Hier kann so eine Institution in der Art eines Bürgerbeauftragten eine echte Hilfe leisten. Das Ombudsleute-System ist ein gutes.
Frau Kollegin, geben Sie mir recht, dass es nicht die vornehmste Aufgabe des Petitionsausschusses ist, die Regierung zu kontrollieren, sondern dass es die Aufgabe des Parlaments ist, die Regierung zu kontrollieren?
Lieber Herr Kollege Biesok, wenn ich vom Petitionsausschuss des Parlaments und vom Petitionsrecht der Bevölkerung rede, ist das Petitionsrecht der Bevölkerung natürlich umfassend. Es geht über die Kontrollpflicht des Parlaments hinaus.
Aber: Viele Bürger, viele Menschen, die sich an uns, an den Landtag wenden – ich habe viele Petitionen gelesen und auch Petenten begleitet, als Anwältin, bevor ich Abgeordnete wurde –, wünschen eine umfassende Kontrolle des Verwaltungshandelns, und zwar schwerpunktmäßig bezogen auf die Verwaltung und die Regierung, weil die Verwaltungsstruktur dort für viele Betroffene noch schwerer überschaubar ist als die kommunale Struktur vor Ort. Deshalb glaube ich, dass die Arbeit des Petitionsausschusses hier im Landtag sehr viel damit zu tun hat und wir als Volksvertreter das Verwaltungshandeln kontrollieren müssen und sollen. Wenn wir das nicht genügend tun, wenn wir dazu nicht genügend recherchieren können – auch nicht bei den Bürgern nachfragen können –, dann geht das Petitionsrecht an seinem Ziel vorbei, und dann kontrollieren wir auch nicht genügend.
Die Bürgerbeauftragten der anderen Bundesländer, die in der Anhörung zum Gesetzentwurf gesprochen haben, haben dargestellt, wie sie das tun: anhand von Recherchen, durch Rückfragen bei verschiedenen Betroffenen, von denen wir immer hören „Der Petitionsausschuss hätte uns einmal fragen können, und der Stand war anders.“ Manchmal geschieht das auch, wie gesagt, das ist eine Frage der Kapazität, dass das die Ausübung des Petitionsrechts stärkt, aber auch die Möglichkeiten der Volksvertretungen, und das fand ich sehr überzeugend.
Das Ombudsleutesystem ist ein gutes System. Trotzdem, um Bürgeranliegen in diesem bisher CDU-geführten Freistaat Sachsen zum Durchbruch zu verhelfen, hilft das Beauftragtensystem allein nicht. Die Bürgerinnen und Bürger brauchen Beteiligungs- und Informationsrechte. Es braucht eine neue Kultur staatlicher Transparenz – gerade bei der Landesverwaltung – und es braucht stärkere Volksvertretungen und stärkere Abgeordnete im Landtag, die zum Beispiel auch selbst Akteneinsicht nehmen können.
Wir befürchten, dass ein Landesbeauftragter allein wieder nur eine „Beruhigungstablette“ werden könnte, Bürgerbeteiligung nur zum Schein nach dem Motto: Die Bürger brauchen einen Vermittler, aber in der Verwaltung muss sich nichts ändern. – Das wäre im Kern die falsche Weichenstellung.
Gerade die Erfahrung mit dem Büro Biedenkopf, auf das Sie Bezug genommen haben, zeigt, dass das eher eine Bittstellerkultur war, als dass es in irgendeiner Art und Weise der Transparenz der sächsischen Verwaltung gedient hätte. Wir GRÜNE wollen die Stellung der Bürger im Staat verbessern und dazu die staatliche Verwaltung reformieren, ihnen aber auch individuelle Rechte einräumen, einschließlich individueller Rechte auf persönliche Verfahrensbeistände. Das geht weit über ein Ombudsleutesystem hinaus; natürlich kann dieses aber hilfreich sein.
