Oder aber, man wird Sie mit Kfz-Kennzeichen in Verbindung bringen – das zentrale Thema Ihrer Amtszeit. Erst wurde durchgesetzt – in einem wahren Kraftakt –, dass man beim Umzug sein Kennzeichen behalten darf.
Den ganzen bürokratischen Weg hatte man natürlich dennoch zu absolvieren. Nun sollen sogar die alten KfzKennzeichen wieder eingeführt werden. Das macht wirklich Sinn, da die sächsischen Straßen inzwischen auch schon wieder so aussehen wie 1989/90. Dann können wir auch die alten Zeichen behalten.
Warum heute diese Regierungserklärung?, habe ich mich immer wieder gefragt. Sie hatten doch erst im letzten Plenum die Gelegenheit, vor der Einbringung Ihres Haushaltes alle Neuerungen, Konzepte und Ideen vorzutragen. Aber leider haben wir damals – genauso wie heute – nichts Substanzielles von Ihnen gehört. Es gibt keine wirkliche Botschaft. Wie oft haben wir gehört: Wir sollten, wir hoffen oder wir müssten. Sie sind jetzt ein Jahr Minister. Was Sie wirklich tun wollen, davon haben wir auch heute wieder nichts gehört.
Aufschwung und Wirtschaftswachstum – ich finde, das muss man sagen: Es ist bewundernswert oder vielleicht zu viel Selbstbewusstsein oder doch lieber wirklich etwas erbärmlich, dass Sie mit Ihrer Rede versuchen, die positiven Wirtschaftszahlen, die es in Sachsen wirklich gibt, und den ach so tollen Aufschwung mit Ihrer angeblichen Politik zu verknüpfen. Die gleiche Taktik versucht schon Herr Bundeswirtschaftsminister Brüderle in den letzten Tagen, und es glaubt auch ihm niemand, denn es hat doch wohl jeder gesehen, dass Sie und Ihre Partei am allerwenigsten damit zu tun hatten,
sich sogar gegenüber den zentralen Maßnahmen, die die Krise überwinden halfen, ablehnend verhielten und das Konjunkturpaket damals ablehnten.
Es waren die damaligen Minister Scholz und Steinbrück, die für die Kurzarbeiterregelung, die Rettungsschirme für die Unternehmen und die beiden Konjunkturprogramme verantwortlich waren, und natürlich die sehr verantwortungsbewusste Arbeit der Unternehmer und Arbeitnehmer, die gerade in der Krise eng zusammengearbeitet haben mit dem Hauptziel, die Unternehmen zu erhalten.
Dies hat Deutschland starkgemacht. Eineinhalb Jahre FDP-geführtes Wirtschaftswachstum – eine Kurzbilanz: Der Koalitionsvertrag in den Bereichen Wirtschaft, Arbeit und Verkehr war schon äußerst dürftig und vage. Aber auch in der Realität sind die ersten Monate der CDU/FDP ein Offenbarungseid an Hilflosigkeit, Führungsschwäche, Ideen- und Konzeptionslosigkeit. Was haben Sie denn schon zustande gebracht?
Mittelstandsförderung und Demokratieabbau: Seit 2010 wurde der große Wurf immer wieder angekündigt, dann immer wieder verschoben. Wir haben in fast jedem Wirtschaftsausschuss nachgefragt. Immer wieder wurden wir vertröstet. Dann der Antrag der Koalition zum Prüfauftrag – seitdem nichts, kleinste Korrekturen und nicht einmal im Rahmen der Haushaltsaufstellung wurde das Versprechen eingelöst.
Herr Herbst sagte Mitte 2010: „Die 50-seitige Mittelstandsrichtlinie wird grundlegend überarbeitet. Spätestens zu Beginn 2011 wird sie in Kraft treten.“ Ich habe zitiert. Was ist passiert? Nichts. Entweder es fehlt Ihnen der Mut oder Sie wissen nicht, wie. Ich hätte mir dazu heute klare Worte gewünscht, aber leider nur wieder Lippenbekenntnisse.
Technologie- und Innovationsförderung wurden freiwillig an das SMWK abgegeben, und dann heute über Innovation zu reden, nachdem man alle Zuständigkeiten abgegeben hat, das ist wirklich absurd.
Arbeitsmarktpolitik: Ja, die Arbeitslosenzahlen sind gefallen – auf 11,1 % im Dezember 2010. Das ist der niedrigste Stand seit 1991. Das ist sehr erfreulich, aber bevor Sie jubeln: Sie hatten damit nichts zu tun. Ursache des positiven Trends sind die Folgen des demografischen Wandels und die Ausweitung der prekären Arbeit. Im Vergleich mit den anderen ostdeutschen Ländern hat Sachsen seinen Spitzenplatz längst verloren – ganz gegen unser sächsisches Selbstverständnis. Thüringen mit 8,9 % und sogar das rot-rote Brandenburg mit 10,6 % sind uns enteilt. Wir sind nur noch 0,1 % vor Sachsen-Anhalt. Mecklenburg-Vorpommern und Berlin haben zwar noch eine höhere Arbeitslosenquote, holen aber sehr schnell auf. Hier heißt es endlich zu handeln.
