Protocol of the Session on July 9, 2014

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN)

Selbstverständlich müssen bei der Erarbeitung eines Aktions- und Maßnahmenplans, wie es auch in anderen Bundesländern geschehen ist, die Menschen mit Behinderung einbezogen werden. Es ist also keine Argumentation, zu sagen, man hat keinen Handlungsbedarf.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Herr Krasselt, bitte.

Sehr geehrte Frau Stange, vielleicht haben Sie gehört, dass ich ganz bewusst die Behindertenproblematik aus Sicht der UN-Konvention dargestellt habe. Das haben Sie richtig bemerkt. Dann habe ich unseren Weg aufgezeigt. Das scheint Ihnen entgangen zu sein. Ist das so?

Aus meiner Sicht ist das nicht so. Elke Herrmann hat vorhin den Unterschied zwischen Aktionismus und einem Aktionsplan sehr schön

dargestellt. Was Sie dargestellt haben und was wir teilweise erleben, ist Aktionismus. Ich werde das nachher noch einmal anhand des Bildungsbereichs verdeutlichen, ohne mich hier zu wiederholen.

Ich rate den Kolleginnen und Kollegen aus der Koalition, insbesondere aus der CDU, einmal nach Bayern zu fahren. Das hat offenbar auch bei dem fraktionsübergreifenden Antrag vor einigen Jahren geholfen, um die Expertenkommission beim Kultusministerium auf den Weg zu bringen. Denn man hat gesehen, dass es das Musterland Bayern offenbar geschafft hat, das Thema Umsetzung der Behindertenrechtskonvention fraktionsübergreifend auf den Weg zu bringen und daraus einen Aktions- und Maßnahmenplan nicht nur für den Bildungsbereich, sondern für das gesamte Land zu entwickeln. Auch hier hilft vielleicht der Blick über die Grenze.

Mittlerweile haben so gut wie alle Bundesländer einen Aktions- und Maßnahmenplan. Rheinland-Pfalz ist eines der ersten Länder, das bereits in die Handlungsumsetzung gegangen ist.

Natürlich ist so ein Plan nur die eine Hälfte. Die andere Hälfte, Herr Krasselt – da stimme ich Ihnen zu –, sind die ganz konkreten Maßnahmen zur Umsetzung. Aber zunächst einmal sollte man sich Gedanken darüber machen, was man überhaupt tun will.

Lassen Sie mich nun einen Blick auf den Bildungsbereich werfen, auch wenn Elke Herrmann dazu bereits einige Aussagen getroffen hat. Dort sind wir nun in der Situation, dass eine Expertenkommission des Kultusministeriums entsprechende Empfehlungen ausgesprochen hat. Es gibt den Entwurf eines Aktions- und Maßnahmenplans, der eigentlich fortgeschrieben werden sollte, nachdem die Expertenkommission ihre Empfehlungen vorgelegt hat. Fast anderthalb Jahre, nachdem diese Empfehlungen auf den Tisch gelegt wurden, haben wir immer noch keine Fortschreibungen dieses Aktions- und Maßnahmenplans. Wir haben lediglich Aktionismus. Kurz vor Beginn des neuen Schuljahres müssen Eltern wieder über Verfahren gegen die Bildungsagentur, gegen die Entscheidung des Staates, gegen ihren Willen einklagen, dass ihre Kinder nicht in eine Förderschule, sondern in eine integrative Unterrichtung gehen. Eine der zentralen Empfehlungen der Expertenkommission war es, das Schulgesetz an dieser Stelle so zu ändern, dass echte Wahlfreiheit existiert. Bis heute, anderthalb Jahre danach, ist das nicht geschehen.

