Protocol of the Session on September 30, 2010

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 22. Sitzung des 5. Sächsischen Landtages.

Zuerst darf ich ganz herzlich Herrn Brangs zum Geburtstag gratulieren.

(Lebhafter Beifall – Der Vorsitzende der Fraktion der SPD, Abg. Martin Dulig, überreicht Blumen.)

Herr Brangs, das ist auch ein kleiner Ausgleich dafür, dass Sie gestern nicht sofort bemerkt worden sind.

(Heiterkeit)

Folgende Abgeordnete haben sich für die heutige Sitzung entschuldigt: Herr Dr. Schuster, Herr Nolle und Herr Tillich.

Meine Damen und Herren, die Tagesordnung liegt Ihnen vor. Das Präsidium hat für die Tagesordnungspunkte 4 bis 9 folgende Redezeiten festgelegt: CDU bis zu 90 Minuten, DIE LINKE bis zu 60 Minuten, SPD bis zu 36 Minuten, FDP bis zu 36 Minuten, GRÜNE bis zu 30 Minuten, NPD bis zu 30 Minuten, Staatsregierung 60 Minuten. Die Redezeiten der Fraktionen und der Staatsregierung können auf die Tagesordnungspunkte je nach Bedarf verteilt werden.

Eine Änderung der Tagesordnung kann ich gleich verkünden: Der Tagesordnungspunkt 11, Kleine Anfragen, ist zu streichen.

Zur Tagesordnung liegen uns ferner Dringliche Anträge vor.

(Johannes Lichdi, GRÜNE, begibt sich zum Saalmikrofon.)

Herr Lichdi, ich wäre auf Ihren Dringlichen Antrag noch gekommen. Haben Sie vorab Redebedarf?

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Ich möchte nur den Antrag begründen!)

Sie brennen sozusagen darauf, die Dringlichkeit zu begründen.

(Heiterkeit des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Meine Damen und Herren! Ich beginne mit einem anderen als dringlich bezeichneten Antrag, nämlich dem der Fraktion DIE LINKE. Er liegt Ihnen in der Drucksache 5/3754 vor und trägt den Titel: „Existenzminimum sichern und Armut bekämpfen – SGB-II-Regelleistungen jetzt deutlich anheben!“

Der Landtag hat die Möglichkeit, gemäß § 53 Abs. 3 der Geschäftsordnung die Dringlichkeit festzustellen. Dann müsste der Antrag noch auf dieser Sitzung abschließend behandelt werden. Voraussetzung für eine Dringlichkeitserklärung ist, dass im üblichen Verfahren eine rechtzeitige Entscheidung im Landtag über den Antrag nicht mehr

erreichbar ist. Deshalb bitte ich die einbringende Fraktion um die Begründung der Dringlichkeit des von mir genannten Antrags.

Bitte, Herr Kollege Hahn.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ziel unseres Dringlichen Antrags ist es, die Staatsregierung zu einer Bundesratsinitiative zur Novellierung der gesetzlichen Regelung zum Arbeitslosengeld II zu bewegen. Ich möchte die Dringlichkeit unseres Antrags wie folgt begründen:

Die Eckpunkte der von der Bundesregierung geplanten Gesetzesänderung wurden erst am vergangenen Wochenende, mithin nach der Präsidiumssitzung, bekannt, sodass im normalen Verfahren nach der Geschäftsordnung ein diesbezüglicher Antrag objektiv nicht möglich war. Das Bundeskabinett wird – nach eigenen Angaben – den fraglichen Gesetzentwurf am 20. Oktober beschließen. Danach geht er in den Bundestag und muss auch noch den Bundesrat passieren.

Nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts muss das Gesetzgebungsverfahren bis Ende dieses Jahres abgeschlossen sein. Nach jetziger Kenntnis ist jedoch davon auszugehen, dass das Gesetz im Bundesrat abgelehnt wird; mehrere Landesregierungen haben sich bereits entsprechend geäußert, und das aus gutem Grund. Die Anhebung des Regelsatzes um lediglich 5 Euro ist eine Verhöhnung der betroffenen Langzeitarbeitslosen und konterkariert im Übrigen auch die Entscheidung des Verfassungsgerichts. Die dem zugrunde liegenden Berechnungen sind mehr als fragwürdig, und das angekündigte sogenannte Bildungspaket für die Kinder in HartzIV-Haushalten ist bislang nicht einmal ansatzweise finanziell untersetzt.

Scheitert das Gesetz aber im Bundesrat, muss der Vermittlungsausschuss darüber beraten. Wir wollen, dass dort nicht nur der Gesetzentwurf der Bundesregierung, sondern auch eine Bundesratsinitiative zur Debatte steht. Die Dringlichkeit unseres Antrags ergibt sich daraus, dass diese Bundesratsinitiative zuvor rechtzeitig eingebracht werden muss, das heißt zur nächsten Sitzung des Bundesrates. Diese Bundesratssitzung findet jedoch am 15.10., also vor der nächsten Plenarsitzung des Landtages, statt, sodass eine Entscheidung über unseren Antrag bereits heute getroffen werden muss, damit noch eine sachgerechte Behandlung im Bundesrat erfolgen kann, und zwar vor dem Vermittlungsverfahren. Das geht nur, wenn der Antrag jetzt eingereicht wird.

Unser Antrag sieht entsprechend den Berechnungen des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes eine Anhebung des Regelsatzes auf 420 Euro vor. Wie Sie wissen, haben wir als Linke sehr viel weitergehende politische Vorstellungen. Wir wollen Hartz IV überwinden und bis dahin zumindest einen deutlich höheren Regelsatz erreichen. Die Betroffenen brauchen jedoch auch aus unserer Sicht

sofortige Hilfe. Deshalb ist der Landtag gefordert, und deshalb wollen wir als ersten Schritt die Umsetzung der nachvollziehbaren Berechnungen des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes.

(Christian Piwarz, CDU: Zur Dringlichkeit!)

Die Betroffenen brauchen jetzt Hilfe, Herr Kollege Piwarz. Ich habe ausdrücklich die Schrittfolge und die Daten genannt, die eine Dringlichkeit heute begründen. Genau für diese Dringlichkeitserklärung bitte ich Sie um Ihre Zustimmung.

(Beifall bei der Linksfraktion und des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Die einbringende Fraktion hat die Dringlichkeit begründet. Zur Erinnerung: Die anderen Fraktionen haben jetzt natürlich die Möglichkeit, sich hierzu jeweils im Zeitumfang von drei Minuten zu positionieren.

Am Mikrofon 5 sehe ich schon Herrn Piwarz für die CDU-Fraktion. Bitte, Herr Kollege.

Vielen Dank! – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Hahn, Sie haben sich, was die zeitliche Abfolge betrifft, weitestgehend nur in Spekulationen geübt, wann wo was beschlossen werden soll. Halten wir uns an die Fakten: Derzeit sind nur Eckpunkte bekannt. Der Gesetzentwurf befindet sich erst im Stadium eines Referentenentwurfs. Die Frist für Anhörungen und Stellungnahmen läuft noch bis zum 6. Oktober. In der Tat beabsichtigt die Bundesregierung, Mitte Oktober einen entsprechenden Beschluss zu fassen. Allerdings ist das Ende des zeitlichen Rahmens, bis wann der Bundesrat zustimmen soll, eher der 17. Dezember dieses Jahres. Wir müssen deutlich sagen: Bis dahin gibt es noch zwei weitere Plenarsitzungen des Sächsischen Landtages. Mithin ist es ohne Weiteres möglich, Ihr Anliegen im Rahmen des üblichen Verfahrens hier im Landtag behandeln zu lassen. Deshalb ist Ihr Antrag nicht dringlich. Wir werden die Dringlichkeit daher ablehnen.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Dr. André Hahn, Linksfraktion, meldet Redebedarf an.)

Ich frage, ob es aus den anderen Fraktionen weiteren Redebedarf gibt. – Das sehe ich nicht.

