Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie können sich darauf verlassen, dass FDP und CDU genau darauf achten werden, dass künftig beim Mitwirkungsentzug mit Augenmaß und der nötigen Sachkompetenz vorgegangen wird und wir die Folgen des demografischen Wandels in
Ich danke Ihnen, Herr Bläsner. – Meine Damen und Herren! Nun hat die Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN die Gelegenheit zur Stellungnahme. Bitte, Frau Abg. Giegengack.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muss mich aus Zeitgründen etwas kurz fassen. Außerdem sind die Debatten über den Erhalt wohnortnaher Schulen im vergangenen Jahr schon umfangreich geführt worden. Es ist auch kein Geheimnis, dass meine Fraktion grundsätzlich für den Erhalt wohnortnaher Schulen mit allen Konsequenzen eintritt, die kleine wohnortnahe Schulen nach sich ziehen, zum Beispiel auch in Bezug auf das beschränkte Angebot, weil wir glauben, dass viele Eltern dies auch wünschen. Die zwei Listen, die vom Staatsminister ausgeteilt worden sind, sind für uns Anlass, hier tätig zu werden, und nicht Grund.
Mehrmals wurde in diesem Hause darauf hingewiesen, dass auch der Minister an Recht und Gesetz gebunden ist und nicht nach Gutdünken Schulen erhalten und schließen kann. Das befürworten wir natürlich und haben deshalb im Dezember 2005 einen eigenen Schulgesetzentwurf eingebracht, der die Rechtsverbindlichkeit für den Erhalt wohnortnaher Schulen hergestellt hätte, wenn er angenommen worden wäre. Mit diesem Entwurf konnten wir damals sogar Staatsminister Flath zu anerkennenden Worten verleiten, auch wenn er die Änderungen natürlich grundsätzlich abgelehnt hat.
Diese Konsequenz ist nun auch Anliegen unseres heutigen Änderungsantrages. Wir befürworten die Vorschläge der SPD-Fraktion und wollen dem Minister aber auch die Grundlage bieten, in diesem Sinne zu entscheiden und zu handeln. Deshalb fordern wir die Einarbeitung dieser Punkte in das Schulgesetz. Zulässige Abweichungen von Mindestschülerzahlen, Klassenobergrenzen und Zügigkeiten müssen festgeschrieben sein, um Handlungssicherheit und Rechtsverbindlichkeit herzustellen und dass wir nicht auf die Ausnutzung des Ermessensspielraumes durch den Minister angewiesen sind. Die Ausnahmeregelungen sind auch von Herrn Colditz noch einmal angesprochen worden.
Herr Bläsner, Sie haben die SPD an ihr Verhalten in der 4. Legislatur erinnert und gesagt, dass Sie sich das alles einmal angesehen hätten. Vielleicht sind Sie dabei auch auf Ihren eigenen Antrag vom November 2005 gestoßen. Dort hatten Sie ja gefordert, konsequent in der Schulnetzplanungsverordnung genau diese Ausnahmeregelung konkret aufzunehmen, um Rechtssicherheit herzustellen.
Sie haben heute die Gelegenheit, diesem Antrag, der damals abgelehnt worden ist, zuzustimmen und zu einer Mehrheit zu verhelfen.
Vielen Dank, Frau Giegengack. – Die Fraktion der NPD ist an der Reihe; Frau Abg. Schüßler, Sie haben das Wort.
Danke, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Antragsthema „Wohnortnahe Schulen für alle sichern“ kann sich auf den ersten Blick kaum jemand entziehen. Ausgeschlafene Kinder, die sich fröhlich auf den Weg machen, um ihre Schule zu Fuß zu erreichen, sind allerdings eher ein Motiv romantischer Erinnerungen als Realität. Die Tendenz zu immer längeren Schulwegen ist seit 20 Jahren ungebrochen und es sieht auch nicht danach aus, als würde sich in absehbarer Zeit etwas daran ändern.
Der vorliegende Antrag versucht nun mit einigen Vorschlägen die wohnortnahe Schule zu sichern. Die einzelnen Antragspunkte waren übrigens allesamt schon früher in der Diskussion; wir haben es also hier mit einem gesammelten Werk zu tun.
