Auch über die Kosten ist gesprochen worden. Für die statistische Erhebung entstehen Kosten. Diese werden den Kommunen erstattet, so wie es unsere Verfassung vorsieht.
Ich glaube auch, dass das gut investiertes Geld ist; denn wenn wir Fehlplanungen vornehmen, weil wir von falschen statistischen Voraussetzungen oder falschen Beständen ausgehen, dann werden die Kosten für uns alle, für den Freistaat deutlich höher sein. Von daher ist das meines Erachtens eine Investition in die Zukunft. Diese Kosten sind zu tragen.
Vielen Dank, Herr Biesok. – Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Herr Abg. Lichdi. Bitte, Herr Lichdi, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den letzten Wochen konnten wir eine erstaunliche Entwicklung beobachten, auch und gerade in der CDU-Landtagsfraktion. Herr Fischer und Herr Gemkow sprachen sich im Sinne des Verbraucher- und Datenschutzes gegen Google Street View aus und forderten bürgernahe Widerspruchsmöglichkeiten.
Ich konnte es erst gar nicht glauben – ausgerechnet die CDU-Landtagsfraktion. Seit ich diesem Landtag angehöre, habe ich noch nie erlebt, dass die CDU auch nur irgendwie eine gewisse Bereitschaft bekundet hätte, das Thema Datenschutz als ein ernstes anzuerkennen.
Ich will jetzt nicht annehmen, dass sich die Kollegen nur dem gängigen Hype anschließen wollten, sondern hoffe, dass dies einen wirklichen Wandel in der CDU-Politik andeutet.
Aber, meine Damen und Herren, Google Street View war gestern, und hier und heute wollen Sie ein State Home View beschließen. Das Sächsische Zensusausführungsge
setz ist eben kein harmloses technisches Gesetz, sondern erlaubt den Zugriff auf zahlreiche persönliche Daten und führt diese zusammen. Es handelt sich um nichts weniger als um den umfassendsten Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung der letzten Jahre. Der Wissensdurst des Staates ist hier wahrlich unersättlich.
Was ist mit einem Zensus gemeint? Ich glaube, vielen ist das nicht klar, obwohl es meine Vorredner schon angesprochen haben. Es geht um die Sammlung von Meldedaten, unserer Daten bei der Bundesagentur für Arbeit und bei unseren Vermietern. Davon merken wir gar nichts, weil diese Stellen unsere persönlichen Daten an die Statistischen Landesämter einfach weitergeben, ohne uns vorher zu fragen oder darüber auch nur zu informieren. Diese Daten werden dann in einer sogenannten Haushaltsstichprobe durch unsere persönliche Befragung auf Fehler überprüft. 10 % der Bevölkerung werden daher im Mai ungebetenen Besuch von staatlichen Datenbeschauern erhalten. Die Meldeämter melden unsere Meldedaten wie Namen und Anschrift samt der unserer Familien und Mitbewohner – bei Migranten, aus welchen Staaten sie stammen – sowie unsere Religionsangehörigkeit. Die Bundesagentur für Arbeit übermittelt unseren Beruf, ob wir arbeitslos sind oder nicht, die Anschrift unseres Arbeitsplatzes, die Branche, in der wir arbeiten, sowie den Namen unseres Arbeitgebers. Der Staat möchte auch gern den erreichten Schul- und Bildungsabschluss wissen. Wohnungsgenossenschaften und Vermieter berichten über unsere Wohnverhältnisse, etwa, in welchen Gebäuden wir wohnen, wie viele Zimmer wir bewohnen und auch, wo unsere Toiletten und Duschen liegen.
