Protocol of the Session on May 20, 2010

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Circa vier Fünftel der Fläche des Freistaates sind der sogenannte ländliche Raum, und etwa 50 % der Menschen wohnen dort. Ein großer Teil lebt in Gemeinden und Ortsteilen mit weniger als 5 000 Einwohnern, die in den Genuss dieser Förderung kommen.

Die Gemeinde Schönwölkau, deren Bürgermeister ich seit 1995 bin, konnte im Rahmen der Fördermittelprogramme die Infrastruktur grundhaft ausbauen. Insgesamt circa 7 Millionen Euro Fördermittel allein im kommunalen Bereich flossen in die Gemeinde mit circa 2 600 Einwohnern und fast 50 Quadratkilometern Fläche. Für rund 10 Millionen Euro wurden Investitionen getätigt. Damit ist die Infrastruktur bis auf einige Bereiche beim Abwasser fertig ausgebaut. Zusätzlich wurden noch jede Menge Fördermittel für den privaten und gewerblichen Bereich ausgebaut. Wer die Gemeinde besucht, kann das Ergebnis sehen. Dafür bedanke ich mich recht herzlich beim Freistaat und bei der EU.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU und der FDP)

Sehr geehrte Damen und Herren, Schönwölkau ist seit 2002 Mitgliedsgemeinde im LEADER-Gebiet Delitzscher Land im Landkreis Nordsachsen. Auch ich sitze im

Koordinierungskreis und begleite dort eine Vielzahl von Projekten. Von 2002 bis 2006 flossen circa 4 Millionen Euro Fördermittel in das Gebiet. Damit wurden in rund 60 Projekten fast 9 Millionen Euro an Investitionen angeschoben. Neben den elf Kommunen wurden 22 Vereine und Verbände, zwei Privatpersonen und zwölf Unternehmen unterstützt. Besonders stolz sind wir auf die Schaffung von 27 Dauer- und elf temporären Arbeitsplätzen.

In der neuen Fördermittelperiode 2007 bis 2013, die nach der Bewerbungsphase im Jahr 2007 im Jahr 2008 mit der Umsetzung der Projekte begann, wurden einschließlich des Jahres 2009 63 Projekte bewilligt und damit über 5 Millionen Euro für Investitionen zur Verfügung gestellt, was zu Vorhaben im Wert von circa 10 Millionen Euro führte. Damit konnten sämtliche Mittel gebunden werden. Nach der Aufstockung der Mittel um weitere 1,3 Millionen Euro stehen in diesem Jahr über 5 Millionen Euro Fördermittel zur Verfügung.

Aber so wie im Gebiet Delitzscher Land läuft es nicht in sämtlichen LEADER-Gebieten. Im LEADER-Gebiet Zweistromland, ebenfalls im Landkreis Nordsachsen, konnte in den Jahren 2008/2009 das Budget nur zu rund 70 % ausgelastet werden. Gründe dafür sind unter anderem die fehlenden kommunalen Eigenmittel. Das ist schon erwähnt worden.

Für alle Gebiete besteht das Problem, dass die Beantragung, Bewilligung und Abrechnung der Fördermittel sehr kompliziert ist. Schuld daran sind die strengen Vorgaben der EU. So ist auf jeden Fall zu begrüßen, dass die Erweiterung der Gebietskulisse auf Gemeindeteile bis 5 000 Einwohner erfolgte. Sie waren bis jetzt aus der Förderung ausgeschlossen und haben nunmehr die Möglichkeit, auch Fördermittel zu erhalten.

Sehr geehrte Damen und Herren, ein Wort zur Förderung des Ausbaus der Breitbandnetze im ländlichen Raum: Das Telekommunikationsgesetz verpflichtet die Telekom AG, die Grundversorgung bei der Telefonversorgung flächendeckend abzusichern. Dafür braucht sie, anders als die Energieversorger, an die Gemeinden für die Nutzung des öffentlichen Raums keine Konzessionsabgabe oder Nutzungsgebühr zu zahlen. Dieser Verpflichtung kommt die Telekom mit der Breitbandversorgung nicht mehr nach. So ist vom Bundesgesetzgeber zu prüfen, ob die kostenlose Nutzung des öffentlichen Raums noch zeitgemäß ist und ob die Gemeinden nicht eine Konzessionsabgabe oder eine Nutzungsgebühr erheben könnten. Auf diese Art und Weise könnten die Gemeinden dann die Eigenmittel aufbringen, um das Fördermittelprogramm für die Breitbandversorgung auch abzurufen, was in der Regel an den fehlenden Eigenmitteln scheitert.