Meine Damen und Herren! Im Bereich der Schule ist es sogar noch schlimmer. Wir fallen immer weiter hinter das zurück, was in der Integrationsverordnung eigentlich bereits geschrieben steht. Wir fallen hinter bereits begonnene Schritte der Integration zurück, weil sich die Bedingungen immer weiter verschlechtern. Aktuell vor Beginn dieses Schuljahres stehen wir vor der Situation, dass Kinder nicht nur in den Großstädten, sondern auch im ländlichen Raum nicht mehr integrativ beschult werden können, weil die Aufnahmekapazität der Klassen erschöpft ist und die Schulen zu Recht sagen, mit 28 Kin

dern in der Klasse sind sie nicht in der Lage, vernünftige Integrationsarbeit zu leisten. Also, wir fallen an dieser Stelle sogar hinter einen Weg zurück, den wir schon glaubten eingeschlagen zu haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mir bleibt nur zu sagen: Nehmen Sie dieses niedrigschwellige Angebot an! Handeln Sie endlich, wie es in anderen Bundesländern der Fall ist! Es wird von Ihnen nichts Unzumutbares verlangt, liebe Staatsregierung, liebe Frau Clauß, denn Sie sind für die Koordinierung zuständig. Sie sollen nur das umsetzen, was die Landesregierung unterschrieben hat, nämlich ein Bundesgesetz, das Landesgesetz bricht. Wir müssen nicht erst warten, bis die ersten Klagen ausgeklagt sind, und das Land und die Kommunen verpflichten, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen, weil Sie bis heute nicht gehandelt haben.

Auch ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich bei Elke Herrmann bedanken, die durch ihre sachlichen und konstruktiven Anstöße, die sie im Zusammenhang nicht nur mit der UN-Behindertenrechtskonvention, sondern in sozialen Fragen insgesamt, hier ins Plenum eingebracht hat, in vielen Positionen mit der SPD in Übereinstimmung ist. Man merkt ihr an, dass sie das mit Engagement und mit sehr viel Überzeugung macht. Ich hoffe, dass diese Überzeugung auch irgendwann einmal auf eine Regierungskoalition überspringt, wie wir sie heute haben, damit das, was du hier vorträgst, liebe Elke, auch Früchte trägt. Ich wünsche dir von unserer Seite alles, alles Gute und hoffe, dass du uns noch an anderen Stellen deine Ratschläge mit auf den Weg gibst.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Für die FDPFraktion Frau Abg. Schütz, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

(Die Rednerin gebärdet.)

Ist „Guten Tag!“ zu sagen um diese Uhrzeit noch angebracht? – Ich hoffe doch.

Die Teilhabe von Menschen mit Behinderung am täglichen Leben ist der Staatsregierung und auch den demokratischen Fraktionen im Parlament ein sehr wichtiges Anliegen. Die Vorstellung des Fünften Berichts zur Lage der Menschen mit Behinderung durch das Sozialministerium in der letzten Sitzung des Landtages hat die Ernsthaftigkeit der Anstrengungen noch einmal deutlich untermauert. Die wesentlichen Schritte hin zu einer Gesellschaft mit einer Teilhabe für alle Menschen wurden darin nachgezeichnet.

Aber ich möchte es noch einmal kurz in Erinnerung rufen: Dazu zählen der Trend zum eigenen Wohnen, zum ambulanten Wohnen, die Förderung in allen Altersklassen, allen Lebensaltersstufen. Das Initiativprogramm will Investitionen in die Barrierefreiheit. Dazu gehören darüber hinaus

auch der Schutz der Persönlichkeit, Beratungsmöglichkeiten und kulturelle Angebote. Ich möchte Ihnen auch sagen, warum ich das noch einmal so ausdrücklich betone: Es ist mir wichtig; denn aus der geforderten Zusammenstellung des gesetzgeberischen Handlungsbedarfs allein erwächst keine Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention.

Diese muss in jedem Gesetz einzeln erfolgen. Das neue E-Government-Gesetz setzt zum Beispiel die Vorgaben der Inklusion um, wenn es auf der Barrierefreiheit im Internet besteht. Das Integrationsgesetz schreibt nicht nur die Bestandsaufnahme, sondern auch den Bericht zur Lage der Menschen mit Behinderung vor. Er enthält darüber hinaus Vorschläge, wie die Benachteiligung von Menschen mit Behinderung beseitigt, ja auch grundsätzlich verhindert werden kann. Im Rahmen dieser Vorschläge wird konkret aufgezeigt, wie die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung am Leben in der Gesellschaft gewährleistet werden soll.

