Protocol of the Session on July 10, 2014

Die Fraktion DIE LINKE, bitte; Frau Lauterbach.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren Abgeordneten! Ich möchte den Anfang machen, Mut zur Lücke haben und meine Rede zu Protokoll geben.

Wir haben in vielen Ausschusssitzungen ausführlich diskutiert. Nicht alles, was die Experten uns empfohlen haben, konnte umgesetzt werden. Nicht alles ist gelungen. Deshalb werden wir uns bei der Abstimmung über diesen Gesetzentwurf der Stimme enthalten.

(Beifall bei den LINKEN)

Die SPD-Fraktion. Frau Neukirch, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor auch ich meinen Redebeitrag zu Protokoll gebe, möchte ich die Gelegenheit nutzen, um den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ministeriums meinen Dank auszusprechen. Wir hatten wenig Zeit für die Beratungen, aber ganz viele Fragen und Bitten, die umgehend und umfassend beantwortet wurden. Ich weiß, dass es eine Fleißarbeit gewesen ist. Deshalb an dieser Stelle ein Dankeschön.

Ich gebe meinen Redebeitrag zu Protokoll.

(Beifall bei der SPD)

Die FDP-Fraktion bitte, Frau Jonas.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen Abgeordneten! Vieles hat mein Kollege Alexander Krauß schon gesagt. Das möchte ich an der Stelle nicht wiederholen. Es war sportlich und in einem sehr engen Korsett, dass wir das Gesetz auf den Weg gebracht haben. Auch meine Fraktion möchte den Dank an alle beteiligten Ärzte, medizinisches Personal, Selbsthilfegruppen und die Ministerien noch einmal aussprechen.

Die Rede gebe ich zu Protokoll.

(Beifall bei der FDP)

Frau

Abg. Herrmann, bitte.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werde es hier übernehmen, die ablehnende Haltung von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu erläutern.

Zuerst möchte ich mich allerdings dem Dank von Dagmar Neukirch anschließen. Der Dank geht ans Ministerium. Geschuldet dem Verfahren, dass es nicht nur in einem engen Korsett war, sondern auch die Einbeziehung von Betroffenen nicht zuließ, war es trotzdem möglich, umfangreich Fragen zu stellen. Diese wurden vom Ministerium auch beantwortet und konnten eine Rolle bei unseren Beratungen spielen. Der Kollege ist schon darauf eingegangen.

Im Februar letzten Jahres hat das Bundesverfassungsgericht die Rechtsgrundlage, die in Sachsen eine Behandlung gegen den natürlichen Willen, zum Beispiel durch eine zwangsweise Gabe von Medikamenten, ermöglichte, für nichtig erklärt. Warum das? Das Bundesverfassungsgericht hielt es für nicht hinnehmbar, dass bei einem derart schwerwiegenden Grundrechtseingriff wichtige Verfahrensgrundsätze nicht rechtlich normiert waren. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, hatte sich schon früh abgezeichnet – auch bei Urteilen zu Gesetzen anderer Länder. Auch Sachsen musste sich schon zu diesem Zeitpunkt darauf einstellen, dass das sächsische Gesetz dem nicht standhalten würde.

Seitdem mussten die psychiatrischen Kliniken und Fachabteilungen neue Wege gehen bzw. schmale Pfade alternativer Methoden oder Verfahren, die es zu diesem Zeitpunkt schon gab, zu gangbaren Wegen ausbauen; denn der Zwang war fortan nicht mehr erlaubt. Dabei, liebe Kolleginnen und Kollegen, wurden Erfahrungen gemacht, die zusammen mit denen anderer Bundesländer dazu führen können, eine Zwang reduzierende therapeutische Kultur zu entwickeln.

Wenn wir diese Entwicklung aufgreifen würden, könnten wir mit der Novellierung des PsychKG zwei Ziele verfolgen: erstens, diese Erfahrungen einer zwangsfreien Behandlung und der entsprechenden Verfahren. – Ich nenne zum Beispiel die Behandlungsvereinbarung. Zugegebenermaßen sind diese Verfahren in der Regel gesprächsintensiv und die Budgetierung, die die Psychiatrie demnächst treffen wird, wird das nicht unbedingt erleichtern. – Also: Entsprechende Verfahren bei der Novellierung des Gesetzes zu würdigen und die notwendigen Rahmenbedingungen für diesen Weg zu schaffen – es ist klar, dass es notwendiger Rahmenbedingungen bedarf – können Sie im Bericht der Besuchskommission nachlesen. Es ist auch hier schon Thema gewesen. Also: Es ist wichtig, die notwendigen Rahmenbedingungen für den Weg zu schaffen. Das ist die eine Seite.

Zum anderen können wir durch die Novellierung Regelungen schaffen, die eine Behandlung gegen den Willen als Ultima Ratio rechtssicher ermöglichen. Es geht nicht darum, das auszuschließen.

