Zukünftig müssen aber noch weitere dringende Aufgaben geklärt werden, zum Beispiel die Qualifizierungspflicht für die Mitarbeiter in den Behörden, also den Jugendämtern, in den allgemeinen Sozialdiensten, aber auch die Qualifizierung der Juristen und Gutachter, die Entscheidungen über Behinderte treffen, der Aufbau von Projekten, begleitete Elternschaft, der Aufbau von wohnortnahen Angeboten für ambulantes oder stationäres betreutes Wohnen.
Der erste und eigentlich kostenneutrale Schritt – dazu sollten wir uns doch bekennen – wäre der zur Elternassistenz. Deswegen empfehle ich meiner Fraktion ausdrücklich, diesen Antrag zu unterstützen. Kinder gehören zu ihren Eltern, meine Damen und Herren.
(Beifall bei den LINKEN, der FDP, der Abg. Hannelore Dietzschold, CDU, und des Abg. Henning Homann, SPD)
Wir fahren in der ersten Runde der allgemeinen Aussprache fort. Für die SPD-Fraktion spricht Frau Kliese.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe es in der vorangegangenen Debatte schon gesagt, dass ich mich sehr freuen
würde, von der Staatsregierung und von Ihnen Impulse zur Umsetzung der UN-Konvention zu erhalten. Deswegen freue ich mich auch über diesen Antrag und begrüße ihn ausdrücklich.
Sie haben vorhin, denke ich, mit Ihrer Zustimmung zum Punkt 1 gezeigt, dass es möglich ist, hier gemeinsam etwas auf den Weg zu bringen, auch wenn es nur ein kleiner Punkt war. Ich finde es gut, dass wir mit diesem Antrag jetzt gemeinsam etwas auf den Weg bringen können.
Der Artikel 23 der UN-Behindertenrechtskonvention schreibt vor, dass Menschen mit Behinderungen in angemessener Weise bei der Wahrnehmung ihrer elterlichen Verantwortung unterstützt werden müssen. Genau das fordern Sie mit Ihrem Antrag. Das finde ich einen richtigen Schritt.
Trotzdem bleiben Sie bei dem Muster, dass Sie ein wichtiges und positives Thema anschneiden, aber noch nicht genau konkretisieren. Der Auftrag geht dann auch viel mehr an die Bundesregierung. Was Ihr Auftrag als Freistaat dabei ist und was Sie konkret machen werden, bleibt offen. Was ist also der konkrete Anteil Sachsens und die konkrete Maßnahme für diesen Antrag? Was sind Sie bereit, an Mitteln zur Verfügung zu stellen? Das ist eine ganz wesentliche Frage, um Angebote in der Kinder- und Jugendhilfe zu ermöglichen; denn in diesem Bereich erleben wir gerade massive Einschnitte. Ich frage mich, wie das miteinander einhergehen kann, in einer solchen Situation, in der Sie kürzen, eine weitere Leistung vorzuschlagen. Ich finde es gut, aber es passt nicht so recht zusammen.
Wie wichtig und bedeutsam eine Elternassistenz für Menschen mit Behinderungen ist, haben Sie bereits dargestellt. Frau Jonas hat uns das sehr schön an einem Beispiel erklärt. Ich will das nicht alles wiederholen.
Deswegen möchte ich Sie einfach auf unseren Änderungsantrag verweisen, weil ich denke, dass Sie tatsächlich die Belange von Menschen mit Behinderungen wahrnehmen, wenn Sie den Leistungsanspruch festlegen und entsprechende finanzielle Mittel bereitstellen. Das wird eben durch unseren Änderungsantrag abgesichert.
Ansonsten bitte ich, den Antrag nicht als Alibi dafür zu betrachten, in diesem Bereich dann nichts mehr tun zu müssen, sondern als Beginn eines langen Weges, der unser aller Energie, Langmut, politischen Willen und auch Zusammenarbeit erfordern wird. Ich bitte natürlich meine Fraktion auch um Zustimmung.
