaltung der neuen Oberschule aufmacht.
Die Forderungen sind durchaus nachvollziehbar, aber auch nicht alle unbedingt neu: Die Oberschule soll anschlussfähig sein an die gymnasiale Ausbildung, um den späteren Erwerb des Abiturs zu ermöglichen. Die Oberschule soll selbstständig sein, um genügend pädagogische und organisatorische Freiräume zu haben, ihrer heterogenen Schülerschaft gerecht zu werden. Die Oberschule soll verbindlich ein ganztägiges Angebot vorhalten, um Schüler individuell zu fördern. Die Oberschule soll inklusiv sein und auch Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf offenstehen. Die Oberschule soll arbeitsweltorientiert sein, um den Übergang in die Berufsausbildung zu erleichtern, und sie soll wohnortnah sein, um Schülern lange Schulwege zu ersparen und Schulschließungen zu vermeiden.
Nun, meine Damen und Herren, das alles unterschreiben wir GRÜNEN ohne Zögern. Wer will nicht die eine Schule, die allen gerecht wird und jeden mitnimmt?
Die Krux an diesem Antrag allerdings ist, dass er lediglich diese hehren Ziele formuliert, jedoch keinen einzigen Vorschlag zur Umsetzung liefert.
Ich denke, an Zielen und Herausforderungen fehlt es uns in diesem Land nicht. Vorschläge zu Lösungen sind
Meine Damen und Herren von der SPD, was hat Sie gehindert, dem Landtag ein Konzept zur Umsetzung der neuen wohnortnahen, inklusiven, ganztägigen, selbstständigen und anschlussfähigen Oberschule vorzulegen? Gerade die Mittelschule, die ja zur Oberschule werden soll, befindet sich inzwischen in einer äußerst schwierigen Situation, und das hat auch mit Ihrem Agieren in der letzten Koalition zu tun.
Wer sich die PISA-Ergebnisse von Sachsen genau ansieht, wird feststellen: Es war das hohe Leistungsniveau der sächsischen Mittelschüler, das entscheidend zum guten Abschneiden von Sachsen bei den internationalen Schülerleistungstests in den letzten Jahren beigetragen hat.
Doch mit dem 2004 ausgehandelten Koalitionskompromiss zwischen CDU und SPD, den Zugangsdurchschnitt für das Gymnasium auf 2,5 zu senken, wurde den Mittelschulen das wichtige Potenzial an leistungsstarken Schülern entzogen.
Das lernförderliche breite Leistungsspektrum, dessen Fehlen bei den Lernförderschulen gern beklagt wird, wurde in den Mittelschulen nach unten verengt. Dies hat in den letzten Jahren zu erheblichen Problemen in den Mittelschulen geführt.
Sprechen Sie einmal mit Schulsozialarbeitern – die klagen Ihnen ihr Leid. Es ist ein Irrtum zu glauben, es wären allein die Zugangsschranken, die die Kinder aus den unteren sozialen Schichten davon abhielten, höhere Bildung zu erwerben. Der erleichterte Zugang zu höherer Bildung sichert nicht automatisch auch den Bildungserfolg. Die Ursachen, weshalb die sozioökonomische Stellung der Familien so große Effekte auf die Schulleistungen und die Schullaufbahn von Kindern haben, liegen vor allem in der kulturellen und kommunikativen Praxis der Familien, im sozialen Beziehungsnetz und der Durchsetzungsfähigkeit bei Bildungslaufbahnentscheidungen begründet, sofern diese von den Eltern unabhängig getroffen werden können.
Wer mit Vorteilen die Schullaufbahn beginnt, erhält diese und baut sie aus. Das ist durch unzählige Studien, unter anderem auch durch die IGLU-Tests, bewiesen. Wenn eine ausreichende Grundbildung für alle politisch garantiert werden soll, müssen die Nachteile, die Kinder aufgrund ihrer Herkunft mitbringen, im schulischen Lernprozess minimiert werden.
Auch wir GRÜNEN glauben, dass eine wohnortnahe, inklusive, ganztägige, selbstständige und anschlussfähige Oberschule die besten Voraussetzungen dafür bieten kann. Die Finnen machen vor, dass es geht, allerdings – und
dies ist allen Teilnehmern der HFA-Reise nach Finnland in der letzten Woche deutlich geworden – unter erheblichen Anstrengungen, unter anderem mit einem Schülerkostensatz von rund 18 000 Euro und einer Lehrerausbildung, die ihresgleichen sucht.
Natürlich unterstützen wir die im Antrag formulierten Ziele, auch wenn wir bezweifeln, dass die Koalition diese Herausforderung annimmt.
Für die Fraktion GRÜNE sprach die Abg. Frau Giegengack. – Jetzt spricht für die NPD-Fraktion die Abg. Frau Schüßler.