Sehr geehrte Damen und Herren, unsere Aufgabe besteht jetzt darin, die geschaffenen Werte zu erhalten. Auch fällt es den Gemeinden immer schwerer, die notwendigen Eigenmittel aufzubringen. Ich denke, jedem im Haus ist klar, dass es für eine Gemeinde mit elf Ortsteilen schwerer ist, die Infrastruktur zu finanzieren, als für eine Stadt

mit 25 000 oder 50 000 Einwohnern. Dafür muss die finanzielle Verteilung der Schlüsselmasse innerhalb des Finanzausgleichsgesetzes überdacht werden. Nur wenn die notwendige finanzielle Ausstattung der Gemeinden vorhanden ist, können die vorhandenen Fördermittel für eine Vielzahl von Investitionen verwendet werden.

(Beifall bei der FDP)

In früheren Fördermittelprogrammen bestand die Möglichkeit, Eigenleistungen als unbare Leistungen zu erbringen. Es sollte geprüft werden, ob diese Möglichkeit, ohne den bürokratischen Aufwand weiter zu erhöhen, wieder eingeführt werden kann.

Insgesamt bin ich – wie ich denke, sind es auch die anderen Bürgermeister aus dem ländlichen Raum – sehr dankbar für die Fördermittelprogramme, die es ermöglicht haben, die Gemeinden infrastrukturell weiter zu entwickeln. Die hohen Fördermittelsätze sind für uns gut gewesen, sie müssen aber auch in Zukunft erhalten bleiben, um die weiteren notwendigen Aufgaben zu erledigen und die Dörfer wohnenswert zu erhalten.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Als nächster Redner Herr Dulig für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben im letzten Jahr ein Programm zur Zukunft der ländlichen Räume entwickelt. Uns ist das ein sehr wichtiges Anliegen. Anscheinend sehen das andere, wenn ich mir die Reihen der Staatsregierung und der Koalition anschaue, nicht so.

Herr Kupfer, Sie haben sich wirklich große Mühe gegeben in Ihrer Regierungserklärung und haben tatsächlich gute Beispiele aus dem Programm Integrierte Ländliche Entwicklung genannt. Auf der einen Seite muss man auch sagen, dass das ein Europaprogramm ist. Da ist die Frage, wie wir es umgesetzt haben. Wir würden sagen, gut. Dass wir zu diesem Ergebnis kommen, wird Sie nicht wundern, denn das Programm haben wir damals gemeinsam in der Koalition auf den Weg gebracht. Da sehen Sie mal, dass auch hier wieder die SPD Gutes bewirkt hat

(Beifall bei der SPD)

und dass wir deshalb auch heute in der Bilanz nach einem Jahr sagen können: Das ist ein gutes Programm.

Es hat gezeigt, dass es gut ist, Verantwortung in die Regionen zu geben, und dass man durchaus Vertrauen in die Akteure der Regionen haben kann, denn sie wissen am besten, was vor Ort passiert. Daran müssen wir auch festhalten.

Ich habe sehr aufgehorcht, als Sie das Thema Regionalbudgets angesprochen haben. In der Enquete-Kommission haben Sie diese Idee noch abgelehnt. Entschuldigung, Sie können in den Minderheitsvoten von Linkspartei und SPD genau diese Forderung nachlesen, die Sie damals abge

lehnt haben. Dass Sie inzwischen zu der Erkenntnis gekommen sind, dass das richtig ist, zeigt Ihre Entwicklungsfähigkeit und freut mich. Ich sehe, dass wir auch dort wieder einmal den richtigen Riecher hatten.

