Protocol of the Session on June 17, 2010

Das ist aus unserer Sicht nicht verantwortbar. Offenbar wollte man damit auch noch ein letztes Zeichen der SPD

Regierungsbeteiligung tilgen. Es sollte davon möglichst nichts übrig bleiben. Das kann für uns aber nicht die Grundlage von verantwortlichem politischem Handeln sein. Die Gemeinschaftsschulen sind es aus unserer Sicht unbedingt wert, erhalten zu bleiben.

Der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf zielt daher auf die Überführung des Schulversuchs in eine schulgesetzlich geregelte Schulart ab.

Der Gesetzentwurf vollzieht damit einen Modernisierungsschritt im sächsischen Schulwesen, den wir wollen, und er schafft vor allem – darum geht es in erster Linie – Rechtssicherheit für die Schulträger, die Eltern, die Schülerinnen und Schüler beim Betrieb und bei der Einrichtung von Gemeinschaftsschulen im Freistaat Sachsen. Wir denken, das ist eine gute Grundlage für das sächsische Bildungswesen.

Aus diesem Grund bitten wir um Zustimmung zur Überweisung des Gesetzentwurfes an den Ausschuss für Schule und Sport und setzen dort auf eine konstruktive Beratung.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Meine Damen und Herren! Es ist vorgeschlagen worden, den soeben eingebrachten Gesetzentwurf an den Ausschuss für Schule und Sport zu überweisen. Ich bitte bei Zustimmung jetzt um Ihr Handzeichen. – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Ich sehe keine Gegenstimmen und keine Stimmenthaltungen. Damit ist die Überweisung beschlossen.

Wir kommen zum

Tagesordnungspunkt 7

Errichtung eines Freiheits- und Einheitsdenkmals in Leipzig – Würdigung von Mut und Zivilcourage der sächsischen Bürger beim Einsatz für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte 1989

Drucksache 5/2701, Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP

Hierzu können die Fraktionen wieder Stellung nehmen. Es beginnt die CDU, danach folgen FDP, DIE LINKE, SPD, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn sie das wünscht. Ich erteile nun Herrn Abg. Clemen von der CDU-Fraktion das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Es gibt wohl kaum ein passenderes Datum als den 17. Juni, um über die Errichtung eines Freiheits- und Einheitsdenkmals in Leipzig zu debattieren. Dies kann ich auch aus eigener Erfahrung unterstreichen.

Schon vor den großen Montagsdemonstrationen in Leipzig gehörte ich zum Gründerkreis einer sich formierenden Oppositionsbewegung aus der Leipziger Kultur- und

Musikszene. Unsere Idee war es damals, mit den Mitteln der Kunst die individuelle Freiheit des Menschen und die Freiheit der Kunst zu demonstrieren. Diese Freiheit ist und bleibt ein unabänderliches Menschenrecht. Sie kann auf Dauer auch nicht durch eine Diktatur beseitigt werden.

Natürlich bekam auch ich zunehmend Probleme mit den sogenannten Sicherheitsorganen. Die Helden des 17. Juni haben diese jedoch in ganz anderer Form erfahren müssen.

Vor 57 Jahren hat die Deutsche Demokratische Republik unter anderem im damaligen Ostberlin zum ersten Mal offen ihr diktatorisches und antidemokratisches Antlitz gezeigt. Es kam an diesem Tag zur gewaltsamen Niederschlagung eines mutigen Volksaufstandes. Im sozialisti

schen Ungarn passierte im Jahre 1956 Vergleichbares, auch der Prager Frühling wurde im Jahre 1968 mit militärischen Mitteln gewaltsam beendet.

Nicht sehr viel besser ging man mit den Begründern und Anhängern der polnischen Solidarnosc um. Im gesamten sowjetischen Machtbereich wurden zur Durchsetzung und Erhaltung der Diktatur über 40 Jahre die Menschenrechte mit Füßen getreten. Trotz allem konnte der Freiheitswille der Menschen nicht gebrochen werden.

Auch in Leipzig kam es schon frühzeitig zum Widerstand gegen das kommunistische Regime. Lange, bevor auch ich als junger Mensch zur Oppositionsbewegung stoßen konnte, haben mutige und couragierte Mitmenschen ihre Stimme gegen die SED-Machthaber erhoben. Sie haben ein großes persönliches Risiko in Kauf genommen. Viele von ihnen bekamen die volle Macht und Unerbittlichkeit des Staates zu spüren. Sie alle können uns eine Geschichte erzählen, eine Geschichte von Bespitzelung, Schikane, Willkür, Gefängnis, Folter und insbesondere an der innerdeutschen Grenze auch von Mord.

Meine Damen und Herren! Die Diktatur fürchtet die Freiheit des Einzelnen, denn die Freiheit des Einzelnen ist der größte Feind der Diktatur.