Diese unsere Daten liegen alle schon vor. Jetzt sollen sie mithilfe von Ordnungsnummern eindeutig zusammengeführt werden, und genau dies ist der entscheidende Punkt. Nach § 13 des Bundeszensusgesetzes erhält jede Anschrift, jedes Gebäude, jede Wohnung, jeder Haushalt und jede Person eine eindeutig identifizierbare Ordnungsnummer, die bei den Datenzusammenzuführungen verwendet wird. § 13 Abs. 3 erlaubt ausdrücklich, dass die Ordnungsnummern, wie es so schön harmlos heißt, „zusammen mit den Erhebungsmerkmalen gespeichert werden“ dürfen. Ja natürlich, aber das bedeutet genau die zuordenbare Zusammenführung ohne Grenzen dieser gesamten Daten.
Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob Sie sich das klargemacht haben. Das bedeutet, eine einzige staatliche Stelle kennt zum Stichtag 9. Mai 2011 wesentliche Teile unserer Existenz. Die Statistiker wollen natürlich diese Verknüpfung, um Fehlerquellen auszuschließen. Was aber das Ziel der Statistiker ist, ist für unsere Grundrechte brandgefährlich. Es entstehen nämlich tatsächlich Annäherungen eines Persönlichkeitsbildes, wie es das Bundesverfassungsgericht verboten hat.
Zwar ordnet das Gesetz die Löschung der Ordnungsnummern, die die Verknüpfung der Daten erlauben, nach, wie es heißt, Abschluss der Aufbereitung des Zensus an. Doch dies kann dauern. Deshalb, Herr Kollege Biesok,
kann ich Ihr Vertrauen nicht teilen. Sie müssen sich einmal die Vorschrift genau ansehen. Diese Ordnungsnummern sind nämlich erst spätestens vier Jahre nach dem Berichtszeitpunkt zu löschen. Was meint man mit Aufbereitung im Berichtszeitraum? Es meint die Zusammenführung aller Daten des Bundesamtes für Statistik. Fristen sind dafür nicht vorgesehen, sodass es am Arbeitstempo der Statistiker liegt, wann die Löschpflicht greift. Der Berichtszeitpunkt liegt nach der EU-Richtlinie am 1. April 2014, sodass die Löschung, Herr Kollege Herbst, bis zum April 2018 hinausgezögert werden kann.
Also im Klartext: Diese gesamten Daten, die an einer Stelle zusammengeführt werden, können bis zum Jahr 2018 verwendet werden. Das heißt, für Datenmissbrauch haben wir tatsächlich eine riesenschöne lange Zeit von acht Jahren.
Etwas datenschutzfreundlicher sind die Löschpflichten für Hilfsmerkmale ausgestaltet. Ein Hilfsmerkmal ist etwa die Straße. Hier, Herr Biesok, gebe ich Ihnen recht. Es ist natürlich ein Erfolg, dass laut Bundesverfassungsgerichtsrechtsprechung die Straße nicht mehr zurückgemeldet werden darf.
Aber lesen Sie doch einmal spaßeshalber Seite 43 der Begründung des Bundeszensusgesetzes, was die Statistiker, die dieses Gesetz geschrieben haben, davon halten. Da schreiben sie einen Satz: Wir dürfen das nicht. Aber dann schreiben sie drei Seiten, warum sie es trotzdem gern täten. Wenn das der Geist ist, in dem die Statistik erhoben wird, dann habe ich allerdings allergrößte Bedenken.
Meine Damen und Herren! Ich wünsche mir, dass wir einmal eine Debatte darüber führen, ob wir wirklich sämtliche Träume der Statistiker und Fachplaner auf Kosten schwerer Grundrechtsgefährdung erfüllen sollten. Solche Erhebungen mögen teilweise sinnvoll sein, sie erfordern aber auch einen hohen Datenschutzstandard. Das Sächsische Zensusausführungsgesetz müsste gerade diese Grundrechtsgefährdung, die ich beschrieben habe, verfahrensrechtlich einhegen. Das tut es aber leider nicht. Daraus ergeben sich unsere Änderungsanträge, die ich noch extra begründen werde.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf geht wieder einmal auf eine Verordnung der Europäischen Union zurück, die die Mitgliedsstaaten der EU dazu verpflichten soll, eine Volks-, Gebäude- und Wohnungszählung durchzuführen.