Als nächste Rednerin folgt Frau Herrmann von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Frau Herrmann, Sie haben das Wort.
onsfraktionen uns heute diesen Antrag vorlegen. In meinem Redebeitrag zur Großen Anfrage habe ich in erster Linie die Staatsregierung kritisiert, nicht so sehr die Koalitionsfraktionen. Ich denke, dass hier ganz deutlich wird, was ich gemeint habe mit dem Auftrag, die Staatsregierung zu kontrollieren und voranzutreiben, dass dies nicht nur an die Opposition geht, sondern natürlich auch an die Koalitionsfraktionen.
Wenn wir uns die Debatte zum letzten Punkt noch einmal ansehen, dann hatte die Staatsregierung auf die Frage, welchen Handlungsbedarf sie zur Umsetzung des Artikels 23 – um den es ja hier geht – der UN-Konvention sieht, geantwortet: „Familienpolitische Maßnahmen können von allen Familien gleich in Anspruch genommen werden, unabhängig davon, ob Familienmitglieder behindert sind oder nicht. Daher sieht die Staatsregierung keinen besonderen Handlungsbedarf.“
Sie sehen ihn offenbar, auch wenn Sie sagen, Sie sehen den Handlungsbedarf in dem Moment, wenn ein Kind in eine Familie hineingeboren wird, in der ein Elternteil oder beide Eltern Einschränkungen haben.
Ich bin Ihnen dankbar für diesen Antrag, den Sie uns hier vorgelegt haben. Sie knüpfen an ein Konzept an, das es im SGB IX bereits gibt, nämlich Arbeitsassistenz; die ist dort festgeschrieben.
Elternassistenz gibt es nicht. Ich denke, dass man immer schauen muss, was man im SGB VIII an Mitteln und Möglichkeiten an Assistenz für Eltern mit Behinderungen bekommen kann, und man natürlich im SGB IX Änderungen vornehmen muss, die konkretisieren, dass die Teilhabe zum Leben in der Gesellschaft auch Teilhabe in der Elternschaft bedeutet und die Assistenz für die Elternschaft in das SGB IX hineingehört.
Wir haben manchmal in Sachsen die Situation, dass ein Kind in einer Familie lebt, in der die Eltern eine Einschränkung haben. Die Eltern bekommen Hilfe und Unterstützungsleistungen nach dem SGB IX, und zwar an die Person der Eltern gebunden, weil bei den Eltern Unterstützungsbedarf vorliegt. Das Kind bekommt Hilfe nach dem SGB VIII. In dem Moment, da aber – aus welchen Gründen auch immer – das Jugendamt vielleicht die Notwendigkeit sieht, das Kind aus der Familie zu nehmen, ist natürlich die Hilfe nach dem SGB VIII verschwunden. Die Hilfe nach dem SGB IX ist nur an die Person gebunden, aber nicht an die Elternschaft. Das heißt, die Eltern bekommen auch keinerlei Unterstützung, um sich vielleicht Fähigkeiten anzueignen oder ihre Situation zu verändern, damit Elternschaft im Weiteren wieder möglich wird, weil das überhaupt kein Thema mehr ist. Genau an dieser Stelle setzen Sie auch an. Ich finde es wichtig, dass diese Komplexleistung, also die Verbindung vom SGB VIII zum SGB IX, von Ihnen ins Auge gefasst worden ist.
Wir haben zu Ihrem Vorschlag trotzdem einen Änderungsantrag, der allerdings nur eine Konkretisierung bedeutet. Es wäre natürlich gut, wenn Sie dem zustimmen
könnten, weil dann der Rechtsanspruch klar ist und geklärt wäre, in welchem Gesetz er verankert werden soll.
Ich sage es aber schon jetzt: Wir werden Ihrem Antrag auch zustimmen, wenn der Änderungsantrag von Ihnen nicht angenommen wird, weil er ein Schritt in die richtige Richtung ist. Das finde ich gut.
