Protocol of the Session on March 11, 2010

Wenn Sie mit Ihrem Antrag nun für einen Bericht bis zum 30.06.2010 Zeit geben wollen, dann spricht das wiederum nicht für die Dringlichkeit. Dieser Sächsische Landtag mit all seinen Fraktionen und Abgeordneten hat andere Instrumente, die schneller und wirksamer sind. Deshalb lehnen wir die Dringlichkeit ab.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Bartl von der Fraktion DIE LINKE will noch einmal etwas zur Dringlichkeit sagen. Bitte, Kollege Bartl.

Herr Präsident! Ich stelle zunächst einmal fest, dass sowohl Kollege Piwarz als auch Kollege Gerstenberg zur Sache gesprochen haben und nicht zur Dringlichkeit. Das geht natürlich nicht, dass Sie da zusehen.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Herr Kollege Bartl, sprechen Sie jetzt bitte zur Dringlichkeit. Ihre Fraktion hat das schon begründet.

Sie haben prinzipiell eine andere Rechtsauffassung. Der Artikel 3 Abs. 2 verpflichtet den Freistaat Sachsen, dafür zu sorgen, dass nichtige Bestimmungen nicht zur Anwendung kommen und dass Daten, die durch nichtige Bestimmungen gespeichert sind, sofort und nicht irgendwann vernichtet werden.

Wir haben einen Präzedenzfall. Das Verfassungsgericht in Leipzig hat bei der Datensammlung zur OK durch das Landesamt für Verfassungsschutz bekanntermaßen den Paragrafen zur Erhebung für nichtig erklärt. Nichtsdestoweniger sind im Freistaat Sachsen auf 15 600 Seiten anderthalb Jahre lang Daten weiter gespeichert worden. Aus diesem Grunde halten wir es nicht für gangbar zu

warten, ob die erhobenen Daten bei den Behörden gelöscht oder nicht gelöscht werden, sondern es ist höchst dringlich, dass der Landtag diese entsprechende Aufforderung sofort ausspricht.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Vielen Dank, Kollege Bartl. – Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Ich darf zur Abstimmung darüber bitten, ob Sie die Dringlichkeit bejahen oder nicht. Wer für die Dringlichkeit ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Vielen Dank. Gegenstimmen? – Vielen Dank. Stimmenthaltungen? – Es gibt keine Stimmenthaltungen. Damit ist die Dringlichkeit abgelehnt.

Meine Damen und Herren! Ich sehe noch eine Wortmeldung.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe eine Wortmeldung zur Tagesordnung und bitte um Aufklärung. Wir haben vom 02.03.2010 von der Staatsregierung Informationen erhalten, wann welche Minister anwesend sind. Wir haben den Antrag der Koalition im Tagesordnungspunkt 4 „Wirtschaftsförderung zukunftsfähig ausrichten“. Hier steht in Fortsetzung von gestern, dass unser Herr Minister es vorzieht, zu diesem Tagesordnungspunkt nicht im Sächsischen Landtag zu sein, sondern dass er in Leipzig zur Eröffnung der Sächsischen Außenwirtschaftstage weilt.

Ich bitte zu prüfen, ob das noch aktuell ist und unser Wirtschaftminister weiter darauf besteht, an dieser Debatte nicht teilzunehmen, oder ob das geklärt ist. Wir gehen davon aus, dass der Ministerpräsident hier regulierend eingegriffen hat.

Ich sehe jetzt auf der Regierungsbank ein Nicken. Deshalb gehe ich davon aus, dass der Wirtschaftsminister bei den ihn betreffenden Tagesordnungspunkten anwesend ist.

Meine Damen und Herren! Ich sehe jetzt keine weiteren Änderungsvorschläge. Ich sehe auch keinen Widerspruch gegen die Tagesordnung. Die Tagesordnung der 10. Sitzung ist damit mit den Änderungen, gegen die sich kein Widerspruch erhob, und der Anmerkung bestätigt.

Wir treten jetzt ein in den

Tagesordnungspunkt 1

Aktuelle Stunde

1. Aktuelle Debatte: 20 Jahre CDU-Regierung in Sachsen: Wem gehört der Freistaat?

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

2. Aktuelle Debatte: Vom Rechtsstaat zum „Linksstaat“ der 68er – der Rechtsbruch am 13. Februar 2010

Antrag der Fraktion der NPD

Die leichte Veränderung der 2. Aktuellen Debatte ist rechtzeitig angezeigt worden.

