Protocol of the Session on April 19, 2011

Für uns sind sie Zeugnisse sächsischen Tatendrangs, von cleveren Köpfen und innovativen Ideen. Sie spiegeln einen wesentlichen Teil sächsischer Werte wider. Sie prägen nicht nur das Bild der Vergangenheit, sie stehen ebenfalls für die Gegenwart und sollen Wegweiser für die Zukunft sein. Darum wollen wir unseren Kindern und Jugendlichen zeigen, zu welchen technischen und baulichen Leistungen unsere Vorfahren fähig waren. Wir wollen ihnen damit vermitteln, dass Leistung, Tatendrang und Cleverness auch zukünftig notwendig sind, um Sachsen wirtschaftlich und kulturell weiterzuentwickeln. Industriekultur und Bildung sollen daher eng miteinander verwoben werden.

Meine Damen und Herren! Greifen wir exemplarisch nur den Bergbau heraus. Unbestritten hat dieser Industriebereich nicht nur die Landschaft unseres Freistaates geprägt, sondern selbst einem ganzen Gebirge seinen Namen gegeben, dem Erzgebirge. Der Bergbau im sächsischen Erzgebirge ist weltweit bekannt. Das Gebirge erhielt durch den Bergbau nicht nur seinen Namen, sondern auch viele eigenständige kulturelle Traditionen. Bergbau und Hüttenwesen erhoben die Mark Meißen, das spätere

Kurfürstentum Sachsen, über lange Zeit zu einem der gewerblich, kulturell und politisch am meisten entwickelten Territorien im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation.

Im 12. Jahrhundert führten Silberfunde zu einer Blütezeit des Bergbaus im Erzgebirge. Kaum zu glauben, aber in der Produktion von Blaufarben (Kobalt) und Wismut war das Erzgebirge im Mittelalter zeitweise Weltmarktführer. Diese glorreichen Zeiten sind zwar schon lange vorbei, doch sind sie wichtiger Teil unserer Kultur- und Wirtschaftsgeschichte, die wir uns immer wieder vor Augen führen sollten. An diese glorreichen Zeiten soll Sachsen auch zukünftig anknüpfen.

Aber der Bergbau war auch treibende Kraft für Folgeindustrien in diesen unglaublichen technischen Prozessen. Ob die Metallverarbeitung, die Glasindustrie, die Holzindustrie, die Bauindustrie, die Porzellanherstellung, all das hätte sich ohne einen blühenden Bergbau nicht so rasant entwickelt. Ein ausgeprägter Handel mit den begehrten Produkten aus dem Erzgebirge führte zu einem gewissen Wohlstand in der Region. Technische Errungenschaften wie die Schmalspurbahn gehen auf diese Zeit zurück. Zahlreiche historische Bauten wurden mit den Einnahmen des Bergbaus erbaut. Selbst die Entwicklung der Kunst und der Kauf von Kunstgegenständen begründen sich auf diesem Entwicklungsschub in der Region. Davon zeugt unter anderem der sehenswerte Freiberger Dom. Auch Gottfried Silbermann, Bruder des Begründers der Orgelbautradition Andreas Silbermann, profitierte von diesem Aufschwung. Er wurde mit dem Bau einer Orgel für den Freiberger Dom beauftragt. Industrie und Handwerk erlebten eine wahre Blüte.

Dies alles liegt uns heute groß und sichtbar zu Füßen. Gehen wir nicht nur einfach daran vorbei, lassen Sie uns vielmehr verweilen. Zeigen wir unseren Kindern, aber auch nationalen wie internationalen Gästen unser gewaltiges Erbe. Es ist ein unmissverständlicher Auftrag an die Tourismusbranche, dieses Potenzial vermehrt in die Reiseangebote nach Sachsen einzubeziehen. Ich weiß, mancher von Ihnen glaubt nicht daran, dass Industriekultur ein Tourismusmagnet sein kann.

