Protocol of the Session on April 19, 2011

(Holger Mann, SPD, steht am Mikrofon.)

Herr Prof. Schmalfuß, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Bitte, Herr Mann.

Herr Prof. Schmalfuß, ist Ihnen bekannt, dass ich eine Kleine Anfrage zum Gegenstand der Anwesenheitspflicht als Prüfungsvoraussetzung gestellt habe, das sächsische Staatsministerium in Person der Ministerin dazu Stellung genommen hat, dass das eigentlich zu unterbleiben habe? Dass aber die Hochschulen offensichtlich eine gesetzliche Vorgabe brauchen, um diese Vorleistungen für Prüfungen nicht weiterhin zu verlangen, entgegen vielleicht anderen politischen Meinungen hier in diesem Haus bzw. im Ministerium, ist Ihnen das bekannt?

Da ich Ihre Kleinen Anfragen stets lese, ist mir das sicherlich bekannt.

Leiten Sie daraus auch den Bedarf für ein Gesetzesvorhaben ab?

Da ich Ihre Kleine Anfrage nicht auswendig gelernt habe, kann ich Ihnen darauf keine abschließende Antwort geben.

Wie schade!

(Beifall und Heiterkeit bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Dass Anpassungen im Sächsischen Hochschulgesetz notwendig sind, um dem Hochschulstandort Sachsen wieder eines der modernsten Hochschulgesetze zu geben, ist der FDP-Fraktion klar. Ich möchte Sie gern daran erinnern, dass Sachsen bereits in den Neunzigerjahren eines der modernsten Hochschulgesetze in Deutschland hatte. Die Koalitionsfraktionen von CDU und FDP haben ganz klar die Zielsetzung, wieder dorthin zu gelangen.

Vor diesem Hintergrund sind im Koalitionsvertrag zahlreiche Forderungen an ein neues, modernes und leistungsgerechtes Sächsisches Hochschulgesetz formuliert. Im neuen Hochschulgesetz müssen die Eigenverantwortung und Freiheit der Hochschulen hinsichtlich ihrer

strategischen Orientierung sowie ihrer Personal- und Finanzausstattung ausgebaut werden. Nach Auffassung der FDP-Fraktion gehört dazu ebenso, den sächsischen Hochschulen ein Globalbudget zur Verfügung zu stellen. Zur Verantwortung der eigenständigen Finanzverwaltung gehört beispielsweise auch, die Freiheiten der Hochschulen über ihr Personal zu erhöhen.

Meine Damen und Herren! Warum soll es den Hochschulen verwehrt bleiben, ihren Spitzenforschern mehr Gehalt zu zahlen? Auch die Entscheidung, ob ein Dozent ausschließlich für Lehre oder Forschung eingesetzt wird, muss künftig ganz allein den Hochschulen zukommen. Darüber hinaus wollen wir die Voraussetzungen verbessern, damit sich die Hochschulen stärker durch Dritte finanzieren lassen können. Die Anreize für die Einwerbung von Drittmitteln müssen ebenso verstärkt werden wie die Möglichkeiten für Existenzgründungen aus den Einrichtungen.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich abschließend auf einen Aspekt in Ihrem Gesetzentwurf eingehen: das partielle Promotionsrecht für Fachhochschulen. In der Zielsetzung, die sächsischen Fachhochschulen aufzuwerten, stimmen Sie mit der FDP-Fraktion überein. Doch über den Weg dorthin und auch über das Verfahren sind wir uns nicht einig.

In Ihrem Gesetzentwurf, Herr Dr. Gerstenberg, sehen Sie eine Kommission vor, die durch das Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst eingesetzt wird, welche die wissenschaftlichen Voraussetzungen bewerten soll. Das halten wir für unangebracht. Es gibt einfachere Wege, um eine hohe Qualität der Promotionen an sächsischen Fachhochschulen sicherzustellen. Ich denke nur daran, dass Sie noch eine Dissertationsvereinbarung abschließen wollen. Das heißt, wie wir es von Ihrer Fraktion kennen: mehr Bürokratie, mehr Kosten und mehr Aufwand für unsere sächsischen Hochschulen.

Vor dem Hintergrund meiner Ausführungen wird die FDP-Fraktion das vorliegende Studienreformgesetz – eigentlich müsste es Studienbürokratiegesetz heißen – ablehnen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Nun ist die NPD-Fraktion an der Reihe. Herr Abg. Gansel, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bereits in der Zielstellung geht der Gesetzentwurf der GRÜNEN von einer falschen Prämisse aus, wenn dort zu lesen ist: „Die europaweite Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen im Rahmen des Bologna-Prozesses ist auch an sächsischen Hochschulen unumkehrbar.“

Die GRÜNEN sollten ihre eigene politische Kapitulationsbereitschaft nicht mit der Unumkehrbarkeit von Prozessen gleichsetzen, die seinerzeit gegen deutsche

Interessen und deutsche Hochschultraditionen in Gang gesetzt worden sind. Die Ziele der sogenannten Studienreform von Bologna wurden weit verfehlt. Somit ist eine Umkehrbarkeit nicht nur möglich, sondern die Umkehrbarkeit des Prozesses ist geradezu geboten.

