Vielleicht sollten wir unser Augenmerk aber nicht so sehr auf die Vergangenheit, sondern mehr auf die künftige Entwicklung der Hebammenarbeit richten. Da sind es vor allem die von der Staatsregierung nicht oder nur unzureichend beantworteten Fragen, die leider eine Gefährdung der Hebammenarbeit durchaus erkennen lassen.
Ich möchte an dieser Stelle einen Punkt aufgreifen, der die Staatsregierung offenbar weniger interessiert hat. Auf die Frage 18 im zweiten Teil, welche Gründe die Erhöhung der Beiträge zur Berufshaftpflichtversicherung für freiberuflich tätige Hebammen hat, weiß die Staatsregierung keine Antwort. Frau Herrmann hatte es gerade angesprochen. Ich wiederhole es trotzdem.
Wenn keine Erkenntnisse vorliegen, so liegt das meistens nicht an der fehlenden Erkenntnisfähigkeit, sondern vielleicht auch am mangelnden regierungsseitigen Erkenntniswillen.
Ich muss jetzt leider wiederum das Gesagte meiner Vorrednerin wiederholen. Die Fakten: Die Berufshaftpflichtversicherung für Hebammen wurde seit 2008 bereits um 80 % auf jährlich 2 400 Euro angehoben. Im Jahr 1992 lagen die Beiträge zur Berufshaftpflicht noch bei 179 Euro im Jahr. Im Jahr 2007 lagen sie schon bei 1 218 Euro und seit Juli liegen sie bei 3 689 Euro. Dem steht ein zu versteuerndes Durchschnittseinkommen der Hebammen von 1 180 Euro monatlich gegenüber, was wiederum einem Stundenlohn von 7,50 Euro entspricht.
Gerade die freiberuflich tätigen Hebammen, die ambulant zum Einsatz kommen, sind angesichts der Tatsache, dass sich immer mehr Krankenhäuser fest angestellte Hebammen nicht mehr leisten können, mehr als nur eine wichtige Ergänzung zur geburtsmedizinischen Grundversorgung. Ohne sie würde in vielen Regionen, vor allem im ländlichen Raum, so gut wie gar nichts mehr gehen. Dementsprechend hat sich das Verhältnis von ambulant tätigen zu fest angestellten Hebammen von etwa 50 zu 50 im Jahr 2001 auf ein Verhältnis von 60 zu 40 entwickelt.
Ich darf an dieser Stelle aus einer Initiative des Deutschen Hebammenverbandes e. V. zitieren: „2010 wird deshalb ein Jahr sein, in dem die Weichen gestellt werden, die Weichen dafür, ob die Tradition des Hebammenberufes Bestand haben wird oder ob die problematische Einkommens- und Vermögenssituation zu bundesweiten Versorgungsengpässen führen wird.“
Die Weichen scheinen gestellt zu sein. Zum 1. Juli haben schon 400 oder 10 % der freiberuflichen Hebammen die
Haftpflichtversicherung für die Geburtshilfe gekündigt, so die Sprecherin des Deutschen Hebammenverbandes, Frau Edith Wolper.
Einen weiteren mit der ambulanten Hebammenbetreuung in Zusammenhang stehenden Punkt möchte ich ebenfalls noch ansprechen: Weniger ambulant tätige Hebammen bedeuten auf Dauer auch weniger Hausgeburten, schlechtere Betreuung der Schwangeren und Wöchnerinnen sowie einen Rückgang der natürlichen Geburten.
Angesichts des Umstandes, dass auch in Sachsen der Anteil der Kaiserschnittgeburten seit dem Jahr 2001 von etwa 15 % auf mittlerweile deutlich über 20 % zugenommen hat, kommt die Geburtshilfe der ambulant tätigen Hebammen und der psychologischen Betreuung eine besondere Bedeutung zu. Ich sage das nicht deshalb, weil ich die enorme medizinische Bedeutung, die Kaiserschnittgeburten haben, um Kinder gesund auf die Welt zu bringen, gering schätze. Das ist es nicht. Die Entwicklung lässt aber erahnen, dass der bundesweit und in der westlichen Zivilisation allgemein sprunghaft ansteigende Anteil an Kaiserschnittgeburten eher modische oder auch kommerzielle Gründe hat. Bei einem Wunschkaiserschnitt ohne medizinische Indikation wird der so wichtige erste Abnabelungsprozess, der mit einer natürlichen Geburt verbunden und für die weitere physische und psychische Entwicklung des Kindes von großer Bedeutung ist, künstlich unterbrochen. Das muss nicht sein, und man fragt sich: Hat die Staatsregierung das Problem erkannt und ignoriert es nun?
Aber nein. Auf die Frage 6 im ersten Teil – Welche Maßnahmen hält die Staatsregierung für sinnvoll und welche will sie ergreifen, um den Anteil an Kaiserschnittgeburten zu reduzieren? – –
Frau Schüßler, bitte unterbrechen Sie kurz Ihre Rede. – Ich ermahne Sie jetzt zum letzten Mal, Ihre Gespräche einzustellen. Sie müssen der Rednerin nicht unbedingt zuhören, aber sie möchte gern ihren Vortrag ungestört halten können. – Frau Schüßler, fahren Sie bitte fort.