Ein hervorragendes Beispiel dafür, dass es doch funktionieren kann, ist das Ruhrgebiet. „Kulturhauptstadt Essen. Ruhr 2010“, ein sehr beredtes Beispiel, welches jedem Zweifler die Argumente nimmt. Ergebnis: 13,4 % mehr Übernachtungsgäste im Ruhrgebiet belegen den touristischen Erfolg von Ruhr 2010. Wer hätte schon gedacht, dass man mit Industriebrachen und alten Zechen Gäste in das Ruhrgebiet locken kann?

Meine Damen und Herren! Es ist sicherlich eine Frage der Qualität der Präsentation. Doch genau diese Menschen interessieren sich mit großer Wahrscheinlichkeit auch für den sächsischen Bergbau, seine interessanten und beeindruckenden baulichen und bergbaulichen Hinterlassenschaften und nicht zuletzt die Handwerkskunst. Wir müssen unsere industriellen Errungenschaften, Denkmäler, Landschaften und Traditionen nur in das richtige Licht

setzen und unseren Gästen die Höhepunkte sächsischer Industriekultur quasi auf einem Silbertablett darbieten. Mit der „Straße der sächsischen Industriekultur“ sind wir dabei auf dem richtigen Weg. Diese industriekulturelle Themenroute sollte eine gezielte Auswahl von Objekten beinhalten, die sich thematisch interessant zusammenfassen lassen, eine Themenroute, die Interessierten den Weg zu industriellen Höhepunkten weist, eine Route, die sowohl für Touristen als auch für unsere Kinder die Erklärung für Sachsens Glanz und Gloria liefert.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Jetzt die Fraktion DIE LINKE, Herr Külow.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Kollege Tippelt hat soeben das Stichwort Industriekultur als Dauerbrenner im Landtag in die Debatte geworfen. Das greife ich gern auf.

Für mich und meine Kollegen aus der Fraktion DIE LINKE war es bei der Lektüre des vorliegenden Antrags sehr aufschlussreich, wieder einmal einen Erkenntnisprozess der Regierungsfraktionen in diesem Haus erleben zu dürfen. Langsam reifen die Ideen bei CDU und FDP, doch immerhin: Sie reifen.

Eine Woche, nachdem der Ausschuss für Wissenschaft und Hochschule, Kultur und Medien, auf Antrag der Fraktion DIE LINKE, mit ausgewiesenen Fachleuten das Thema Industriekultur im Kontext von UNESCO-Welterbe Montanregion Erzgebirge rauf und runter diskutiert hat, überraschen uns die Kollegen von CDU und FDP mit einem Antrag zum industriekulturellen Erbe des Freistaates. Donnerwetter!

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Kaum zu glauben!)

Einen Plagiatsvorwurf erhebe ich hier nicht. Denn wenn die Verwerter eines Themas beim Initiator desselben Anleihe nehmen, schimmern ja wenigstens Denkprozesse durch.

(Beifall bei den LINKEN und des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE – Zuruf des Abg. Christian Piwarz, CDU)

Endlich, müsste man sagen. Zwar mit wolkigen Formulierungen verlangt Sachsen nicht immer nur mit barocker Pracht – Herr Piwarz, Sie kommen auch gleich noch dran – zu präsentieren, sondern sich auf die Gewerbe zu besinnen, in denen die Werke für die Prachtentfaltung überhaupt erst geschaffen wurden. Wir kommen erfreulicherweise zu den sächsischen Wurzeln und turnen nicht immer nur in der Krone herum. Das ist zumindest ein Lichtblick.

Gleichwohl lässt der Antrag zum industriekulturellen Erbe wesentliche Fragen offen. Warum wird angesichts des klar formulierten Themas an keiner Stelle Bezug auf die

Stiftung Industriekultur genommen, die im Koalitionsvertrag vom Jahr 2009 steht? Haben die wütenden Sparrunden der Regierungskoalition der Stiftungsidee in den vergangenen 18 Monaten das Lebenslicht ausgeblasen, Frau Ministerin? Wenn die Stiftung Industriekultur inzwischen schon nicht einmal mehr eine Erwähnung wert ist, will DIE LINKE wissen, warum die Koalition in diesem Punkt ihren Ankündigungen untreu geworden ist.