Die Probleme der drei Gewalten im System – Legislative, Exekutive und Judikative – macht Ihr Gesetzentwurf auch deutlich. Es ist verfassungskonform, so etwas zu machen – sicherlich –, aber die Probleme scheinen noch nicht gelöst. Deshalb sind wir für den Diskussionsansatz dankbar. Heute jedoch werden wir uns zum Gesetzentwurf enthalten.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kollegen Abgeordneten! Ich möchte als Vorsitzende des Petitionsausschusses einige angesprochene Dinge richtigstellen. Die Mehrheit der Petitionen richtet sich nicht darauf, Verwaltungshandeln zu kritisieren oder die Rechtmäßigkeit infrage zu stellen, sondern sie orientiert sich an individuellen Problemlagen, die wir mit verschiedenen Möglichkeiten bearbeiten. Deswegen sind die vorgebrachten Sachverhalte nicht richtig.
Frau Jähnigen, Sie möchten auf die Kurzintervention antworten? – Dazu haben Sie jetzt Gelegenheit. Bitte.
Es ist kein Widerspruch, wenn sich Leute mit individuellen Problemlagen an die Verwaltung wenden; denn meistens geht es um eine Entscheidung der Landesverwaltung, die begehrt wird
Ich rede vom Petitionsausschuss. Sehen Sie sich doch den Sammelbericht heute an! –, mit der die Leute unzufrieden sind, die sie nicht verstehen, und es geht darum, dass sich der Petitionsausschuss im Parlament mit der Entscheidung der Verwaltung auseinandersetzen soll. Das ist der Kern der Petitionsarbeit im Parlament. Wenn man sich die heutige Sammeldrucksache ansieht, sieht man das wieder ganz deutlich.
zweite Runde vor. – Doch; Herr Bartl spricht für die Fraktion DIE LINKE. Herr Bartl, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Frau Kollegin Jähnigen, wir wissen, dass der Gesetzentwurf nicht das Nonplusultra bezüglich des Ausbaus der demokratischen Partizipation der Bürgerinnen und Bürger ist. Das ist vielschichtig: Informationsfreiheitsgesetz, Transparenzgesetz, mehr Möglichkeiten auf kommunaler und auf Landesebene sowie Mitwirkung auf direkte Art und Weise. Das soll ein Segment sein.
Frau Kollegin Jähnigen, dass ich das Büro Biedenkopf in der Rede erwähnt habe, war eigentlich dafür gedacht, die CDU-Fraktion dazu zu bewegen, wenn es so niederschwellig ansetzt, vielleicht bereit zu sein, darüber etwas nachzudenken. Diese Botschaft sollte im Vordergrund stehen, nicht die ernsthafte Belobigung des Projekts.
Kollege Biesok, ich gebe Ihnen recht, das war unser Problem: dass wir dieses dänische und dieses schwedische Modell miteinander harmonisieren wollten. Das ist uns im ursprünglichen Entwurf nicht recht gelungen. Umso mehr halte ich es für ein No-go, dass dann, wenn wir unter Beachtung der Hinweise der Sachverständigen – die darauf aufmerksam gemacht haben, dass das in Deutschland zur Anwendung gebrachte Modell des Bürgerbeauftragten die Mediation in den Mittelpunkt stellt, und nicht die Intervention wie das schwedische Modell – den Änderungsantrag bringen, wir Anhörungsrechte geringer fassen, Beanstandungsrechte geringer fassen und das Recht der Beanstandungsklage herausnehmen, Ihre Fraktion und die CDU den Änderungsantrag ablehnen. Denn es ist eine parlamentarische Unkultur, wenn man einen Änderungsantrag einbringt, der genau das aufgreift, was Sachverständige bzw. Experten dem Ausschuss mitteilen, und den Antragstellern wird es verwehrt, den eigenen Gesetzentwurf, der fehlerhaft oder verbesserungsbedürftig ist, zu verbessern.
