Unsere Kritik richtet sich gegen das Moratorium an sich. Ich habe den Eindruck, dass Schwarz-Gelb jetzt grundsätzlich auf das Mittel Moratorium zurückgreift, wenn es darum geht, über unliebsame Entscheidungen, die man einmal getroffen hat, bis zur nächsten Wahl hinwegzukommen. Wir sehen das auch im Bund.
Ich möchte Sie aber daran erinnern, dass unser Rechtssystem keine vorläufigen Rechtsnormen kennt. Einzig die Judikative kann im Rahmen der Verfassungsgerichtsbarkeit durch einstweilige Anordnung den Vollzug von Gesetzen vorläufig aussetzen. Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen.
Mit der Einsetzung des Schulschließungsmoratoriums wurde in Sachsen eine rechtlich unhaltbare Situation geschaffen. Ich frage einmal die hier anwesenden Juristen: Wie soll denn ein Gericht, das an Recht und Gesetz gebunden ist, bitte schön entscheiden, wenn diese Regelung beklagt wird? Steht dann ein Entschließungsantrag des Landtages über dem Schulgesetz? Oder steht dann im Urteil: Gemäß Drucksache 5/4498 wird die Klage – bis wann eigentlich? – abgewiesen? Das ist keine nachhaltige Voraussetzung, um hier Ruhe ins Schulnetz hineinzubringen. Dies aber – da stimme ich Ihnen zu, Herr Colditz – sollten wir tun.
Das Kultusministerium hat mitgeteilt, dass sie das Moratorium – ich zitiere – „als weiteren begründeten temporären Ausnahmefall im Verwaltungsvollzug der Bestimmungen des Schulgesetzes berücksichtigt“. Das Kultusministerium kann meiner Meinung nach nicht entscheiden, den Entschließungsantrag als Ausnahmefall gesetzlichen Ranges zu werten. Die Exekutive muss Recht und Gesetz anwenden. Sie kann es nicht selbst setzen.
Wir sind der Überzeugung: Der einzige Weg, um weitere Schulschließungen auch im ländlichen Raum zu verhindern, geht über eine Gesetzesänderung. Angesichts der Bevölkerungsentwicklung müssen die Vorgaben von Mindestschülerzahlen und -zügigkeit nicht grundsätzlich geändert, sondern flexibilisiert werden. Wir müssen die Inhalte des Moratoriums ins Schulgesetz bringen, um sie auf eine adäquate Grundlage zu stellen und eine Verlässlichkeit zu schaffen.
An der Situation, dass es in Dresden grundsätzlich andere Schülerzahlen als in Regis-Breitingen geben wird, wird sich über kurz oder lang nichts ändern. Wir müssen das Gesetz anpassen und es flexibilisieren. Das muss aber auf einer gesetzlichen Grundlage erfolgen, damit es rechtlich sicher und nachvollziehbar ist.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gegen Ende der Verhandlungen über den Doppelhaushalt 2011/2012 haben die Koalitionäre von CDU und FDP ein Moratorium zur Schließung von Schulen verabschiedet, das ganz offensichtlich nur der Wählerberuhigung bis zum Superwahljahr 2014 dienen sollte. Damit wurde das Kultusministerium aufgefordert, „für vier Jahre von Mitwirkungsentzügen bei Mittelschulen im ländlichen Raum abzusehen.“
Wie die Antwort des Kultusministers auf eine Kleine Anfrage zur Wirkung des Moratoriums zeigt, gilt der beschlossene und genehmigte Schulnetzplan nichtsdestotrotz weiter. Mittelschulen, deren Schließung bereits vorgesehen ist, werden auch weiterhin geschlossen und sind somit de facto von einer Aufschubregelung ausgenommen. Die NPD-Fraktion bedauert das ausdrücklich, obwohl es uns nicht wirklich verwundert, dass die Staatsregierung mit ihrer Schulschließungspolitik unbeeindruckt von aller berechtigten Kritik fortfährt. Schließlich geht es ihr vor allem um schnöde Kosteneinsparungen zulasten von Schülern, Eltern und Schulträgern, auch wenn die von der etablierten Politik selbst verschuldete demografische Krise immer wieder als Kardinalargument für die Schulschließung herhalten muss.
Wie viel Schaufenster-Charakter das beschlossene Moratorium hat, sieht man auch daran, dass das Kultusministerium bisher gar nicht in der Lage ist zu sagen, welche Schulen überhaupt von einer Schließung verschont werden könnten. Es wird deshalb in Sachsen auch kaum Schulen geben, die in den nächsten vier Jahren von diesem Scheinmoratorium tatsächlich profitieren. Das heißt nichts anderes, als dass es weiterhin Mitwirkungsentzüge und Schulschließungen in Sachsen geben wird.
Zu welchen praktischen und politischen Auseinandersetzungen das führt – wir haben es bereits gehört –, zeigt exemplarisch der Landkreis Leipzig. Der dortige Kreistag beschloss, keine weiteren Schulen zu schließen. Trotz des Landtagsmoratoriums hat das Kultusministerium aber die Schulnetzplanung des Landkreises Leipzig verworfen und damit bei den Schulträgern zu einer großen Verunsicherung beigetragen.
