Die Bildungsarbeit ist neben der Beratungstätigkeit das Hauptaufgabenfeld, und mit viel Kreativität, Engagement und ehrenamtlicher Unterstützung wird dieser Bereich trotz der genannten Engpässe immer mehr ausgeweitet; und Herr Prof. Besier, ich halte das für richtig und für wichtig.
Ich möchte zum Schluss noch einige Bemerkungen zu einem Anhang des Berichtes machen, der kennzeichnend für das umfassend weitsichtige Denken und Arbeiten der Behörde ist. In dem Artikel „Isolierte Aufarbeitung“ setzt sich Michael Beleites mit der bundesdeutschen und speziell der sächsischen Erinnerungskultur auseinander. Nun teile ich zwar nicht alle Thesen und Argumente, die in diesem intelligenten Beitrag geäußert werden, aber die dort aufgegriffene Diskussion ist meiner Meinung nach wichtig für die sächsische Erinnerungspolitik. Es geht um die Möglichkeit, getrennte Erinnerungskulturen zusammenzuführen, ohne die grundlegenden Unterschiede zwischen der nationalsozialistischen Diktatur und dem SED-Herrschaftssystem zu verwischen. Dieser kategorische Unterschied darf nicht zur Debatte stehen. Aber gibt es auf dieser Basis Wege, die zweigleisige Diktaturaufarbeitung zusammenzuführen? Was spricht dagegen? Was spricht dafür?
Wir müssen uns dieser Debatte stellen angesichts des Bruches in der Erinnerungskultur durch den Wegfall einer ganzen Erfahrungsgeneration, angesichts der Zustände in unserer Gedenkstättenstiftung und angesichts der Aufgaben der historisch-politischen Bildung. Wir müssen uns der Debatte stellen, um den Missbrauch oder, wie Herr Beleites sagt, die „ideologische Instrumentalisierung von Opfergruppen“ nicht zuzulassen. Für die sächsische Erinnerungslandschaft heißt dies: Befürchtungen, Kränkungen, Missverständnisse, Erwartungen und Enttäuschungen müssen von allen Seiten ehrlich aufgearbeitet werden.
Ein Beitrag dazu könnte es sein, wenn sich SMWK, Opferverbände, Fördervereine, die Stiftung Sächsische
Gedenkstätten und auch Wissenschaftler zu einem neutral moderierten Gespräch zusammenfinden und offen und ergebnisorientiert diskutieren würden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere Fraktion nimmt den vorliegenden Tätigkeitsbericht zustimmend zur Kenntnis. Dem Landesbeauftragten und seiner kleinen Mannschaft wünschen wir viel Erfolg bei seiner Arbeit. Wir halten diese Arbeit – im Gegensatz zur Linksfraktion – für unverzichtbar, und ich darf Ihnen wie bisher unsere Unterstützung dabei zusichern.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der jährliche Bericht des Sächsischen Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR zeigt immer wieder aufs Neue, dass die Beschäftigung mit den illegitimen und unmenschlichen Praktiken der kommunistischen Diktatur schon deswegen notwendig ist, weil deren Täter, Handlanger und Verharmloser auch heute noch in den Parlamenten der BRD sitzen – nicht zuletzt hier im Sächsischen Landtag. Alle anderen Parteien machen sich der Verharmlosung mitschuldig, da sie die SED/PDS/Linke in ihren demokratischen Konsensbereich aufgenommen haben. Dies ist allerdings umso weniger verwunderlich, als der Begriff „demokratisch“ der meistmissbrauchte und inhaltsleerste politische Kampfbegriff der Neuzeit ist. Die DDR nannte sich genauso demokratisch wie die Demokratische Republik Kongo und andere Blutregimes.
Die NPD begrüßt, dass der Beratung von Bürgern, die Einblick in die über sie angefertigten Stasi-Unterlagen einfordern, auch im vergangenen Berichtsjahr angemessener Raum eingeräumt wurde. Positiv ist auch, wie unkompliziert und für die Antragsteller hilfreich sich die Kooperation mit der Bundesbeauftragten für die StasiUnterlagen darstellt.
Ebenso positiv ist die Tatsache herauszustreichen, dass diese kleine Behörde mithilfe Externer in kleineren Städten des Freistaates Beratungsgespräche vor Ort anbietet. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Begründung für die steigende Zahl von Antragstellungen auf Akteneinsicht, die vom Landesbeauftragten auf das – Zitat – „stark gestiegene Interesse an Fragen der Überwachung und Repression“ zurückgeführt wird. Ich glaube nicht, dass dieses verstärkte Interesse an Überwachung und Repression allein historische Wurzeln hat. Ich bin der Überzeugung, dass inzwischen viele Sachsen den damaligen Unrechtsstaat von Erich Mielke mit dem heutigen, viel perfekteren Überwachungsstaat des Dr. Schäuble bzw. des Dr. de Maizière vergleichen.
Was die Repression betrifft, so sollten die Demokraten von CDU, FDP, SPD und GRÜNEN verschämt das Haupt senken; denn in den letzten zehn Jahren wurden in der BRD circa 100 000 Personen nur wegen Meinungsdelikten von Gerichten im Namen des Volkes, aber nicht im Namen des deutschen Volkes, verurteilt.