Vorgeschlagen wird zum Beispiel, Mittelschulen auch einzügig und Gymnasien zweizügig zuzulassen. Weiterhin sollen Schulverbünde, Schulen mit mehreren Standorten und Grundschulen bei Jahrgangsmischung mit Schülerzahlen auch unter 60 Schülern regulär zugelassen werden. Das ist laut Sächsischem Schulgesetz bereits möglich, scheitert jedoch meist an fehlendem Personal oder Raumkapazitäten.
Dies wiederum ist Ergebnis einer Bildungsplanung, deren Fehler sich Jahr für Jahr stärker ausprägen. Die Ursache, nämlich die verheerende demografische Entwicklung, wurde lange verdrängt bzw. nicht berücksichtigt. Dazu hat auch die einstige Regierungspartei SPD nicht unwesentlich beigetragen.
Eine Jahrgangsmischung auch an weiterführenden Schulen zu ermöglichen heißt nichts anderes als die Zwergschulen längst vergangener Zeiten neu zu beleben oder Gemeinschaftsschulen zu schaffen.
Aber hat man überhaupt die Konsequenzen bedacht? Diese Konsequenzen werden in der Stellungnahme der Staatsregierung ausführlich erläutert und ich kann mir nicht vorstellen, dass die Bildungspolitiker gerade der SPD nicht so weit denken konnten: Ärger mit der KMK, ungenügende individuelle Förderung der Schüler, was wiederum die Durchlässigkeit in Richtung Gymnasium ausbremsen würde, um nur einige Stichworte zu nennen.
Die beantragte Senkung der Klassenrichtwerte scheint in Anbetracht des derzeitigen Personalüberhangs an den Schulen eine realistische Forderung zu sein; aber auch hier dürfte klar sein, dass der Staatsregierung die Kassenlage als Gegenargument dienen wird. Der unmittelbar bevorstehende Personalmangel an sächsischen Schulen wird sehr bald eine Entwicklung der Richtwerte nach oben oder Stundenausfälle oder beides zusammen brin
Im letzten Antragspunkt fordert man ein Konzept für die wohnortnahe sonderpädagogische Förderung. Dahinter stecken das ebenso realitätsferne wie leistungsfeindliche Konzept der sogenannten inklusiven Schulbildung und damit der ohne Gedanken an die Folgen von Bundespolitikern ratifizierte Artikel 24 der UN-Konvention. Was vorgeblich im Interesse der Rechte von Menschen mit Behinderungen wirken soll, wird sich letztlich gegen die Interessen aller Schüler richten. Damit würden in letzter Konsequenz nicht mehr Schulen erhalten, sondern geschlossen werden.
Auch wenn es Bildungspolitiker aller Parteien nicht wünschen und am liebsten verdrängen würden: Die sich stetig verschlechternde Kassenlage wird in absehbarer Zeit nicht zu wirklichen Fortschritten im Bildungsbereich führen, und deshalb, so wünschenswert die im Antrag formulierten Ziele auch sein mögen – realistisch sind sie nicht.
Meine Damen und Herren, die erste Runde ist beendet. Es besteht der Wunsch nach einer zweiten Runde. Ich frage die CDU. – DIE LINKE? – Frau Abg. Klepsch, bitte; Sie haben das Wort.
Vielen Dank. – Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! „In Kombination mit der wirtschaftlichen Schwäche und einem massiven Mangel an Arbeitsplätzen verstärken sich in einem Kreislauf Ursache und Wirkung. Besonders im ländlichen Raum Ostdeutschlands verarmen die kleinen und mittleren Städte und Kommunen, sodass öffentliche Infrastruktur, die nicht von der Europäischen Union bezahlt wird, zurückgebaut wird. Viele Menschen verlassen ihre Heimatstädte, um an anderen Orten zu arbeiten oder eine Ausbildung zu absolvieren.
Zurück bleiben weitgehend marginalisierte Regionen, in denen Kitas, Schulen und Krankenhäuser geschlossen werden, der öffentliche Nahverkehr eingestellt oder auf die Schulbusse beschränkt wird und die im besten Fall aufwendig sanierten Innenstädte leer stehen.
