Protocol of the Session on September 30, 2010

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Seit Jahren!)

und das seit Jahren. Selbst das Atomkraftwerk in Finnland sollte längst fertig sein.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Pleite!)

Keiner weiß, wann es tatsächlich fertig sein wird.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Angeblich 2013!)

Herr Heidan, Sie müssen berücksichtigen, dass auch Uran endlich ist. Wie die Experten sagen, wird es noch ungefähr bis Mitte des Jahrhunderts reichen. Dann verfügen wir nicht mehr über diesen Rohstoff. Auch die Atomkraft bietet also keine Langfristperspektive. Da habe ich Sicherheitsstandards noch gar nicht angesprochen.

Herr Lichdi hat völlig recht: Dieser Atomdeal der Bundesregierung geht auch zulasten der Sicherheitsstandards für Atomkraftwerke. Das ist eindeutig so. Auch wenn die Bundesregierung noch eine extra Verordnung für die Sicherheitsanforderungen erlassen will, sollen doch – weitgehend unabhängig vom Investitionsbedarf – etwaige Nachrüstungsanforderungen für die Sicherheit bei 500 Millionen Euro pro Atomkraftwerk gedeckelt werden.

(Thomas Jurk, SPD: So ist es!)

Wer kann überhaupt einschätzen, wie viel Geld die jeweilige Nachrüstung kosten wird? Entsprechende Gutachten liegen noch nicht vor.

Es gibt also viele Ungereimtheiten in diesem Vertrag zwischen der Bundesregierung und den vier Konzernen. Ich werbe dafür, dass Sie sich wirklich dafür einsetzen, dass diese Entscheidung in den Bundesrat kommt. Das ist dringend nötig. Diese Novelle des Atomgesetzes wird zulasten der Braunkohlenverstromung gehen, zumal die ursprünglich vorgesehene Pflicht zur Abschaltung völlig veralteter Braunkohlekraftwerke mit niedrigen Wirkungsgraden – man findet sie vor allem in Westdeutschland – aus dem Konzept völlig herausgenommen wurde. Noch nicht einmal das wurde also durchgesetzt.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Unglaublich!)

Ich bitte Sie, dem Antrag der GRÜNEN heute zuzustimmen.

(Beifall bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Dr. Runge. – Für die SPD-Fraktion Herr Abg. Jurk. Herr Jurk, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben uns im Laufe des heutigen Vormittags schon grundsätzlich über die Meinungen der Fraktionen zu dem von der Bundesregierung vorgelegten Energiekonzept ausgetauscht. Es ist darauf hingewiesen worden, dass es entscheidend sein wird, in welchem Verfahren dieses Konzept umgesetzt wird. Da gesetzliche Änderungen vorgenommen werden müssen, ist es erforderlich, dass das Energiekonzept aufgespaltet und im Bundesrat in einzelnen Punkten beraten wird.

Wenn es um die Frage der Laufzeitverlängerung geht, ist das Atomgesetz betroffen. Es geht aber auch um die Gesetze zur Abschöpfung und Verwendung der Gewinne aus dem Betrieb der Atomkraftwerke. Frau Dr. Runge hat völlig zu Recht auf ein Problem hingewiesen: Etwaige

Nachrüstungsanforderungen zur Einhaltung von Sicherheitsstandards werden auf 500 Millionen Euro pro Akw gedeckelt, und es gibt den netten Passus für die Atomkraftwerksbetreiber, dass sie dann weniger in den Fonds für die erneuerbaren Energien einzahlen müssen. Das alles sollte man wissen. Ich rate insbesondere der CDU, noch einmal gründlich darüber nachzudenken, ob das, was mit diesem Energiekonzept umgesetzt werden soll, tatsächlich im sächsischen Interesse liegt.