Betroffen – auch das war in den letzten Wochen medial immer wieder zu vernehmen – sind insbesondere die Schulen in Colditz, Kitzscher, Mutzschen und RegisBreitingen.
Für uns als NPD ist klar, dass es statt parlamentarischer Effekthascherei neuer gesetzlicher Regelungen durch Änderungen im Schulgesetz bedarf. Dazu gehört nach unserer Auffassung natürlich eine Korrektur der Mindestzügigkeit und der vorgeschriebenen Schülerzahl für die Eingangsklasse 5. Wenn die Mindestschülerzahlen nicht abgesenkt werden, wird das Schulsterben in dem durch Abwanderung und Geburtenmangel besonders betroffenen ländlichen Raum auf tragische Weise weitergehen.
Es ist doch klar: Je schlechter das Angebot an wohnortnahen Schulen ist, desto unattraktiver wird der ländliche Raum gerade für junge Familien. Deshalb gehört die
Schulschließungspolitik ganz wesentlich zu den soziodemografischen und sozioökonomischen Bedingungen eines Teufelskreislaufes, in dem ganz Mitteldeutschland durch eine falsche Wirtschafts-, Sozial- und Familienpolitik gefangen ist.
Dass der Kahlschlag in der Schullandschaft gegen den Willen von Schülern und Eltern, Lehrern und selbst Kreistagsabgeordneten weitergeht, scheint am allerwenigsten die Partei zu stören, die sich noch im Herbst letzten Jahres für das Moratorium in peinlicher Weise selbst feierte, nämlich die FDP. Auf ihrem HerbstParteitag in Hartha beklagte die liberale Gurkentruppe noch scheinheilig, dass den Schulen durch Mindestzügigkeit und Mindestschülerzahlen Fesseln angelegt würden und damit das staatliche Schulsystem im ländlichen Raum ruiniert werde.
Abschließend möchte ich daran erinnern, was Holger Zastrow auf dem FDP-Parteitag erklärte. Er sagte: „Wenn wir nichts tun, gibt es in ländlichen Regionen bald gar keine kostenlosen und konfessionslosen staatlichen Schulen mehr.“
Genau das passiert heute mit Duldung der FDP, wo Holger Zastrow in schlechtester Manier von Konrad Adenauer steht, der bekanntlich gesagt hat: „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern.“
Meine Damen und Herren! Wir beginnen mit der zweiten Runde. Die Linksfraktion hat jetzt das Wort; Frau Abg. Werner.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Colditz, ich weiß, dass Sie mit Leib und Seele Schulpolitiker sind und für Schulen kämpfen. Aber Sie müssen mir recht geben – ich werde das jetzt aufzeigen –, dass die Ereignisse der letzten Wochen und Monate zum Thema Schulnetzplanung/Schulschließungen ein ganz anderes Bild von der Koalition zeichnen.
Bei uns im Landkreis heißt es: Wahllüge! Der Elternwille wird nicht ernst genommen. Die kommunale Selbstverwaltung wird nicht ernst genommen. Man spricht darüber, dass der eine den anderen Koalitionspartner über den Tisch gezogen hat bis dahin, dass die eigenen Koalitionäre von der Staatsregierung wahrscheinlich nicht wirklich ernst genommen werden und alles, was zur Entwicklung des ländlichen Raumes gesagt wird, eigentlich nur Sonntagsreden sind.
haben wir einen Schulnetzplan beschlossen, in dem wir keine weiteren Schulschließungen mehr aufgenommen haben. Gründe hierfür waren zum einen das Wort von Herrn Flath, es werden keine Schulen mehr geschlossen, und zum anderen, kommunale Selbstverwaltung heißt, eigene Prämissen zu setzen und zu sagen: Wir wissen nicht, wie die Prognosen aussehen werden. Aufgrund der Bildungsempfehlung, Inklusion usw. wird es zu neuen Schülerströmen kommen. Wir können sie heute noch nicht vorhersehen. Wir wissen, dass durch freiwillige Gemeindezusammenschlüsse ganz andere Standorte entstehen werden, an denen Schulen tatsächlich gebraucht werden.
Das waren die Gründe, die dazu führten zu sagen: Wir können weitere Schulschließungen jetzt nicht beschließen, aber Schulnetzpläne sind notwendig, um Fördermittel überhaupt zu bekommen. Das ist der Druck, unter dem die Kommunen und der Kreistag immer stehen.
Im Oktober 2010 eingebracht, kam im November der Koalitionsvertrag und, siehe da, wir waren der Meinung, wir haben alles richtig gemacht.
Werte Kollegin, können Sie hier darstellen, in welchen Mehrheitsverhältnissen dieser politische Schulnetzplan verabschiedet wurde?
