Sie ziehen das Schwert der Kündigung. Diese Drohung wird dieses Mal bei den Lehrerinnen und Lehrern nicht fruchten. Denn jetzt sehen die Lehrerinnen und Lehrer, dass sie zwar weniger bezahlt bekommen und weniger Stunden haben, aber wesentlich mehr arbeiten. Herr Haubitz hat das gestern in seinem Redebeitrag vor dem Kultus- und dem Finanzministerium ziemlich deutlich auf den Punkt gebracht. Er hat gesagt: „Billige Lehrer für
Herr Wöller, wenn Sie in der Zeitung davon sprechen, dass Sie die Stellen für den Unterricht benötigen, dann machen Sie aus den Lehrerinnen und Lehrern im Freistaat Sachsen Stundenhalter und keine Pädagogen. Das geht uns eindeutig zu weit!
Sie haben auch behauptet, dass es im Freistaat Sachsen im Lehrerbereich keine Kündigungen gegeben hat. Sie waren das nicht, das waren Ihre Vorgänger. Aber der Wahrheit wegen muss man es hier im Hohen Hause noch einmal sagen, und Herr Colditz wird sich daran erinnern: Im Freistaat Sachsen sind circa 120 Lehrer gekündigt worden, und zwar im Rahmen der Teilzeitvereinbarung der Grundschullehrer, weil sie aus sozialen Gründen nicht bereit waren, diese Teilzeitvereinbarung, die herunterging bis auf 57 %, zu unterschreiben. Denen hat der Freistaat einfach gekündigt, und zwar komplett. Über die GEW haben diese Kollegen sich – übrigens auch komplett – wieder eingeklagt und hatten dann eine Vollbeschäftigung. So viel zu Ihren Kündigungsandrohungen und dem, was davon übrig bleiben wird.
Ich möchte noch eine weitere Lüge, die im Freistaat existiert, aufdecken. In den Medien steht – beruhend auf Angaben aus dem Finanz- oder dem Kultusministerium –, dass ein Lehrer in Sachsen 96 000 Euro verdient. Ich frage Sie: Woher haben Sie diese Zahl?
Selbst mit dem Arbeitgeberanteil müssen Sie mindestens ein Drittel abziehen, wenn nicht wesentlich mehr. Das ist in meinen Augen eine Verdummung der Bevölkerung hier im Freistaat Sachsen.
Sie haben durch die Lehrerinnen und Lehrer einen wunderschönen, hervorragenden Kompromiss. Wo hat ein Arbeitgeber schon mal die Möglichkeit, dass die Beschäftigten freiwillig sagen, sie wollen zu 49 % der Beschäftigten, die das betrifft, nur noch in Teilzeit arbeiten?
Welche Chance haben Sie hier eigentlich? Sie haben die Möglichkeit, dieses Angebot der Lehrerinnen und Lehrer im Freistaat Sachsen anzunehmen, ohne großes Theater, ohne Verunsicherung, ohne Angst, ohne irgendwelche Probleme, und vielleicht können Sie sogar Vertrauen bei den jungen Kollegen schaffen, die irgendwann einmal im Freistaat Sachsen angestellt werden wollen.
Sie sprechen von 2 000 zusätzlichen Stellen. Wenn ich nach den Berechnungen gehe, von denen Sie noch vor einigen Wochen gesprochen haben, sind es 978 Stellen. Das ist eine Zahl aus dem Kultus- bzw. dem Finanzministerium, jedenfalls die, die uns noch vor Wochen offiziell mitgeteilt worden ist. Diese Stellen geben Sie nicht einfach zusätzlich. Mit diesem Lehrerpotenzial wird qualitativ hochwertige Arbeit an unseren sächsischen Schulen gemacht und das, was zurzeit an Lücke da ist, ausgeglichen. Das ist aus meiner Sicht unbedingt notwendig.
Der Kultusminister erklärt in der Zeitung, dass die Lehrer in diesem Jahr schon hohe zusätzliche Lohnerhöhungen bekommen haben. Da bleibt einem fast die Spucke weg. Nach 20 Jahren Wende haben die Lehrer endlich – und das abgeschwächt, weil es nur die angestellten Lehrer betrifft – eine Ost-West-Angleichung erhalten. Das verkaufen Sie jetzt als einen besonderen Gewinn, wenn es um Voll- oder Teilzeit geht. Diese Lehrer haben endlich nach 20 Jahren hervorragender pädagogischer Arbeit eine Westangleichung als Angestellte bekommen und nicht als Beamte, denn dazwischen liegt noch wesentlich mehr.