Nun hat das Ganze auch eine rechtliche Komponente. Die Bundesregierung hatte das Bundesinnenministerium und das Bundesjustizministerium ausdrücklich damit betraut, gemeinsam ein verfassungsrechtliches Gutachten zu erstellen. Es soll zu dem Ergebnis gekommen sein, dass zehn Jahre Laufzeitverlängerung problemlos möglich seien; denkbar seien sogar 16 Jahre. Vielleicht ein Miniproblem, aber egal. Das braucht man ja so nicht.

Das Ganze geschah auch vor dem Hintergrund – so ist das nun einmal mit Gutachten –, dass man genau weiß, dass Schwarz-Gelb in der Länderkammer keine Mehrheit mehr hat. Ich finde das ausgesprochen gut so.

Uns sollte nicht nur die Tatsache umtreiben, dass das Bundesumweltministerium bei den Kompromissverhandlungen gar nicht dabei war. Es ist bemerkenswert, wenn man aus Sitzungen des Umweltausschusses des Deutschen Bundestages hört, dass nicht einmal Herr Pofalla als Chef des Bundeskanzleramtes dabei gewesen sein soll. Ich frage mich ohnehin, wer da verhandelt hat. Aber egal. Das Bundesumweltministerium hat unter anderem den früheren Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Prof. Hans-Jürgen Papier, um Rat gefragt. Darauf hat Herr Lichdi schon hingewiesen. Prof. Papier hat ausdrücklich festgestellt, dass die Länderkammer zu beteiligen ist, wenn es um die Laufzeitverlängerung geht. Dann gibt es noch die Gerüchte um Bundesumweltminister Röttgen, der wohl in einer Runde eines nordrhein-westfälischen Arbeitskreises erklärt hat, dass alles, was über fünf Jahre hinausgehe, nicht verfassungskonform sei.

Sei’s drum. Aus unserer Sicht muss die Länderkammer beteiligt werden. Deshalb unterstütze ich ausdrücklich die Ankündigung der SPD-geführten Länder, im Falle einer nicht ausreichenden Beteiligung des Bundesrates vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen und eine Eilentscheidung zu beantragen. Ich kenne Kurt Beck, der im Bundesrat die Koordinierung auf der A-Seite übernimmt, lange genug. Er hat sich entsprechend geäußert. Ich finde das angekündigte Vorgehen völlig richtig.

Jetzt kommen wir zu einem spannenden Punkt. Ich bin schon in der Vergangenheit nicht immer für die Deals im Bundesrat gewesen, weil ich der Auffassung bin, dass der Bundesrat als Verfassungsorgan sehr darauf achten muss, dass er klare Beschlüsse fasst. Aber die unionsgeführten Länder machen sich jetzt schon mit Forderungen bemerkbar. Sie sagen: „Wir wollen Geld sehen.“ Die BadenWürttemberger haben sich schon lautstark geäußert. So war es der Vorsitzende der baden-württembergischen CDU-Landtagsfraktion, Peter Hauk, der gefordert hat,

dass 50 % der Erlösabschöpfung – sowohl aus der Brennelementesteuer als auch aus der geplanten Abgabe für erneuerbare Energien – den Bundesländern zur Verfügung gestellt wird. Er hat auch darauf hingewiesen, dass nicht alle Bundesländer Kernkraftwerke betreiben – laut Herrn Heidan in Zukunft möglicherweise auch in Sachsen, um auch teilzuhaben –, nach dem Motto, dann müssten die AKW-Länder entsprechend bevorteilt werden und dieses Geld bekommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Daran wird deutlich, wie die Gemengelage in der Union momentan ist. Ich knüpfe an die Debatte von heute Morgen an: Es geht hauptsächlich um die Interessen der süddeutschen Länder. Wir im Osten sollten ganz vorsichtig damit sein, diesen Kompromiss in irgendeiner Weise schönzureden. Das wäre der Sache nicht angemessen.

