Protocol of the Session on March 30, 2010

Hinzu kommen andere Aspekte, auf die an dieser Stelle hinzuweisen ist. Wir wollen von der Staatsregierung wissen – es ist ja nur ein Berichtsantrag –: Was haben Sie unternommen, um zum Beispiel die Bemühungen der IHKs zu unterstützen, in den Auslandsstützpunkten entsprechend aktiv zu sein, damit Unternehmen, die sich im grenzübergreifenden Bereich engagieren wollen, unterstützt werden? Das ist eine konkrete Sache.

Eine dritte konkrete Sache in der aktiven Arbeitsmarktpolitik wäre, gerade im Bereich der gering qualifizierten Arbeitskräfte entsprechende Qualifikationsmaßnahmen in Zusammenarbeit mit der BA anzuschieben. Das ist ein sehr wichtiger Punkt; Kollege Kosel hat darauf hingewiesen. Sprachkurse sind eminent wichtig, um grenzüberschreitend aktiv zu werden.

Der vierte Punkt ist ein wenig eigennützig: dem beginnenden Fachkräftemangel in Sachsen durch gezieltes

Anwerben und Nachfragen von Arbeitskräften aus diesen Bereichen entgegenzuwirken.

Zum Schluss ein kleines Beispiel. Letzten Donnerstag habe ich mit einem Handwerker in Taucha – von dort komme ich bekanntermaßen – gesprochen. Er hat mir klar gesagt: Es scheint in Deutschland keine Arbeitslosigkeit mehr zu geben. Er sucht Dachdecker und Bauhandwerker, aber er bekommt keine gut ausgebildeten Arbeitskräfte mehr.

Das ist das Problem: Wir haben eine Schwierigkeit in der Differenzierung unseres Arbeitsmarktes und wir müssen dort nachsteuern. Dort hat die Regierung in letzter Zeit zu viel gekürzt. Die aktiven Arbeitsmarktmaßnahmen sind seit 2003, durch Herrn Merz angeregt, zurückgefahren worden. Diese Folgen baden wir heute aus.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Ich danke Ihnen, Herr Kind, für Ihren Beitrag. – Gibt es weitere Wortmeldungen seitens der Fraktionen? – Das kann ich nicht feststellen. Ich frage erneut die Staatsregierung. – Herr Staatsminister Morlok, bitte.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Namen der Staatsregierung bedanke ich mich, dass diese Debatte bisher mit einer Ausnahme – Herr Kind, Sie haben es bereits angesprochen – sehr sachlich und der Situation angemessen geführt wurde.

Ich denke, dass wir als Politiker angesichts der Ängste, die in der Bevölkerung latent vorhanden sind, eine Verantwortung haben, wenn wir über dieses Thema gemeinsam diskutieren. Es muss Aufgabe von Politik sein, keine Ängste zu schüren, sondern Menschen aufzuklären.

(Beifall des Abg. Alexander Krauß, CDU – Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Ich habe hier in diesem Hohen Haus eine weitgehende Übereinstimmung in dieser Frage festgestellt und ich denke, das ist ein sehr gutes Zeichen.

Die Freizügigkeit im Bereich der Arbeitnehmer – Herr Brangs, Sie haben das angesprochen – ist bereits in den Römischen Verträgen verankert. Es ist vollkommen nachvollziehbar, dass wir als Pro-Kopf-Exportweltmeister – als Land, das sehr stark vom Export von Waren in andere Länder profitiert, die von anderen auch gekauft werden – uns nicht dauerhaft auf die Hinterbeine stellen und die andere Freizügigkeit – nämlich die der Arbeitnehmer – weiterhin beschränken können.

Ich freue mich sehr, dass die frühere Staatsregierung vor über einem Jahr öffentlich deutlich gemacht hat, dass sie den Wegfall dieser Begrenzung nicht als Gefahr, sondern als eine Chance ansieht. Ich denke, auf diesem Weg sollten wir gemeinsam weitergehen. Ich finde es sehr richtig, dass der Abg. Kosel die Frage formuliert hat, ob

wir denn ein Land sind, in das man gern kommen will. Diese Frage sollten wir uns viel öfter stellen. Sind wir überhaupt attraktiv für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus Osteuropa oder darüber hinaus?

(Zuruf des Abg. Andreas Storr, NPD)

Dies ist die entscheidende Frage. Leider müssen wir feststellen, dass wir durch das Verhalten, durch Äußerungen und Aktionen der Kollegen vom rechten Rand an Attraktivität verlieren. Ich höre immer wieder von Unternehmern aus dem Ausland, die über Ansiedlungen im Freistaat Sachsen nachdenken, dass dies tatsächlich ein Thema ist. Ich denke, wir sind alle aufgerufen, dagegen vorzugehen. Es ist auch nicht so, wie Sie von der rechten Seite es an die Wand malen wollen: dass aufgrund der entsprechenden Rahmendaten in unseren Nachbarländern ein massenhafter Zustrom von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auf den sächsischen Arbeitsmarkt zu erwarten ist. Man muss einfach die Fakten zur Kenntnis nehmen und nicht Ängste schüren. Schauen Sie sich die Arbeitslosenquoten an:

(Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

In Polen liegt die Arbeitslosenquote bei 8,2 % und in Tschechien bei 6,8 %. Das ist deutlich unter dem OECDDurchschnitt und noch deutlicher unter dem Durchschnitt im Freistaat Sachsen. Das müssen wir einfach mal zur Kenntnis nehmen.