Mit dem Gesetz über den registergestützten Zensus im Jahr 2011 hat die Bundesregierung ohne Wenn und Aber das Diktat der EU übernommen. Nun soll der Sächsische
Landtag die passenden Ausführungsbestimmungen verabschieden, EU-konform versteht sich. Die EU ordnet an und der Bundestag und die Landtage gehorchen. Damit ist die demokratische Willensbildung wieder einmal ad absurdum geführt. Sie findet nämlich gar nicht statt. Die sogenannten demokratischen Politiker stören sich noch nicht einmal an dem völligen Fehlen eines demokratischen Willensbildungsprozesses. Als willfährige Befehlsempfänger der EU werden die Scheindemokraten diesen Gesetzentwurf im Landtag sicher heute wieder brav durchwinken.
Die Staatsregierung, die den vorliegenden Gesetzentwurf eingereicht hat, ist dabei nicht der Spiritus Rector, der politische Gestalter, der sie von Verfassungs wegen eigentlich sein sollte, sondern sie wird zum reinen Postboten degradiert, der eine Anweisung der EU im Briefkasten findet und diese dem Landtag zum Abstempeln vorlegt.
Diese EU, meine Damen und Herren, erhebt sich zum omnipotenten King Kong, unter dessen Pranke jede Bürgernähe erstickt und jede Eigenverantwortung erlischt.
Die NPD-Fraktion bekennt sich zu dem im Grundgesetz niedergelegten Subsidiaritätsprinzip als dem zentralen Element eines demokratischen Rechtsstaates. Wir lehnen es ab, Empfänger Brüsseler Kommissarbefehle zu sein, sondern wir stehen für eine bürgernahe Politik von unten nach oben, so wie es bereits im alten Griechenland, der Polis, nicht dem heutigen Pleitestaat, erdacht worden ist. Wir sind auch mitnichten gegen die als Zensus bezeichnete Erhebung von statistischen Daten unseres Volkes, da diese Daten, wenn sie ungeschönt zur Kenntnis genommen werden würden, zu einer notwendigen radikalen Veränderung der Politik führen würden; aber wir weigern uns, Kostenträger und Gehorsamsschuldner einer durch nichts legitimierten Brüsseler Bonzokratie zu sein.
Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich frage die Staatsregierung, wird das Wort gewünscht? – Herr Staatsminister, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Im Gegensatz zu einigen Ausführungen möchte ich noch einmal aus der Perspektive der Staatsregierung deutlich machen, dass eine Volkszählung sehr wohl eine wichtige Informationsquelle für Bevölkerung, Politik, Wirtschaft und Wissenschaft ist.
Wie viele Einwohner hat ein Land? Wie ist die Alters- und Familienstruktur? Was lässt sich über den Arbeitsmarkt sagen? Wie ist die Wohnsituation der Bevölkerung? Auch auf diese Fragen gibt der Zensus Antworten. Diese Ergebnisse sind eben eine bedeutende Informationsgrundlage für zahlreiche auch aktuelle Fragestellungen und
Planungen. Sie dienen der Planung der Entwicklung von Strategien sowie der Beschlussfassung in verschiedenen Politik- und Wirtschaftsbereichen und werden durchaus auch wieder auf Entscheidungen des Landtages entsprechenden Einfluss haben.
Verlässliche Einwohnerzahlen sind von entscheidender Bedeutung für sachgerechte und tragfähige politische Entscheidungen. Das betrifft insbesondere die Stabilisierung der sozialen Sicherungssysteme und auch die konkreten Planungen in den Kommunen. Wenn man weiß, wie viele Menschen welcher Altersgruppe in einer Stadt leben, kann man eben die Infrastruktur von Kindergärten über Schulen bis hin zu Altersheimen verlässlich planen. Darüber hinaus haben die Ergebnisse auch großen Einfluss auf die Zahlungsströme innerhalb der Europäischen Union und auf den Finanzausgleich natürlich auch zwischen den Bundesländern und den Kommunen. Auch auf die Einteilung der Wahlkreise und auf die Gewichtung der Stimmen der Länder im Bundesrat wirkt sich diese amtliche Einwohnerzahl unmittelbar aus.
