Protocol of the Session on December 14, 2010

Zyniker mögen jetzt einwenden: Wer dergestalt beeinträchtigt ist, dass er zur Teilhabe am Erwerbsleben nicht mehr fähig ist, der vermag auch kein Ehrenamt mehr auszuüben. Doch diese Haltung ginge fehl. Warum soll ein schwer Herzkranker nicht mehr dazu in der Lage sein, beispielsweise als Schöffe an einem Gericht tätig zu sein? Warum soll ein Mensch, der unter psychischen Angstzuständen leidet, nicht auch im Sozialbereich ehrenamtlich tätig sein und vielleicht Landsleuten mit ähnlich gelagerten Beschwerden beistehen, gerade vor dem Hintergrund der eigenen Erfahrungen?

Umgekehrt kann manchmal die gemeinnützige Tätigkeit dem Einzelnen sogar helfen, mit seinem persönlichen Schicksal besser fertig zu werden, und somit zur Genesung beitragen. Oftmals haben gerade Menschen, die von der Versichertengemeinschaft in Form einer Erwerbsminderungsrente aus guten Gründen gewissermaßen vom Arbeitsmarkt freigestellt sind, das Bedürfnis, einen Teil dessen, was sie erhalten, in Form gemeinnütziger und ehrenamtlicher Tätigkeit zurückzugeben. Aber auch wer vorzeitig in Altersruhestand geht, will sich deshalb

vielleicht noch nicht vollständig aufs Altenteil zurückziehen, sondern seinen solidarischen Beitrag zum Gemeinwesen leisten. Das ist eine verantwortungsbewusste Haltung, die gerade deshalb unterstützt werden sollte. Sie spiegelt eine positive Einstellung wider, die in unserer Gesellschaft viel zu selten geworden ist.

Dazu passt es aber nicht, wenn Aufwandsentschädigungen, die – wie der Name schon sagt – dem Grunde nach lediglich einen Auslagenersatz darstellen, als Hinzuverdienst angerechnet werden und so zu deutlichen finanziellen Einbußen bei den Betroffenen führen.

Eine andere Frage ist die der Höhe von Aufwandsentschädigungen. Hier muss natürlich gelten: Ehrenamt muss Ehrenamt bleiben. Selbstverständlich bedarf es einer dauerhaften Regelung, die dazu geeignet sein muss, Schaden vom Ehrenamt abzuwenden. Deshalb wird die NPD-Fraktion diesem Antrag zustimmen.

(Beifall bei der NPD)

Für die NPD-Fraktion sprach der Abg. Petzold. Gibt es weiteren Redebedarf vonseiten der Fraktionen? – Das kann ich nicht erkennen. Die Staatsregierung hat das Wort. Frau Staatsministerin Clauß, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ja, unsere Gesellschaft ist unbestritten auf das Engagement ehrenamtlich tätiger Menschen angewiesen. Ehrenamtlich Tätige erfüllen wichtige Aufgaben und verdienen dafür Respekt, Anerkennung und Dank.

Deshalb liegt der Staatsregierung das Ehrenamt besonders am Herzen. Gerade weil wir für die Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements sind, kann sich Sachsen im Bundesrat nicht der diesem Antrag zugrunde liegenden Initiative aus Rheinland-Pfalz anschließen. Denn der Entschließungsantrag von Rheinland-Pfalz hat letztlich nicht die Stärkung des Ehrenamtes als solches zum Ziel. Vielmehr soll im Rentenrecht eine Privilegierung einer kleineren Gruppe, nämlich der ehrenamtlichen Bürgermeister, gegenüber anderen ehrenamtlich Tätigen und allen sonstigen Beschäftigtengruppen erreicht werden. Dies ist mit meinem Verständnis von Ehrenamt nicht zu vereinbaren. Ich halte auch das politische Signal, das von diesem Antrag ausgeht, für kontraproduktiv.

Um den Protest der Rentenversicherung gegen diese Privilegierung einzudämmen, werden die in der Rentenversicherung und bei den anderen Sozialversicherungsträgern ehrenamtlich Tätigen in diese Privilegierung einbezogen. Eine solche Privilegierung wäre aus Sicht der Staatsregierung sowohl verfassungs- als auch rentenversicherungsrechtlich bedenklich.