Die NPD-Fraktion hatte keinen Redebedarf signalisiert. Damit ist die erste Runde beendet. Ich frage, bevor ich eine zweite Runde aufrufe, die Staatsregierung. – Die Staatsregierung möchte noch nicht sprechen. Dann eröffne ich die zweite Runde. Herr Oliver Wehner für die CDU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kollegen Abgeordneten! Uns ist es in der Debatte besonders wichtig, das Bild in der Öffentlichkeit klarzustellen. Ein Behinderter ist – so die Meinung – auf die Fürsorge der Gemeinschaft angewiesen, ohne seinerseits anderen Menschen gegenüber zur Fürsorge verpflichtet zu sein. Das ist grundlegend falsch. Dieses Bild entspricht eben nicht der Realität. Behinderte Menschen leben in der Mehrheit in Mehrpersonenhaushalten. Sie haben oft einen Lebenspartner sowie Kinder. Sie sind nur geringfügig häufiger ledig als nicht behinderte Menschen.
Diese Bevölkerungsgruppe benötigt sehr viel Hilfe und Unterstützung, zum Wohle der Eltern, aber auch – das ist ganz wichtig – zum Wohle der Kinder.
Auch wenn bei dem Antrag im Haus sehr viel Harmonie herrscht – was wichtig und gut ist –, möchte ich noch einmal auf die bisherigen Regelungen in der Praxis eingehen. Behinderte Eltern berichten oft von erheblichen Schwierigkeiten bei der Suche nach staatlicher Unterstützung. Es gibt keine klaren gesetzlichen Regelungen, weder im Rehabilitationsrecht noch in der Eingliederungshilfe, noch im Kinder- und Jugendhilferecht. Die Leistungsträger begegnen den Eltern oft mit Vorbehalten. Um diese Vorbehalte abzubauen, bedarf es vor allem der Aufklärung und Information, und zwar sowohl aufseiten der Träger als auch der Leistungsempfänger.
Teilweise haben die behinderten Eltern wegen der Vorbehalte der Ämter sogar Angst, überhaupt einen Antrag für die Leistung zu stellen, da sie mit dem Antrag zeigen, dass sie es allein nicht schaffen würden. Damit könnte das jeweilige Amt auf die Idee kommen, den Eltern das Kind wegzunehmen. Diese Einstellung ist für die gesamte Familie und besonders für das Kind sehr kontraproduktiv.
Ein weiteres großes Problem ist der Zuständigkeitskonflikt zwischen den Trägern der Sozialhilfe auf der einen Seite und der Kinder- und Jugendhilfe auf der anderen Seite. Beide sind natürlich in gewisser Weise zuständig, aber es gibt keine ganzheitliche Betreuung durch den Träger. Ziel der Kinder- und Jugendhilfe ist es eben
insbesondere, Jugendliche in der individuellen und sozialen Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu fördern. Beim Sozialträger hingegen stehen die Interessen der behinderten Mütter bzw. Väter und deren Recht auf Selbstbestimmung im Vordergrund. Eine Reihe von Leistungen für die gesamte Familie kann aber geeignet sein, sowohl der einen als auch der anderen Zielsetzung zu entsprechen. So erklären sich oftmals die Träger für unzuständig und verweisen auf den jeweils anderen. Das ist für behinderte Eltern oft schwer nachvollziehbar und trägt auch zu einem gesamtwirtschaftlichen Schaden bei. Denn einerseits wird damit die Bürokratie deutlich erhöht und andererseits erhält das Kind so nicht die optimale Hilfe.
Aus diesem Konflikt heraus passiert es durchaus des Öfteren, dass das Jugendamt erst als – so will ich es einmal nennen – „Wegnehm-Amt“ einschreitet, ohne dass zuvor präventive Betreuungsangebote für Kinder unterbreitet worden wären.
Erstens. Klare gesetzliche Regelungen für die Leistungen der Eltern und Kinder auf Bundesebene. Dabei favorisieren wir eine Zusammenarbeit mit dem Kompetenzzentrum für behinderte und chronisch kranke Eltern, um das nötige Wissen, das Know-how in die Gesetzgebung einfließen zu lassen.
