Protocol of the Session on January 19, 2011

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Diskussion im Vermittlungsausschuss dreht sich einzig und allein darum, dass die Opposition höhere Leistungen fordert. Ein flächendeckender Ausbau der Ganztagsschulen steht

auf der Wunschliste. Woher die 11 Milliarden Euro dafür kommen sollen, wird nicht thematisiert. Die Schulsozialarbeit soll mit bis zu 3 Milliarden Euro ausgebaut werden. Dabei wäre das genau der Punkt, wo die SPD ja selbst etwas tun könnte, nämlich genau in den Ländern, in denen sie Regierungsverantwortung trägt. Also in MecklenburgVorpommern, Rheinland-Pfalz und Berlin, könnte es bereits jetzt einen flächendeckenden Einsatz von Schulsozialarbeitern geben. Ich denke, hier sollten sich die Kolleginnen und Kollegen von der SPD einsetzen, anstatt beim Bund und vom Steuerzahler noch immer mehr Geld zu verlangen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Weiterhin soll sich die Regierung beim Regelsatz bewegen und alle Aufstocker bei der Ermittlung des Regelsatzes herausnehmen. So ist die Forderung. Dass der Kreis derjenigen, die dann vom Staat alimentiert werden, sich deutlich vergrößert, nämlich um circa 400 000 Menschen, das blenden die Kolleginnen und Kollegen der SPD dabei vorerst aus. Das halte ich für eine sehr, sehr gefährliche Entwicklung, denn das Verhältnis von Erwerbstätigen und Sozialleistungsempfängern gelangt durch solche Forderungen zunehmend aus dem Ruder. Im Durchschnitt flossen 1992 rund 6 400 Euro an Sozialausgaben aus Steuermitteln an jeden Einwohner. Bis 2007 ist diese Zahl um sage und schreibe 2 200 Euro auf 8 600 Euro gestiegen, also um über ein Drittel.

Berechnungen des Institutes der Wirtschaft zeigen, dass statistisch betrachtet in nicht allzu ferner Zeit jeder Erwerbstätige neben seinem „eigenen Rentner“ auch seinen „eigenen Sozialleistungsempfänger“ finanziert. Diesen Kreis immer und immer wieder zu erweitern, ist nicht nur ein finanzielles Problem – so sehe ich das –, sondern auch ein Problem für unsere Gesellschaft und dabei für jeden einzelnen Menschen selbst, denn die Übernahme weiterer staatlicher Fürsorge schwächt auch die Anreize zur Eigenverantwortung. Diesen Weg wollen wir nicht gehen. Wir wollen keine unbegrenzte Ausdehnung der Sozialtransfers, sondern einen wirksamen Sozialstaat.

(Beifall bei der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Frage des Existenzminimums eignet sich nicht für Ränkespiele. Wir sollten uns jetzt in den Verhandlungen einigen. Aus dem Bundesarbeitsministerium wurden auch erste Signale für Zugeständnisse gesendet. Im Interesse der Arbeitslosengeld-II-Empfänger und vor allem der Kinder und Jugendlichen sollte auch die SPD auf ein schnelles Ende des Einigungsverfahrens hinwirken. Zwar werden gegebenenfalls die 5 Euro im Nachhinein ausgezahlt, dennoch können Kinder nicht nachträglich für den Monat Januar am Schulessen teilnehmen. Bedenken Sie das jeden Tag, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der SPD an dieser Stelle.

(Zuruf der Abg. Heike Werner, DIE LINKE)

Ihren Antrag werden wir ablehnen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Als nächste Rednerin für die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Frau Herrmann.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte einmal einen ganz anderen Ansatzpunkt wählen. Wir haben in der letzten Legislatur in diesem Hohen Haus einen Antrag der GRÜNEN einstimmig beschlossen, der vorsah, dass die Staatsregierung beauftragt wird, sich im Bund dafür einzusetzen, dass die Regelsätze für Kinder nicht nur transparent berechnet werden, also eine transparente Grundlage bekommen, sondern dass diese Regelsätze auch dazu führen, dass Kinder natürlich dann Teilhabe am soziokulturellen Leben in dieser Gesellschaft haben. Da waren wir uns offensichtlich einig.