Was der Rückzug des Staates bei gleichzeitiger Veränderung des sozialen Gefüges im schlimmsten Fall bedeuten kann, wird nicht nur mit dem Einzug der NPD in Landesparlamente sichtbar, sondern auch mit der wachsenden Verankerung der Rechten an der sogenannten Basis der Bevölkerung. Während die Neonazis öffentlich die Verschlechterung der Zustände anprangern, unterbreiten sie gleichzeitig auf zivilgesellschaftlicher Ebene Angebote, die Leerstellen füllen.“ – Ende des Zitates der Kulturwissenschaftlerin Kristina Volke.
Die von der Staatsregierung eingesetzte EnqueteKommission Demografie kam 2008 zu folgendem Schluss: „Der drastische Rückgang der Geburtenzahlen in der Wendezeit hat deutlich zu kleineren Schülerjahrgängen geführt. Die Gesamtzahl der Schüler an allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen in öffentlicher und freier Trägerschaft betrug im Schuljahr 1992/1993 noch 739 860 Schüler. Bis zum Schuljahr 2012/2013 wird die Schülerzahl auf etwa 396 300 zurückgehen, um dann bis 2020/2021 mit etwa 411 300 relativ stabil zu bleiben.“
„Wenn die stark geschrumpften Jahrgänge der Wendezeit selbst Eltern werden, ist nach 2020 mit einem neuerlichen Rückgang in den Eingangsklassen zu rechnen.“ – So das Sächsische Staatsministerium für Kultus im Jahr 2006. Waren es im Schuljahr 1992/1993 noch 2 325 allgemeinbildende Schulen und Schulen des zweiten Bildungsweges in Sachsen, belief sich deren Zahl im Jahr 2007/2008 nur noch auf 1 508 Schulen.“
Die Enquete-Kommission Demografie stellte weiter fest: „Zugleich aber führte der Schülerrückgang dazu, dass das Schulnetz vor allem in ländlichen Regionen sowohl im Primar- als auch später im Sekundarbereich ausgedünnt wurde. Seit dem Schuljahr 1992/1993 mit einem Bestand von 2 299 allgemeinbildenden Schulen wurden 811 dieser Schulen geschlossen. Der Bestand an Grundschulen verringerte sich um 33 %, der Mittelschulen um 47 % und der der Gymnasien um 24 %.“
In der Folge des Schülerrückganges kam es so zu spezifischen Benachteiligungen zwischen Stadt und Land. Die städtischen Räume waren und sind gekennzeichnet durch die Bildung größerer Klassen zur Kompensation kleiner Klassen im ländlichen Raum. In den ländlichen Regionen wiederum kam es mit den Schulschließungen zur Verlängerung der Schulwege und einer gestiegenen Wohnortferne der Beschulung, wie wir schon gehört haben.
Ich will noch auf einen anderen Aspekt eingehen: „Mit der Schließung der Schule verloren viele Orte im ländlichen Raum ein wichtiges soziokulturelles Zentrum. In der Folge verlieren diese Orte für ihre Jugend einen Teil ihrer Funktion als Lebensraum mit der Folge, dass die regionalen und lokalen Bindungen junger Menschen schwächer werden. Das ist vor allem für Regionen mit hohen Abwanderungsraten junger Menschen prekär.“
Was passiert denn nun? Ich zitiere weiter: „In der Folge von Schulschließungen, die gegen den Willen der kommunalen Träger oder der kommunalen Öffentlichkeit erfolgten, kam es zum Teil zu Initiativen zur Fortsetzung der kommunalen Schule in freier Trägerschaft. So wurden seit 1992 insgesamt 52 Grundschulen, 45 Mittelschulen und 21 Gymnasien in freier Trägerschaft gegründet mit deutlichen Schwerpunkten in Zeiten gehäufter Schulschließungen öffentlicher Schulen gleicher Art.