Fakt ist, dass im Schulbereich immer mehr zusätzliche Aufgaben zu erfüllen sind. Die Kultusministerkonferenz hat beschlossen, dass es Kompetenztests geben soll. Wir sind nicht grundsätzlich dagegen. Aber was machen wir im Freistaat Sachsen? Wir geben diese Aufgabe an die Schulen und somit zusätzlich an die Lehrer. Wenn Sie der Auffassung sind, dass unsere Lehrer im Freistaat Sachsen nur Stundenhalter sind, dann erklären Sie doch hier heute oder vielleicht auch draußen vor den Lehrern, dass sie die Kompetenztests gar nicht korrigieren müssen, weil die Korrektur eines solchen Kompetenztests 45 Minuten und länger dauert. Wenn Sie einen Lehrer haben, der gleichzeitig zwei Klassen unterrichtet, in denen ein Kompetenztest geschrieben wird, können Sie sich ausrechnen, wie viel zusätzliche Arbeit auf den Lehrer zukommt. In anderen Bundesländern gibt es dafür Anrechnungsstunden. Im Freistaat Sachsen ist das nicht notwendig, weil teilzeitbeschäftigte Lehrer das ohnehin so machen.
Wenn es dann einen Lehrer gibt, der sich weigert, dies als zusätzliche Aufgabe zu übernehmen, und wenn er sich damit an das SBI wendet, wird ihm mitgeteilt: Wenn Sie das nicht tun, dann werden Sie gekündigt. – Es ist unverschämt, was hier im Freistaat Sachsen zurzeit mit den Lehrern passiert.
Lassen Sie die Lehrer in freiwillige Teilzeit gehen! Geben Sie ihnen die Chance, so viel Arbeitsvolumen zu nehmen, wie sie gern wollen, und Sie werden feststellen, dass Sie noch weniger Stellen brauchen, als Sie schon ausgerechnet und bei der Befragung ermittelt haben. Eine freiwillige Teilzeit ist der Kompromiss, und den haben Sie bereits.
Meine Damen und Herren! Wir befinden uns in der dritten Runde der allgemeinen Aussprache. Bisher hat die Linksfraktion das Wort ergriffen. Ich frage die Fraktionen, ob weitere Wortmeldungen gewünscht sind. – Das kann ich nicht erkennen. Die Staatsregierung möchte das Wort ergreifen; Herr Staatsminister Wöller.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich einige Vorbemerkungen machen, bevor ich zur Sache selbst spreche.
Die Staatsregierung schätzt selbstverständlich die engagierte Arbeit unserer Lehrerinnen und Lehrer, und sie ist selbstverständlich der Auffassung, dass die Arbeit unserer Lehrerinnen und Lehrer maßgeblich zum Erfolg, zur Qualität unseres Bildungssystems beiträgt. Dafür schulden wir ihnen Dank und Anerkennung, die ich ihnen auch an dieser Stelle nicht schuldig bleiben will. Selbstverständlich haben die Lehrer auch einen Anspruch auf angemessene Bezahlung.
Frau Kollegin Stange, auch wenn Sie es vielleicht ein bisschen schmerzt: Lehrer spielen eine herausragende Rolle im Schulsystem, aber nicht nur sie, sondern der Erfolg, den wir seit 20 Jahren haben, ist auch diesem Hohen Haus und der Tätigkeit der Regierung, aller Amtsvorgänger zu verdanken, die klug schwierige Entscheidungen getroffen haben. Sonst müssten alle neuen Bundesländer heute auf dem gleichen Siegerpodest stehen. Es ist aber nur Sachsen, nämlich das Land, in dem die CDU dauerhaft seit 1990 Regierungsverantwortung getragen hat. Das gehört dazu!
Bei aller Schwierigkeit der jetzigen Situation dürfen wir nicht vergessen, dass die Diskussion über Schulpolitik nicht ohne die Kenntnisnahme der Demografie geführt werden kann. Wir haben das im Hohen Haus schon erörtert, aber ich muss es noch einmal in Erinnerung rufen: Wir haben seit 1990 nahezu eine Halbierung der Schülerzahl von 760 000 auf 390 000. Es ist richtig, dass dieser dramatische Schülerrückgang nicht im Gleichklang mit dem Rückgang des Personals gelaufen ist. Wir haben also bei der Hälfte der Schüler 70 % der Lehrer. Das, was Steffen Flath gesagt hat, ist richtig: Wir haben dies als Investition in die Bildung, als gezielte Qualitätsverbesserung genutzt. Meine Damen und Herren, diese Investition hat sich ausgezahlt.
Die schwierige Anpassung, die wir gemeinsam vollzogen haben, hat unter einer Überschrift stattgefunden, nämlich: „Beschäftigungssicherung“. Das ist in der jetzigen wirt
schaftlichen Situation und angesichts der angespannten finanziellen Lage keine Selbstverständlichkeit. Dieses Ziel war richtig. Wir haben uns gemeinsam diesem Ziel verschrieben. Es musste tatsächlich keiner entlassen werden, der sich sozusagen entsprechend angepasst hat, was den Beschäftigungsumfang betrifft. Das ist auch deutlich durch die Solidarität der Lehrer, die im System befindlich waren und sind, erreicht worden.