Das ist nicht zu verstehen. Deshalb greift unser Änderungsantrag – ich will ihn damit auch gleich einbringen, Herr Präsident, wenn ich es darf – genau das auf, was Kollege Biesok hier zutreffend als ein Spannungsfeld beschrieben hat. Mit der Änderung des § 7 a Abs. 2 – das möchte ich auch an Kollegen Kirmes adressiert noch einmal sagen – stellen wir klar, dass es keine ständige Anhörungspflicht zu jeder Rechts- und Verwaltungsvorschrift geben soll und kann, sondern wir nehmen das Anhörungsrecht zurück. Ihnen ist Gelegenheit zu geben. Ob der Bürgerbeauftragte, die Institution, das Büro Stellung nehmen, liegt in deren Entscheidung.
Wir haben mit dem § 8 Abs. 1, mit der Änderung aus dieser Harmonisierung im Regelungsmodell – diesem schwedischen Ombudsmann und diesem deutschen Bundesländermodell, mit dem Mediationsmodell –, diesen Vermittlungsansatz aufgelöst. Wir haben diese Beanstandungsrechte wesentlich zurückgenommen und die Beanstandungsklage in Gänze gestrichen. Das ist in
dem Antrag enthalten. Damit, meinen wir, haben wir alles beachtet, was die vier Sachverständigen, die diese Funktion leben – und zwar nicht nur als Beauftragte auf kommunaler Ebene, Kollege Biesok; das sind alles durch den Landtag gewählte Bürgerbeauftragte nach dem Modell, wie wir es wollen, die für den Landtag arbeiten und zum Beispiel von der Ministerpräsidentin in Rheinland-Pfalz eine hohe Wertschätzung in der Arbeit erfahren.
Wir haben folgende Frage im Ausschuss ausdrücklich an die Sachverständigen gestellt: Kommt es nach Ihren Erfahrungen zur Kollision zwischen Petitionsausschuss und dem Wirken dieses Bürgerbeauftragten? – Daraufhin hat Herr Dr. Kurt Herzberg, der Bürgerbeauftragte von Thüringen, Folgendes gesagt – ich zitiere aus dem stenografischen Protokoll der Expertenanhörung –: „Es gibt die Möglichkeit, dass der Petitionsausschuss dort, wo er meint, dass es zur Aufklärung des Sachverhalts oder auch zur Problemlösung – Mediation – sinnvoll bzw. notwendig ist, dem Bürgerbeauftragten sogenannte Prüfaufträge erteilt. Das erfolgt in jeder Petitionsausschusssitzung mehrfach, wo der Bürgerbeauftragte dann direkten Kontakt sucht und vermittelt. Der Bürgerbeauftragte leistet etwas, was der Petitionsausschuss eben nicht kann: Er kann schnell, direkt, operativ und kreativ Konflikte lösen, Störungen im Bürger-Staats-Verhältnis überwinden – ohne Entscheidungsverfahren, ohne Gerichtsverfahren, ohne Frust, ohne Verlust an Vertrauen des Bürgers in die Verwaltung.“
Nach der Erfahrung aller vier Amtsträger, die wir als Experten gehört haben, gibt es keinerlei Kollision mit dem Petitionsausschuss, sondern eine fruchtbare gegenseitige Ergänzung, ohne dass einer an Rechten verliert oder in Rechte der anderen eingreift. Im Ergebnis spürt der Bürger, dass er in seinen Problemlagen, seinen täglichen, aber auch prinzipiellen Fragen Gehör findet und ernst genommen wird, in diesem Fall auf der Landesebene.
Ich frage die Fraktionen, ob noch ein Abgeordneter in der zweiten Runde das Wort wünscht. – Das ist nicht der Fall. Der Änderungsantrag, Herr Bartl, war schon eingebracht. Dafür danke ich Ihnen. Dadurch haben wir das Verfahren beschleunigt.