Sie widersetzt sich dem Diktat und stellt damit für dieses eine enorme Gefahr dar. Deshalb muss jede Diktatur die individuelle Freiheit einschränken und bekämpfen. Auch ich habe das persönlich erlebt. Es hat den kommunistischen Betonköpfen jedoch nichts genutzt. Das Startsignal für die friedliche Revolution war längst in der Welt, der Boden war bereitet.

Nach der blutigen Niederschlagung des Volksaufstandes am 17. Juni 1953 in der ehemaligen DDR haben sich wieder zuerst die Leipziger offen für die Freiheit erhoben. Von Leipzig aus begann ein ganzes Volk, der Diktatur kühn die Stirn zu bieten. Das verunsicherte die Machthaber, die sich doch offiziell gern als Interessenvertreter des Volkes gerierten und als Bewahrer der Menschenrechte aufführten. Sie zeigten sich schwach und verwundbar. Man versuchte in alter Manier die immer stärker werdende Freiheitsbewegung zu unterdrücken und zu beenden. Das war 1989 allerdings zwecklos, denn wie der Stasimajor in Erich Loests Fernsehfilm „Nikolaikirche“ formulierte: Mit allem haben wir gerechnet, aber nicht mit Gebeten und Kerzen.

Gegen Kerzen und Gebete konnten die SED-Machtstrategen nichts ausrichten. Vielmehr begriffen viele der SED-Machthaber damals ihre Chance, selbst freie Entscheidungen treffen zu können. Auch derjenige, der sich damals auf staatlicher Seite mit dem Volk verbündete und gegen Gewalt entschied, hat einen entscheidenden Anteil am Erfolg der friedlichen Revolution.

Getragen hat uns in dieser Zeit zunehmend der Wille zur Einheit des deutschen Volkes. Bismarck hatte Deutschland im Jahre 1871 geeint. Der unbeschreibliche Wahnsinn des Naziterrors führte jedoch dann zur Teilung. Dieses wohl tragischste und unfassbarste Ereignis der

deutschen Geschichte hat unser deutsches Selbstverständnis dennoch nicht gebrochen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Im Westen unseres Vaterlandes hatte man mit Unterstützung der Alliierten das Glück, wieder an die alten deutschen Errungenschaften von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Freiheit anknüpfen zu können. Diese Systemmerkmale waren und sind die Grundlage unserer Prosperanz und unserer weltweiten Achtung. Zurückgefunden haben unsere Schwestern und Brüder im Westen auch zu der jahrhundertealten Vision und dem Wunsch nach einem freundschaftlichen europäischen Miteinander. Denn nur gemeinsam mit unseren europäischen Freunden sind wir stark. Nur gemeinsam bleiben die unsäglichen Bruderkriege der europäischen Geschichte Vergangenheit. Nur gemeinsam ist das Unheil nationaler Diktaturen nachhaltig gebannt.

Dieses Bewusstsein haben wir während der friedlichen Revolution in uns getragen. Die Diktatur konnte es uns nicht nehmen. Lassen Sie uns gemeinsam mutig dafür streiten, dass uns nie wieder ein solches Unheil überkommt! Jeder Einzelne hat die Freiheit und die Pflicht, sich gegen staatliches Unrecht zu stellen. Als ein Volk wollen wir für ein menschenwürdiges und freiheitliches Leben, für einen menschenwürdigen und freiheitlichen Staat stehen. Zuerst dafür soll man uns in Europa und in der Welt achten. Dafür stehen wir auch als Sachsen. Das ist und bleibt unser sächsischer Stolz und unser sächsisches Selbstbewusstsein.

Für den Mut und die Zivilcourage aller Sachsen, die im Jahr 1989 und zuvor in diesem Sinne für unser Land gekämpft haben, wollen wir in Leipzig ein Denkmal bauen.

(Beifall bei der CDU, der FDP, der Abg. Petra Köpping, SPD, und der Staatsregierung)

Es soll zu allen Zeiten daran erinnern, dass Freiheit, Demokratie und Menschenrechte jeden Tag aufs Neue erkämpft werden müssen. Es soll zeigen, dass es sich lohnt, für diese Werte ein großes persönliches Risiko einzugehen. Das Denkmal soll in alle Ewigkeit ein Dankeschön sein für die Helden der friedlichen Revolution.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Für die FDP spricht Herr Abg. Zastrow, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Clemen hat es soeben gesagt: Es ist eine außerordentlich glückliche Fügung, dass wir gerade heute, 57 Jahre nach dem Volksaufstand vom 17. Juni 1953, über die Errichtung eines Freiheits- und Einheitsdenkmals in Leipzig diskutieren; denn unsere Initiative fasst das, was im Juni 1953 mit so leidvollen Konsequenzen begonnen hat und was im