Auch dafür mein herzlicher Dank, weil ich weiß, was für eine große Anpassungsleistung wir den Lehrern damit abverlangt haben. Damit trifft in der Tat das zu, was Kollege Colditz gesagt hat: Der Schulbereich, der Lehrerbereich ist einer derjenigen Bereiche im Land gewesen, die diesen demografischen Wandel auch unter Erbringung persönlicher Opfer gemeistert haben. Das gilt es noch einmal herauszustreichen.
Im Übrigen, wenn es jetzt um die Mittelschul- und die Gymnasiallehrer geht, möchte ich eine Lehrergruppe nicht in Vergessenheit geraten lassen: Diejenigen, die mit Abstand den größten Beitrag seit 1992 und seit 1997, eben auf 57 %, geleistet haben, waren und sind die Grundschullehrer. Auch dort gilt, dass sie jetzt wieder eine Perspektive für Vollzeit haben. Mein herzlicher Dank gilt dieser Lehrergruppe, die heute sicherlich nicht anwesend ist, aber ich möchte sie durch diesen Debattenbeitrag auch nicht in Vergessenheit geraten lassen.
Meine Damen und Herren, für das Ziel der Beschäftigungssicherung mussten wir einen Preis bezahlen. Die Rechnung wird jetzt fällig. Wir haben eben weniger jungen Lehrerinnen und Lehrern die Chance geben können, ihren Traumberuf Lehrer zu ergreifen. Bei allem Respekt vor der Diskussion, die wir jetzt führen: Es geht nicht nur um diejenigen, die Arbeit haben, sondern auch um diejenigen, die Arbeit wollen. Das müssen wir im Blick behalten. Was sagen wir denn den jungen Menschen, die Lehrer werden wollen? Wann geht denn ihre Perspektive in Erfüllung? Wann geben wir ihnen die Chance, ins Schulsystem übernommen zu werden?
Darauf gilt es eine Antwort zu geben. Und diese Antwort habe ich von Ihnen, Herr Hahn, noch nicht gehört. Wir müssen rasch eine Antwort geben, und zwar eine, die den großen Herausforderungen gerecht wird.
Wie sieht die Herausforderung aus? Wir sind jetzt mitten in einem Paradigmenwechsel. Während wir 20 Jahre lang über Beschäftigungssicherung diskutiert haben, kommt es jetzt darauf an, langfristig den Lehrerbedarf zu sichern. Das ist ein schwieriger Prozess, und das ist, wenn ich den Antrag der drei Oppositionsfraktionen richtig verstanden habe, die nachhaltige Sicherung unseres Bildungsstandortes.
Jetzt geht es um das Auslaufen des Bezirkstarifvertrages am 31. Juli. Die Frage, die wir uns einfach stellen müssen, lautet – wir kommen nicht um eine vernünftige und
zukunftsgerichtete Antwort auf diese Frage herum –: Was passiert, wenn nichts passiert? Kollege Colditz hat darauf hingewiesen, dass wir 2 004 Stellen zu viel haben, wenn der Bezirkstarifvertrag ausläuft. Das sind Stellen, die wir momentan nicht zur Unterrichtsabsicherung brauchen und die Geld kosten, das wir momentan nicht haben, meine Damen und Herren.
Richtig ist auch, dass wir in der Vergangenheit auf Freiwilligkeit gesetzt haben und dass diese Staatsregierung auch weiterhin auf Freiwilligkeit setzt. Wir haben eine Befragung gemacht, die zu einem Ergebnis führte, das hier auch schon referiert worden ist: 49 % sind bereit, weiterhin freiwillig befristet oder unbefristet in Teilzeit zu arbeiten. Das ist respektabel. Ich möchte mich bei allen, die dieses Ergebnis herbeigeführt haben, noch einmal herzlich bedanken.
Gleichwohl gilt, dass es immer noch 978 Stellen zu viel sind. Damit müssen wir umgehen. Das ist ein Arbeitsvermögen, das wir momentan zur Unterrichtsversorgung nicht brauchen.
Frau Stange, Sie haben gesagt, es würden 1 000 Stellen frei. Es sind eben nicht 1 000 freie Stellen. Es sind und bleiben 1 000 Stellen zu viel. Wir hatten zwar in diesem Land eine Rechtschreibreform, aber keine Rechenreform, und diese Staatsregierung beabsichtigt auch nicht, die vier Grundrechenarten außer Kraft zu setzen.
Was nicht möglich ist, ist die Beschäftigungssicherung für alle Lehrer im System, dass wir Stellen, die wir derzeit nicht benötigen, mit Geld finanzieren, das wir nicht haben, und dass wir gleichzeitig in nennenswertem Umfang Lehrer einstellen, die wir einstellen müssen und die wir auch einstellen wollen, weil wir sie in künftigen Jahren dringend brauchen.
Es ist richtig, das gleicht der Quadratur des Kreises und ist unter den derzeitigen finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnissen kaum machbar. Was wir brauchen, ist das Ziel: die langfristige Sicherung des Lehrerbedarfs. Dazu benötigen wir auch die Solidarität der Beschäftigten, damit wir jungen Lehrern Einstellungschancen geben können.