Was haben Sie getan? Alle Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik oder die Programme in Bezug auf Langzeitarbeitslose wurden gekürzt oder die Programme verhindert, Kommunal-Kombi, Bürgerarbeit – in all Ihren Aussagen haben Sie das Problem der Langzeitarbeitslosen
heruntergespielt. Man müsse nichts tun. Die Programme bringen nichts oder der Markt regelt das. Immer und immer wieder. Ein paar Tage nach der Verabschiedung des Haushaltes haben Sie einen Ideenwettbewerb für Projekte gegen Langzeitarbeitslosigkeit ausgelobt. Wenn das nicht die persönliche Bankrotterklärung ist, dann weiß ich auch nicht.
Bereich Verkehr: Ihr Ziel scheint es zu sein, alles zu tun, um die Mobilität der Sächsinnen und Sachsen zum Erliegen zu bringen oder, wenn Ihnen das nicht gelingen sollte, wenigstens die Qualität und das Angebot deutlich zu verschlechtern: Erstens. ÖPNV-Kürzung, Verteuerung des Angebotes, Streckenstilllegungen, Taktzeitausweitung – alles auf dem Rücken der Kunden, Unternehmen und Beschäftigten. Wenn es nach Ihnen gegangen wäre, wäre der ÖPNV – das angeblich so ineffiziente System – komplett abgeschafft worden.
Zweitens Bahn: Abgehängt vom Bahnverkehr war Sachsen schon immer. Das lag vor allem an der falschen Weichenstellung der CDU ín den ersten Nachwendejahren, als zu sehr auf die Straße gesetzt wurde.
Aber was haben Sie getan, mit Ihren guten Kontakten ins Bundesverkehrsministerium? Nichts, gar nichts. Das Angebot und die Qualität werden immer schlechter. Wie sagte mein Kollege Brangs in der Aussprache zum Einzelplan 07? „Sie haben keinen Masterplan. Es erinnert alles an einen Desasterplan.“
Was wir aber brauchen, sind Ideen und Konzepte, um den Standort Sachsen weiter zu stärken und gute, sozialversicherungspflichtige Jobs zu sichern und zu schaffen und um den Unternehmen die möglichst besten Rahmenbedingungen zu geben.
Die Ernüchterung über Ihre Arbeit war so groß, dass Ihr Koalitionspartner Ihre erste Auslandsreise – und Sie haben heute mehrere Auslandsreisen erwähnt – zum Anlass nahm, zusammen mit dem VSW, der Ihnen einmal sehr nahe stand – aber das war vor Ihrer desolaten Regierungsarbeit –, ein gemeinsames wirtschaftspolitisches Grundsatzpapier öffentlich zu präsentieren. Auf eine Journalistenanfrage aus der Pressekonferenz, ob die FDP involviert gewesen sei, antwortete Bodo Finger süffisant: Bei manchen dauert es so lange, da könne man nicht ewig warten. Wie das wohl gemeint war?
Aber was haben wir für Vorschläge? Bei abnehmenden finanziellen Möglichkeiten des Staates muss die Politik ein viel stärkeres Augenmerk auf den sächsischen Mittelstand legen. Was wir in der gegenwärtigen Situation brauchen, auch um den positiven Wachstumstrend zu stabilisieren, sind wirkliche Prioritäten. Wir wollen die heimischen Wirtschaftskreisläufe und die regulären
Mittelständler und Handwerker, die das wahre Rückgrat der sächsischen Wirtschaft darstellen und Arbeits- und Ausbildungsplätze schaffen, viel stärker unterstützen. Es ist unsere Pflicht, dem sächsischen Mittelstand nicht nur in der Krise, sondern auch danach zu helfen und in der Zukunft eine noch stärkere mittelstandsfreundlichere Politik in Sachsen zu betreiben.
Aus diesem Grund ist es eben dringend notwendig, Herr Morlok, wenn wir Ihrer wirtschaftspolitischen Kompetenz etwas auf die Sprünge helfen dürfen, folgende Forderungen für 2011 zu unterstützen: erstens, gezielte Mittelstandspolitik. Regionalisierte Wirtschaftsförderung mit Regionalbudgets bei den Landkreisen führt zu einer Konzentration der Investitionsförderung, oder die Verbesserung der Kapitalausstattung im Mittelstand; der nachhaltige und nun wirkliche Bürokratieabbau; gezielte Förderung von Branchen und Kompetenzclustern. Dabei soll die Verzahnung von Forschung und Unternehmen in allen Bereichen verbessert werden. Gezielte Fachkräfteförderung sowohl im Bereich der Jugend – wir haben immer noch eine Abbrecherquote von 12 % – als auch bei den Älteren; aktive Begleitung der anstehenden 4 000 Unternehmensnachfolgen.