Dann am Mikrofon 1 nochmals Herr Kollege Hahn für die einbringende Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, ich würde gern auf das eingehen, was Herr Piwarz soeben gesagt hat. Wenn er ehrlich wäre, könnte er doch sagen, dass er über diesen Antrag nicht befinden –

(Christian Piwarz, CDU: Nein, er ist nicht dringlich!)

Moment! – und die Fraktion ihn ablehnen will. Dann sagen Sie das den Betroffenen, die jetzt dringliche Hilfe brauchen.

(Christian Piwarz, CDU: Es geht um die Dringlichkeit, Herr Hahn! Bringen Sie den Antrag normal ein!)

Herr Piwarz, ich will die Dringlichkeit nochmals deutlich machen. Vielleicht haben Sie es nicht verstanden; dann hören Sie wenigstens zu, Herr Kollege Piwarz!

Ich habe Ihnen deutlich gemacht, dass es uns um etwas anderes geht. Es geht uns nicht um eine Beschlussfassung vor der letztlichen Entscheidung des Vermittlungsausschusses. Dann hätten Sie recht. Dann könnten wir noch im Dezember einen Beschluss fassen.

Es geht darum, dass die Staatsregierung vor der Beschlussfassung im Bundesrat und im Vermittlungsausschuss eine eigene Bundesratsinitiative einbringt. Das ist der Gegenstand des Antrages und das geht vom Zeitablauf und den Regularien des Bundesrates nur, wenn in der nächsten Bundesratssitzung der entsprechende Gesetzentwurf platziert wird. Alle anderen Verfahren, die vorgesehen sind, machen die Behandlung nicht mehr möglich, wenn wir das im nächsten Plenum erst entscheiden würden.

(Beifall bei der Linksfraktion, der SPD und den GRÜNEN)

Es gibt eine weitere Wortmeldung. Bitte, Herr Kollege Piwarz für die CDUFraktion.

Vielen Dank, Herr Präsident. Herr Hahn, die Diskussion rund um die Neuregelungen der Hartz-IV- oder ALG-II-Regelsätze ist ja bereits seit geraumer Zeit im Gange. Ebenso gibt es die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes seit geraumer Zeit. Wenn es Ihnen wirklich darum gegangen wäre, hier eine eigene Regelung auf den Weg zu bringen, die der Freistaat Sachsen im Bundesrat einbringen soll, hätten Sie genügend Zeit gehabt, dies seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes im regulären Verfahren einzubringen.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zurufe von der CDU)

Ihnen geht es doch nur darum, hier kurzfristig einen Erfolg zu erzielen. Das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Dr. André Hahn, Linksfraktion: Wir wussten überhaupt nicht, was die Bundesregierung vorhat. – Zuruf des Abg. Christian Piwarz, CDU – Unruhe bei den Fraktionen)

Sie haben jederzeit Gelegenheit, hier Stellung zu nehmen. Gibt es weitere Wortmeldungen, Positionierungen oder Stellungnahmen

zur Dringlichkeit dieses Antrages? – Das kann ich nicht feststellen. Ich komme jetzt zur Abstimmung.

Ich darf um Abstimmung bitten, ob Sie die Dringlichkeit bejahen. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Vielen Dank. Gegenstimmen? – Vielen Dank. Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist die Dringlichkeit dieses Antrages abgelehnt.

Meine Damen und Herren! Es liegt ein weiterer als dringlich bezeichneter Antrag der Fraktion GRÜNE in der Drucksache 5/3755 vor: „Transporte sächsischen Atommülls aus Ahaus nach Russland unterlassen“.

Wiederum hat der Landtag die Möglichkeit, gemäß § 53 Abs. 3 Geschäftsordnung die Dringlichkeit festzustellen. Dann müsste auch der Antrag noch in dieser Sitzung abschließend behandelt werden. Voraussetzung für eine Dringlichkeit ist wiederum, dass im üblichen Verfahren eine rechtzeitige Entscheidung im Landtag über den Antrag nicht mehr erreichbar ist.