Es fällt ins Auge, meine Damen und Herren, dass sich bisher kein unabhängiges Gericht mit dem „SachsenSumpf“ beschäftigt hat. Allenfalls sind die in Sachsen besonders weisungsgebundenen Staatsanwaltschaften
tätig geworden. Bei diesen Herren geht es weisungsgemäß nur um den Schutz des Staates vor der üblen Nachrede des Sumpfes. Das heißt bei ihnen Schutz vor unbotmäßigen Ermittlern, Zeugen, Journalisten, Abgeordneten, Rechtsanwälten und allen anderen, die es für möglich halten, dass in Sachsen etwas Ungesetzliches passiert sein könnte.
Um sie juristisch zum Schweigen zu bringen, wurden diese verfolgt, an den Pranger gestellt, traumatisiert, physisch und psychisch zerstört, dienstunfähig krank oder in den vorzeitigen Ruhestand befördert und inflationär mit Ermittlungsverfahren überzogen. Diese Methode ist die sächsische Spezialität des Ermittlungsverfahrens als Strafe.
Hauptsache, ein Verfahren eröffnen und öffentlich machen, das dann hoffentlich recht lange dauert und den Beschuldigten ruiniert.
Warum lässt man, meine Damen und Herren, Herr Schreiber, bis heute nicht die Gerichte endlich die Sachen machen, für die sie geschaffen sind? Warum?
Meine Damen und Herren! Im Mittelalter wurden Verurteilte an den Pranger gestellt. Die Strafe war dabei die öffentliche Schande. Aber immerhin kam man damals nur an den Schandpfahl, wenn man vorher auch verurteilt worden war. Heute brauchen wir kein Urteil mehr. Es reicht die Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft oder der Staatsregierung, und das ganze Land sieht zum Pranger. Was für ein Fortschritt!
Der wahre „Sachsen-Sumpf“ ist nach meiner festen Überzeugung die verkrampfte Suche – koste es, was es wolle – nach Schuldigen für die Medienblase. Es ist die hysterische Abmoderation des öffentlichen Skandals und die vordemokratische Stigmatisierung von auserkorenen Schuldigen. Das ist nicht neu, das habe ich genauso schon im Juni 2009 hier an diesem Pult gesagt.
Armes Sachsen, armes Land der friedlichen Revolution, Land des Aufbruchs in den Rechtsstaat. Der Verrat an der Reinheit und Klarheit der Gedanken kommt aus deinen Reihen, aus Machtversessenheit und Machtvergessenheit.
(Beifall bei der SPD und den LINKEN – Christian Piwarz, CDU: Das hätte Ihnen gut zu Gesicht gestanden!)
Die wichtigste Frage – seit Solon, der in Athen um 600 vor Christus regierte – lautet: Wie finde ich einen Herrscher, der sich unter das Gesetz stellt? Diese Frage, meine Damen und Herren, hat die CDU, die sächsische Union, bis heute nicht zu beantworten vermocht.
Zum Schluss möchte ich Sie an dieser Stelle an das zum Thema sehr passende Gedicht „Die unmögliche Tatsache“ von Christian Morgenstern erinnern. Es handelt vom älteren Herrn Palmström, der von einem Kraftfahrzeug überfahren wurde und sich nun fragt, wie dieses Unglück geschehen konnte.
„Ist die Staatskunst anzuklagen“, fragt er, „in Bezug auf Kraftfahrwagen? Gab die Polizeivorschrift hier dem Fahrer freie Trift?“ „Eingehüllt in feuchte Tücher prüft er die Gesetzesbücher und ist alsobald im Klaren: Wagen durften dort nicht fahren! Und er kommt zu dem Ergebnis: Nur ein Traum war das Erlebnis. Weil, so schließt er messerscharf, nicht sein kann, was nicht sein darf.“
Herr Kollege Piwarz, die Demokratie ist nicht die Wahrheitsfrage, es ist nur die Mehrheitsfrage. Da haben Sie manchmal Glück.
(Starker und lang anhaltender Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN – Zuruf des Abg. Christian Piwarz, CDU)
Meine Damen und Herren! Am Rednerpult steht Herr Abg. Bläsner für die FDP-Fraktion. Bitte, Herr Bläsner, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich muss erst einmal etwas Luft holen.
