Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Herbst, alles, was Sie gesagt haben, würde ich unterschreiben. Aber ich verstehe nicht, warum Sie das hier vorgetragen haben. Das hätten Sie in Ihrer eigenen Fraktion besprechen können. Ich habe eine ganz andere Sicht auf diesen Antrag, und ich bin froh, dass wir einmal darüber sprechen können.
Herr Staatsminister Morlok, im September 2009 sind Sie in das Amt gewählt worden, und seit September 2009 gibt es von Ihnen kein inhaltliches Angebot, keine Veränderung, keine öffentliche Ansage, was Sie verändern wollen. Von einer Strategieerklärung, wohin denn die Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik unter den aktuellen Bedingungen gelenkt werden soll, ganz zu schweigen.
In Sorge um Sachsen gerade in der schärfsten Rezessionszeit, die die Bundesrepublik erlebt, haben wir sowohl mit den Kollegen der Koalition – also auch mit Ihnen selbst – das Gespräch über Schwerpunkte der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik in den nächsten Monaten gesucht. Mehr als gute Worte und Beteuerungen, das laufe sich alles noch ein, waren jedoch bisher nicht zu vernehmen. Herr Morlok, ich habe die Sicht, und ich sage es Ihnen offen: Sie leben von der Substanz Ihres Vorgängers. Das ist so beim Innovationsassistenten. Die damit verbundene Technologiepolitik hat Ihnen ja die CDU abgenommen und Ihnen überraschenderweise dafür einen zweiten Staatssekretär gegeben.
Das zeigte sich auch jüngst auf der Veranstaltung zum Breitbandausbau in den ländlichen Regionen, als Sie immer wieder Herrn Jurk beipflichteten, dass er eine gute Arbeit geleistet hätte. Ein Minister, an dem sich die Opposition nicht reiben kann – das hatten wir zumindest erwartet –, verdient eigentlich keine Aufmerksamkeit.
Aber nun flattert dieser doch seltsam anmutende Antrag auf den Tisch, und man ist gezwungen, etwas Luft abzulassen. Dass Sie von der Substanz Ihrer Vorgänger leben, verdeutlicht auch Ihre Freischwimmeraktion betreffs der Kostenexplosion beim City-Tunnel. Natürlich trifft Sie keine Schuld, Herr Morlok. Das reicht aber nicht. Sie müssen schon sagen, gegen welche geplante Investition der Ausgleich erfolgen soll, solange Sie als Leipziger den City-Tunnel weiterbauen wollen. Sie sind jetzt im Amt, und für zukünftige Entscheidungen im Sinne Sachsens hilft Ihnen nicht der Rechnungshof und auch nicht Ihre Herkunft aus Leipzig.
Sie sind jetzt in einer Verantwortung. Das verlangt Entscheidungen –Sie drücken sich jedoch. Es fehlen Ihnen der Mut und die Ideen – von Visionen ganz zu schweigen –, Neues trotz leerer Kassen zu beginnen.
Mit dem vorliegenden Antrag konstatiere ich: Auch die Koalition – so verstehe ich Sie, Herr Herbst – kann nicht mehr stillhalten und lässt ihrem Unmut freien Lauf. Der Grund, Herr Staatsminister: Einige bekommen Angst bei Ihnen und fordern Sie auf, nun endlich zu handeln. Wie anders soll ich diesen Antrag sonst verstehen? Die Parallelen mit Berlin sind klar sichtbar, aber ich will ehrlich bleiben: Guido bleibt dennoch unübertroffen.
Herr Morlok, von Ihnen gibt es kein öffentliches Arbeitsmarktprojekt, keine Umstellung der Wirtschaftsförderung, keine Überprüfung der Vermarktungsstrukturen, keinen erleichterten Zugang zur GA-Förderung, keine Vereinfachung der Förderverfahren, keine Konzentration der Förderung auf nachhaltige Handlungsfelder – weil Sie eben keine vorgeben –, keinen sorgsamen Umgang mit Steuermitteln, kein neues Qualitätsmanagement, keine Profilierung der Mittelstandsförderung mit Blick auf Auslandsmärkte usw.
