Die pauschale Forderung der Einführung der Gemeinschaftsschule ins sächsische Schulsystem wird scheitern. Meine Damen und Herren von der LINKEN, Sie können nicht erwarten, dass Abgeordnete, die schon die Weiterführung des Schulversuchs Gemeinschaftsschule abgelehnt haben, nun ein Jahr später der bedingungslosen Etablierung dieser Schulform zustimmen. Sie haben mit Ihrem Gesetzentwurf neue Hoffnung bei Eltern auf längeres gemeinsames Lernen geweckt, aber es gleichzeitig auch so angestellt, dass dieses Anliegen keine Aussicht auf Erfolg hat.
Ich glaube, grundsätzlich hat die Gemeinschaftsschule auch in Sachsen eine Chance, denn sie hat ihre Vorzüge. Wenn man jedoch immer wieder in die gleiche Kerbe haut – wir haben es heute leider wieder gemerkt – und keine neuen Argumente bringt, hat sie eben keine Chance.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Prinzip haben auch wir als NPD-Fraktion nichts gegen ein längeres gemeinsames Lernen, aber so, wie es hier von den LINKEN vorgeschlagen wird, können wir leider nicht zustimmen. Ich möchte dazu den bekannten Herrn Haubitz, Schulleiter aus Klotzsche, zitieren, der in der Anhörung sagte: „Meiner Meinung nach wird hier der zweite vor dem ersten Schritt gemacht, denn bisher liegen meines Wissens keine gesicherten und empirisch gewonnenen Erkenntnisse über den Vorteil einer Gemeinschaftsschule in Sachsen vor. Warum, stellt sich mir die Frage, ein Gesetz zur unbefristeten Fortführung eines Versuchs, da im Erfolgsfall einem regulären Weiterbetrieb meines Wissens nichts im Wege steht.“ – So weit Herr Haubitz. Wir können uns seinen Bedenken hier nur anschließen.
Ich muss auch ehrlich sagen, dass ich es bisher nicht verstanden habe, warum die LINKEN davon ausgehen, dass eine Änderung der Schulstruktur automatisch eine Erhöhung der Qualität nach sich ziehen sollte.
Unter bestimmten Umständen, etwa im Hinblick auf die Entwicklung der Schülerzahlen im ländlichen Raum, kann die Einrichtung einer Gemeinschaftsschule natürlich sinnvoll sein. Das wurde auch in der Anhörung von den Sachverständigen zum Beispiel aus Schleswig-Holstein und Thüringen gesagt. Wir verschließen uns also nicht völlig dem Gedanken der Gemeinschaftsschule, allerdings sehen wir eine weitere Aufsplittung der Schulstruktur sehr, sehr skeptisch.
In der „Berliner Erklärung“ der Bundesdirektorenkonferenz mit der schönen Überschrift „Schluss mit dem SchulChaos“ forderten erst kürzlich Gymnasiallehrer aus ganz Deutschland einen radikalen Schnitt in der Schulpolitik. Nach ihrem Willen soll es bundesweit nur noch zwei Arten weiterführender Schulen geben. Kinder wechseln dann nach der Grundschule entweder aufs Gymnasium oder auf die sogenannte Oberschule. „Es muss Schluss sein mit dem Schul-Chaos in Deutschland“, heißt es in dieser Erklärung.
Weiter: Deutschlandweit gibt es über 70 Typen weiterführender Schulen, so der Organisator Ralf Treptow gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. Eine Familie, die zum Beispiel vom Saarland nach Thüringen umziehen will, steigt da eben nicht mehr durch, eine Folge der deutschen Kleinstaaterei, wie Treptow meint: „Jeder will etwas anderes erfinden und dem auch noch einen eigenen Namen geben. Aus diesem Schlamassel wollen wir heraus.“
Der Vorschlag der Studienräte lautet: Das Gymnasium beginnt überall in Deutschland mit der 5. Klasse und endet mit dem Abitur nach Klasse 12. Daneben gibt es bundesweit nur noch die Oberschule, die alle Abschlüsse
ermöglicht, auch das Abitur mit Ende des 13. Schuljahres. Diese Schulstruktur soll in den Länderverfassungen verankert werden, damit die Schulen endlich Planungssicherheit haben, wie Herr Treptow fordert.