Sehr geehrte Damen und Herren! Uns alle eint das Ziel, dass wir allen Menschen in der Gesellschaft eine selbstbestimmte Lebensführung ermöglichen wollen. Dieses Ziel ist in der Politik allgegenwärtig. Es ist in Artikel 7 der Sächsischen Verfassung festgeschrieben; denn darin bekennt sich der Freistaat dazu, Menschen mit Behinderung zu unterstützen und auf die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse hinzuwirken. Dieses Ziel finden wir auch im Grundgesetz, ebenso in den Sozialgesetzbüchern, und es findet seinen Ausdruck im bereits erwähnten Integrationsgesetz.

Für den Freistaat ist es eine ressortübergreifende Aufgabe, diese Ziele umzusetzen. Das Sozialministerium arbeitet hier als Koordinierungsstelle. Es tauscht sich mit den staatlichen Anlaufstellen auf Bundesebene sowie mit den verantwortlichen Stellen in anderen Bundesländern aus, und es gewährleistet den Informationsaustausch mit den anderen Ministerien und die Koordinierung ressortübergreifender Aktivitäten. Es informiert die Öffentlichkeit und leitet die Anliegen von Bürgern an die Verbände und Organisationen der Menschen mit Behinderung weiter.

Die Staatsregierung hat einen Beauftragten für die Belange von Menschen mit Behinderung eingesetzt. Diese Funktion halte ich für sehr wichtig. Er prüft bei allen Gesetzes-, Verordnungs- und sonstigen wichtigen Vorhaben, ob Fragen der Integration von Menschen mit Behinderung behandelt werden, darin berührt sind, und er macht auch selbst seine Änderungsvorschläge. Das, was die UN-Behindertenrechtskonvention fordert, wird an diesen Stellen umgesetzt, sicherlich noch nicht so allumfassend, wie wir es uns an vielen Stellen wünschen und vorstellen. Hier gibt es noch Möglichkeiten einer Verbesserung – wie in allen Lebensfragen. Hier gilt es, weiter daran zu arbeiten. Aber diesem Regelungsfeld der spezifischen Forderung nach Teilhabe kommen wir damit nach.

Aber Ihr Antrag, so sehr er jetzt schon gelobt wurde, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, liebe Elke Herrmann, schafft letztlich nur

Papier. Er bringt uns an der Stelle nicht weiter; denn Papier kann nicht handeln.

(Zuruf des Abg. Miro Jennerjahn, GRÜNE)

Das Parlament und die Regierung werden weiter alles daransetzen, diese Gesellschaft zu schaffen, die allen Menschen eine Teilhabe bietet. Dafür werden wir den bereits jetzt sehr erfolgreichen Weg weitergehen, nicht ohne die vor uns liegenden Aufgaben dabei fest im Blick zu haben.

(Zuruf der Abg. Eva Jähnigen, GRÜNE)

Diesen Antrag werden wir jedoch ablehnen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

Für die NPDFraktion Frau Abg. Schüßler, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Antrag der GRÜNEN wird genauso abgelehnt werden wie der Antrag 5/14140, der die „Vorlage eines fortgeschriebenen Aktions- und Maßnahmenplanes zur zielgerichteten Umsetzung von Artikel 24 UN-Behindertenrechtskonvention“ und die „umgehende Schaffung von Rahmenbedingungen für eine inklusive Bildung im Freistaat Sachsen“ zum Ziel hatte. Völlig zu Recht, muss ich sagen; denn wenn man sich diese Monitoringstelle einmal objektiv betrachtet, kommt man zu dem Schluss, dass hier staatliches Verwaltungshandeln durch Empfehlungen, Parallelberichte und Prüfungen ausgehebelt werden soll.