Jetzt komme ich zu der derzeitigen Planung. Am 1. Oktober, also schon morgen, wird es im Deutschen Bundestag die 1. Lesung geben. Am 29. Oktober sollen die 2. und die 3. Lesung folgen. Am 26. November soll der Bundesrat befasst werden, aber er soll das Ganze nur zur Kenntnis bekommen. Das ist nicht in Ordnung. Deshalb denke ich, dass wir aus guten Gründen unterstützen können, was die Fraktion GRÜNE vorgelegt hat.

Herr Heidan, um es aufzuklären: Man kann den ersten Punkt wirklich missverständlich auslegen. Aber zu dem Zeitpunkt, als die GRÜNEN diesen Antrag stellten, nämlich am 14. September, war noch nicht klar, wie die Novelle im Einzelnen aussehen würde. Die GRÜNEN sind natürlich davon ausgegangen, dass es den Atomkompromiss gibt. Also wird es auch eine Novelle geben. So ist der Antrag auch formuliert. Deshalb ist völlig klar, dass wir über dasselbe Vorhaben sprechen. Heute können wir konkret sagen: Die vorgelegte Novelle soll in der Länderkammer zur Abstimmung gelangen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Argumentation ist relativ eindeutig. Wir wissen, dass die Bundesregierung gehalten ist, mit den Ländern darüber zu sprechen, auch in der Länderkammer, weil die Länder – das ist mehrfach erklärt worden – für die Überwachung der Anlagen zuständig sind und die damit verbundenen Kosten tragen.

Ich habe gehört – ich weiß nicht, inwieweit das jetzt im Atomgesetz wirklich umgesetzt werden sollte –, dass man versucht hat, einen Haftungsausschluss für die Länder zu erzielen, um einfach die Länderkammer zu umgehen. Im Moment höre ich nicht, dass es noch aktuell ist und dass man das aufnimmt. Hier wird an allen Ecken und Enden getrickst. Ich bin für Transparenz und Klarheit. Deshalb unterstützt die SPD-Fraktion den vorgelegten Antrag.

(Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Jurk. Für die FDP-Fraktion spricht Herr Abg. Hauschild. Herr Hauschild, bitte, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wirtschaftlichkeit, Versorgungssicherheit und Umweltverträglichkeit, das sind die Säulen einer verantwortungsvollen Energiepolitik.

Ihr Antrag, an dem verfrühten Ausstieg aus der Kernenergie festzuhalten, ist nach diesen Maßstäben verantwortungslos. Ein verfrühter Ausstieg aus der Kernenergie ist nicht wirtschaftlich. Die deutschen Kernkraftwerke tragen rund 23 % zur Stromerzeugung bei und sind damit nach der Braunkohle der wichtigste Stromversorger. Dabei liefert die Kernenergie deutlich billigeren Strom als zum Beispiel die Solarenergie, und auf billigen Strom sind gerade auch die sächsischen energieintensiven Unternehmen der Textil-, Papier-, Metall- und auch Chipindustrie angewiesen. Durch zu hohe Energiepreise steht die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes unnötig auf dem Spiel.

Ein verfrühter Ausstieg aus der Kernenergie wäre vor diesem Hintergrund verantwortungslos. Wir dürfen den Blick bei einer wirtschaftlichen Betrachtung der Energieversorgung jedoch nicht zu sehr auf die Kernkraft verengen. Wir müssen vor allem die gesamte Belastung durch Stromkosten im Blick haben. Da ist die Kernenergie nur ein Faktor.

Ein großer Kostentreiber sind Stromsteuern. Daher setzen wir uns bei der Bundesregierung dafür ein, dass die Regelungen für energiebezogene Steuern, Abgaben und Umlagen für die energieintensiven Unternehmen nicht verschärft werden.

(Beifall bei der FDP)

Anderenfalls droht ein massiver Wettbewerbsnachteil für diese Unternehmen.

Vor dem Hintergrund ist es sinnvoll, nicht vorzeitig aus der Atomenergie auszusteigen. Zudem könnte ein Teil der erwarteten Zusatzerträge abgeschöpft werden, um damit die Ausnahmeregelung für die energieintensiven Unternehmen zu erhalten. So bleibt die Energieversorgung wirtschaftlich. Das ist verantwortungsvoll gegenüber den sächsischen Unternehmen und auch den sächsischen Arbeitnehmern.