Möchte noch eine Fraktion zu dem Änderungsantrag das Wort ergreifen? – Das kann ich ebenfalls nicht erkennen. – Herr Staatsminister, wenn Sie möchten, haben Sie jetzt die Gelegenheit, dazu zu sprechen. Herr Dr. Martens, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf basiert auf der Annahme, wir bräuchten im Freistaat Sachsen ein – ich zitiere aus dem Vorblatt des Gesetzentwurfes – „Korrektiv
des Bürgerschutzes gegenüber der expandierenden Verwaltung“. Die Bürger müssten also – ich zitiere erneut – „bei der Wahrnehmung ihrer Rechte gegenüber der Verwaltung wirksam unterstützt“ werden. Das neu zu schaffende Landesbüro für Bürgeranliegen solle diese Funktion wahrnehmen und eine – ich zitiere weiter – „sich in das Gewaltenteilungssystem integrierende Kontrolle und Kontrollinstanz unterhalb der Schwelle der justiziablen Gesetzesaufsicht“ gewährleisten.
Dieses Bild einer bürgerfernen, nicht nachvollziehbar handelnden und ohne wirksame Kontrolle agierenden Verwaltung dürfte tatsächlich nicht der Verwaltung und deren Realität in Sachsen entsprechen, meine Damen und Herren.
Zahlreiche Behörden in Sachsen haben schon Bürgerbeauftragte. Im September 2010 hat die Staatsregierung eine Verwaltungsvorschrift erlassen, in der klare Vorgaben für eine bürgernahe Verwaltung gemacht worden sind. Danach haben die Bediensteten der Verwaltung im Umgang mit den Bürgern zuvorkommend, verständlich und nachvollziehbar zu handeln.
Das vom Gesetzentwurf gezeichnete Bild einer Verwaltung, die sich angeblich immer weiter verselbstständigt und vom Bürger entfernt, wird nicht näher belegt. Es handelt sich um eine mit pauschalen Formulierungen behauptete Unterstellung, so will ich es einmal nennen.
Anders als es der Gesetzentwurf suggeriert, gibt es auch kein Kontrolldefizit. Zum einen ist die Kontrolle der Verwaltung schon über die von der Verfassung vorgesehenen parlamentarischen Informations- und Kontrollrechte des Landtags gewährleistet. Das betrifft die Gesetzgebungstätigkeit und anderes. Zum anderen bestehen die verfassungsrechtlich garantierten Kontrollmöglichkeiten durch die Gerichte, die dritte Gewalt. Nicht zuletzt kann sich jeder Bürger, der mit einer Maßnahme oder Entscheidung der Verwaltung nicht einverstanden ist, mit seinen Anliegen an den Petitionsausschuss des Landtages wenden.
Soweit im Gesetzentwurf ausgeführt werde, der Bürger benötige Unterstützung, weil er immer öfter nicht in der Lage sei, Gesetze zu erfassen und Vollzugsbestimmungen zu durchschauen, lassen Sie mich kurz anfügen: Das ist nicht neu. Das wird immer wieder geäußert. In der Tat, das Recht ist komplex und für Laien oft kaum durchschaubar. Aber auch das ist kein neuer Befund.
Allerdings gibt es heute im Gegensatz zu früher Lösungsansätze, etwa mit den Beratungs- und Hinweispflichten, die den Behörden obliegen. Darüber hinaus können auch die Dienste von Rechtsberatern in Anspruch genommen werden, und zwar – jetzt kommt das Wesentliche – gegebenenfalls auch im Wege der kostenlosen Beratungshilfe. Erst vor Kurzem haben wir hier über den anwaltlichen Beratungsdienst debattiert, der Rechtsuchenden in vielen Städten unentgeltlich zur Verfügung steht. Dort
Das heißt, wir in Sachsen tun schon mehr als in anderen Bundesländern, um dafür zu sorgen, dass sich die Bürger schnell, einfach, unkompliziert und kostengünstig oder gar kostenlos zurechtfinden und die Verwaltung genau das tut, was wir von ihr wollen, nämlich, dass sie sich durch Bürgernähe auszeichnet.