Es ist mir nicht entgangen, dass diese Monitoringstelle eingerichtet werden musste. Mit der Unterzeichnung der UN-BRK hat sich die BRD wie alle anderen Staaten dazu verpflichtet. Trotzdem bleibt ein merkwürdiger Beigeschmack, wenn hier demokratisch legitimierte Personen, Politiker, und Institutionen von einer Stelle kontrolliert und geprüft werden, die eben nicht demokratisch legitimiert, sondern am Institut für Menschenrechte angesiedelt ist. Aber, meine Damen und Herren, wie heißt es so schön: Wie im Kleinen, so im Großen, und bei Ihrer Begeisterung für alle möglichen Sorten von Beauftragten auf jeder Ebene sollten Sie sich nicht wundern, wenn Sie dann auch von solcher Art Monitoringstelle geprüft und bewertet werden.

Unter der Nummer 5/6861 wurde im Jahr 2011 ein Antrag unter der Überschrift „Integration und Inklusion im sächsischen Schulwesen“ von CDU, FDP, SPD, GRÜNEN und LINKEN beschlossen. Ich kann mir schon vorstellen, wie frustrierend es sein muss, wenn man als demokratische Opposition gemeinsam mit der Koalition einen Antrag aushandelt und beschließt und dann den Eindruck gewinnen muss, dass man hingehalten wird. Dass der Gruppenantrag diesen Weg nehmen wird, habe ich Ihnen schon damals im Jahr 2011 gesagt.

Ich zitiere mich einmal kurz selber aus der damaligen Rede: „Mich verwundert auch das Verhalten der CDU. Wurde dieser Antrag mitgetragen, um schlimmere Auswüchse zu verhindern, um sich noch ein wenig Spielraum zu lassen, um das funktionierende System der Förderschulen nicht völlig aufzugeben, wie es auch schon im Raum stand?“ Insbesondere im Bildungsbereich, aber auch darüber hinaus wurde das Thema Inklusion mit missionarischem Eifer vorangetrieben. Fast alle diese Errungenschaften haben aber zur realen Absenkung des Leistungsniveaus geführt. Inzwischen sind die negativen Auswirkungen aus Bundesländern wie Bremen allgemein bekannt, und man tut im Freistaat Sachsen gut daran, vorsichtig mit diesem Thema umzugehen, zumal für eine Inklusion nach Ihren Vorstellungen nach wie vor weder genügend Personal noch genügend Geld zum Beispiel für Schulhausumbau zur Verfügung steht.

Noch behutsamer sollte man bei arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen vorgehen. Man sollte nicht vergessen, es gibt seit Jahrzehnten bewährte Hilfen zur Eingliederung. Es ist aber auch eine Tatsache, dass diese zumeist finanziellen Hilfen in ihrer Wirksamkeit an Grenzen stoßen. Daran werden auch Plakat- oder Verständniskampagnen wenig ändern. Sie gehen einfach unter in der Flut von Werbung, die den Bürger täglich erreicht.

Es ist wirklich nicht so, dass ich mir eine derartige Entwicklung wünsche, aber ein Blick über den deutschen Gartenzaun würde der Opposition von links in dieser Sache nicht schaden. Ein Blick nach China, Indien oder Brasilien – alles Unterzeichner der UN-BRK – könnte auch Erkenntnisse bringen. Wem das zu exotisch ist, der schaut vielleicht einmal in Richtung USA oder in die europäischen Nachbarländer. Ganz nebenbei: Die

Schweiz hat bis heute die UN-BRK nicht unterzeichnet. Wollen Sie mir ernsthaft erzählen, dass die Behinderten in der Schweiz deshalb benachteiligt oder vernachlässigt würden?

Ganz zum Schluss möchte ich Ihnen eine Frage stellen, auf die Sie in Ihrem Antrag nicht eingegangen sind, nämlich die Frage nach den Kosten. Wie teuer käme dem Freistaat eine solche Expertise, wie in dem Antrag gefordert, und aus welchem Töpfchen sollte das bezahlt werden?

Wir werden den Antrag ablehnen.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren, wollen wir jetzt in eine zweite Runde eintreten? Wünschen die Fraktionen noch einmal das Wort zu nehmen? – Das scheint nicht der Fall zu sein. Dann gebe ich jetzt der Staatsministerin das Wort. Frau Ministerin Clauß, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Wenn auch nur