So wie der Antrag jetzt formuliert ist, hinterlässt er wieder den schalen Beigeschmack vermeintlicher sächsischer Einzigartigkeit. Eine „Straße der sächsischen Industriekultur“ unter Berücksichtigung der touristischen Schwerpunkte soll es also richten.

Ich sage, da sind unsere Nachbarn schon viel weiter. Industrie basiert auf Arbeitsteilung auch zwischen den Regionen. Deshalb gibt es die Europäische Route der Industriekultur. Sie verknüpft Standorte und Themen, zeigt technologische und verkehrstechnische Zusammenhänge auf und pflegt den Europagedanken in vorbildlicher Weise. Wenn Sachsen also seine Straße der Industriekultur errichten will, dann bitte von Beginn an als Teil der europäischen Magistrale und mit dem sächsischen Industriemuseum als Kern für eine derartige Straße. Beide Aspekte gehören unverzichtbar in den Antrag. Wir müssen das Fahrrad diesbezüglich nicht zum zweiten Mal erfinden.

Wie es geht, zeigt vorbildlich unser Nachbar SachsenAnhalt mit sehenswerten Orten entlang der Europäischen Route der Industriekultur. Letzten Sonntag wurde dort übrigens inzwischen schon zum vierten Mal der landesweite Tag der Industriekultur durchgeführt. Auch diese Idee hätte nach unserer Auffassung in den Koalitionsantrag gehört.

Damit spreche ich zugleich einen zentralen wunden Punkt an. Nirgendwo im ganzen Freistaat Sachsen ist nach 800 Jahren Bergbau und Industrieentwicklung ein solch vielfältiger und zugleich kompakter industriekultureller Schatz angehäuft wie im sächsisch-böhmischen Erzgebirge. Prof. Schneider und Kollege Tippelt sprachen zu Recht davon. In- und ausländische Fachleute beneiden uns um diesen unermesslichen Reichtum und stellen Fragen, wer welche Verantwortung dafür übernimmt. Deshalb von dieser Stelle aus meine ausdrückliche Aufforderung, das Thema industriekulturelles Erbe Sachsen immer im Kontext mit dem UNESCO-Welterbe Montanregion Erzgebirge zu sehen und entsprechend zu handeln.

(Beifall des Abg. Horst Wehner, DIE LINKE)

Dazu bedarf es eines klaren politischen Bekenntnisses der Staatsregierung, das DIE LINKE hiermit zum wiederholten Male einfordert. Wer es ernst meint mit dem industriekulturellen Erbe Sachsen, muss es ernst meinen mit dem Thema UNESCO-Welterbe. Ist der Antrag, über den wir heute debattieren, von der Koalition wirklich ernst gemeint, dann ist er die Blaupause für das Welterbe. Gerade mit dem Blick auf die Situation im Erzgebirge

wird offenkundig, wie widersprüchlich teilweise die Formulierungen im Antrag sind.

Die Berücksichtigung allein der überregionalen Bedeutung von schützenswerten Industriedenkmalen im Punkt II greift nämlich viel zu kurz, da zahlreiche Industriedenkmale gerade lokale und regionale Bedeutung haben und damit einen wichtigen Identifikationswert für das im nächsten Anstrich geforderte kommunale und bürgerschaftliche Engagement besitzen.

Natürlich müssen wir aus gesamtsächsischer Perspektive vor allem die historisch bedeutendsten, das heißt überregional bedeutenden Industriedenkmale erhalten. Aus lokaler und regionaler Perspektive kann das durchaus anders aussehen, zumal wenn sich für solche Objekte Nachnutzungsperspektiven erschließen lassen. Grundlage dafür kann aber nur eine systematische und umfassende Neuerfassung aller Industriedenkmale schaffen. Das steht zumindest im Antrag. Diese ist dringend überfällig und sollte daher absolute Priorität genießen. Nur auf ihrer Basis kann man überhaupt zu sinnvollen weiteren Schritten und Maßnahmen kommen.