Das Thema Entwicklung der Arbeitskosten ist in der Debatte bereits angesprochen worden. Die Arbeitskosten sind im Jahr 2009 im Vergleich zum Vorjahr in Polen um 5,7 %, in Tschechien um 5,4 % und in Deutschland um 1,2 % gestiegen. Dabei wird deutlich, dass es den Ängsten, die man in der Öffentlichkeit schürt, an jeder Grundlage von Fakten fehlt.

Es gibt den Wunsch aus der Wirtschaft – Herr Brangs hatte das angesprochen –, dass wir uns für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus unseren Nachbarländern und darüber hinaus öffnen müssen, weil wir tatsächlich ein Problem bei den Fachkräften haben. In zunehmendem Maße fällt es schwer, geeignete Fachkräfte zu finden. Herr Brangs, ich spreche ganz bewusst von Fachkräften; denn ich bin der Auffassung, dass – wie Sie es angedeutet haben – sowohl der Ingenieur, der Wissenschaftler als auch der Facharbeiter Fachkraft ist. Auch das sind Fachkräfte,

(Jürgen Gansel, NPD: Alle rein! – Gegenruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

auf die wir hier im Freistaat Sachsen angewiesen sind.

In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal auf die Diskussion zum Mindestlohn eingehen. Der Abg. Krauß hatte angesprochen, dass ich vielleicht die Öffnung des Arbeitsmarktes für die spanischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer noch erlebt habe und einschätzen kann. Es ist mir nicht bewusst, wie es damals gewesen ist. Auf jeden Fall habe ich kein großes Überschwemmen des deutschen Arbeitsmarktes von Spanierinnen und Spaniern

wahrgenommen. Meines Wissens gab es zu diesem Zeitpunkt in Deutschland keinen Mindestlohn.

(Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal auf die Aktivitäten der Staatsregierung eingehen. Seit 2007 gibt es eine Ad-hoc-Arbeitsgruppe der Wirtschaftsministerkonferenz unter Leitung des sächsischen Wirtschaftsministeriums, die sich mit diesem Thema befasst. Wir als Ministerium unterstützen länderübergreifende Maßnahmen zur Stärkung der wirtschaftlichen Integration. Es geht hier vor allem um Informationsangebote für Unternehmen, für Arbeitnehmer, aber auch um außenwirtschaftliche Beratung, damit den deutschen Unternehmen der Übertritt in unsere Nachbarländer erleichtert wird. Das gehört auch dazu, damit wir grenzüberschreitend zusammenwachsen.

Erst gestern fand zum vierten Mal das Wirtschafsforum mit der Slowakei statt. Dazu konnten wir in Dresden Gäste aus der Slowakei begrüßen. Das müssen wir tun, um das Zusammenwachsen unserer Regionen in Mitteleuropa zu fördern.

Ich denke, es ist nicht staatliche Aufgabe, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Ausland anzuwerben. Aber es ist Aufgabe, den Unternehmen in Deutschland, in Sachsen zu zeigen, woher sie Fachkräfte bekommen und wie sie diese rekrutieren können. Das kann auch im benachbarten Ausland sein.

Herr Kosel, Sie hatten in Ihrem Statement angesprochen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus Deutschland in Tschechien einen angebotenen Arbeitsplatz nicht antreten konnten, weil die entsprechenden Sprachkenntnisse gefehlt haben.

Aber auch dafür, sehr geehrte Damen und Herren, sind die entsprechenden Voraussetzungen gegeben, um gegenzusteuern. Zum einen haben Sie über den Europäischen Sozialfonds und die Förderprogramme die Möglichkeit, dass die Arbeitnehmer in Unternehmen an entsprechenden Sprachkursen teilnehmen – das muss nicht ausschließlich Englisch sein, sondern es kann selbstverständlich auch Tschechisch und Polnisch sein –, und sie haben auch die Möglichkeit, über die Bundesagentur gerade für arbeitslose Arbeitnehmer Sprachkurse auch in Tschechisch zu belegen, wenn eine entsprechende Chance besteht, in diesen Ländern tatsächlich einen Arbeitsplatz zu finden.

Die Themen, die Sie bezüglich der Sozialversicherung, der Arbeitslosen- und der Rentenversicherung angesprochen haben, sind Themen, die auf der Bundesebene gelöst werden müssen. Hier hat der Freistaat Sachsen allenfalls über die entsprechenden Konferenzen und den Bundesrat die Möglichkeit, an einer Diskussion mitzuwirken. Aber dies ist nicht vordergründig ein bundespolitisches Thema.