Jetzt gibt es einen Vorschlag von der Bundesebene und wir müssen uns fragen, ob dieser Vorschlag dem, was wir damals mit unserem Antrag verbunden haben, gerecht wird. Das wäre die Frage, die wir heute zu stellen haben. Da ist eben zum einen die Frage, die schon aufgeworfen ist: Sind die Regelsätze tatsächlich transparent berechnet? Wir haben hierbei ja auch das Bundesverfassungsgericht an der Seite, das damit einen bestimmten Auftrag verbunden hat. Ich bezweifle stark, dass die Regelsätze einer nochmaligen Überprüfung wirklich standhalten werden.

Wir haben immer gesagt, Regelsätze müssen tatsächlich den Kindern Teilhabe ermöglichen. Das andere ist, ob das Bildungspaket, das jetzt auf dem Tisch liegt, geeignet ist, diese Teilhabe tatsächlich zu erreichen.

Wir GRÜNEN sind der Meinung, dass das Bildungspaket nicht dazu geeignet ist. Das hat einfach etwas damit zu tun, was in diesem Bildungspaket enthalten ist. Wenn dort Nachhilfe enthalten ist, aber nur in dem Fall, wenn das Kind bereits versetzungsgefährdet ist, heißt das doch, dass wir einen Zustand eintreten lassen, der für das Kind schon äußerst schwierig ist, ehe wir ihm dann Hilfe anbieten.

Meine Kollegin Frau Werner hat auch darauf hingewiesen: Was ist das für ein Bildungssystem, das wir öffentlich finanzieren und das dann einfach an einer bestimmten Stelle eingestehen muss, dass wir hier nicht weiterkommen, dass es den Kindern nicht weiterhilft und dass wir jetzt Mittel in die Hand nehmen müssen, um unter Umständen auch private Institute zu finanzieren, die diese Nachhilfe anbieten werden?

Auch die vielen anderen in diesem Bildungspaket enthaltenen Punkte sind angesprochen worden. Herr Clemen hatte bereits darauf hingewiesen, dass die Kinder, die bei der Tafel ankommen, nicht nur Kinder aus Hartz-IVFamilien sind, sondern dass dies durchaus auch Kinder aus anderen Familien sind. Deren Familien sind einfach nicht in der Lage, ihren Kindern das anzubieten, was sie für ihre Entwicklung benötigen. Es stellt sich die Frage, ob die Fokussierung in diesem Bildungspaket allein auf

schulische Bildung und damit formale Bildung tatsächlich ausreichend ist und den Kindern die Kompetenzen vermittelt, die sie hoffentlich im Laufe ihres Lebens bis zum Erwachsenwerden entwickeln können.

Das heißt dann aber auch, dass wir uns fragen müssen, was wir anstelle dessen benötigen. Ich habe ein Problem damit, dass wir uns einen schlanken Fuß machen, indem wir sagen, dass bestimmte Dinge der Bund bezahlen oder in Vorleistung gehen kann und der Freistaat sei da ein wenig aus dem Schneider und kann sich zurückziehen. Das passiert gerade im Moment.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, dass dieses Bildungspaket ins Leere laufen wird, und zwar aus den Gründen, die Ihnen meine Kollegin schon genannt hat. Vor allen Dingen auch deshalb, weil die Angebote, die die Kinder dann in Anspruch nehmen können, in Sachsen teilweise überhaupt nicht mehr existieren oder zu teuer sind, sodass sich Kinder auch mit Bildungspaket diese Angebote nicht leisten können.

Ich hatte heute eine Besuchergruppe aus Weißwasser. Nach dem offiziellen Teil hat mich eine Schülerin konkret angesprochen und erklärte ihre familiäre Situation: Sie ist Musikschülerin, hat sechs Geschwister und der Preis für 60 Minuten Unterricht in der Woche hat sich verdoppelt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie wollen Sie das aus dem Bildungspaket bezahlen?

Ich habe noch weitere Fragen. Vorige Woche habe ich im Jugendhilfeausschuss meines Landkreises, in dem ich beratend sitze, erlebt, wie die Förderung in der Jugendhilfe beschlossen wurde. Wenn ich mir nun die Liste ansehe, vor allem die Streichliste, frage ich mich, was noch übrig bleibt. Wo können die Kinder dann eventuelles Geld aus dem Bildungspaket tatsächlich einsetzen? Wenn ich es mir nun noch genauer ansehe, fällt mir auf, dass genau an der Stelle gestrichen worden ist, an der Bildungsgerechtigkeit im Zugang zu Bildung ermöglicht wird. Ich möchte Sie nicht mit der ganzen Liste langweilen. Aber beispielweise wird das Schülercafe des SOS-Mütterzentrums Zwickau auf null gesetzt. Zugegeben, das geschieht nur von 0,2 Vollzeitäquivalentstellen auf null, aber immerhin. Beispielsweise wird auch der Schülertreff Plan F der AWO Südwestsachsen e. V. um ein Vollzeitäquivalent gekürzt. Dort gibt es noch 0,8. Beispielsweise wird die offene Kinder- und Jugendarbeit im evangelischen Jugendzentrum auf null gesetzt. Zudem wird der Kinder- und Jugendtreff „Spinne“, der im Übrigen wie die anderen auch Hilfe bei den Hausaufgaben anbietet, von 2,81 Vollzeitäquivalent um eine Stelle gekürzt. Aus dieser Liste könnte ich noch weiter vortragen.