Es muss Schluss sein, mit dem Landtagswahlrhythmus die Schulstruktur immer wieder infrage zu stellen. Dieser Ansicht schließen wir uns an, nicht zuletzt deshalb, weil sich ja das sächsische Schulsystem schon in diese Richtung bewegt. Es schadet sicher nicht, die Erfahrungen des Schulversuchs „Gemeinschaftsschule“ in diesen Prozess einzubeziehen. Das ist aber auch möglich, ohne eine weitere Schulform flächendeckend einzuführen.
Im Übrigen löst dieser Antrag keines der bestehenden Probleme, wie das der demografischen Katastrophe und des absehbaren Lehrermangels. Wir lehnen ab.
Wird weiter von den Fraktionen das Wort gewünscht? – Wenn das nicht der Fall ist, frage ich die Staatsregierung, ob das Wort gewünscht ist. – Herr Staatsminister Prof. Wöller, bitte.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In den vergangenen Jahren haben wir in Sachsen an insgesamt neun Schulen Formen des längeren gemeinsamen Lernens und Schulformen übergreifender Kooperation erprobt. Der Schulversuch, Schulen mit besonderem pädagogischen Profil, Gemeinschaftsschulen auf der Grundlage von § 15 des Sächsischen Schulgesetzes, war von vornherein zeitlich befristet. Derzeit wird der Schulversuch, wie vorgesehen, abgeschlossen, aber wir wollen bewährte Aspekte der pädagogischen Konzepte weiterführen, insbesondere die Inhalte, die sich auf die individuelle Förderung beziehen. Dazu ist zurzeit eine Änderung der Schulordnung für Mittelschulen in Vorbereitung, die ab dem Schuljahr 2011/2012 greifen soll. Außerdem wird die wissenschaftliche Begleitung der Schulversuchsschulen bis zum Schuljahr 2015/2016 fortgeführt, natürlich unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel. Die positiven Ergebnisse und Erkenntnisse, die sich daraus ergeben, können, ja sollen bei Bedarf jedenfalls in den Regelschulbetrieb übernommen werden.
Eine Einführung von Gemeinschaftsschulen im Freistaat Sachsen als reguläre Schulart ist jedoch, wie Sie sich denken können, nicht vorgesehen. Sie ist auch nicht sinnvoll und Sie wissen auch, dass sie nicht sinnvoll ist.
Unter anderem hat die öffentliche Anhörung, von der in der Debatte schon die Rede war, gezeigt, dass es aus wissenschaftlicher Sicht keine Belege gibt, die für die Errichtung eines Gemeinschaftsschulsystems sprechen – im Gegenteil. Wer fördern will, muss auch differenzieren. Ich wundere mich schon, dass wir hier breiten Raum einnehmen und jedes Mal über Strukturen und Ideologien diskutieren. Ich denke, das bringt uns nicht weiter. Wenn Sie die letzten Studien in der Bildungsforschung zur
Kenntnis genommen haben – und das unterstelle ich einmal –, dann haben wir alle doch gesehen, dass der Einfluss der Struktur auf die Bildungsqualität eine untergeordnete Bedeutung hat und der Einfluss beispielsweise von Lehrerinnen und Lehrern und der Einfluss von Eltern einen wesentlich höheren Stellenwert hat, als viele von uns das für möglich gehalten haben. Deswegen ist es auch nicht sinnvoll, ideologische Diskussionen zu führen, sondern Bildungspolitik zu machen aus den Augen der Kinder für die Kinder, und das Ziel dieser Bildungspolitik muss Qualität sein.
Wissen Sie, wir können hier gerne streiten. Ich finde das auch in Ordnung. Ich respektiere das und kann das nachvollziehen, und auch Ihre Argumente, Frau Kollegin Stange, versuche ich jedes Mal zu wägen. Was ich Ihnen aber nicht durchgehen lasse – und das ärgert mich persönlich –, wenn Sie sich hier hinstellen und eine der erfolgreichsten Schulformen, nicht nur in Sachsen, sondern eine der erfolgreichsten Schulformen in Deutschland und teilweise in der OECD, nämlich unsere Mittelschulen
Ich finde es eine Unverschämtheit, dass diese Schulform der Mittelschule, die unsere Praxiselite ist und wirklich hervorragende junge Leute ausbildet, sowohl in der Bildungsgerechtigkeit als auch in der Qualität mit führend ist, in dieser Art und Weise angegangen wird. Das kann ich weiß Gott nicht mehr nachvollziehen.
Deswegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist es eben wirksamer und besser, statt über äußere Schulstrukturen zu diskutieren, Maßnahmen für die Qualitätsentwicklung im Unterricht und die individuelle Förderung vor Ort umzusetzen. Dazu gehören natürlich auch Förderangebote vor Ort. Dazu gehört auch die Unterstützung von binnendifferenziertem Unterricht in der Klasse. Das sind Maßnahmen, wie wir unter anderem durch die Änderung unserer Schulordnung Mittelschulen weiterentwickeln wollen.
Kurzum: Natürlich sind wir offen für pädagogische Innovationen, wenn sie durch entsprechende Erfahrungen und Konzepte gestützt werden. Ich sage Ihnen deutlich: Wir werden nicht alles übernehmen, sondern nur das, was Qualität bringt und sich auch bewährt hat. Dazu brauchen wir keine neue Schulart. Ein wesentlicher Grund für den Erfolg des sächsischen Schulsystems im nationalen aber auch im internationalen Leistungsvergleich ist neben der guten Arbeit unserer Lehrerinnen und Lehrer die Klarheit und die Verlässlichkeit unseres Schulsystems.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! Ich möchte das nicht so falsch im Raum stehen lassen. Ich hatte weder die Mittelschulen diffamiert und noch viel weniger die Lehrerinnen und Lehrer, die in den Mittelschulen eine – aus meiner Sicht – hervorragende Arbeit unter den vorzufindenden Bedingungen durchführen. Das, was ich kritisiere, ist, dass Sie es zulassen, dass ein Schulsystem derart differenziert aufgebaut wird. Ich hatte vorhin bewusst gesagt, die Mittelschule ist eben nicht die gleichwertige Schulform neben dem Gymnasium, was Sie immer wieder behaupten, sondern es ist Haupt- und Realschule unter einem Dach. Unter diesen Bedingungen können auch die besten Mittelschullehrerinnen und Mittelschullehrer keine individuelle Förderung vornehmen, so, wie sie es vielleicht gern machen möch
ten. Das geht in den Mittelschulen nicht. Das ist es, was ich kritisiere: die äußere Schulstruktur, die Sie nicht bereit sind zu verändern.
Möchten Sie darauf antworten, Herr Staatsminister? – Das ist nicht der Fall. Gibt es weitere Kurzinterventionen? – Das ist auch nicht der Fall.
Meine Damen und Herren! Wir kommen jetzt zur Abstimmung. Aufgerufen ist das Gesetz zur Regelung der gesetzlichen Rahmenbedingungen für Einrichtung, Betrieb und befristete Fortführung von Gemeinschaftsschulen im Freistaat Sachsen. Wir stimmen ab über den Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE. Es liegen keine Änderungsanträge vor. Ich würde gleich die Überschrift, den Artikel 1 und den Artikel 2 zusammenziehen, wenn Ihnen das recht ist. Wer möchte die Zustimmung geben? – Die Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei einer ganzen Reihe von Stimmen dafür ist weder der Überschrift noch den beiden Artikeln zugestimmt worden. Damit erübrigt sich eine Gesamtabstimmung. Ich schließe den Tagesordnungspunkt.
Drucksache 5/5217, Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wissenschaft und Hochschule, Kultur und Medien
Es ist keine Aussprache vorgesehen. Wünscht dennoch ein Abgeordneter das Wort? – Das ist nicht der Fall. Damit kommen wir sogleich zur Abstimmung. Wir stimmen ab auf der Grundlage der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wissenschaft und Hochschule, Kultur und Medien in der Drucksache 5/5217. Auch hierzu gibt es keine Änderungsanträge. Ich würde die Überschrift und den Artikel 1 und 2 gleich zusammenziehen, wenn es keinen Widerspruch gibt. Wer möchte die Zustimmung geben? – Die Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei einigen Stimmenthaltungen ist die mehrheitliche Zustimmung erfolgt. Damit kann ich auch diesen Tagesordnungspunkt schließen. – Ach die Gesamtabstimmung!
Zurück. Hier müssen wir eine Gesamtabstimmung machen. Wer dem Dritten Gesetz zur Änderung des Sächsischen Hochschulzulassungsgesetzes in Gänze zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Auch hier gibt es wieder das gleiche Abstimmungsverhalten. Bei einer Reihe von Stimmenthaltungen ist dennoch dem Gesetzentwurf mit Mehrheit zugestimmt worden.
2. Lesung des Entwurfs Gesetz zur Änderung des Sächsischen Privatrundfunkgesetzes und zur Änderung des Sächsischen Gesetzes zur Durchführung des Staatsvertrages über den Rundfunk im vereinten Deutschland