Ich möchte es noch mal ganz kurz verdeutlichen: Das Rentenrecht sieht bei vorgezogenen Altersrenten und auch bei Erwerbsminderungsrenten sogenannte Hinzuverdienstgrenzen vor. Unter diese Hinzuverdienstregelung

fallen auch die Aufwandsentschädigungen für ehrenamtlich Tätige, wenn diese Entgeltcharakter haben. Bei einer Aufwandsentschädigung von über 400 Euro monatlich ist davon auszugehen, dass nicht nur der tatsächliche Aufwand ersetzt wird. Vielmehr hat die Entschädigung in diesen Fällen Entgeltcharakter. Kommunale Ehrenbeamte und die im Antrag ebenfalls genannten Mitglieder der Selbstverwaltung, Versichertenältesten und Vertrauenspersonen der Sozialversicherungsträger unterliegen daher in der Regel den rentenrechtlichen Hinzuverdienstregelungen. Es gibt daher keinen überzeugenden Grund, weshalb erzieltes Arbeitsentgelt einiger weniger Gruppen von Ehrenamtlichen anders zu werten sein soll als das aller anderen ehrenamtlich Tätigen oder sonstigen Beschäftigtengruppen.

Allein das Argument, dass es sich um eine für die Allgemeinheit bedeutende Tätigkeit handelt, reicht hier nicht aus; denn es gibt noch zahlreiche andere Tätigkeiten, die ebenfalls für die Allgemeinheit bedeutend sind. Die mit dem Antrag vorgesehene Privilegierung dürfte also nicht verfassungskonform sein.

Im Übrigen würde die Realisierung des rheinlandpfälzischen Anliegens auch dem Sinn und Zweck von Hinzuverdienstregelungen zuwiderlaufen. Das wird bei den Erwerbsminderungsrenten besonders deutlich, denn diese haben eine Lohnersatzfunktion. Das heißt, der durch die Minderung der Erwerbstätigkeit eingetretene Einkommensverlust soll ausgeglichen werden. Verfügte der Bezieher einer Erwerbsminderungsrente über ein die Freibeträge übersteigendes Einkommen, würde eine ungekürzte Weiterzahlung dieser Renten die Lohnersatzfunktionen konterkarieren.

Außerdem stellt sich die Frage, ob der ehrenamtlich Tätige, wenn er über eigenes Arbeitsentgelt aus dieser

Tätigkeit verfügt, noch im vollen Umfang der Hilfe der Versichertengemeinschaft bedarf. Würde diese Initiative tatsächlich im Rentenrecht realisiert werden, könnte eine kleine Gruppe Ehrenamtlicher trotz des Bezuges einer Rente wegen voller Erwerbsminderung eine vergütete Tätigkeit ohne Einschränkungen ausüben. Das würde zu kaum zu rechtfertigenden Ergebnissen führen. So ist nicht einzusehen, dass eine normale Teilzeitbeschäftigung mit einer Vergütung von monatlich 500 Euro auf eine Erwerbsminderungsrente angerechnet wird, eine monatliche Aufwandsentschädigung aus ehrenamtlicher Tätigkeit von beispielsweise 5 000 Euro hingegen nicht. Als gerecht könnte man dies wohl kaum bezeichnen.

Der Antrag der SPD-Fraktion kann daher aus Sicht der Staatsregierung nicht befürwortet werden.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Für die Staatsregierung sprach Frau Staatsministerin Clauß. – Das Schlusswort hat nun die einbringende Fraktion der SPD. – Sie verzichtet darauf.

Wir können also zur Abstimmung schreiten. Meine Damen und Herren, ich stelle nun die Drucksache 5/4262 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Vielen Dank. Gegenstimmen? – Vielen Dank. Stimmenthaltungen? – Damit ist die Drucksache 5/4262 nicht beschlossen und dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Meine Damen und Herren, wir kommen zum

Tagesordnungspunkt 8

TAURIS fortführen – Ehrenamt in Sachsen würdigen

Drucksache 5/4240, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Die Reihenfolge in der ersten Runde: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, DIE LINKE, SPD, FDP, NPD; Staatsregierung, wenn gewünscht. Als einbringende Fraktion hat zuerst die Fraktion GRÜNE das Wort. Bitte, Herr Kollege Jennerjahn.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Thema TAURIS klang ja schon einmal in der Plenardebatte vom 3. November an, damals allerdings in einer Aktuellen Debatte, die sich vor allem um das Thema bürgerschaftliches Engagement drehte. Damals ging einiges in der Auseinandersetzung über das Thema TAURIS durcheinander. So ist es aus unserer Sicht einfach sinnvoll, noch

mals mittels eines eigenen Antrages intensiver zu dieser Problematik diskutieren zu können.