Diese Schwerpunkte sind selbst gestellte Aufgaben aus dem Koalitionsvertrag, und ich habe mir als ehemaliger Konstrukteur soeben gestattet, Ihnen das als Ihr Pflichtenheft vorzulesen. Ohne einer inhaltlichen Werbung vorzugreifen, steht dennoch fest: Nichts davon haben Sie bisher angepackt, geschweige denn Ihre Vorstellung dazu öffentlich kundgetan.
Nehme ich noch den Kabinettsbeschluss über die Abgrenzung der Geschäftsbereiche der Staatsministerien zur Grundlage, sind in 27 Punkten Ihre Verantwortungsgebiete klar bestimmt. Verinnerlichen Sie sich diese, machen Sie Ihre Arbeit, für die Sie verantwortlich sind, anstatt uns Sachsen mit Ihrer Geberlandtheorie zu blamieren!
Der vorliegende Antrag der Koalition, dem Landtag ein Konzept vorzulegen, ist eigentlich peinlich, aber aufgrund des Gesagten natürlich notwendig. Die darin aufgeführten Aspekte sind der Fraktion DIE LINKE nicht neu. Auch an Sie, Herr Herbst: Vorschläge für beschäftigungsfördernde Fonds können Sie im alternativen Haushaltsentwurf der Linken nachlesen. Damals wurde dies von der schwarzroten Koalition abgelehnt. So trifft man sich eben wieder. Antragsverfahren auf ein wirtschaftliches Verhältnis zwischen Kosten der Förderverwaltung und den bereitgestellten Fördermitteln in Ordnung zu bringen, das müssen Sie mit uns nicht verhandeln. Wir haben im letzten Haushalt Anträge zur Kürzung der Mittel an die SAB gefordert, um Millionen – auch für mehr Lehrerstellen – einzusetzen. Abgelehnt haben Sie das.
Punkt 4 Ihres Antrages: Revolvierende Fonds. Wir Linken waren die Ersten, die diese Forderung vor zehn Jahren erhoben haben. Heute steht das Errichtungsgesetz für revolvierende Fonds bereits im Haushaltsbegleitgesetz. Meine Damen und Herren, das ist geltendes Recht, das ist einfach zu machen. Deshalb muss logischerweise die Forderung heute lauten: Zeigen Sie uns die erstellten Wirtschaftspläne zur Bewirtschaftung der Sondervermögen für 2010, dann werden wir analysieren, wie Sie Ihre Hausaufgaben gemacht haben und wo die Reserven liegen.
Was im Punkt 5 die effektive Erfolgskontrolle betrifft, dafür haben wir die FöMiSachs erfunden. Ich frage mich, ob die Koalition weiß, was alles schon auf den Weg
gebracht wurde. Ich verkneife mir weitere Kommentare. Es gibt nichts, was man nicht besser machen kann. Aber wirklich Eigenes bzw. Neues haben Sie uns in diesem Antrag nicht aufgeschrieben. Dazu gehört die Überprüfung der institutionellen Förderung, die Konzentration der Wirtschaft auf Zukunftsbranchen, damit bei der Förderpolitik endlich mit dem Gießkannenprinzip Schluss gemacht wird.
Deshalb können wir Ihrem Antrag nur mit unserem Änderungsantrag zustimmen. Er qualifiziert die Aufgabenbestimmung an Sie, weil es unter anderem keinen Grund gibt, erst im Oktober über die geplanten Maßnahmen zu berichten. Die CDU will doch nicht ihren seit Jahrzehnten geordneten Haushaltsablauf verändern, oder? Das wäre auch ein Qualitätsabfall. Wir erwarten also mit dem Entwurf des Staatshaushaltsgesetzes die Konzeption zur Ausrichtung der Wirtschaftsförderung. Ihre Handschrift, Herr Staatsminister, wollen wir endlich sehen, und nicht erst im Oktober. Das hätte Nachrichtenwert, und Kabinettspressekonferenzen müssten nicht – wie in dieser Woche – ausfallen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Zunächst vorweg: Die SPD-Fraktion wird dem Antrag zustimmen.