(Beifall bei der FDP)

Verantwortungslos hingegen war es von der damaligen rot-grünen Bundesregierung, im Jahr 2000 ein Moratorium über die Erkundung des Salzstocks Gorleben zu verhängen. Der Salzstock wurde bereits in den Siebzigerjahren als mögliches Endlager für hoch radioaktive Abfälle identifiziert. Die Frage der Endlagerung ist eng mit der Nutzung der Kernkraft verknüpft.

Ein Stopp der Erkundungen löst nicht die Frage, sondern verschärft sie nur. Für 90 % der Abfälle, nämlich für die schwach und mittel radioaktiven Abfälle, ist diese Frage geklärt. Die Abfälle können im Schacht Konrad sicher endgelagert werden. Das Endlager wird zügig errichtet und in Betrieb genommen. Für die restlichen 10 %,

nämlich für die hoch radioaktiven Abfälle, wird auch noch eine Lösung gefunden werden. Die Suche jedoch aus ideologischen Gründen zu erschweren, ist auch wiederum verantwortungslos.

Die Erkundung wird unter der jetzigen schwarz-gelben Bundesregierung ergebnisoffen wieder aufgenommen. Es wurde zudem eine Sicherheitsanalyse in Auftrag gegeben, um die derzeitigen Ergebnisse zusammenzufassen. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob der Salzstock die neuen Sicherheitsanforderungen erfüllen kann. Nur indem man Probleme angeht, kann man sie auch lösen.

SPD und GRÜNE fordern, den Bundesrat mit entscheiden zu lassen. Aus meiner Sicht gibt es keinen Grund, warum der Bundesrat über eine Verlängerung der Laufzeiten abstimmen soll. Renommierte Staatsrechtler wie der Leipziger Prof. Degenhardt sind nicht der Auffassung, dass eine Verlängerung der Laufzeiten die Zustimmung des Bundesrates erfordert. Auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum Luftsicherheitsgesetz macht deutlich, dass eine Beteiligung des Bundesrates nicht erforderlich ist, und schließlich konnte zu Zeiten der rotgrünen Bundesregierung der vorzeitige Ausstieg aus der Kernkraft ja auch ohne Zustimmung des Bundesrates beschlossen werden.

Der verfrühte Ausstieg aus der Kernenergie zeugt nicht von einer verantwortungsvollen Energiepolitik. Für eine wirtschaftliche, versorgungssichere und umweltverträgliche Energieversorgung brauchen wir weiterhin einen vernünftigen Energiemix,

(Beifall bei der FDP und der CDU)

der neben den erneuerbaren Energien und fossilen Energieträgern, neben Braunkohle auch die Kernenergie beinhaltet. Daher werden wir Ihren Antrag nicht unterstützen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Für die Fraktion der NPD Herr Abg. Schimmer, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die vier großen Atomstromkonzerne der Bundesrepublik, E.on, RWE, EnBW und Vattenfall, bilden de facto ein Oligopol. Für alle Nichtökonomen zur Erklärung: Das bedeutet, dass auf dem Strommarkt wenige große Anbieter einer Vielzahl von Nachfragern gegenüberstehen. Die genannten Anbieter kontrollieren rund 80 % des Erzeugungsmarktes, E.on allein 34 %. Die Gefahren solcher Oligopole sind bekannt.

Die marktbeherrschenden Unternehmen können ihr Verhalten miteinander abstimmen, zum Beispiel durch Aufteilung der Märkte oder Preisabsprachen, um einen Verdrängungswettbewerb zu verhindern und somit kartellartige Strukturen aufzubauen. Geschieht es gewissermaßen unter der Hand, haben die Kartellämter weniger Möglichkeiten, hier einzugreifen. Aus marktwirtschaftli

cher Sicht sind solche Oligopole also äußerst problematisch.