Es gab damals zwei wesentliche Streitpunkte in der inhaltlichen Auseinandersetzung. Der eine war, ob es eine rechtzeitige Information über das Aus von TAURIS gegeben habe, und der zweite Streitpunkt war, ob das Programm erfolgreich gewesen wäre. Sowohl der Kollege Krauß als auch der Kollege Schreiber von der CDUFraktion haben in der damaligen Debatte darauf verwiesen, bereits Anfang des Jahres 2009 habe das Aus von TAURIS festgestanden und sämtliche Projekte seien davon informiert worden.

Das ist in dieser Form nicht ganz korrekt. Tatsächlich wurden die Maßnahmenträger zum damaligen Zeitpunkt darüber informiert, dass ihr Projekt bis zum 15. Dezem

ber 2010 läuft, und auch der Bewilligungszeitraum für die TAURIS-Stiftung e. V. war auf dieses Datum begrenzt. Aber das Ablaufen eines Bewilligungszeitraumes ist nun nicht gleichbedeutend mit dem generellen Ende eines Programms.

In der Antwort des Sozialministeriums auf meine Kleine Anfrage in der Drucksache 5/3902 liest sich der Sachverhalt dann auch etwas anders; dort ist Folgendes zu lesen: „In Vorbereitung der Sitzung des Lenkungsausschusses, begleitende Evaluierung am 09.04.2010, wurde den Mitgliedern eine Übersicht zu anstehenden Maßnahmen im Bereich der ESF-Förderung Prioritätsachse C übermittelt. In der Darstellung wurde erwähnt, dass das Förderprogramm über die TAURIS-Stiftung im Dezember dieses Jahres auslaufen wird.“ Dann heißt es weiter, dass nach der Entscheidung gegen eine Fortführung von TAURIS die Maßnahmenträger durch die TAURIS-Stiftung davon in Kenntnis gesetzt wurden.

Hier klingt also schon indirekt an, dass zu Jahresbeginn 2009 ganz offensichtlich noch nicht über das Ende von TAURIS nachgedacht wurde. Es wird in der Kleinen Anfrage auch noch deutlicher – ich zitiere wiederum: „Schließlich wurde der Lenkungsausschuss in der Sitzung am 15.10.2010 über die Entscheidung des SMS informiert.“

Ich persönlich frage mich an dieser Stelle, warum der Lenkungsausschuss erst nach der Öffentlichkeit informiert wurde; in der Öffentlichkeit wurde es zumindest schon früher verkündet. Meine Kleine Anfrage hatte ich jedenfalls bereits am 7. Oktober 2010 eingereicht.

Nach meinem Verständnis ist der Lenkungsausschuss ein Gremium von Sachverständigen, die in solche Entscheidungen einbezogen werden; dass es dort die Möglichkeit gibt, Diskussionen zu führen über den Sinn oder Unsinn einzelner Maßnahmen und erst anschließend eine Entscheidung gefällt wird. Leider hat an dieser Stelle das Sozialministerium einen anderen Weg gewählt und die Mitglieder des Lenkungsausschusses vor vollendete Tatsachen gestellt. Das ist ganz schlechter Stil, Frau Staatsministerin, und so ist es auch nicht verwunderlich, dass sich die LIGA über dieses Verfahren beschwert hat.

Ich komme zu der zweiten wesentlichen Streitfrage des November-Plenums, der Frage nach dem Erfolg des Programms. Der Vorwurf vonseiten der bereits genannten CDU-Kollegen lautete, das Programm habe nicht in den sogenannten ersten Arbeitsmarkt vermittelt und sei daher nicht erfolgreich.

Nun ist es nicht vorrangig Ziel von TAURIS gewesen, in den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln; sondern vielmehr handelt es sich dabei um ein niedrigschwelliges Angebot, das sich an Langzeitarbeitslose wendet. Ziel ist es, die Beschäftigungsfähigkeit dieser Zielgruppe zu erhalten und durch sinnvolle Tätigkeiten das Selbstwertgefühl der Betroffenen zu erhalten und zu stärken. Dass Arbeitslosigkeit krank macht, wissen wir; darüber haben wir in diesem Plenum schon debattiert. Auch unter diesem Gesichtspunkt haben wir es mit einer sinnvollen Zielstel

lung zu tun. Obwohl das Programm TAURIS nicht auf den ersten Arbeitsmarkt abzielt, haben dennoch rund 15 % der Maßnahmenteilnehmer den Sprung in den ersten Arbeitsmarkt geschafft. Nach meinem Verständnis ist das durchaus erfolgreich.