Gestatten Sie mir zum Schluss, dem vorliegenden Antrag, der aus mir völlig schleierhaften Gründen keinerlei Bezug zu den im Dezember 2010 vorgelegten Handlungsempfehlungen des Wissenschaftlichen Beirates für Industriekultur in Sachsen herstellt, eine gewerblich gefärbte Bewertung zu geben. Der Antrag ist alles andere als ein Meisterwerk. Mit etwas Nacharbeiten könnte es aber immerhin zu einem recht passablen Gesellenstück reichen. In der leisen Hoffnung, dass meine kritischen Hinweise dementsprechend wohlwollend aufgenommen werden, geben wir dem Antrag unsere Zustimmung.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den LINKEN)

Die SPD-Fraktion, bitte. Frau Dr. Stange.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich möchte mich zunächst einmal bei den Koalitionsfraktionen für diesen Antrag ganz herzlich bedanken.

(Steffen Flath, CDU: Oh!)

Offenbar haben jetzt auch, Herr Flath, die Kolleginnen und Kollegen aus der CDU-Fraktion verstanden, was unser industriekulturelles Erbe wert ist.

(Steffen Flath, CDU: Aha!)

Dafür möchte ich mich ganz herzlich bedanken.

(Steffen Flath, CDU: Bitte!)

Vielleicht hat aber auch die Kulturhauptstadt 2010, die Ruhrmetropole, die ja heute schon einmal eine Rolle gespielt hat, dazu beigetragen, dass dieses einzigartige Industriedenkmal, die Zeche Zollverein, das jeden Ingeni

eur – und davon gibt es eine ganze Menge in der CDU – begeistern kann, überzeugt hat.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Günther Schneider, CDU)

Oder waren es vielleicht doch die Handlungsempfehlungen des wissenschaftlichen Beirats, auf die Herr Külow gerade angespielt hat, für Industriekultur in Sachsen? Das ist übrigens ein relativ leicht zu lesendes Handlungsempfehlungsbüchlein. Das kann man relativ gut überschauen. Umso verwunderlicher ist es, dass teilweise ganze Sätze aus diesen Empfehlungen zitiert werden,

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Plagiat!)

wohl gemerkt ohne Anführungszeichen. Herr von Guttenberg lässt grüßen.

Allerdings, Herr Prof. Schneider, es ist ein bisschen peinlich – Sie sind dafür nicht zuständig, ich weiß –, wenn ausgerechnet die Kolleginnen und Kollegen der CDU- und der FDP-Fraktion aus dem Wissenschafts- und Kulturausschuss so ein Plagiat herstellen. Was sollte man dann von Studenten und Promovenden erwarten?

Aber nun zum Kern des Antrags. Ich hatte ja gesagt, für den bin ich sehr dankbar. Der Kern des Antrags greift leider eine Reihe von wichtigen Empfehlungen aus den Handlungsempfehlungen des wissenschaftlichen Beirates nicht auf und verwässert sie sogar. Da würde ich Sie dringend bitten nachzuarbeiten.

Ich möchte einige zentrale Punkte nennen, denn es nützt uns nichts, wenn wir sozusagen nur auf dem seichten Wasser die Industriekultur vorantreiben. Das ist zum Ersten die Empfehlung zur Stärkung bürgerschaftlichen Engagements. Das hat mich übrigens besonders gewundert, weil doch ansonsten die Koalition und insbesondere die CDU so viel Wert auf bürgerschaftliches Engagement legen. Ohne bürgerschaftliches Engagement würde es heute schon das eine oder andere Industriedenkmal gar nicht mehr geben, wäre es gar nicht erhalten, würde es der Öffentlichkeit gar nicht zugänglich gemacht.

Die Empfehlungen des wissenschaftlichen Beirates verweisen auf einen Bürgerfonds für Industriekultur. Das ist eine gute Idee. Darüber sollte man ernsthaft nachdenken.