Das ist eigentlich auch ganz klar; denn in dem Antrag steht ja nichts drin, was man falsch machen kann.
Zu Beginn dieser Woche, am Dienstag, gab es eine Berichterstattung über eine Kabinettspressekonferenz, die es eigentlich geben sollte, die aber mangels Nachrichtenwert ausgefallen ist. Das Gleiche könnte ich fast aus unserem Wirtschaftsausschuss sagen, wo immer ganz zaghaft herumgefragt wird, ob jemand einen Antrag stellen könnte, man wisse nicht, was man machen soll.
(Thomas Kind, Linksfraktion: Oh! – Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion: Das ist Arbeitsverweigerung!)
Ich will damit sagen, es gibt genug zu tun. Gestern wurde ich hier im Landtag vom Kollegen Krauß zitiert, der sagte, der Landkreis Leipziger Land habe damals zu wenig Jugendhilfe vom Land abgefordert. Das stimmt, wir mussten nämlich sparen. Das können nicht nur die anderen, das musste ich auch. Sparen heißt aber nicht, dass man nur Geld wegnimmt. Sparen heißt Konzeptionen
erarbeiten. Sparen heißt Wege zu finden, wie man mit weniger Geld umgehen kann. Für mich als Landrätin des Landkreises Leipziger Land, die den Landkreis im Übrigen von einem CDU-Landrat in maroder Form übernehmen musste, war die erste Pflicht beim damaligen Regierungspräsidium: Entweder Sie sparen oder Sie bekommen einen Amtsverweser. Hätte man die gleiche Verfahrensweise im heutigen Nordsachsen angewandt, müssten wir uns hier im Landtag mit diesem Landkreis nicht beschäftigen.
Herr Zastrow sagte, es existiere eine regelrechte Fördermittelbeschaffungswirtschaft. Aus diesem Unsinn müssen wir heraus. Herr Herbst, das sehen wir genauso. Darin sind wir uns völlig einig. Worin ich nicht einig mit Ihnen bin, ist, dass Sie zu Beginn Ihrer heutigen Ausführungen feststellen, dass der Herr Wirtschaftsminister eine gute Arbeit geleistet habe, weil Sachsen von der Wirtschaftskrise weniger betroffen sei. Vielleicht hängt das auch mit Fördermittelprogrammen und deren Vergabe zusammen, und am Ende kritisieren Sie das Gleiche. Es wäre schon schön, wenn wir bei unseren Aussagen ein wenig stringent blieben; denn das, was ich von Wirtschaft vernehme – und ich bin immer noch nah dran –, ist eine ganz andere Praxis. Im Moment wird man von der SAB dafür gelobt, wenn man so wenig wie möglich Geld ausgibt und wenn man nicht die Unternehmen, die es nötig haben – darin stimme ich völlig mit Ihnen überein – dort unterstützt, wo sie es brauchen. Das wird zurzeit nicht praktiziert.
Dennoch – auch das haben wir als SPD-Fraktion versprochen – möchten wir natürlich Vorschläge unterbreiten. Wir wollen nicht diejenigen sein, die von früh bis abends nur kritisieren und nicht sagen, was sie wollen. Im Übrigen – auch das als Hinweis – wird der Landkreis Leipziger Land vielleicht, da ich ja nun im Landtag sitze, immer mal zitiert werden. Wir hatten damals – auch bei der Kürzung der Jugendhilfe – keine Demonstrationen vor dem Landratsamt. Und warum nicht? Weil wir mit unseren Abgeordneten und den Betroffenen gemeinsam diskutiert haben. Das wünsche ich mir auch für die Wirtschaftsförderung, Herr Morlok: dass wir uns gemeinsam hinsetzen und gemeinsame Vorschläge erarbeiten, wie wir damit umgehen können, dass wir in Zukunft weniger Geld haben, es aber so einsetzen wollen, dass wir das Land weiter voranbringen.