So sieht es tatsächlich aus. Da denken wir, dass mit so einen läppischen – entschuldigen Sie bitte das Wort – Bildungspaket irgendetwas zu reißen ist? Ich glaube das nicht.

Ich denke, dass auch der Antrag der SPD-Fraktion einfach zu kurz greift, weil diese grundlegenden Entscheidungen und der damit verfolgte Ansatz einfach der falsche Weg ist. Auf diesen ist offensichtlich der Freistaat aufgesprun

gen, in der Hoffnung, dass der Bund Kürzungen ausgleichen könnte. Ich bin auch sehr für Schulsozialarbeit, was ich auch immer gesagt habe. Nicht nur in dem Sinne, dass Kinder einen Ansprechpartner haben und ein anderer Blick auf Lernbiografien geworfen werden kann durch Menschen, die eine sozialpädagogische Ausbildung haben, sondern auch als Unterstützung für die Lehrer.

Die schon zitierte Liste von vorheriger Woche enthält unter anderem auch den Abbau von zwei Sozialschularbeiterstellen an Grundschulen in der Stadt Zwickau. Manche behaupten, an Grundschulen sind Sozialarbeiter nicht wichtig, hauptsächlich sollen die Mittelschulen abgedeckt sein. Aber es wird überhaupt nicht differenziert, wie die Situation in dem Einzugsgebiet der Schule ist. Wäre es da nicht notwendig, vielleicht einen Schulsozialarbeiter zu erhalten?

Deshalb stimme ich trotzdem Ihrem Antrag, Punkt 2 zu, die Schulsozialarbeiter zu fördern oder in Bildungsinfrastruktur zu investieren. Ich werde daher meiner Fraktion empfehlen, diesem Antrag zuzustimmen, obwohl ich dabei Bauchschmerzen habe. Ich denke, dass der von den LINKEN noch einzubringende Änderungsantrag, der uns bereits vorliegt, konkreter mit den Problemen umgeht. Er weist zum Beispiel auch im Punkt 2 darauf hin, dass es passieren könnte, dass Angebote kostenpflichtig werden, da die Träger einfach darauf angewiesen sind, die Mittel aus dem Bildungspaket abzurufen. Dem Änderungsantrag der LINKEN stimmen wir zu.

Recht vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Für die NPD-Fraktion, als letzter Redner der ersten Runde, Herr Abg. Apfel; Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gut gemeint ist oft das Gegenteil von gut, so heißt es. Ob das Bildungspaket gut gemeint ist, darf bezweifelt werden. Das Prädikat „gut“ verdient es sicher nicht. Es enthält sicherlich einige vernünftige Ansätze, die man grundsätzlich nicht kritisieren kann: ein warmes Mittagessen für hilfsbedürftige Kinder in Kindertagesstätten und Schulen, eine gewisse Unterstützung, um Kindern aus ärmeren Familien den Besuch von Musikschulen oder Sportvereinen zu erleichtern oder das Schulbasispaket.

Das alles hätten Sie aber schon weitaus eher haben können, genauer gesagt 2007. Zumindest hätten wir es seitens des Freistaates einfordern können. Vielleicht erinnern Sie sich noch an den Antrag der NPD zur Umsetzung der Lehr- und Lernmittelfreiheit an Schulen oder die geforderte Anrechnungsfreiheit kommunaler Begrüßungsgelder und anderer freiwilliger Sozialleistungen bei Hartz-IV-Bezug. Vielleicht erinnern Sie sich aber auch an unseren Antrag über die Gewährleistung einer kostenfreien vollwertigen und gesunden Ernährung für Kinder und Jugendliche.