Zum Thema Datenschutz ist schon eine ganze Menge angesprochen worden. Ich denke, es ist auch völlig vernünftig, weil nämlich bei diesen amtlichen Statistiken persönliche Angaben verarbeitet werden. Aber diese Angaben der Bürgerinnen und Bürger werden streng vertraulich behandelt und eben entsprechend vor Missbrauch geschützt. Datenschutz und Datensicherheit gehören zu den wichtigsten Anliegen der amtlichen Statistik. Zur Sicherung dieser erhobenen Daten wird eine Vielzahl von Maßnahmen ergriffen. Diese Maßnahmen sind bzw. werden mit den Datenschutzbeauftragten des Bundes und denen der Länder abgestimmt.
Dieses berühmte Bundesverfassungsgerichtsurteil vom 15. Dezember 1983 ist mehrfach zitiert worden, auch von Herrn Biesok. Dazu zählt die Anwendung des ITGrundschutzkataloges des Bundesamtes für Sicherheit und Informationstechnik sowie die Umsetzung des ITSicherheitskonzeptes des Bundes und der Länder. Auch die Erhebungsstellen werden räumlich, organisatorisch und personell selbstständig arbeiten, sodass eine Datenweitergabe an andere Verwaltungsstellen innerhalb der Kommune ausgeschlossen ist.
Zum Schutz der Daten gelten selbstverständlich – wie bereits ausgeführt; das haben wir auch im Innenausschuss intensiv diskutiert – die Regelungen der allgemeinen Gesetze des Datenschutzes, der Statistik sowie der zensusspezifischen Gesetze des Bundes.
Für besonders sensible Daten gelten auch noch besondere Bestimmungen, so zum Beispiel bei Krankenhäusern und Behindertenwohnheimen. Hierfür erheben nicht die örtlichen Erhebungsstellen die Daten, sondern das Statistische Landesamt. So wird die Zahl der Personen, die Daten über Menschen in diesen Bereichen erhalten, noch einmal reduziert und entsprechend gering gehalten. So wie ich eingangs dargestellt habe, ist es für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft wichtig, die Informationen
Mit dem Sächsischen Zensusausführungsgesetz werden nun die für den Freistaat Sachsen übertragenen Aufgaben entsprechend geregelt. Deshalb bitte ich Sie um Ihre Zustimmung.
Frau Friedel, ich frage Sie als Berichterstatterin des Innenausschusses, ob Sie das Wort wünschen. – Das ist nicht der Fall. Vielen Dank.
Meine Damen und Herren! Wir kommen zur Abstimmung. Aufgerufen ist das Gesetz zur Ausführung des Zensusgesetzes 2011 im Freistaat Sachsen – Sächsisches Zensusausführungsgesetz in der Drucksache 5/2570, Gesetzentwurf der Staatsregierung. Abgestimmt wird auf der Grundlage der Beschlussempfehlung des Innenausschusses in der Drucksache 5/3364.
Meine Damen und Herren! Ihnen liegen Änderungsanträge vor, über die wir in der Reihenfolge des Eingangs abstimmen; zunächst Drucksache 5/3491, ein Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Es gibt dann noch einen zweiten – wollen Sie gleich beide miteinander einbringen? – Nein. Herr Lichdi, bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Ich hatte es in meiner Rede angesprochen. Der Grundrechtsschutz durch Verfahren ist eine wesentliche Geschichte, zumal es sich um einen ganz sensiblen Bereich handelt und der Gesetzentwurf die Datenschutzvorschriften im Bundeszensusgesetz als auch des Sächsischen Zensusausführungsgesetzes nur sehr allgemein umschreibt, um es gutwillig auszudrücken.