Ich habe mir gerade überlegt, warum ich Abgeordneter hier im Sächsischen Landtag geworden bin, warum man eigentlich Politik macht. Ich mache Politik, um sachgerecht zu entscheiden, ergebnisoffen zu diskutieren, wahrhaftig zu sein und die Realitäten zur Kenntnis zu nehmen. Was ich gerade von meinem Vorredner, aber auch von Herrn Stange gehört habe, verschlägt mir ein Stück weit den Atem und hat mit dem, was ich als Abgeordneter machen möchte, nichts zu tun.
Herr Stange, Sie erklären sechs Minuten lang, was eigentlich Ihr Auftrag ist, um damit zu vertuschen, dass das, was Ihre Fraktion 2007 aufs Tapet gehoben und als Fakt dargestellt hat – Christian Piwarz hat es gesagt –, eben nicht bewiesen werden konnte. Sie sind einfach nur sauer, dass Sie nicht recht haben. Das ist doch das Ergebnis dieses Untersuchungsausschusses: dass Sie hier mit einer Polemik auftreten, die jeder Grundlage entbehrt.
(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung – Enrico Stange, DIE LINKE: Können Sie sich einmal einig werden: Ist es nicht bewiesen oder ist es nicht existent?)
Lieber Enrico Stange, ich habe früher auch gern Naturwissenschaften gemacht, da ist für mich das, was nicht bewiesen ist, eben auch nicht bewiesen.
Herr Stange, es ist sehr eigenartig, dass Sie jetzt der Staatsregierung die Schuld geben, dass es die Beweise nicht gibt. Vielleicht sollten Sie sich einmal die Frage stellen, dass es vielleicht keine Beweise gibt, weil es nichts zu beweisen gibt, Herr Stange.
Allerdings – und da komme ich jetzt wieder zu meinem Redemanuskript –, was man feststellen konnte – und das hat mein Vor-Vorredner Christian Piwarz auch schon gesagt –, ist, dass es im OK-Referat durchaus Versäumnisse gab, dass eben Vermerke vordatiert wurden, dass die Referatsleitung ein massives Eigenleben entwickelt hat, dass bei der Auswertung und Beschaffung nicht die Trennung eingehalten wurde, dass Informationen von Auskunftspersonen verwendet wurden, die aufgrund von Schweigepflichten oder ihrer beruflichen Stellung nie hätten Auskunftspersonen sein dürfen. Hier hat es in der Tat ein Eigenleben gegeben, bei dem es interessant war, das zu untersuchen.
Darüber hinaus – das war auch Gegenstand vieler Zeitungsmeldungen und Debatten; und, Herr Nolle, auch da haben Sie wieder vorverurteilt –, sagten Sie, als es um das Thema der Vernehmung von Frau Skroch ging: „Es wurden weißrussische Vernehmungsmethoden ange
Wenn man fair ist und in der Öffentlichkeit steht, nimmt man keine Vorverurteilungen vor und spricht von weißrussischen Methoden. Sie sprachen vorhin vom Pranger und sagten: Da gab es wenigstens ein Urteil. – Wissen Sie, was jetzt ist? Sie stellen Leute an den Pranger, ohne dass es Beweise dafür gibt. Das halte ich für ehrenrührig.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben ebenso keine Beweise dafür gefunden, dass es bei dem Problem Riemannstraße 53 korruptive Netzwerke gibt, und wir haben leider – mein Kollege sprach es an – den Bereich „herrenlose Grundstücke“ nicht weiter betrachten können; denn dort gibt es in der Tat – so ist zu vermuten – vielleicht doch den einen oder anderen Fall, den man genauer hinterfragen muss.
Ich habe 2007 als außenstehender Beobachter das Thema „Sachsen-Sumpf“ mitbekommen. Außerhalb Sachsens wurde man gefragt: Was ist denn da in Sachsen los? Einzigartiges Netzwerk, noch nie dagewesen; Herr Bartl, Sie hatten es 2007 so formuliert. Ich denke, es war wichtig, dass dies aufgeklärt wird und man dafür unter Um
ständen einen Untersuchungsausschuss einsetzt. Aber es ist für mich durchaus auch ein gutes Ergebnis – auch das darf und muss ein Untersuchungsausschuss feststellen –, dass es eben – ich sage: zum Glück – keine sizilianischen Verhältnisse in Sachsen gab. Auch das ist ein gutes Ergebnis des Untersuchungsausschusses, deshalb ist der Bericht entsprechend zur Kenntnis zu nehmen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst dem Kollegen Karl Nolle für seine große Rede danken.
Ich glaube, es ist wichtig zu sagen, dass die sächsische Politik Karl Nolle unendlich viel zu verdanken hat.