Protocol of the Session on May 20, 2010

Dann beginnen wir mit der zweiten Runde. Meine Frage an die SPD: Möchten Sie sprechen? – Herr Abg. Brangs, bitte.

(Zuruf von der CDU: Wie viele Minuten hast Du noch?)

Ich kann sofort sagen, wie viele Minuten ich noch habe: Ich habe noch 11 Minuten und 16 Sekunden Redezeit.

(Christian Piwarz, CDU: Das war die falsche Antwort!)

Das war genau die richtige, die trifft.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß bei dem einen oder anderen hier im Landtag nicht mehr, ob er die Realität der Menschen eigentlich noch zur Kenntnis nimmt.

(Beifall bei der SPD und bei der Linksfraktion)

Wenn ich mir hier Reden von Kolleginnen und Kollegen anhören muss, die vor Ort selbst mit dem Problem des Lohndumpings zu kämpfen haben, dann stimmt mich das nachdenklich. Ich beginne mit meinem geschätzten Kollegen Heidan. In Plauen gibt es die City-Post. Das ist ein Unternehmen, das privat Postbriefe verteilt. Wissen Sie, was dort ein Zusteller pro Brief bekommt? Er bekommt für einen Brief 3,6 Cent. Das halten Sie für angemessen? Das sind sozusagen die Bedingungen, die Sie für angemessen halten.

(Zuruf des Abg. Frank Heidan, CDU)

Wenn er 100 Briefe austrägt, dann hat er 3,60 Euro. Sie können mal mit ihm reden und ihn fragen, wie lange er braucht, um 100 Briefe auszutragen.

(Zurufe von der CDU)

Deshalb muss ich Ihnen sagen: Die Lebenswirklichkeit in diesem Land sieht völlig anders aus. Wenn Sie sich anschauen, wie viele Aufstocker Sachsen hat: 9 % aller Aufstocker in der Bundesrepublik Deutschland kommen aus Sachsen, obwohl der Bundesanteil nur 5 % beträgt. Das heißt, wir liegen über dem Bundesdurchschnitt, was die Aufstocker anbelangt.

Ich habe deshalb die christlichen Gewerkschaften angesprochen – ich habe nicht vom DGB gesprochen, sondern von den christlichen Gewerkschaften –, weil ihnen vor einiger Zeit die Tariffähigkeit aberkannt worden ist. Sie haben die Tariffähigkeit deshalb aberkannt bekommen, weil sie als Büttel der Unternehmer gehandelt, Pseudotarifverträge abgeschlossen und die Gerichte gefragt haben: Seid ihr überhaupt tariffähig? Auf diese Frage mussten sie sagen: Das sind wir eigentlich nicht. Daraufhin haben ihnen die Arbeitsgerichte in Berlin, in Osnabrück und anderswo die Tariffähigkeit aberkannt.

Jetzt ist es dazu gekommen, dass diese Zeitarbeitsfirmen in der letzter Nacht erneut mit den christlichen Gewerkschaften verhandelt haben. Um ihnen nachträglich ein wenig Unterstützung zukommen zu lassen, hat man jetzt darüber verhandelt, ob man sich 2011 nicht vorstellen könnte, über eine Erhöhung von 4,50 Euro auf 6,15 Euro zu sprechen. Das ist die Wirklichkeit.

Sie wollen mir doch nicht allen Ernstes erzählen, dass man von diesem Geld leben kann, wenn wir auf der anderen Seite davon sprechen, dass wir mindestens 8,50 Euro brauchen, damit keine weiteren Sozialleistungen des Staates in Anspruch genommen werden müssen und die Menschen von ihrer Arbeit auch leben können, ohne dass sie unter die Armutsgrenze fallen.

Man muss doch einfach zur Kenntnis nehmen, dass es zwischen dem, was Sie uns hier erzählen wollen, und dem, was draußen tatsächlich stattfindet, ein riesiger Unterschied besteht.

(Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Zu dieser Ehrlichkeit gehört aber auch Folgendes: Wenn Sie sich mit den Zeitarbeitnehmern unterhalten und diese fragen, wie viel sie bekommen, und Sie sich gleichzeitig mit den Arbeitgebern unterhalten, die ihnen dann sagen, dass sie an die Zeitarbeitsfirmen teilweise mehr zahlen als an ihre Beschäftigten, dann ist das schon sehr merkwürdig. Das heißt, es ist mittlerweile so, dass der Stundensatz eines Zeitarbeitnehmers gegenüber dem Betrieb, in den er entliehen wird, teilweise höher ist als der, den das Unternehmen zahlen würde, wenn es eine Stammbelegschaft hätte. Warum machen sie das?

