Gibt es weiteren Redebedarf bei der NPD-Fraktion in dieser Aktuellen Debatte? – Das kann ich nicht erkennen. Wir kommen nun zu einer dritten Runde. Zunächst hat die einbringende Fraktion der CDU mit Herrn Kollegen Schiemann das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sicherlich ist es so, dass ich vielen Kolleginnen und Kollegen danken muss, die sich zu unserem wichtigen europäischen Thema geäußert haben.
Zu einem Kollegen kann ich nur eines sagen – ich erinnere mich an ein Sprichwort –: Wenn Dummheit quietschen würde, würde es einen geben, der mit der Ölkanne in diesem Landtag herumlaufen würde.
(Beifall bei der CDU, der FDP, den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Jürgen Gansel, NPD: Dann müssten Sie schreien!)
Ich weiß überhaupt nicht, ob diese Fraktion begriffen hat, wie die Entwicklung unseres Landes mit europäischen Fördermöglichkeiten garantiert worden ist. 40 000 Arbeitsplätze sind es im Elektronik-Cluster. Das sind 40 000 Arbeitsplätze, die es sonst in Asien oder anderen Regionen der Welt geben würde. Sie sind zum großen Teil mit europäischen Fördermitteln in Sachsen gehalten worden. Damit wurden Arbeitsplätze gesichert.
Wir haben großen Nachholbedarf. 60 % des Weges liegen hinter uns. Wir haben ein Steueraufkommen von 55 %. Ein Staat braucht mindestens 75 %, um selbsttragende Entwicklungen zu erreichen. Deshalb ist es wichtig, dass sich die Staatsregierung – aber auch die Mitglieder des Landtages – in den Prozess der europäischen Veränderungen einbringt.
Der Nachholbedarf besteht außerdem, weil sich der Osten Deutschlands in der Nachkriegszeit mit der deutschen
Teilung anders entwickelt hat. Sachsen hat nach dem Jahr 1945 über 300 000 Unternehmen verloren. Der Nachholbedarf besteht auch deshalb, weil wir eine Landesentwicklung haben, die sich an den erreichten 60 % orientiert. Wir müssen Prioritäten setzen, damit die kleinen und mittelständischen Unternehmen in der Entwicklung mithalten können. Dazu müssen wir im FuEBereich weiter investieren und die Unternehmen fit machen, damit sie am Wettbewerb teilnehmen können.
Selbstverständlich haben wir auf diesem Weg nicht alles richtig gemacht. Wer viel arbeitet, macht natürlich auch Fehler. Wer nichts macht, kann keine Fehler machen. Fehler abzustellen ist keine Schande. Das kann man mit den europäischen Vorstellungen verbinden.
Es muss uns gelingen, dass wir die nach wie vor anhaltende hohe Abwanderung aus den peripheren Gebieten des Freistaates Sachsen abbremsen. Wir müssen sie stoppen. Es gibt eine zu hohe Abwanderung in der Oberlausitz, aber auch an den Erzgebirgskämmen. Wir brauchen die jungen Menschen.
Es ist eine stärkere Hinwendung zum Arbeitsmarkt notwendig. Wir brauchen eine aktivere Arbeitsmarktpolitik. Wir müssen Chancen nutzen, die uns Europa bietet. Europa bietet uns weitaus mehr Chancen, als man in einer Debatte aufzeigen kann.
Es gibt den 7. Forschungsrahmenplan, der von den universitären Einrichtungen des Freistaates noch viel stärker genutzt werden soll. Die Universität in Dresden – die TU – ist auf dem Weg, diese Chancen mehr zu nutzen. Bei der Vorstellung haben wir erleben können, wie engagiert sich die Vertreter der Technischen Universität zu Dresden in diesen Prozess einbringen. Es sollte uns gelingen, den Elitestempel in den Freistaat Sachsen zu holen und dem europäischen Ausland klarzumachen, wie wichtig eine universitäre Elite in unserem Land – als einzigem in Ostdeutschland – wäre.
Forschung zugunsten der kleinen und mittelständischen Unternehmen kann auch mit europäischer Förderung möglich sein. Einen Punkt möchte ich besonders hervorheben: die Mehrsprachigkeit. Mehrsprachigkeit wird in anderen Ländern viel intensiver betrieben. Ich wünsche mir, dass wir bei dem Thema Mehrsprachigkeit die Chancen der jungen Generation noch mehr stärken, damit sie in den Wettbewerb eintreten kann.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt zwei Makroregionen: zum einen die Ostseeregion und zum anderen die neu entstandene Donauregion.
Ich werbe dafür, dass wir eine Zukunftsregion schaffen, die heißen könnte: Tschechische Republik, Republik Polen und Freistaat Sachsen. Das
wäre eine Zukunftsregion, die grenzüberschreitend zusammenarbeitet und die großen Städte im Blick hat.
Sie soll die grenzüberschreitende Zusammenarbeit dazu nutzen, dass es zu einer guten Entwicklung in unserem Land und unseren Nachbarländern kommt.
Gibt es bei der FDPFraktion – der miteinbringenden Fraktion – noch Redebedarf? – Das sehe ich nicht. Die Linksfraktion hat Redebedarf. Das Wort ergreift nun Frau Kollegin Meiwald.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Zahlen der EU-Förderung sind mehrfach genannt worden; die noch auszugestaltenden Inhalte und Schwerpunkte sind mehrfach angemahnt worden. Ich möchte noch auf einige Aspekte hinweisen, die vielleicht durch die Staatsregierung bei der Europäischen Union ins Gespräch gebracht werden sollten.