Die in freier Trägerschaft fortgeführten Schulstandorte haben inzwischen vielfach nachgewiesen, dass es praktische Alternativen zu den staatlichen Strukturvorgaben gibt. Freie Träger nutzen Potenziale, wie sie auch in vergleichbaren europäischen Regionen mit dünner
Besiedelung und effektiven Schulsystemen“ – schauen Sie nach Nordskandinavien oder in die Alpentäler – „genutzt werden.“
„Allerdings führte das Anwachsen der Zahl freier Träger im allgemeinbildenden Bereich auch dazu, dass die Kosten für die Beschulung infolge des Schülerrückganges weiter stiegen. Die Mittelschulen umfassen heute im Durchschnitt schon ein Gebiet von etwa 15 000 Einwohnern und führen damit vor allem in dünn besiedelten Räumen zu verlängerten Schulwegen und Problemen bei der Schülerbeförderung. Mit dem neuerlichen Schülerrückgang ab 2020 und der andauernden Tendenz der Schulwahlen werden die Mittelschulen im ländlichen Raum weitgehend ausgedünnt. Das hat Konsequenzen für die weitere Entwicklung der Regionen und Kommunen, da sich der Verlust des schulischen Angebotes zu einem Standortnachteil für die Regionen entwickelt.“ – So weit der Demografiebericht des Landes 2008.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP-Fraktion, hinsichtlich der Regierungsverantwortung in Ihrer Kritik an der SPD habe ich auch noch etwas für Sie: Der Kollege Torsten Herbst von der FDP machte in seinem Minderheitenvotum im Abschnitt „Empfehlungen für die vorschulische, schulische und berufliche Bildung in Sachsen“ im Bericht der Enquete-Kommission Demografie konkrete Vorschläge für die Bildungspolitik und kann diese nun in Regierungsverantwortung in die konkrete Tat umsetzen. – Herr Herbst, ich hoffe auf Sie.
Ich zitiere: „Abnehmende Schülerzahlen und ein zugleich steigender Fachkräftebedarf stellen die sächsische Bildungslandschaft vor völlig neue Herausforderungen. Starre organisatorische Vorgaben von der Landesebene und die Trennung von Personalverantwortung und Schulträgerschaft verschärfen die Probleme der schulischen Bildung im ländlichen Raum. Sie sind nicht geeignet, den Folgen des demografischen Wandels zu begegnen. Mehr Eigenverantwortung der Schulen und eine Bündelung der Kompetenzen auf kommunaler Ebene sind erforderlich, um effiziente und qualitativ gute Angebote zu erhalten. Die kommunale Verantwortung aus einer Hand für die Bereiche Kindertagesstätten, Jugendsozialarbeit und Schulen schafft die Voraussetzungen, systematisch die Betreuungs- und Bildungsqualität zu verbessern.“
Achtung, jetzt kommt es: „Auch die bisherige starre Trennung der Schüler nach Klasse 4 soll flexibleren Modellen weichen.“
„Schulen mit längerem gemeinsamem Lernen können dazu beitragen, auch bei sinkenden Schülerzahlen stabile Strukturen im ländlichen Raum zu erreichen.“
(Beifall bei der Linksfraktion und des Abg. Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, GRÜNE – Holger Zastrow, FDP: Machen wir doch! Kein Dissens! Das ist der Koalitionsvertrag!)
Der Sächsische Landkreistag beschäftigte sich im Herbst 2009 selbstverständlich auch mit dem Thema „Schulen im ländlichen Raum“ und formulierte Erwartungen an die neue schwarz-gelbe Koalition in Sachsen – ich zitiere, vor allen Dingen für den Kultusminister –:
„Die Stärkung des ländlichen Raumes muss in der nächsten Legislaturperiode neben der Arbeits- und Wirtschaftspolitik die zentrale politische Aufgabe von Landtag und Staatsregierung sein … Auf der Grundlage einer grundsätzlich dezentralen Umsetzungsverantwortung sowie einer regionalen Budgetverantwortung sind … Mindeststandards der Daseinsvorsorge als Rahmensetzung zu definieren. Erforderlich sind wohnortnahe Kindertageseinrichtungen und Schulen, … eine gute Verkehrsanbindung, ein attraktives ÖPNV-Angebot … Damit die Schulnetzplanung ein wichtiges Instrument zur Gewährleistung einer guten, wohnortnahen Beschulung im ländlichen Raum bleibt, ist es unumgänglich, diese mit einem hohen Grad an Verbindlichkeit für alle Politik- und Verwaltungsbereiche auszugestalten … Die Landkreise sehen in der Schulnetzplanung ein wichtiges Instrument zur Absicherung einer ausgewogenen, wohnortnahen Beschulung gerade auch im ländlichen Raum … Das öffentliche Schulnetz als Rückgrat der Schullandschaft Sachsens ist zu stärken und weiter zu entwickeln.“
„Dies gilt insbesondere mit Blick auf den entstandenen Wettbewerb zwischen freien und privaten Schulen, gerade im Mittelschulbereich.“