Zweitens. Eine klare Zuständigkeit der Träger, damit die Eltern in einer trägerübergreifenden Komplexleistung ganzheitlich betreut werden können.
Drittens. Das Leistungsangebot der Kinder- und Jugendhilfe für die Gewährung der Elternassistenz muss besser nutzbar gemacht werden.
Viertens. Information und Aufklärung bei behinderten Eltern, aber auch der Ämter, damit Vorurteile und Vorbehalte abgebaut werden können.
Fünftens. Präventive Maßnahmen zur Betreuung bei der Erziehung der Kinder. Die Wegnahme durch das Jugendamt darf nur die Ultima Ratio sein, der letzte Schritt, nachdem alle anderen Möglichkeiten erschöpft sind.
Abschließend möchte ich sagen, dass das Ziel ist, dass Mütter und Väter mit Behinderungen Hilfe erhalten, damit ihnen der Umgang mit ihren Kindern umfassend und selbstbestimmt möglich ist.
Wir fahren fort in der zweiten Runde. Ich frage die FDPFraktion: Wird das Wort noch gewünscht? – Das kann ich nicht erkennen. DIE LINKE? – Auch nicht. SPD? – Nicht. GRÜNE? – Auch nicht. Die NPD hatte verzichtet. Damit die Staatsregierung, wenn gewünscht. – Frau Staatsministerin Clauß, Sie haben das Wort.
sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag unterstreicht die Unterstützung von behinderten Eltern bei der Erziehung ihrer Kinder.
Artikel 22 Abs. 3 unserer Verfassung betont, dass Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern ist und die zuerst ihnen obliegende Pflicht. Abs. 2 des gleichen Artikels bestimmt zudem: „Wer in häuslicher Gemeinschaft Kinder erzieht …, verdient Förderung und Entlastung.“ Können Eltern aufgrund einer Behinderung die mit der Betreuung und Erziehung ihrer Kinder verbundenen Aufgaben nicht allein erfüllen, haben sie einen Anspruch auf Unterstützung.
Aber in der Praxis gibt es leider immer wieder Probleme. Diese müssen erkannt und die damit verbundenen Sorgen der Eltern ernst genommen werden. Sie resultieren aus den verschiedenen Zuständigkeiten der einzelnen Sozialleistungsträger, hier insbesondere aus verschiedenen Zuständigkeiten der Träger der Kinder- und Jugendhilfe und der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen. Es geht um die alte Streitfrage: Wer ist zuständig? Geht es um die Vermeidung eines Erziehungsdefizits bei den betroffenen Kindern, sind die Jugendämter zuständig. Geht es aber um die Unterstützung der behinderten Eltern bei der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, sind es die Sozialämter. Es darf in der Tat nicht sein, dass dieser Zuständigkeitskonflikt zulasten der behinderten Mütter und Väter sowie deren Kinder geht. Deshalb fördern wir mit Personalstellen das benannte Kompetenzzentrum in Leipzig.
Der Bundesgesetzgeber war sich dieses Konfliktes bewusst und hat im Sozialgesetzbuch IX spezielle Regelungen zur Zuständigkeitsklärung getroffen. Wir müssten heute nicht über diesen Antrag sprechen, würden die zuständigen Rehabilitationsträger ihrer Aufgabe, den behinderten Menschen die erforderlichen Hilfen in angemessener Frist zur Verfügung zu stellen und damit subjektive Rechtsansprüche zu erfüllen, in vollem Umfang gerecht. Hier geht es nicht um neue Leistungen, sondern um die Koordinierung dieser Leistungen.
Dennoch bin ich derzeit nicht für eine gesetzliche Regelung dieses Problems. Das Rehabilitationsrecht steckt voller Schnittstellen zwischen unterschiedlichen Leistungsträgern und unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen. Sollten diese alle auch noch durch spezielle Gesetze normiert werden, würde das an sich schon nicht ganz einfache Regelwerk vollends unübersichtlich.