Was wollen wir? Die Stärkung der regionalen Wirtschaftsförderung und die Einführung von Regionalbudgets. Wir haben begonnen umzusteuern, damals mit unserem Wirtschaftsminister Jurk, indem wir die Förderung von der einseitigen Ausrichtung auf zentrale Leuchttürme hin zur Stärkung regionaler Wachstumskerne und regionaler Wirtschaftskreisläufe verschoben haben. Diesen Ansatz gilt es weiter auszubauen. Wir wollen weiterhin den Übergang zu bedingt rückzahlbaren Darlehensprogrammen sowie eine weitere konsequente Umstellung der Förderung auf nachhaltige revolvierende Fonds; auch das ist heute bereits gesagt worden. Das ist alles nicht neu,
aber es muss weitergeführt werden. Wir wollen eine Neustrukturierung der Wirtschaftsfördergesellschaft, verbunden mit einer deutlich stärkeren Information und Aufklärungsarbeit vor Ort in den Regionen.
Wir haben in den vergangenen Jahren im Rahmen der Gestaltung der operationellen Programme damit begonnen, eine dringend notwendige Umsteuerung einzuleiten. Diesen Weg müssen wir weitergehen unter dem Motto „Nicht länger in Beton, sondern in die Köpfe der Menschen investieren“. Deshalb müssen die Bereiche Forschung, Innovation, Wissenschaft und Bildung weiter gestärkt werden, und wir schlagen eine zielgerichtete Förderung von Branchen und Kompetenznetzwerken sowie Clusterstrukturen mit besonderen Wachstums- und Beschäftigungsperspektiven statt einer kleinteiligen Gießkannenförderung vor.
Entbürokratisierung, Herr Flath, Sie erinnern sich sicher mit mir gemeinsam, hatten wir schon 2003 auf dem Programm. Es gab damals 2 000 Vorschläge von der kommunalen Ebene und eine Kommission, die sich lange damit befasst hat. 400 sind in die nähere Betrachtung gekommen. Bei 40 gab es den Vorschlag zu entbürokratisieren. Ich hätte gern einmal gewusst, wie viele tatsächlich entbürokratisiert wurden.
Ich hoffe, dass wir nicht in diesem Status stecken bleiben, biete unsere Zusammenarbeit an und wünsche uns dabei viel Erfolg.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die längsten Staus entstehen nicht auf sächsischen Autobahnen, sondern auf den Dienstwegen. Aus diesem Blickwinkel ist die Forderung der sächsischen Wirtschaft nach kurzen Wegen nur zu gut zu verstehen; und um die Voraussetzungen für eine gute Wirtschafts- und Standortpolitik muss es bei der Behandlung des vorliegenden Antrages der Koalition gehen. Dafür ist es richtig, Wirtschaftsförderung im Zusammenhang mit Bürokratie und vor allem deren Abbau zu diskutieren. Ein prall gefüllter Fördertopf entfaltet keine Wirkung, solange die Förderprogramme so unverständlich formuliert sind, dass sich die Unternehmen mit Grausen abwenden. Ja, Förderpolitik gehört hinsichtlich Mittelstandsfreundlichkeit auf den Prüfstand. Aber hier wird der Bock zum Gärtner gemacht, wenn die Verwaltung Maßnahmen zum Bürokratieabbau vorschlagen soll.
Denn Bürokratie ist das Futter für den Amtsschimmel, und warum sollte dieser ernsthaft daran interessiert sein, eine Diät oder gar eine Hungerkur zu machen, meine Damen und Herren?
Wie ideenlos die Wirtschaftspolitik der CDU-Fraktion ist, hat sie in den vergangenen Jahren schon oft unter Beweis
gestellt. Dass sich nun allerdings auch die FDP in diesen Kanon einreiht, wo sie sich doch stets als das Sprachrohr der mittelständischen Wirtschaft gefeiert hat, überrascht mich sehr. Was für ein Konzept erwartet die Koalition denn von der Staatsregierung, wenn sie es nicht einmal für nötig hält, wenigstens einige Zielvorgaben zu machen? Begriffe wie Nachhaltigkeit, effektive Erfolgskontrolle und Entbürokratisierung sind nicht mehr als Worthülsen oder Sprechblasen, an denen sich schon ganz andere verschluckt haben. In diesem Zusammenhang hätte ich auch sehr gern gewusst, wie sich die Antragsteller nachhaltige Förderinstrumente vorstellen.