(Zuruf des Staatsminister Sven Morlok)

Ich kann Ihnen sagen, warum sie das machen. Sie machen es deshalb, weil es darum geht, Arbeitnehmerrechte zu umgehen, weil es darum geht, Betriebsräte außer Kraft zu

setzen, weil es darum geht, Tarifverträge zu unterlaufen, und weil es um Ausbeutung geht.

(Beifall bei der SPD und der Linksfraktion)

Es geht um die Ausbeutung von arbeitenden Menschen in diesem Land! Sie tun so, als gäbe es dies in Sachsen alles nicht und jeder solle doch froh sein, wenn er arbeiten könne.

Ich sage es Ihnen noch einmal von diesem Pult aus: Es geht nicht darum, dass alles gut ist, was Arbeit schafft, sondern es geht darum, dass nur das gut ist, was Arbeit schafft und wovon die Menschen auch leben können. Das ist der große Unterschied.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Brangs. Ich frage die CDU-Fraktion. – Herr Abg. Heidan, Sie wünschen das Wort; bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Brangs, Sie hatten soeben das Beispiel City-Post aus Plauen mit den 3 Cent pro Brief genannt. Ich frage mich, was das mit der Zeitarbeit zu tun hat. Das frage ich ernsthaft.

(Heiterkeit bei der SPD und der Linksfraktion)

Das hat doch eine ganz andere Regelung zum Inhalt. Sie haben soeben kritisiert, dass Tarifverträge normalerweise mit 8 oder 9 Euro verhandelt werden müssten, wenn ich das Ihren Worten richtig entnommen habe. Dann erklären Sie mir doch bitte, warum ausgerechnet der DGB diese unterschiedlichen Tarifverträge für die östlichen und westlichen Bundesländer ausgehandelt hat,

(Karl-Friedrich Zais, Linksfraktion: Da haben Sie recht!)

in denen 8 oder 9 Euro in der Form nicht vorkommen. Ich habe Ihnen vorhin gesagt, auf welche Höhe sich gerade der DGB verständigt hat. Das muss doch Ursachen haben, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf des Abg. Thomas Jurk, SPD)

Ich möchte auf die viel zitierten schwarzen Schafe zurückkommen. Das haben Sie, Herr Brangs, in Ihren Ausführungen und Sie von der NPD hier am Pult gesagt.

(Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Sie machen exemplarisch mit denjenigen, die sich hier danebenbenommen haben – das gilt es in aller Weise zu verurteilen –,

(Beifall bei der CDU und der FDP und des Staatsministers Sven Morlok)

eine gesamte Branche kaputt. Eine gesamte Branche verunglimpfen Sie mit diesen schlechten Beispielen. Wir

wollen uns nicht an den schlechten Beispielen ausrichten, sondern wir wollen die guten Beispiele nennen.

(Thomas Kind, Linksfraktion: Nennen Sie doch gute Beispiele! Wo sind sie denn?)

Gute Beispiele gibt es. Ich kann aber aus Gründen der Wettbewerbsfähigkeit keine

(Heiterkeit bei der SPD)

Namen sagen.

(Andreas Storr, NPD: Gute Ausrede! – Holger Apfel, NPD: Schlechte Ausrede! – Alexander Delle, NPD: Sagen Sie es im Wirtschaftsausschuss!)

Dort mache ich das gern. Ich kann Ihnen die Firmen durchaus benennen. Es gehört sich nicht für dieses Haus, dass man die Unternehmen, die erfolgreich und gut sind, hier namentlich benennt.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Andreas Storr, NPD: Keiner kennt die guten Beispiele!)

Herr Kind, Sie berichteten davon, dass in den Sechzigerjahren unter Ludwig Erhard mehr Dauerbeschäftigung durchaus der Fall war und dass man diese Regelungen noch nicht kannte.

(Thomas Kind, Linksfraktion: Das war verboten!)

Das ist richtig. Aber die Zeiten haben sich grundlegend geändert. Das liegt an der – –

(Zurufe von der Linksfraktion)