(Beifall des Abg. Andreas Storr, NPD)

Die Antragsteller geben selbst zu, dass viele Ziele von Bologna komplett verfehlt wurden. Die Stoffdichte ist bei Bachelorstudiengängen zu groß, der Anteil verschulter Pflichtveranstaltungen zu hoch und die Anerkennung von Prüfungsleistungen an anderen Universitäten ungewiss oder nicht geregelt.

Des Weiteren ist die europaweite Mobilität der Studenten sogar rückläufig, der Kontroll- und Reglementierungsgrad innerhalb der Studiengänge weitaus höher als vorher und die Absolventen des EU-normierten Discount-Studiums sind auf dem Arbeitsmarkt nicht besser, sondern schlechter vermittelbar. Letzteres dürfte vielleicht sogar gewollt sein, damit man unter dem Vorwand eines angeblichen Fachkräftemangels nach noch mehr Zuwanderung nach Deutschland rufen kann.

Mit den Bologna-Hochschulen verhält es sich wie mit den vielen sächsischen Straßen nach dem letzten Winter: Es genügt nicht mehr, die Löcher zu stopfen, sondern eine Generalüberholung ist angesagt. Aber die Rückkehr zu der Zeit vor Bologna mit ihren bewährten Studieninhalten und berufsqualifizierenden Abschlüssen ist mit den anpasserischen GRÜNEN natürlich nicht zu machen. Dort hält man, wie gehört, die Einführung eines europaweiten Einheitsstudiums für unumkehrbar und belässt es zur Ruhigstellung seiner eigenen studentischen Wählerklientel beim Herumdoktern an den Symptomen der BolognaKrankheit.

Ich möchte daran erinnern, dass bereits im Jahr 2005 die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, die ansonsten für jede neoliberale Hochschulreform zu haben ist, Folgendes schrieb: „Die Bolognisierung der Hochschulen führt zu einer Fixierung auf Zahlen und Statistiken, während die Qualität nur eine untergeordnete Rolle spielt. Es ist ein vordergründiger Wettlauf um internationale Konkurrenz, die zum Selbstzweck wird.“

Bereits 2008 erklärte der Deutsche Hochschulverband, dass er den Bologna-Prozess in Deutschland für gescheitert hält. Wichtige Reformziele wie die Senkung der Abbrecherquoten und die Erhöhung studentischer Mobilität seien nicht erreicht worden, im Gegenteil, die starre Organisation des Bachelorstudiums habe die Gesamtabbrecherquoten sogar noch steigen lassen. Zudem seien die Studiengänge nun so spezialisiert, dass ein Studienortwechsel während des Bachelorstudiums selbst innerhalb Deutschlands schwierig bis unmöglich geworden sei. Der für die etablierten Hochschulpolitiker niederschmetternde Befund bereits aus dem Jahr 2008 lautet: Der Bachelor taugt als berufsbefähigender Regelabschluss nicht.

Ich möchte auch daran erinnern, dass der Theologe Marius Reiser, der aus Protest gegen die Bologna-Reform

sogar seine Professur in Mainz niederlegte, sagte: „Das neue Studiensystem ist eine einzige große Dummheit. Man schafft die bewährten und weltweit angesehenen Abschlüsse ab und ersetzt sie durch neue, die es noch nirgends auf der Welt gegeben hat. Und man macht das nicht probehalber bei zwei oder drei Universitäten, sondern gleich überall. Die Autonomie der Universitäten und die grundgesetzlich garantierte Freiheit von Forschung und Lehre kümmern niemanden mehr. Man hatte hehre Ziele: Höhere Mobilität, internationale Vergleichbarkeit der Abschlüsse, Senkung der Abbrecherquoten, Verbesserung von Forschung und Lehre. Das Gegenteil ist erreicht worden. Auch wenn an den Gebäuden ganz groß ‚Universität’ steht, ist das keine mehr.“

Weil die GRÜNEN eine Bologna-Partei wie alle anderen Bundestagsparteien sind, wird die NPD dem vorliegenden Antrag aus grundsätzlichen Erwägungen nicht zustimmen. Für uns gibt es aber auch ganz konkrete Ablehnungsgründe des GRÜNEN-Antrags. Die im Vorblatt des Gesetzentwurfes unter Punkt c aufgeführte faktische Anerkennung aller im Ausland erbrachten Prüfungsleistungen durch sächsische Hochschulen lehnen wir ab, weil die Studienvoraussetzungen und die Studienleistungen in vielen Fällen eben nicht den deutschen Qualifikationsanforderungen entsprechen. Die Vergleichbarkeit von im Ausland erbrachten Leistungen kann, wenn überhaupt, nur von der Hochschulrektorenkonferenz und damit länderübergreifend und bundeseinheitlich geklärt werden.