Probleme bei der Neuausrichtung stellen sich gerade in Ostdeutschland dar. Wir haben es mit einem scheinbaren Widerspruch zwischen der Förderung der sogenannten Leuchttürme, die als zentrale Orte ihre Verantwortung für die umliegenden Regionen wahrnehmen sollen, und der immer noch dringend benötigten Förderung der ländlichen Region zu tun.
Vor dem Hintergrund der schon erwähnten weniger werdenden Mittel möchte ich darauf verweisen, dass es nicht sein kann, dass der urbane und der ländliche Raum gegeneinander ausgespielt werden. Beide sind wichtig, und hierfür sollte sich der Freistaat bei der EU starkmachen.
Die 5. Regionalisierte Bevölkerungsprognose hat uns gezeigt, vor welchen Herausforderungen der Freistaat Sachsen in den nächsten Jahren stehen wird. Während Dresden wächst, verlieren ganze Landstriche, einige in Größenordnungen. Die von Herrn Jurk bereits angesprochene Änderung der ILE-Richtlinie für die Kitas, Schulen und Sportstätten im ländlichen Raum stößt hierbei an ihre Grenzen, da sie im klaren Gegensatz zur Bevölkerungsprognose steht.
Die energetischen Standards, die der Förderung zugrunde liegen, sind zwar gut und richtig, aber im Augenblick vergleichsweise teuer, sodass es nicht nur geschehen kann, sondern geschehen wird, dass sich kleinere Kommunen, die in den Genuss der Förderung kommen sollten, noch nicht einmal den 25-prozentigen Eigenanteil werden leisten können. Zudem brauchte eher Dresden die Gelder – das geht mit ILE nicht –, und der Investitionsstau im Schulhaus- und Sportstättenbau lässt sich somit auch nicht beseitigen.
In der Dezember-Sitzung schloss der Kollege Schiemann mit den Worten: "Ich würde mich freuen, wenn es uns in Europa gelänge, zu einer konstanten Förderung auch in der nächsten Förderperiode zu kommen." – Ja, Herr Schiemann, das würde uns alle freuen. Darauf haben bisher fast alle Redner hingewiesen.
Einige kritische Worte würden uns aber auch freuen, zum Beispiel zur Ausgestaltung des ESF. Derzeit ist von der Europäischen Kommission ein gemeinsamer strategischer Rahmen aller Fonds geplant, der sich an "Europa 2020" orientiert. Hier wird es massive Probleme für den ESF geben, wenn es in dieser Form durchgesetzt wird. Da der ESF nun einmal das wichtigste arbeitsmarkt- und beschäftigungspolitische Förderinstrument der EU ist, muss er das auch in der europäischen Kommissionspolitik bleiben.
Ein zweites Problem bei der derzeitigen Planung ist die geplante Sanktionierung, wenn die Ziele nicht erreicht werden. Die Sanktionierung soll durch Mittelkürzung bzw. die Nichtzuteilung der sogenannten leistungsbezogenen Reserve stattfinden. Dies muss strikt abgelehnt werden, weil dadurch falsche Anreize in Bezug auf die Programmgestaltung gegeben werden. Auch hierbei könnte sich der Freistaat Sachsen dafür einsetzen, dass dies so nicht stattfindet. Die angedachte Kategorie der Zwischenregionen muss zumindest überdacht werden, und auch dazu fehlt mir der sächsische Beitrag.
Meine Damen und Herren! Bei aller Einigkeit in der Sache sehen Sie: Es gibt noch viele Fragen, und es gibt noch viele Aufgaben, die erledigt werden müssen. So werden Sie, Herr Ministerpräsident, und Sie, Herr Europaminister, noch häufiger nach Brüssel und Straßburg fliegen oder nach Berlin fahren müssen.
Für die Fraktion DIE LINKE sprach Frau Kollegin Meiwald. – Gibt es weiteren Redebedarf bei der SPD? –
GRÜNE? – NPD? – Dies ist ebenfalls nicht der Fall. Das Wort hat nun die Staatsregierung; Herr Staatsminister Dr. Martens, bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vorweg zu der kleingeistigen Rechenmentalität, die von der NPD wieder aufgebaut worden ist: Das Addieren und Saldieren von Nettozahlungen und -erträgen bringt uns bei der Bewertung der Europäischen Union überhaupt nichts.
(Arne Schimmer, NPD: Das nennt man aber Rationalisieren, Herr Martens! – Andreas Storr, NPD: Warum?)
(Jürgen Gansel, NPD: Die müssen aber keine Milliardenbeträge abdrücken! Das ist doch eine Milchmädchenrechnung!)
Rund 80 % des Exportes laufen aus Deutschland in die Länder der Europäischen Union. Das heißt, es geht hier in Wirklichkeit unmittelbar um Hunderttausende von Arbeitsplätzen, gerade auch in der export- und technologieorientierten sächsischen Industrie, die Sie mit Ihrem – ich sage einmal – dummen Geschwätz aufs Spiel setzen würden.
Aber darüber hinaus ist die europäische Einigung nicht nur eine Frage des Binnenmarktes und wirtschaftlicher Kategorien, sondern auch ein Garant für eine Friedensordnung, wie wir sie bisher in dieser Dauer in der Geschichte Europas noch nie erlebt haben, und ich denke, das ist der wirkliche Kern: Das ist Ihnen ein Dorn im Auge.