Ich denke, dass wir als Freistaat Sachsen, insbesondere aber auch durch die Leistungen unserer Unternehmer für die nächsten Jahre gut gerüstet sind, um im Rahmen des jetzt langsam beginnenden Aufschwungs zu profitieren, um als Unternehmen zu wachsen. Dazu brauchen wir

natürlich entsprechende Fachkräfte, die wir hoffentlich aus dem benachbarten Ausland rekrutieren können.

Ich denke, dass wir als Freistaat Sachsen für all dies offen sind. Wir müssen noch weltoffener werden, als wir es sind. Wir müssen attraktiv für Arbeitnehmer aus dem Ausland sein. Wir wollen die besten Köpfe haben. Ich sage noch einmal, dass beste Köpfe nicht unbedingt Hochstudierte sein müssen, sondern die besten Köpfe, die besten Leute sind diejenigen, die zu uns kommen wollen, die bei uns im Lande leben wollen, um die Ärmel hochzukrempeln und gemeinsam mit uns unser Land voranbringen wollen.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Ich danke Ihnen, Herr Staatsminister Morlok, für Ihre Stellungnahme zu dem Antrag der Fraktion DIE LINKE „Arbeitsmarktpolitische Schutzinstrumentarien im Vorfeld der Herstellung der Freizügigkeit von Arbeitnehmern aus den neuen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union“. Ich frage noch einmal in die Runde der Fraktionen, ob erneut Stellungnahme gewünscht wird. – Das ist nicht festzustellen. Dann hat das Schlusswort die Fraktion DIE LINKE. Herr Abg. Kosel, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst zur NPD. Sie hat ihren nationalistischen Beißreflexen genügt, den abgeschotteten Nationalstaat gefordert und sich damit lächerlich gemacht. Mehr ist dazu nicht zu sagen.

Meine Damen und Herren! Zur Debatte selbst. Herr Hauschild von der FDP, unser Antrag verunsichert nicht die Bürger, allenfalls verunsichert er die Staatsregierung, falls die bisher nichts oder nichts Ausreichendes in dieser Sache getan hat. Aber gerade das müssten wir dann auch im Interesse der Sache in Kauf nehmen.

Sehr geehrter Herr Kollege Brangs von der SPD! Wenn Ihnen unser Antrag nicht so ganz gefällt, dann machen Sie entweder selbst einen oder machen Sie den nächsten in dieser Angelegenheit mit uns gemeinsam. Unser Angebot zu dieser Thematik haben Sie jedenfalls.

(Stefan Brangs, SPD: Das hätten Sie gern, das glaube ich!)

Trotz Ihrer Zwischenbemerkung vielen Dank für Ihren Versuch, die Intention unseres Antrages den Kollegen der CDU zu erläutern.

Ja, es ist richtig, wir wollen einen Bericht zu einem wichtigen Thema. Darin habe ich zumindest bei den demokratischen Parteien Konsens festgestellt. Wir wollen einen Bericht zu einem historischen Ereignis. Ich denke, dass dies angemessen ist. Diesen Bericht muss die Staatsregierung auch liefern; denn wenn in den nächsten 13 Monaten nicht mehr geschieht als bisher oder wenn der Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort“ lediglich, wie gerade in der Presse disku

tiert, für Krankenpfleger, Dachdecker, Gebäudereiniger oder Wachleute und nicht generell für alle Branchen gilt, dann, meine Damen und Herren, kämen in weiten Teilen die wesentlichen Impulse zum Schutz und zur Verbesserung der Standards für die sächsischen Arbeitnehmer nicht von der Sächsischen Staatsregierung oder der Koalition, sondern – jetzt hören Sie zu! – von Politikern aus unseren Nachbarstaaten Polen und Tschechien; denn dort gibt es seit Jahren jeweils einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn, und dieser würde ab Mai 2011 auch hier de facto als Standardsicherung wirken.

Da sich der Mindestlohn in Polen und Tschechien besonders dynamisch unter linksgerichteten Regierungen entwickelte, bliebe hier nur die Hoffnung auf möglichst schnelle und möglichst viele linke Wahlsiege bei unseren polnischen und tschechischen Nachbarn. Selbst der Arbeitnehmerflügel der CDU müsste, wenn er noch ein Arbeitnehmerflügel ist, diese Hoffnung teilen, selbstverständlich natürlich nur heimlich.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Als Linke, meine Damen und Herren, könnten wir parteipolitisch damit leben, aber im Interesse der sächsischen Arbeitnehmer und des gesamten Freistaates halten wir von der Linken es für dringend notwendig, dass die

Staatsregierung eigene Schritte einleitet, die die arbeitsrechtlichen Standards aller Beschäftigten in Sachsen – auch die unserer EU-Nachbarn – sichern, die Sachsen attraktiv für dringend benötigte Arbeitnehmer aus diesen Staaten machen und die die sächsischen Arbeitnehmer auf den EU-Arbeitsmarkt, wie bereits gesagt, insbesondere bei unseren polnischen und tschechischen Nachbarn vorbereiten.

Aus diesem Grund, meine Damen und Herren, werden wir dieses Thema auch in der nächsten Zeit weiter verfolgen. Deshalb bitten wir um Zustimmung zu unserem Antrag.