(Beifall bei der SPD)

Trotzdem ist Kritik an dem Programm nach wie vor angebracht. Ein paar Schönheitsfehler gibt es durchaus. Es ist die Frage angesprochen worden, inwieweit die Kommunen es handhaben können, inwieweit nicht der bürokratische Aufwand immer noch sehr hoch ist und inwieweit man sich hinter bestimmten europarechtlichen Vorschriften versteckt. Es scheint mir sehr oft ein Schwarzer-Peter-Spiel zu sein nach dem Motto: Daran ist die EU oder sind die Vorschriften schuld. – Man sollte wirklich versuchen, das Programm zu entbürokratisieren, damit es zielgenau bei den Akteuren vor Ort ankommen kann.

Es geht zum Zweiten ebenso darum, wie wir mit Informationen umgehen. Denn wir brauchen die Informationen rechtzeitig vor Ort, damit zum Beispiel Projekte rechtzeitig beantragt werden können. Antragsschluss ist der 30.06. Ist nun wirklich schon allen Akteuren bekannt, dass wir jetzt auch ein wenig Zeitdruck haben, um dieses Projekt vernünftig abzuschließen?

Ich möchte dennoch bei meinem grundsätzlichen Lob am ILE-Programm und seiner Umsetzung in Sachsen bleiben. Ich bin gespannt, wie die FDP dazu steht. Denn die FDP wiederum hat vor einem Jahr bei Ihrer Regierungserklärung massiv dagegen gewettert. Wenn ich Herrn Günther direkt in Reaktion auf Sie zitieren darf: „Diese Politik ist keine Erfolgsgeschichte. Angesichts Ihrer Rede, Herr Staatsminister, mit so viel rosaroter Prosa für die Probleme im ländlichen Raum bin ich fast sprachlos geworden. Sie sagten in Ihrem Schlusswort, genauso wollen Sie als Staatsminister den ländlichen Raum weiter begleiten. Ich hoffe, das war keine Drohung.“

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Ich freue mich auf den Redebeitrag des Kollegen Günther – ich weiß nicht, ob du sprichst, aber ich freue mich schon auf den Redebeitrag –,

(Tino Günther, FDP: Ja!)

um zu erfahren, ob sie jetzt ihre Sprache wiedergefunden haben und wie sie das Programm jetzt sehen. Ich glaube, Sie sind inzwischen selbst dabei, mit Ihrer rosaroten Prosa bzw. gelb-blauen Prosa durch das Land zu rennen. Ich bin gespannt, wie Sie aus dieser Nummer herauskommen. Ich habe eher das Gefühl, dass Sie zum Thema „Ländlicher Raum“ nichts zu sagen haben.

(Tino Günther, FDP: Na!)

Wenn wir über das Thema „Ländlicher Raum“ reden, reicht es nicht aus, sich nur über das Programm ILE zu unterhalten, sondern dann müssen wir tatsächlich darüber sprechen, was in den ländlichen Räumen passiert. Dann wird die Kritik selbstverständlich massiver. Dann frage

ich, ob es hier eine politische Linie, eine politische Idee zur Entwicklung der ländlichen Räume gibt, und zwar auch außerhalb von EU-Förderprogrammen.

Herr Tillich meint – das lese ich zumindest, wenn ich die Website der Staatsregierung sehe –, dass der Wandel Chefsache sei. Dann wird das Handlungskonzept Demografie Ende April beschlossen und dann werden dort systematisch Allgemeinplätze aneinandergereiht. Da ist von Benchmark, Leitsätzen und strategischen Zielen die Rede. Es wird aber vor allem so getan, als müsse man das Rad neu erfinden. Dabei hatten wir eine Expertenkommission der Staatsregierung, wir hatten eine EnqueteKommission des Sächsischen Landtages, und diese waren wiederum mit ihren Ergebnissen weiter als Sie mit dem, was Sie jetzt in Ihren aktuellen Beschlüssen vorgelegt haben.

Was aber in Ihrer Politik durchgängig ist, ist das Problem, dass Sie mit dem Begriff Demografie in der Art umgehen, dass Sie reine Anpassungsstrategien als Antwort geben. Fakt ist, dass wir einen Bevölkerungsrückgang haben, und die Frage ist, wie wir damit politisch umgehen. Ihre Antwort heißt: Anpassen, optimieren, linear kürzen! – Ich finde das nun nicht gerade politisch.

(Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Dr. André Hahn, Linksfraktion: Gegensteuern, ja!)

Was tun Sie für den ländlichen Raum? – Sie schließen Schulen. Es tut mir leid, Ihre podologische Vision von Fußpflegezentren ist nicht meine bei den Schulen. Ich habe von diesem Pult aus schon öfter darauf hingewiesen, dass wir, wenn wir bei diesem Schulgesetz bleiben, in Zukunft in den ländlichen Räumen keine weiterführenden Schulen mehr haben werden, sondern dass sie lediglich in den großen Kreisstädten zu finden sind. Wenn Sie das wollen, dann sagen Sie es bitte auch, und sagen Sie es auch denjenigen, die gerade für den Erhalt ihrer Schule demonstrieren und denen vor Monaten bzw. vor Wochen noch gesagt worden ist: Versprochen, eure Schule bleibt! – Dieses Versprechen können Sie schlichtweg nicht geben, wenn Sie Ihr Schulgesetz ernst nehmen.

Aber ich sage Ihnen: Wenn die Schule aus den Dörfern verschwindet, verschwindet ein ganz zentraler Punkt des gesellschaftlichen Lebens in den ländlichen Räumen.

(Beifall bei der SPD und der Linksfraktion)

Wenn Sie aus rein ideologischen Gründen politische Alternativen ablehnen, dann müssen Sie sich die Frage gefallen lassen, inwieweit Sie akzeptieren, dass es dann in den ländlichen Regionen keine weiterführenden Schulen mehr gibt. Es ist nicht nur die Gemeinschaftsschule, die wir als Antwort angeführt haben. Sie haben sich zum Beispiel auch dem Modell „Schule an mehreren Standorten“ verweigert. Wo sind denn Ihre Antworten zur Sicherheit der Schulstandorte in der Zukunft? Wo sind sie denn? Reden Sie nicht über den ländlichen Raum, wenn Sie zentrale gesellschaftliche Einrichtungen infrage stellen!

(Beifall bei der SPD und der Linksfraktion)

Das Zweite. Wenn Sie den ländlichen Raum stärken wollen, können Sie die Kommunen nicht finanziell ausbluten lassen. Genau das ist aber die Politik. Sie rühmen sich immer einer soliden Haushaltspolitik. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Sie das auf dem Rücken der Kommunen gemacht haben. Ich glaube, dass sich die Handlungsfähigkeit des Staates in der Handlungsfähigkeit der Kommunen widerspiegelt.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Dann muss man diese aber bitte auch machen lassen. Sie zwingen die Kommunen geradezu, in Leistungskürzungen für angeblich freiwillige Leistungen zu gehen. Ich glaube, dass das schon längst nicht mehr ausreicht, sondern dass die Kommunen inzwischen wirklich die Hosen komplett herunterlassen müssen und nicht mehr ein und aus wissen. Ich rede nicht mehr über freiwillige Leistungen, sondern das ist eine Bankrotterklärung, die Sie von den Kommunen erzwingen. Wenn Sie die ländlichen Räume stärken wollen, müssen Sie die Kommunen stärken.

(Beifall bei der SPD und der Linksfraktion)

Und Sie müssen vor allem den sozialen Zusammenhalt stärken. Das, was Sie jetzt mit der aktuellen Kürzungspolitik machen, ist, dass Sie genau diesen sozialen Kitt aus dieser Gesellschaft herauspuhlen.

(Beifall bei der SPD und der Linksfraktion)

Denn wenn Sie in der Jugendhilfe kürzen, trifft es den ländlichen Raum deutlich stärker im Gegensatz zu den Städten. Sprechen Sie also nicht von der Stärkung des ländlichen Raumes, wenn Ihre aktuelle Politik genau das Gegenteil macht!

Was ist denn nun mit den anderen Förderprogrammen? Was nützt mir ein gutes ILE-Programm, wenn andere gute Förderprogramme aus ideologischen Gründen beseitigt werden? Ich denke zum Beispiel an ein Programm, das wir als SPD in der letzten Koalition eingebracht haben, das Programm Regionales Wachstum. Dies war ein spezielles Förderprogramm für Klein- und Kleinstunternehmen, und zwar bewusst für diejenigen außerhalb der städtischen Zentren.