Arbeitsmarkt: Regulierung der Leiharbeit und Branchenmindestlohn, neues, vereinfachtes Vergabegesetz mit sozialen und ökologischen Mindeststandards sowie einer Tariftreueerklärung, sozialer Arbeitsmarkt für Langzeitarbeitslose; nachhaltige Mobilitätskonzepte für Sachsen. Mit Blick auf Klimawandel und Ressourcenknappheit müssen der ÖPNV und der SPNV erhalten und sinnvoll weiterentwickelt werden, zum Beispiel auch durch die Einführung eines Mobilitätstickets bzw. die Befreiung der Eltern von den Zuzahlungen zur Schülerbeförderung sowie Rücknahme der Kürzungen beim ÖPNV.
Ich komme nun auf eine moderne Energie- und Ressourcenpolitik zu sprechen: Effektiver Klimaschutz ist für uns Aufgabe einer modernen Energiepolitik, die sich auf die Nachhaltigkeit orientieren muss. Wir brauchen eine andere Strategie: weg vom Öl. Sachsen muss eines der deutschlandweit führenden Länder für moderne Energietechniken werden. Als Stammland der Ingenieurskunst haben wir alle Voraussetzungen dafür.
Auf dem Weg zum modernen Industrieland Sachsen setzen wir auf die ökologische Industriepolitik mit drei Grundsätzen: Energie- und Ressourceneffizienz sowie die konsequente Förderung erneuerbarer Energien für eine sichere Energieversorgung ohne Atomkraft.
Was ist unser Fazit? Herr Morlok, auf Ihrer Homepage haben Sie unter dem Punkt Visionen einen tollen Satz zu stehen: Wir brauchen eine klare Trennung der Zuständigkeiten und der Kompetenzen. Jetzt wissen wir, dass Sie seit dem Jahr 2009 zuständig sind. Wir sollten nunmehr einen Ideenwettbewerb – analog Ihrem Vorschlag zur Langzeitarbeitslosigkeit – ausrufen, weil wir dringend die schmerzlich vermisste Kompetenz brauchen. Das ist zum Wohle der sächsischen Bürgerinnen und Bürger.
Herr Tillich und Herr Morlok! Entweder die Regierung schafft die zukunftsweisende Politik oder Sie treten besser zur Seite und lassen es andere versuchen, Herr Zastrow.
Das war Frau Kollegin Köpping von der SPD. – Als Nächstes spricht für die FDP-Fraktion der Kollege Herbst.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bemerkung war in der Tat richtig. Ich hatte sehr dankbare Vorredner. Besonders freue ich mich über die vereinigte Linksopposition, die ihre typischen Reden hält. Besonders typisch war dieses Mal die intellektuelle Flughöhe des Kollegen der Linksfraktion. Wer auf dieser Höhe unterwegs ist, muss aufpassen, dass die Teppichkante nicht zu einem unüberwindbaren Hindernis wird.
Meine Damen und Herren der Linksfraktion und der SPD! Sie haben zu Recht festgestellt, dass diese Regierung umgesteuert hat. Dieser Wirtschaftsminister hat eine andere Handschrift. Wir sind sehr stolz darauf, dass es eine bürgerliche und marktwirtschaftliche Handschrift ist.
Für uns ist ein wirtschaftlich starkes Sachsen ein Sachsen, das allen, die hier leben und leben wollen, eine Zukunft bietet. Herr Stange, entscheidend dafür ist nicht die Zahl der Sozialarbeiter, sondern die Zahl gut bezahlter Arbeitsplätze.
Wirtschaftliche Stärke ist nicht nur eine Frage von Bilanzen, des Bruttoinlandsproduktes und von Statistiken. Die wirtschaftliche Stärke ist vielmehr die Grundvoraussetzung für einen sozialen Aufstieg, persönlichen Wohlstand und – am Ende – einen funktionierenden Sozialstaat. Wirtschaftliche Stärke ist das Fundament für eine erfolgreiche Gesellschaft und eine Gemeinschaft, die den Schwachen helfen kann.
Die bisherige Diskussion hat eines hervorgebracht: Es gibt grundlegende Unterschiede zwischen linker und bürgerlicher Wirtschaftspolitik.
Meine sehr verehrten Damen und Herren der vereinigten Linken! Sie glauben an Gleichmacherei. Wir glauben an Fortschritt durch Wettbewerb und Unterschied. Sie wollen Menschen in Sozialsystemen möglichst lebenslang alimentieren. Wir wollen ihnen die Chance geben, dort
aus eigener Kraft herauszukommen. Für Sie ist jeder Unternehmer ein potenzieller Ausbeuter. Für uns sind mutige Unternehmer Garanten des Wohlstandes. Das sind die Unterschiede zwischen Ihrer und unserer Wirtschaftspolitik.