Nunmehr gingen bereits vier Jahre ins Land und es bedurfte erst einer Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes, um gerade bei dem Bedarf für Kinder eine neue Regelung auf den Weg zu bringen. Die SPD, die heute sagt, das Bildungspaket reicht uns nicht, unter anderem diese SPD, die damals in der Landesregierung war, hatte sämtliche Anträge rundherum abgelehnt. Sie warfen uns damals vor, die Vorstellungen der NPD seien nichts Neues und solche Anträge würden gar nicht benötigt, schon gar nicht von der NPD – was zwar damals schon nicht der Wahrheit entsprach. Unser gefordertes Maßnahmenpaket gegen Kinderarmut war doch recht einmalig und erstmalig. Vor allem aber hielt Ihnen schon damals meine Fraktion vor, dass zwischen Ihren Worten und Ihren Taten ein großer Graben liegt. Der weitere Verlauf der Hartz-IV-Tragödie bis hin zu dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat leider gezeigt, dass es kein Graben, sondern regelrecht ein Abgrund war.

Meine Damen und Herren! Da das Bildungspaket nicht das hält, was es verspricht, wird der vorliegende Antrag der SPD aus grundsätzlichen Erwägungen die Zustimmung der NPD finden, auch wenn er sehr oberflächlich und nichtssagend ist. Zudem kann der Antrag nicht vergessen machen, dass es die SPD selbst war, die Hartz IV und damit die soziale und bildungspolitische Deklassierung ganzer Bevölkerungsschichten auf den Weg gebracht hat. Hoffen wir nun, dass im Vermittlungsausschuss wenigstens einige der gröbsten Fehler und Versäumnisse ausgeräumt werden.

Zum Beispiel wäre hier zu nennen, dass die Leistungen aus dem Bildungspaket einfach aus dem Regelbedarf der Hartz-IV-Sätze herausgerechnet wurden, dass als Ermittlungsgrundlage für Bildungskosten nicht das veranschlagt wird, was der gesunde Menschenverstand als notwendig ansieht, und dass ausgerechnet die durchschnittlichen Bildungskosten derer zugrunde gelegt werden, die ohnehin seit Jahren von eben jener Bildung weitgehend ausgeschlossen sind.

Ferner sei darauf hinzuweisen, dass die für Nachhilfe vorgesehenen Mittel nur solchen Schülern bewilligt werden, bei denen die Nachhilfe oftmals schon zu spät kommt. Gleichzeitig wird dabei ein großer bürokratischer Aufwand geschaffen und die Verantwortung für die Zuteilung dem Lehrer zugeschoben.

Abschließend gilt es, die immens hohen Verwaltungskosten des Gutscheinsystems zu minimieren. Circa 135 Millionen Euro! Setzen Sie das einmal ins Verhältnis zu den 700 Millionen Euro, die das Bildungspaket selbst kosten soll. Vor diesem Hintergrund wird die NPD-Fraktion dem Änderungsantrag von den LINKEN zustimmen, denn im Gegensatz zu den SPD-Oberflächlichkeiten werden zum Beispiel Maßnahmen eingefordert, wodurch weniger Verwaltungspopanz finanziert wird, sondern das Geld direkt den Kindern und Jugendlichen in diesem Lande zukommt.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren Abgeordneten! Mir liegen noch Wortmeldungen für eine zweite Runde vor. Ich frage zunächst, ob die Staatsregierung das Wort ergreifen möchte? – Das kann ich nicht erkennen. Insofern frage ich jetzt die SPD-Fraktion. – Auch hier ist keine Rednerin gemeldet. Ich frage für die CDU, Herr Krauß? – Auch kein Redebeitrag gewünscht. Aber für die Linksfraktion erhält Frau Klepsch das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor einigen Monaten meldete das Statistische Landesamt in Kamenz, dass die Zahl der Kinder in Sachsen, die als Teil einer Bedarfsgemeinschaft von Hartz IV leben müssen, von 24 % auf 23 % zurückgegangen sei. Ist das jetzt eine Erfolgsmeldung? Ich glaube nicht, denn 23 % der sächsischen Kinder in Hartz-IV-Haushalten sind immer noch ein Viertel der nachwachsenden Generation, deren Teilhabe am gesellschaftlichen Leben eingeschränkt ist. Insgesamt ist die Armutsquote im Bundesdurchschnitt von 11,8 % der Bevölkerung im Jahr 2000, also vor etwa zehn Jahren, auf 18,3 % im Jahr 2006 – das entspricht 14,9 Millionen Personen – angestiegen. Besonders drastisch – das sollten wir uns vor Augen halten – fällt der Anstieg bei den unter 15-Jährigen aus, von 15,7 % im Jahr 2000 auf 26,3 % im Jahr 2006. Das heißt, innerhalb von sechs Jahren ist die Armutsquote von Kindern und Jugendlichen unter 15 Jahren um 11 % gestiegen.