Auch die Rechtsverordnung zur Regelung der Dienstaufgaben in Punkt f lehnt die NPD ab – nicht etwa, weil wir an der Leistungsbereitschaft der Professoren zweifeln, sondern weil es grundsätzlich problematisch ist, einem Arbeitnehmer die Entscheidung über seine eigenen Dienstpflichten zu überlassen.

Auch Punkt g lehnen wir ab, denn wenn selbst das Grundgesetz mit einer Zweidrittelmehrheit abgeändert werden kann, dann sollten auch zwei Drittel der Gremienvertreter ein Votum der Studentenvertreter fachlich überstimmen können.

Schlussendlich sehen wir auch das Promotionsrecht für Fachhochschulen kritisch, weil Fachhochschulen im Gegensatz zu den Universitäten eine andere, rein an der beruflichen Praxis orientierte Funktion haben. Außerdem können auch schon heute hervorragende Wissenschaftler einer Fachhochschule nach einer gemeinsamen Evaluation ihres Wissens und ihres Forschungsvorhabens mühelos an der TU Dresden promovieren.

Meine Damen und Herren, alles in allem kann die NPD diesem Gesetzentwurf mit seiner reinen BolognaKosmetik nicht zustimmen; wir werden ihn ablehnen.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde in der Aussprache seitens der Fraktionen. Gibt es noch weitere Wortmeldungen? – Das kann ich nicht erkennen. Ich frage die Staats

regierung: Wird das Wort gewünscht? – Frau Staatsministerin Prof. von Schorlemer, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Der vorliegende Gesetzentwurf kann nach meiner Überzeugung die selbst gesteckten Ziele nicht erreichen. Der Gesetzentwurf sollte im Bologna-Prozess nachsteuern und die Hochschulen mit dieser Nachsteuerung entlasten.

Anstatt aber tatsächlich die Angehörigen der Hochschulen zu entlasten, führen – das hat auch die Anhörung deutlich gezeigt – einige Regelungen des Gesetzentwurfes in die entgegengesetzte Richtung. Mit der Neuregelung des § 22 soll jedem Studierenden das Recht gegeben werden, mit einem Verantwortlichen der Hochschule eine Studienvereinbarung abzuschließen, in der auf der einen Seite die Rechte des Studierenden und auf der anderen Seite die Rechte der Hochschule geregelt werden, also individuelle Studienvereinbarungen.

Abgesehen davon, dass es klare Regelungen für die Rechte der Studierenden bereits gibt, und zwar in den Prüfungs- und Studienordnungen, ist doch deutlich absehbar, dass hier ein erheblicher organisatorischer und zeitlicher Verwaltungsaufwand geschaffen wird, der im Ergebnis nichts brächte; denn die Regelungen einer solchen Vereinbarung müssten sich ja doch innerhalb der bestehenden Prüfungs- und Studienordnung bewegen.

Ihr Gesetzentwurf, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, wird also hier dem selbst gesteckten Ziel nicht gerecht. Im Übrigen werden wir im Kontext der Novellierung des Hochschulgesetzes genügend Raum zur Vertiefung auch weiterer Aspekte haben.

Lassen Sie mich aber feststellen: In die richtige Richtung weisen klar und eindeutig diejenigen Regelungen, die die Koalition für unsere Hochschulen getroffen hat. Es ist unbestreitbar, dass die Hochschulen gerade derzeit erhebliche Lasten, ja Überlast zu tragen haben. Weil dem so ist, haben wir mit den Regelungen zum Doppelhaushalt 2011/2012 die Hochschulen massiv entlastet. Wir haben den Hochschulen 300 Stellen mehr zur Verfügung gestellt, als ihnen nach der im Jahr 2003 abgeschlossenen Hochschulvereinbarung zur Verfügung gestanden hätten.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Hier ist eine klare Entlastung erfolgt, die den Hochschulen die Umsetzung, aber auch die Nachsteuerung des Bologna-Prozesses erkennbar erleichtert. Zugleich haben wir mit den Entscheidungen zum Doppelhaushalt der Jahre 2011 und 2012 Planungssicherheit für die entschei

dende Ressource der Hochschulen Personal im Freistaat Sachsen bis 2020 geschaffen.

(Beifall des Abg. Prof. Dr. Günther Schneider, CDU)

Der Haushaltsvermerk zu den Hochschulkapiteln schafft Klarheit und Planbarkeit.

Die Leistungen der sächsischen Hochschulen haben erfolgreich Mittel aus dem Hochschulpakt 2020 nach Sachsen gelenkt. Durch Zielvereinbarungen mit den Hochschulen werden diese Mittel für das laufende Jahr und mit neuen Zielvereinbarungen auch für das kommende Jahr mit einem klugen und sachgerechten Anreizsystem verteilt, zum Beispiel im Hinblick auf Schwerpunkte an Fachhochschulen und auch bei den MINTFächern. Während die Koalition mit ihren Entscheidungen und Taten den sächsischen Hochschulen Planungssicherheit und Unterstützung gewährt, ist Ihr Gesetzentwurf nicht zielführend. Wir lehnen ihn deshalb ab.