Mein Eindruck vom Verfahren war, dass diese beiden Wege nicht wirklich zur Debatte standen. Die Staatsregierung hatte nur ein Ziel: Sie wollte Zwangsbehandlungen ermöglichen. Damit wurde allerdings eine Chance vertan, nämlich aus den Erfahrungen einer Psychiatrie, die zwangsweise ohne Zwang auskommen musste, zu lernen und das System der psychiatrischen Versorgung entsprechend weiterzuentwickeln. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann nur dann gelingen, wenn die ambulante psychiatrische Versorgung und die niedrigschwelligen Angebote so ausgebaut werden, dass eine frühzeitige Krisenintervention erfolgen kann. Eine funktionierende Komplementärversorgung hat das Potenzial, schweren Krisen und Notfällen, die dann potenziell zwangsbehandlungsanfällig sind, vorzubeugen.

In diesem Zusammenhang ist lobend zu erwähnen, dass die Leitung der Sozialpsychiatrischen Dienste im Gesetz geändert wurde. Dazu hat mein Kollege schon etwas gesagt.

In der Anhörung zum Gesetzentwurf wurde mehr als einmal kritisiert, dass sich die Staatsregierung zunehmend aus der psychiatrischen Komplementärversorgung zurückzieht. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist fatal für die Betroffenen. Leider war das Verfahren nicht so angelegt, dass Betroffene ausreichend einbezogen wurden. Das kann mit dem Psychiatriebeirat nicht abgedeckt werden. Dort ist nur ein Betroffener drin, und dieser spricht auch nicht für einen Verband. Ein ausreichendes Verfahren beinhaltet auch, dass Betroffene ausreichend Zeit für ihre Stellungnahme bekommen. Das war nicht gegeben.

Das ist ein weiterer Grund für unsere Ablehnung des Gesetzentwurfes. Ich persönlich habe große Zweifel, ob der vorliegende Gesetzentwurf im Einklang mit der UNBehindertenrechtskonvention steht. Im Zusammenhang mit der psychiatrischen Versorgung im Allgemeinem und mit dem PsychKG im Besonderen werden die Rechte einer Reihe von Menschen im Sinne der UN-Konvention tangiert, die es zu berücksichtigen gilt. Ich verzichte darauf, die Rechte im Einzelnen zu nennen, kann sie Ihnen aber bei Bedarf gern nennen.

Eine systematische Überprüfung dahin gehend hat jedenfalls nicht stattgefunden. Vielmehr geht das Sozialministerium – so ist uns auf Nachfrage geantwortet worden – davon aus, dass die UN-BRK beachtet wurde. Durch welche konkreten Maßnahmen und Verfahren das erfolgte, ist dabei überhaupt nicht klar.

Drittens, liebe Kolleginnen und Kollegen, halte ich die Normen im Gesetz für zu unbestimmt. Ein Leitsatz des Bundesverfassungsgerichts lautete: „Die wesentlichen Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Zwangsbehandlung bedürfen klarer und bestimmter gesetzlicher

Regelungen.“ Das gilt auch für die Anforderungen an das Verfahren.

Praktiker und Praktikerinnen aus den Kliniken kritisieren genau diesen Mangel an Klarheit und Bestimmtheit der Normen zur Zwangsbehandlung, der ihre Arbeit und ihre rechtssichere Entscheidung im Alltag erschwert.

Der Gesetzestext muss insgesamt klarer und bestimmter formuliert werden, sodass alle Rechtsanwendenden – die Patienten und Patientinnen, die Untergebrachten, die Angehörigen, die Verfahrenspfleger und Verfahrenspflegerinnen, Ärzte und Ärztinnen, Pfleger, Krankenschwestern in den Klinken –, die in der Regel über keine juristische Ausbildung verfügen, sehr genau wissen, welche Rechte und Pflichten aus dem PsychKG resultieren, zum Ergreifen welcher Sicherungs- und Zwangsmaßnahmen das Gesetz wen ermächtigt und welcher Voraussetzungen diese jeweils bedürfen und welche Rechtsschutzmöglichkeiten mithilfe welcher Unterstützung eröffnet werden.

Der vorliegende Gesetzentwurf formuliert keine ausreichenden rechtssicheren und menschenrechtskonformen Lösungen und lässt zentrale Fragen in einem Bereich, der mit massiven Grundrechtseingriffen verbunden ist, unbeantwortet, und vor allem: Das Bemühen der Staatsregierung, Zwangsmaßnahmen wirklich nur als Ultima Ratio zuzulassen und stattdessen alternative Methoden und ambulante Angebote zu stärken, ist nicht zu erkennen. Deshalb lehnen wir den Gesetzentwurf ab.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte im Zusammenhang mit dieser Debatte zum Gesetzentwurf, aber auch sonst den Eindruck, dass für manche von Ihnen die von mir immer wieder zitierten Menschenrechtskonventionen eher eine Last als eine Errungenschaft sind. Die Würde des Menschen wird sich nicht automatisch als Grundlage unseres Handelns einstellen. Bedenken Sie bitte: Wir sind weder zeitlich noch räumlich weit von Gräueln entfernt. Ich halte es für eine wesentliche Aufgabe der Parlamente und des demokratischen Diskurses, die Menschenwürde immer wieder bewusst als Grundlage unseres Handelns zu zitieren und damit auch weiterzutragen und zu schützen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und vereinzelt bei den LINKEN)