Im Vergleich der Altersgruppen sind Kinder und Jugendliche am stärksten betroffen. Die Kinderarmutsquote im Westen Deutschlands beträgt zwar nur 12,4 %. Wenn wir uns aber in Ostdeutschland umschauen, sind wir bei besagten 23,7 %. Das heißt, jedes vierte ostdeutsche Kind muss als einkommensarm gelten, und da ist Sachsen nicht ausgeschlossen.

Das sogenannte Bildungspaket, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, vielmehr ein Bildungspäckchen, wie es die GEW zu Recht getauft hat, ist – freundlich gesagt – eine Mogelpackung, weil die Bildung nach dem Willen der Arbeitsministerin als Vehikel der Sozialpolitik und damit der Armutsbekämpfung dienen soll.

Ulrich Beck, der Soziologe, prägte mit seinem Buch „Die Risikogesellschaft“ 1989 den Begriff des Fahrstuhleffektes für die alte Bundesrepublik. Mit dem Fahrstuhleffekt meinte er, dass alle vom Aufstieg durch Bildung profitiert hätten. Das stimmte auch für die alte Bundesrepublik, aber heute, 20 Jahre später, müssen wir feststellen – und die drei Armuts- und Reichtumsberichte der Bundesregierung seit 2001 untermauern das auch –, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht und die Armutsrisikoquote stetig steigt, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen.

Wenn aber immer mehr Menschen unter geringen Teilhabechancen und unter sozialer Ausgrenzung leiden, kann das auf Dauer dem gesellschaftlichen Zusammenhalt

insgesamt und damit auch der Demokratie, die wir alle schützen wollen, schaden.

Die Armutsforschung hat in den letzten zehn Jahren aufzeigen können, dass Kinder auf vielfältigen Ebenen Konsequenzen einer familiären Armut zu gewärtigen haben. Nachgewiesen wurden zum Beispiel erhebliche gesundheitliche Einschränkungen, wie ein häufiges Vorkommen von chronischen Krankheiten, Übergewicht, psychosomatische Symptome, schlechtere Schulleistungen, negative Schulkarrieren, geringere Integration in gleichaltrigen Beziehungen, und das heißt eben auch: weniger Freunde und Spielkameraden, ein geringeres Aktivitätsniveau, wie eben die Mitgliedschaft in Vereinen, ein problematisches Selbstwertgefühl und geringere Selbstwirksamkeitsüberzeugungen. Kinderrechtliche Positionen, die in Deutschland vor allem von UNICEF und dem Deutschen Kinderhilfswerk vertreten werden, fordern unter Verweis auf die UN-Kinderrechtskonvention eben nicht nur das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard, sondern auch Kinderrechte auf Bildung, Gesundheit und gesellschaftliche Teilhabe für arme Kinder.

Daraus ergeben sich konkrete Forderungen: eben eine Grundsicherung für Kinder – deshalb ist sie im Änderungsantrag enthalten –, eine fördernde Politik und auch materielle Leistungen, zum Beispiel das kostenfreie Mittagessen in der Schule. Seit einem halben Jahr doktert nun Frau von der Leyen an der SGB-II-Reform herum und will als Trostpflaster das Bildungspaket für arme Kinder schnüren. Herausgekommen ist bis jetzt nichts.

Doch auch wenn mehr als 800 Millionen Euro für die Bildungsteilhabe durch die Bundesregierung eingeplant sind, wird eben nicht die Ursache des Problems konsequent angegangen, sondern es werden mit Gutscheinen zum Beispiel neue Probleme geschaffen. Grundsätzlich greift der § 28 der SGB-II-Novellierung in das SGB VIII, in das Kinder- und Jugendhilfegesetz, ein. Das konterkariert die Tatsache, dass für die Bildungsteilhabe im außerschulischen Bereich wie Sport und Kultur die Kommunen als öffentliche Träger der Jugendhilfe die Steuerungsverantwortung haben. Es ist wichtig und bisher in der Debatte eher untergegangen, dass vor allen Dingen die Angebote der Kinder- und Jugendhilfe grundsätzlich allen jungen Menschen offenstehen müssen und eben nicht nur Benachteiligten oder Einkommensschwachen.

(Beifall bei den LINKEN und der SPD)