Herbst 1989 so erfolgreich und glücklich zu Ende gebracht wurde, zusammen und gibt der ostdeutschen Freiheitsbewegung einen Ort der würdigen Erinnerung. Einen besseren Tag für solch eine Entscheidung kann es in der Tat nicht geben.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ohne den Mut der Sachsen wären Revolution und Einheit nicht möglich gewesen. Die Friedensgebete in der Leipziger Nikolaikirche, die Montagsdemonstrationen in Leipzig, die Proteste am Dresdener Hauptbahnhof, die Gruppe der 20 und die Großdemonstrationen in Plauen und in vielen anderen sächsischen Städten waren die Zellen des Protestes in der ehemaligen DDR. Von hier aus sprang der Funke in die anderen Regionen und Bezirke Ostdeutschlands über. Ohne die Sachsen, die im Herbst 1989 mit hohem persönlichem Risiko den SED-Machthabern und ihrem Sicherheitsapparat mutig die Stirn geboten haben, wären Mauerfall und Wiedervereinigung nicht möglich gewesen. Ohne die Sachsen würden wir heute nicht in Freiheit, Demokratie und in einem wiedervereinigten Deutschland leben, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Deshalb ist es für uns nicht nur eine Frage der Ehre und es ist auch nicht nur eine Frage des Stolzes, sondern es ist eine Selbstverständlichkeit, dass wir uns heute mit Nachdruck für die Errichtung eines Freiheits- und Einheitsdenkmals in Sachsen, für die Errichtung eines Denkmals in Leipzig aussprechen.

Als jemand, der selbst am 3. Oktober 1989 bei den damals noch nicht so friedlichen Auseinandersetzungen zwischen Volkspolizei, Transportpolizei, Stasispitzeln und vielen Tausenden Demonstranten dabei gewesen ist, und als jemand, der seine politischen Wurzeln genau in den Ereignissen des Jahres 1989 hat, habe ich die ursprüngliche Entscheidung, die im Bundestag getroffen worden war – nämlich ein Einheits- und Freiheitsdenkmal einzig und allein in Berlin zu errichten –, schon immer für historisch unkorrekt und, wenn ich ehrlich bin, für moralisch unangebracht gehalten.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Das hat im Übrigen gar nichts mit der allseits bekannten Skepsis der Sachsen gegenüber der Hauptstadt zu tun, sondern das hat einzig und allein etwas mit historischer Wahrheit zu tun; denn – das Gleiche habe ich an dieser Stelle schon einmal in einer anderen Rede gesagt – während man in Berlin noch von einem reformierten Sozialismus faselte, während man in Berlin noch Leute wie Krenz und Modrow als Hoffnungsträger feierte und jemanden wie Markus Wolf auf Großdemonstrationen am Alexanderplatz artig zuhörte, rief man in Leipzig, Dresden und Plauen schon längst nicht mehr nur „Wir sind das Volk!“, sondern schon „Wir sind ein Volk!“. Man rief „Deutschland einig Vaterland“.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Meine Damen und Herren! Der Name Sachsens wird deshalb für alle Zeiten unumstößlich und stärker als andere mit der friedlichen Revolution von 1989 verbunden sein. Ja, Sachsen ist das Land der friedlichen Revolution.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Ich bin glücklich, dass der Bundestag im Dezember 2008 auf Initiative von CDU, FDP und SPD seine historische Fehlentscheidung revidierte und insbesondere auf das Drängen von sächsischen Bundestagsabgeordneten hin wie Jan Mücke, Arnold Vaatz oder Heinz-Peter Haustein beschlossen hat, neben Berlin auch in Leipzig ein Denkmal für die friedliche Revolution zu schaffen. Mit dieser Entscheidung und mit den Entscheidungen, die wir in Sachsen treffen und die in der Stadt Leipzig getroffen worden sind, ist der Weg zur Errichtung eines solchen Denkmals jetzt frei.

Für uns als FDP ist der heutige Antrag, unsere heutige Initiative ein Grund zu ganz besonderer Freude; denn bereits zu Oppositionszeiten – konkret am 14. Dezember 2007 – hatten wir hier im Sächsischen Landtag einen Vorstoß zur Errichtung eines Freiheits- und Einheitsdenkmals in Leipzig gewagt. Damals fand unsere Initiative noch keine Mehrheit. Ich vermute, dass das heute anders sein wird.

Bitte stimmen Sie dem Antrag von CDU und FDP zu, damit wir pünktlich zum 25. Jahrestag der friedlichen Revolution im Herbst 2014 ein würdiges Denkmal für die Freiheit und die Einheit unseres Vaterlandes in Leipzig einweihen können.

Vielen Dank.