Ja, das kann ich darstellen. Entgegen der Presse, auf die Sie sich beziehen, wie ich kürzlich nachlesen musste, ist der Schulnetzplan mit der Mehrheit von SPD, GRÜNEN, LINKEN, unabhängigen Wählern und einigen wenigen Enthaltungen in der CDU/FDP-Fraktion angenommen worden.
Zurück zur Historie. In diesem Koalitionsvertrag – genau darauf wollte ich hinaus – steht unter anderem: „Die neue Regel gilt nicht, wenn die Schulschließung im Schulnetzplan auf kommunaler Ebene beschlossen worden ist.“ Das gab uns also recht. Wir haben richtig gehandelt. Wir haben diese Schulschließung nicht beschlossen und alle waren sehr stolz. Auch Sie, Herr von Breitenbuch, haben über das Moratorium geschrieben, wie stolz Sie sind, dass die Schulen im ländlichen Raum endlich eine Zukunft haben. Es wurde von Schutzschirmen für Schulen gesprochen. Der ländliche Raum sei endlich gesichert. Alle diese Pressemitteilungen konnte man dann von der Koalition zur Kenntnis nehmen.
Frau Dr. Stange, die es immer ganz genau wissen will, hat in einer Anfrage nachgefragt, wie denn mit diesem Moratorium umgegangen werde. Herr Wöller hat selbst im Dezember noch gesagt: Nun ja, man habe jetzt keine Prognosen. Man müsse erst einmal schauen, wie sich Schülerströme durch die Bildungsempfehlung verändern werden, und danach könne man im Prinzip weiter entscheiden. Auch im Januar hat Herr Wöller gesagt, man werde die Entscheidungen der kommunalen Selbstverwaltung selbstverständlich respektieren.
Im Februar war dann aber plötzlich alles ganz anders. Wie Sie wissen, erhalten die Kinder am 04.03. die Bildungsempfehlungen für die Schulen. Bis zum 11.03., also eine Woche, haben sie Zeit zu entscheiden, an welche Schule sie gehen. Zwei Wochen vorher kommt doch just die Antwort vom Staatsministerium, in der gesagt wird: Für die Grundschule in Mutzschen und für die Mittelschulen in Regis, Colditz und Kitzscher kann der Schulstandort nicht bestätigt werden. – Ein Schelm, der Böses dabei denkt!
Was sollte damit erreicht werden? Sollten die Eltern verunsichert werden? Zwei Wochen, bevor sie ihre Bildungsentscheidung abgeben müssen, wird ihnen signalisiert, dass diese Schulen durch das Ministerium keine Standortsicherheit haben.
Die Eltern haben aber anders entschieden. Die Eltern haben sich für wohnortnahe Schulen entschieden. Es wurde vorhin schon gesagt: Die Grundschule Mutzschen – nach Prognose des Ministeriums 20 Schüler – hat 24 Schüler. Die Mittelschule Regis – nach Prognose des Ministeriums 38 Schüler – hat 43 Anmeldungen. Die Schule in Colditz – nach Prognose des Ministeriums 31 Schüler – hat 49 Anmeldungen. Die Schule in Kitzscher – nach Prognose des Ministeriums 33 Schüler – hat 48 Anmeldungen.
Das war der Punkt, an dem der Kreistag gesagt hat: Wir wissen nicht, was das Ministerium genau will. Wir sind aber stolz darauf, die Entscheidung so gefällt zu haben. Die Eltern haben sich für wohnortnahe Schulen und ein dichtes Netz an Mittelschulen entschieden. Die Aufgabe, die jetzt beim Ministerium liegt, lautet, dringend die Prognosen zu überarbeiten.
Ich möchte Ihnen noch eine Sache ans Herz legen: In der Antwort zu unserem Schulnetzplan steht unter anderem: Heute ist schon absehbar, dass sich die Geburtenzahlen mit dem Hineinwachsen der geburtenschwachen Jahrgänge der Neunzigerjahre in die Elterngeneration erneut spürbar verringern werden. Bei den weiterführenden Schulen – wir haben im Landkreis leider sehr überfüllte Gymnasien – wird sich das ab etwa 2025, 2030 auswirken. Somit ist der zuvor beschriebene Mangel an Gymnasialplätzen keine langfristig andauernde Erscheinung. Was soll in den nächsten 15 bis 20 Jahren mit den Schülern am Gymnasium werden? Die Antwort erwarte ich von Ihnen.
Ich kann nur von Ihnen fordern: Nehmen Sie endlich die kommunale Selbstverwaltung wirklich ernst! Respektieren Sie die Entscheidungen in den Kreistagen und in den Kommunen! Wir sind dafür, das alles auf rechtlich belastbare Füße zu stellen. Dazu haben wir bereits entsprechende Gesetzentwürfe eingebracht. Die Zeit der Willkür muss endlich ein Ende haben.
Die SPD hat noch eine halbe Minute Redezeit. Möchte sie davon Gebrauch machen? – Dann Herr Colditz von der CDU-Fraktion, bitte.