Auch in der juristischen Hochschulausbildung ließe sich das Thema „Die Rolle der Justiz in der DDR“ problemlos, dafür aber erkenntnistheoretisch wesentlich ertragreicher auf die Rolle der Justiz in der BRD ausweiten. In dieser Hinsicht würde sich also für den Stasi-Beauftragten ein weites, viel aktuelleres Betätigungsfeld eröffnen. Vielleicht wäre es dann auch einfacher, Jugendliche für die Arbeit des Stasi-Beauftragten zu interessieren; denn gerade die Bereitschaft der Lehrer zu freiwilligen Fortbildungsmaßnahmen lässt ja dem Bericht zufolge inzwischen sehr zu wünschen übrig.
Mit Interesse hat die NPD-Fraktion ebenfalls gelesen, dass neuerdings viele Bürger, deren politisch begründete Haftstrafen noch nicht rehabilitiert wurden, Beratung suchen – dies zum einen wegen einer rechtlichen Rehabilitierung, zum anderen wegen einer ihnen zustehenden Opferrente.
Auch die von Ihnen angesprochenen Schülerprojekte, hier zum Beispiel die quellenkritischen Arbeiten an einem deutsch-deutschen Zeitungsvergleich unter dem Titel „Zwischen Wahrheit, Fiktion und Manipulation“, ließen sich beispielsweise anhand der „Sächsischen Zeitung“ mühelos bis in unsere Tage verfolgen; denn nicht nur in der DDR hat man sich Wahrheit und Tatsachen zurechtgebogen und -gelogen.
Traurig ist, dass vonseiten der Lehrer kaum Interesse an der Einbeziehung von Zeitzeugen des kommunistischen Unrechts- und Gewaltsystems in den Unterricht besteht. Aber das kann auch gut daran liegen, dass die für diese Art der lebendigen Geschichtsdarstellung vorgesehenen Lehreinheiten bereits zu 100 % mit den Überlebenden des Holocaust besetzt werden.
Insgesamt aber erachtet die NPD die Rolle des StasiBeauftragten – auch in der jetzigen Beschränkung – für so wichtig, dass sie die bisherigen vier Stellen gern verdoppeln würde. Um dennoch zu einem ausgeglichenen Haushalt zu gelangen, könnte man getrost vier Stellen in den zahllosen und kaum mehr überschaubaren HolocaustEinrichtungen einsparen.
mich natürlich denjenigen meiner Vorredner an, die den Dank an den Landesbeauftragten vorgetragen haben. Ich freue mich, dass Michael Beleites trotz geringer Möglichkeiten dennoch viel für die Aufarbeitung, viel für das, was uns politisch am Herzen liegt, getan hat. Dafür danke ich Ihnen, Herr Michael Beleites, Ihren Mitarbeitern und natürlich auch den Opferverbänden, die Sie begleiten.
Zu dem vorliegenden Bericht, der von uns im Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss diskutiert worden ist, hätte ich mir gewünscht, dass diejenigen, die sich heute zu Wort melden, die Möglichkeit der Ausschussdebatte genutzt hätten, damit wir vielleicht auch bessere Wege gesucht hätten. Ich freue mich, dass Herr Michael Beleites aber auch eine Informationsreihe weitergeführt hat, die lesenswert ist, aber vielleicht weniger zur Kenntnis genommen wird. Ich habe zum Beispiel zur Kenntnis genommen, dass sich Frau Gisela Kallenbach nach der Schriftenreihe Nummer 10 vor 1989 für viele Themen engagiert hat, und dafür danke ich Herrn Beleites ganz besonders.
Ich möchte einer Sache entgegenwirken: Wir haben die Präambel der Sächsischen Verfassung gemeinsam im Hohen Hause während der Verfassungsdiskussion erarbeitet. Sie lautet: „... ausgehend von den leidvollen Erfahrungen nationalsozialistischer und kommunistischer Gewaltherrschaft, eingedenk eigener Schuld...“ Auch die eigene Schuld bei diesen Diktaturen ist kein Beleg dafür, dass wir diese Diktaturen gleichsetzen, so wie es oft in linken Organen und Pressemitteilungen dargestellt wird, dass wir aber beide Diktaturen gleichsam entschieden ablehnen.
Wir stehen in Verantwortung für die Opfer, die – nicht nur in Haftanstalten – ihr Leben, ihre Jugend oder auch später ihre berufliche Karriere verloren haben. Deshalb müssen wir dagegen vorgehen, dass die Verklärung der Geschichte von 1946 bis zur Friedlichen Revolution so weitergeführt wird.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute ist ein Tag, an den ich besonders in der Verantwortung als Bautzener erinnern möchte.
1950 fand in Bautzen der größte Häftlingsaufstand der ehemaligen DDR statt – der größte, das betone ich –, bei dem die russischen Bewacher durch die Volkspolizisten ersetzt worden sind, die ein viel härteres, ein unmenschlicheres Regime aufgebaut haben mit Folter, Gummiknüppeln und Reduzierung der Essenrationen.