Ich bin gleich fertig. – Ich wiederhole die Frage: Auf die Frage 6 im ersten Teil – „Welche Maßnahmen hält die Staatsregierung für sinnvoll und welche will sie ergreifen, um den Anteil an Kaiserschnittgeburten zu reduzieren?“ – heißt es kurz und knapp: „Die Staatsregierung sieht keine Veranlassung, auf die Reduzierung des Anteils von Kaiserschnittgeburten hinzuwirken.“ – Schön, dass das so deutlich gesagt worden ist.
Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde in der allgemeinen Aussprache. – Bevor ich nach einer zweiten
Runde frage, frage ich die Staatsregierung, ob sie jetzt sprechen möchte. – Das kann ich nicht erkennen. Damit würde ich eine zweite Runde eröffnen. Gibt es dazu Wortmeldungen? – Möchte die Staatsregierung jetzt sprechen? – Frau Staatsministerin Clauß, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Die Große Anfrage zur Situation der Hebammen im Freistaat Sachsen hat noch einmal zu Papier gebracht, was wir schätzen:
Unsere Hebammen leisten einen gesellschaftlich wertvollen Beitrag für unser Gesundheits- und Sozialwesen. Durch eine kompetente Hebammenbegleitung wird nicht nur das zukünftige gesundheitliche Wohlergehen von Mutter und Kind gestärkt, nein, mit der Begleitung der Familien in ihrer Gründungsphase durch psychosoziale und medizinische Beratung sowie interdisziplinäre Zusammenarbeit mit anderen Institutionen leisten Hebammen noch viel mehr. Sie betreuen auch Familien mit medizinischen oder sozialen Risikofaktoren über eine längere Zeit.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit der Antwort auf die Große Anfrage sind rund acht Monate vergangen. Am 4. Januar ist sie dem Landtag zugeleitet worden und Ende Oktober 2009 bei uns eingegangen. Erlauben Sie mir deshalb bitte, zu den aktuellen Entwicklungen Stellung zu nehmen; denn das SMS hat in der Zwischenzeit Weiteres für unsere sächsischen Hebammen erreicht und auch auf den Weg gebracht.
Dafür sind zwei Rechtsänderungen notwendig geworden. Wir bereiten die Novellierung des sächsischen Hebammenrechts vor. Ein Referentenentwurf ist gerade in der Abstimmung und sieht eine Ermächtigungsgrundlage für den Erlass einer Berufsordnung für Hebammen vor. In dieser würde auch eine deutlich kürzere Aufbewahrungsfrist von Dokumentationen möglich. Dies war ausdrücklicher Wunsch der Hebammen. Außerdem verzichten wir auf die Änderung der Sächsischen HebammenhilfeGebührenverordnung. Da hierzu eine Regelung nicht notwendig ist, heben wir diese Gebührenordnung auf. Hierbei sind wir also deregulierend tätig.
Diese Neuerungen und deren Hintergründe habe ich mit den Hebammenverbänden im August persönlich besprochen. Ich habe das offene Gespräch gesucht; denn mir liegt sehr viel daran, den Weg gemeinsam mit den Hebammen zu gehen und die Probleme der Praxis in unsere Überlegungen einfließen zu lassen.
Mit den Neuerungen entstehen für die Hebammen und Entbindungspfleger keine finanziellen Einbußen. Sie können die Höhe der Vergütung mit den Selbstzahlerinnen frei verhandeln oder sich an den derzeit geltenden Vergütungssätzen orientieren. Über den Zeitpunkt der Aufhebung werde ich nach Abschluss des laufenden Normprüfungsverfahrens rechtzeitig informieren.
Gegenstand des Gespräches waren auch die aktuellen Probleme im Zusammenhang mit den stark gestiegenen Haftpflichtprämien. Die Honorare der Hebammen wurden nach Verhandlungen der Hebammen auf Bundesebene mit dem GKV-Spitzenverband signifikant erhöht. Dennoch haben die sächsischen Hebammenverbände immer noch Sorgen; denn die neu ausgehandelten Vergütungssätze sind trotz Erhöhung nur kostendeckend, wenn jede Hebamme eine gewisse Anzahl von Geburten durchführt. Deshalb könnten einige Hebammen dennoch gezwungen sein, Ihre Tätigkeit aufzugeben.
Zwar handelt es sich hierbei, wie heute schon mehrmals gehört, um Bundesrecht; aber ich werde mich sehr wohl an unseren Bundesminister Dr. Rösler persönlich wenden und mich dafür einsetzen, dass praxistaugliche Verbesserungen für die Hebammen geschaffen werden.
Er hat diesbezüglich bereits einen runden Tisch unter Beteiligung des Familien- und Arbeitsministeriums angekündigt, und es gab im Juni 2010 auch einen Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz zu dieser Positionierung.