Die NPD-Fraktion hat keinen Redebedarf. – Gibt es vonseiten der Fraktionen noch Redebedarf? – Das scheint nicht der Fall zu sein. Frau Staatsministerin, bitte schön, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Das Gesetz über die Hilfen und die Unterbringung bei psychischen Krankheiten – kurz PsychKG genannt – ist die Rechtsgrundlage für die psychiatrische Versorgung in unserem Freistaat. Es sichert seit dem Jahr 1994 die Rechte der psychisch kranken Menschen und hat sich

seitdem in der Praxis bewährt. Besonders die umfassenden Reformen in der Psychiatrie haben gezeigt, dass es eine gute Grundlage ist.

Dieses 3. Änderungsgesetz ist deshalb auch keine Neuausrichtung in der Psychiatriepolitik. Vielmehr geht es darum, es an die geänderten Bedürfnisse und und Anforderungen in der Praxis anzupassen und auch die höchstrichterliche Rechtsprechung in einigen Bereichen umzusetzen. Damit verbessert dieses Änderungsgesetz die Situation psychisch kranker und behinderter Menschen.

Worum geht es konkret? Wir haben hier bereits die veränderte Rechtsgrundlage von 2013 nochmals verdeutlicht. Dies kam auch für den Freistaat überraschend, weil wir bereits weitergehende Sicherungen als andere Länder hatten. So ist in Sachsen die Zustimmung eines Betreuers für eine Zwangsbehandlung zum Schutz des Patienten erforderlich. Nun hat das Bundesverfassungsgericht höhere Maßstäbe angesetzt, die in diesem Änderungsgesetz vollständig umgesetzt sind.

Erstens: Die Behandlung mit Medikamenten gegen den Willen des Patienten wird wieder im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Unterbringung möglich. Diese Behandlung ist immer die Ultima Ratio. Aber es gibt Krankheitsbilder, bei denen Medikamente gerade erst ein menschenwürdiges Leben sicherstellen; denn sie schützen den Patienten und stellen Selbstbestimmung und Selbstverantwortung wieder her.

Zweitens: Der rechtliche Schutz der Patienten wird verbessert, weil die Voraussetzungen und das Verfahren klarer geregelt sind und die Zustimmung des Betreuungsgerichts erforderlich ist.

Drittens: Mit dem Änderungsgesetz erhöhen wir die Rechtssicherheit der Ärzte bei ihrem therapeutischen Handeln.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, mit diesem Änderungsgesetz wurden nicht nur die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt, wir haben zugleich die Möglichkeit genutzt, weitere Anpassungen vorzunehmen. Auch hierzu zwei Beispiele:

Erstens: Mit dem Gesetz führen wir eine regelmäßige standardisierte Psychiatrieberichterstattung ein. Die

größte Herausforderung hierbei war, den Datenschutz vollständig zu beachten. Damit werden wir für die Zukunft über eine solide Datenbasis verfügen und können die Leistungsfähigkeit des Systems besser bewerten und daraus weitere Planungen ableiten.

Zweitens: Wir stärken die forensischen Kliniken bei der Betreuung psychisch kranker Rechtsbrecher nach ihrer Entlassung aus dem Maßregelvollzug. So verbessern und sichern wir die Nachsorge für die Patienten, erhöhen die Sicherheit für die Bevölkerung und verbessern die ambulante Betreuung. Wir hoffen, damit auch die Verweildauer der Patienten in den Maßregelvollzugseinrichtungen zu verkürzen.

Sie sehen, dieses Änderungsgesetz gewährleistet die Anpassung der Gesetze an die tatsächlichen Gegebenheiten. Es verbessert die Versorgung und sichert die Rechte unserer Patientinnen und Patienten. Auch hier möchte ich ausdrücklich Dank an die beteiligten Ausschüsse des Landtags für die konstruktive und zugleich zügige Beratung sagen. Ich bitte um Ihre Zustimmung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Es gibt eine Kurzintervention. Bitte, Frau Herrmann.

Frau Präsidentin! Es ist mir in der Redezeit nicht gelungen, auf das, was Frau Ministerin jetzt angesprochen hat, nämlich die Psychiatrieberichterstattung, einzugehen. Manche von Ihnen erinnern sich wahrscheinlich an die Novellierung des PsychKG in der letzten Legislatur. Damals wurde die Psychiatrieberichterstattung, die damals schon mit dem Gesetz eingeführt werden sollte, zurückgezogen, weil der Datenschutzbeauftragte dort zu Recht Bedenken hatte. Es ist dem Staatsministerium nicht gelungen, bei der Vorlage des Gesetzentwurfs der Psychiatrieberichterstattung