Ich bitte darum, dass auch dieses Thema nicht vergessen wird, und bitte gleichsam darum, dass wir bei den 80 Millionen Mark, die der SED in der Schweiz entrissen worden sind, auch an die Opfer denken und eine höhere Summe für die Opferarbeit im Freistaat Sachsen bereitstellen.
Wird von den Fraktionen noch weiter das Wort gewünscht? – Dann frage ich die Staatsregierung: Wird von Ihnen das Wort gewünscht? – Bitte sehr, Herr Staatsminister Dr. Martens.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Auseinandersetzung mit den Mechanismen der SED-Diktatur und den Folgen für die Betroffenen sowie die Überwindung der staatlichen Unterdrückung durch die Friedliche Revolution 1989 schärfen zweifelsfrei das Bewusstsein für die Demokratie, für die gewonnene Freiheit und den Rechtsstaat.
Die kritische Auseinandersetzung mit unserer jüngsten Geschichte wirkt auch einer Verklärung der DDR – gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten – entgegen. Die von Ihnen, Herrn Prof. Besier, befürchtete legendarische Überhöhung durch die Tätigkeit des Beauftragten vermag ich nicht zu erkennen, handelt es sich doch bei dieser Befürchtung wohl eher um das ständige Petitum der Apologeten des Betrachtungsgegenstandes,
denen eine Historisierung, schlimmer noch, vielleicht manchmal eine Verdrängung oder Relativierung lieber ist als die Aufarbeitung der kommunistischen Diktatur selbst. Das entwertet zum Teil auch die durchaus überlegenswerten funktions- und organisationskritischen Ausführungen, die Sie gemacht haben.
Meine Damen und Herren! Die Staatsregierung begrüßt und unterstützt ausdrücklich die Aufklärungsarbeit des Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der DDR. Die SED-Diktatur – das muss auch gesagt werden – lässt sich nicht allein auf den Unterdrückungsapparat des MfS reduzieren. Diese Diktatur scheiterte insgesamt an der Unterdrückung der eigenen Bürger durch vielfältige Mechanismen. Die Planwirtschaft bewirkte wirtschaftlichen Verfall und verursachte erhebliche Umweltschäden. Erschreckenderweise droht
bereits 20 Jahre nach der Friedlichen Revolution eine Verklärung der DDR-Diktatur zum „Kuschelstaat“.
Eine Studie der Freien Universität Berlin ergab, dass die gesamtdeutsche Bevölkerung heute oft nur noch wenig über die Entwicklung der DDR weiß. Ein Schwerpunkt der Arbeit des Landesbeauftragten lag und liegt deshalb in der Bildungs- und Aufklärungsarbeit. Die Arbeit stand im Jahr 2009 im Zeichen des 20-jährigen Jubiläums der Friedlichen Revolution. Mit der Wanderausstellung „1989 (Unser Aufbruch) 2009“ erreichte die Behörde viele Menschen aus unterschiedlichen Regionen. Die Ausstellung war ab Mai 2009 in vielen Städten in ganz Sachsen, aber auch in Berlin zu sehen. Mit dieser „Tour der anderen Art“ wurde Geschichte zum Anfassen präsentiert. In fünf Multimediastationen kamen 40 Zeitzeugen zu Wort. Ihre persönliche Sichtweise und die bisher noch zum Teil unveröffentlichten Materialien vermittelten gerade jungen Leuten einen authentischen Eindruck von der damaligen Atmosphäre, die viele, so scheint es, heute schon vergessen haben.
Der Bildungs- und Erziehungsauftrag des Freistaates Sachsen gebietet es, die Erinnerung an das geschehene Unrecht und die Opfer der SED-Diktatur aufrechtzuerhalten sowie die Grundwerte einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung an unsere Schüler weiterzuvermitteln. Politik und Geschichte sind für diese Altersgruppe nicht gerade populäre Themen, umso wichtiger ist es, bei der Vermittlung dieses Wissens neue Wege zu beschreiten.
Die Idee, junge Leute über einen medialen Zugang direkt in die Ereignisse des Wendeherbstes ’89 eintauchen zu lassen, unterstützt die Staatsregierung daher ausdrücklich. Zusammen mit Dramaturgen entwickelte der Landesbeauftragte das Theaterstück „Alles auf Hoffnung“, das anschließend von Dresdner und Leipziger Schauspielern in Szene gesetzt wurde. Die Lehrpläne aller Schularten des Freistaates enthalten bereits die Wissensvermittlung über die Geschichte der DDR; aber das Theaterprojekt kann das erlernte Wissen auch plastisch darstellen. Entsprechend positiv ist die Resonanz von Geschichtslehrern und Schülern.
Der Landesbeauftragte ist mit dieser Arbeit ein wichtiges Bindeglied zwischen Schule, Sozialarbeitern und Zeitzeugen. Neben den bereits erwähnten Ausstellungen und Theaterprojekten sind es gerade auch die authentischen Berichte der Opfer der DDR-Diktatur, die junge Leute zum Nachdenken über das Unrechtsregime anregen können.