Bis die Ergebnisse dazu vorliegen, können wir in Sachsen unabhängig davon etwas für unsere Hebammen tun – und werden dies auch tun. Deshalb haben wir in dem Gespräch vereinbart, dass das Projekt der Familienhebammen auch über den 31.12.2010 fortgeführt wird. Bisher handelt es sich um ein Modellprojekt. Die Erfolge, die die Familienhebammen jedoch erreichen, sprechen ohne Einschränkungen für eine Fortführung.
Der Kontakt zu den Eltern – eben auch über die reine Geburtsnachsorge hinaus – ist sehr hilfreich. So tragen wir zugleich zum Schutz unserer Kinder bei und unterstützen die Hebammen bei ihrer täglichen Arbeit.
Meine Damen und Herren! Bevor wir zu den beiden vorliegenden Entschließungsanträgen kommen, frage ich, ob noch eine dritte Runde durch die Abgeordneten gewünscht wird. Gibt es Wortmeldungen? – Das kann ich nicht erkennen. Ich rufe den ersten Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE in der Drucksache 5/3483 auf. Wer möchte dazu sprechen? – Frau Gläß, bitte schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Sie haben alle mit Hochachtung vom Beruf der Hebamme bzw. des Entbindungspflegers gesprochen. Wir haben dies in den Reden gehört. Sicher ist es auch der Tatsache geschuldet, dass jeder oder jede mindestens einmal im Leben mit einer Hebamme zusammengetroffen ist, auch wenn sich nicht jeder daran erinnern kann.
In der Diskussion zu unserer Großen Anfrage hat sich aber gezeigt, dass die Bedeutung dieses Berufsstandes im gesellschaftlichen Alltag nicht die verdiente Würdigung erfährt. So haben wir eine öffentliche Anhörung in der Fraktion durchgeführt und von Vertreterinnen des Deutschen Hebammenverbandes, freien wie angestellten Hebammen sowie Vertreterinnen und Vertretern aus Kliniken und Geburtshäusern von der dramatischen Lage erfahren. Sie haben uns vieles geschildert, und dies schon vor den Protesten im Mai, die auch hier in Dresden stattgefunden haben, bei denen die Hebammen auf die prekäre Lage aufmerksam gemacht haben. Die extrem gestiegenen Haftpflichtprämien sind bereits angesprochen worden; und diese waren eigentlich nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.
Mit unserem Entschließungsantrag zur Großen Anfrage wollen wir, dass der Landtag die Staatsregierung beauftragt, sich noch stärker diesem besonderen Bereich des Gesundheits- und Sozialwesens zuzuwenden. Von den 112 Fragen – darüber wurde bereits oft gesprochen – in unserer Großen Anfrage wurden 23, also ein Viertel, mit dem Satz „Dazu liegen der Staatsregierung keine Erkenntnisse vor“ beantwortet. Deshalb stellen wir nun konkrete Forderungen an die Staatsregierung, aktiv zu werden, um die Bedingungen für die Arbeit der Hebammen und Entbindungspfleger zu verbessern. Hier decken sich unsere Forderungen mit denen der SPD in ihrem Entschließungsantrag.
Die finanzielle Situation besonders der freiberuflichen Hebammen und Entbindungspfleger ist dramatisch. Wir haben jetzt zwar gehört, dass es signifikante Erhöhungen gab; aber 11 Euro pro Geburt und 49 Cent pro Besuch am Wochenbett sind wohl nicht gerade die Leistungen, die die finanzielle Situation der Hebammen besserstellen.
Wir haben von Hebammen in Kliniken gehört, dass es sehr, sehr schwierig ist, teilweise bis zu sechs Geburten nebeneinander zu begleiten. Es ist für Frauen wie für Hebammen eine total schwierige psychologische wie auch physische Belastung. Mit unseren Forderungen in unserem Antrag können wir Aufgaben an die Staatsregierung geben, sich noch besser diesem Berufsstand zu widmen.
Es ist heute viel dazu gesagt worden. Geben Sie unserem Antrag Ihre Zustimmung, damit wir noch besser aussagefähig sind – im Dienste und im Sinne unserer Mütter, unserer Hebammen und der geborenen Kinder.
terin Clauß hat sehr deutlich gemacht, was die Staatsregierung schon alles unternimmt, um sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten einzubringen; aber wir können keine Honorare festlegen. Wenn Sie von einer gesellschaftlichen Aufwertung sprechen, die eingefordert wird, so haben hier alle Fraktionen zum Ausdruck gebracht, dass uns das wichtig ist – das müssen wir nicht unbedingt beschließen –, und auch darauf hinzuwirken, dass alle Möglichkeiten in Bund und Land auszuschöpfen sind. Es ist auch bei der Stellungnahme der Staatsministerin deutlich geworden, dass dies schon erfolgt.
Lassen Sie mich noch einen Satz zu dem Antrag der SPD sagen, dem wir leider auch nicht zustimmen können. Wir brauchen nicht noch eine wissenschaftliche Studie oder dergleichen. Die Problembeschreibung ist uns eigentlich allen klar; es ist auch klar, wie die Lösung erfolgen muss, nämlich in den Verhandlungen mit dem Spitzenverband der Krankenkassen, aber nicht durch eine wissenschaftliche Studie.