Es gibt allerdings noch einige weitere Baustellen. TAURIS wird eingestellt, obwohl die Evaluationsergebnisse überzeugend sind. Im Berichtsentwurf über die begleitende Evaluation für den Europäischen Sozialfonds im Freistaat Sachsen 2007 bis 2013, Fachevaluierung der Prioritätsachse C, ist Folgendes zu lesen – ich zitiere:

„Die Untersuchungsergebnisse belegen, dass die TAURIS-Projekte einen signifikanten Beitrag zum Erhalt und zur Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit der Maßnahmenteilnehmer leisten.“

Im Endbericht der Evaluation, die über den Internetauftritt des SMWA abgerufen werden kann, ist das alles kürzer gehalten. Aber auch dort taucht unter den Handlungsempfehlungen ganz ausdrücklich die Empfehlung der Evaluatoren auf, das Programm TAURIS fortzuführen.

Da stelle ich mir schon die Frage, warum das so ist. Auch an dieser Stelle liefert meine Kleine Anfrage ein Stück weit eine Antwort. Dort ist als Negativpunkt zu lesen, dass TAURIS nicht über die SAB abgewickelt wurde. Ich finde es schon sehr fragwürdig, dass bürokratische Verfahren im SMS offenbar höher bewertet werden als der Nutzen einer Maßnahme.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Übrigens ist die Lösung über die SAB die denkbar schlechteste. Das Programm TAURIS hat sich bisher dadurch ausgezeichnet, dass ein recht unkompliziertes Antragsverfahren stattgefunden hat. Die SAB ist für ihren hohen bürokratischen Aufwand bekannt. Das ist also eine eindeutige Schlechterstellung.

Auch die in der Öffentlichkeit angesprochene Möglichkeit, künftig auf das Programm „Lokales Kapital für soziale Zwecke“ auszuweichen, überzeugt nur sehr bedingt. TAURIS zeichnete sich dadurch aus, dass auch längere Förderzeiträume möglich waren. Für das Programm „Lokales Kapital für soziale Zwecke“ gilt das nicht. Dort müssen Projekte beantragt werden, die auch noch neu sein müssen. Das heißt, jede Maßnahme kann eigentlich nur einmal gefördert werden. So wird in einem weiteren Bereich die „Projektitis“ gefördert. Jeder Evaluator wird Ihnen an der Stelle sagen, dass kurzfristige Projektförderungen gegenüber langfristigen Ansätzen immer die schlechtere Wahl sind.

Ich hatte in den letzten Wochen relativ viel Kontakt mit Maßnahmeträgern, die bisher die TAURIS-Förderung in Anspruch genommen haben. Dort herrscht große Verunsicherung, ob sie künftig noch förderfähig sind und ihre Arbeit fortsetzen können.

Es gibt allerdings noch einen letzten Aspekt, der mich wirklich überrascht hat. Denn das TAURIS-Programm geht auf die CDU zurück, und zwar zu 100 %. Es ist also

ein Erfolg der CDU, den Sie hier beseitigen wollen. Sie hätten die Möglichkeit nutzen können, damit offensiv zu werben. In Ihrem Landtagswahlprogramm aus dem Jahr 2009 haben Sie das noch getan. Auf Seite 6 haben Sie sich explizit für einen geförderten Arbeitsmarkt als Übergangslösung und als Hilfe zur Selbsthilfe bekannt. Ausdrücklich genannt wurden dort zwei Programme: der Kommunal-Kombi und TAURIS.

Den Kommunal-Kombi hat der Wirtschaftsminister als eine der ersten Amtshandlungen im vergangenen Jahr abgewickelt. Nun folgt TAURIS. Ich weiß nicht, wie es anderen in diesem Hohen Hause geht, aber bei mir taucht da automatisch die Frage auf, welchen Stellenwert ein Landtagswahlprogramm der CDU überhaupt hat.

Noch eines zum Abschluss: Da ich ahne, dass vonseiten der CDU und der FDP zu diesem Antrag als Erstes der Vorwurf kommen wird, der Antrag hätte in die Haushaltsverhandlungen gehört, dazu nur so viel: Die Maßnahmen der Prioritätsachse C des Europäischen Sozialfonds sind inklusive der Kofinanzierung des Freistaates Sachsen als Sammelansatz in den Einzelplan 08 eingestellt. Eine genauere Ausdifferenzierung, für welche Maßnahmen wie viel Geld ausgegeben wird, erfolgt dort nicht. Der vorliegende Antrag greift also nicht in den Haushaltstitel ein. Ebenso wie es eine politische und keine haushalterische Entscheidung von Frau Staatsministerin Clauß war, das Programm TAURIS zu beenden, ist es eine politische Entscheidung dieses Hohen Hauses, die Fortführung zu fordern.

Herzlichen Dank.