Vielleicht noch ein Hinweis: Nach § 55 unserer Geschäftsordnung dauert die Aktuelle Stunde zwei Zeitstunden. Die Verteilung der Gesamtredezeit der Fraktionen hat das Präsidium wie folgt festgelegt: CDU 30 Minuten, DIE LINKE 20 Minuten, SPD 12 Minuten, FDP 12 Minuten, GRÜNE 15 Minuten, NPD 15 Minuten; Staatsregierung

20 Minuten, wenn gewünscht. Die Redezeit des einzelnen Redners beträgt gemäß § 55 Geschäftsordnung maximal 5 Minuten pro Beitrag. Ich bitte Sie, sich an die Redezeit zu halten.

Über die freie Rede muss ich diesmal keine Bemerkung machen. Das geht uns zunehmend in Fleisch und Blut über.

Wir kommen jetzt zu

1. Aktuelle Debatte

20 Jahre CDU-Regierung in Sachsen: Wem gehört der Freistaat?

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Als Antragstellerin hat zunächst die Fraktion GRÜNE das Wort. Ich bitte Frau Kollegin Hermenau, dass sie ihren Beitrag leistet.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Wenn Sie nach dem aktuellen Anlass der Debatte fragen, weil es um 20 Jahre geht: Der liegt erst wenige Tage zurück und ist die sogenannte Sponsoring-Affäre bei der Denk- oder Geldfabrik. Aber wir werden das noch erörtern.

Der Sächsische Sonnengott Biedenkopf ist weg. Die monarchistischen Allüren und Skandale sind aber geblieben. Wenn Herr Biedenkopf wenigstens noch ein Querdenker gewesen ist, der wegen seiner Denkfähigkeit geschätzt wurde und dem man seine royalen Marotten hat durchgehen lassen, und Herr Milbradt ein Querkopf mit einem Hang zur Alleinherrschaft war, aber ohne royales Flair, so ist Herr Tillich eigentlich nur ein Querschläger ohne jeden Glanz vergangener Tage. Nun geht ihm auch noch langsam das Geld aus.

Herr Tillich musste sich – mit den Höflichkeiten im konservativen Lager bin ich sehr vertraut – enorme Rüffel von Frau Merkel und Herrn Kauder öffentlich anhören. Natürlich werden eine Frau Merkel und ein Herr Kauder nicht zu schlechter Wortwahl greifen oder empört tun, sondern sie haben einen ganz gepflegten Stil der Unterkühlung, wenn es darum geht, jemanden aufs Mark zu kritisieren. Und das haben beide öffentlich getan. Und

Sie, Herr Tillich, haben sich – finde ich – in dieser Sponsoringaffäre verhalten wie ein Dreijähriger, der dabei ertappt wurde, in die Keksdose gelangt zu haben, und nicht zugeben will, dass die Hand genau in dieser Keksdose gewesen ist.

(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN)

Es war ein ganzes Wochenende Zeit vor dieser „Geldfabrik“, auf die Gespräche zu verzichten, sich eine Strategie im Umgang damit zu überlegen, um die Demokratie zu stabilisieren, die Einnahmen als Spenden für soziale Zwecke vorzusehen, zu erläutern, wie in Zukunft diese Denkfabrik anders organisiert werden soll, und auch darüber nachzudenken, ob die Sächsische Union nicht endlich dazu übergehen sollte, den Ministerpräsidenten und das Amt des Parteichefs voneinander zu trennen, damit solche Vorkommnisse nicht mehr passieren. Ich weiß nur nicht, wer bei Ihnen dann Parteichef wird und 8 000 Euro pro Gespräch wert ist. Aber das können wir ja klären.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir haben meiner Meinung nach mit dem Rücktritt von Frau Käßmann in den letzten Wochen einen Maßstab erlebt, wie man damit umgehen kann. Sie hat einen schweren Fehler begangen, sie hat ihn erkannt, das ist der erste Schritt, sie hat ihn bereut, das war der zweite Schritt, sie hat ihn mit ihrem Rücktritt gesühnt, das ist der dritte Schritt, und sie hat von allen Seiten Vergebung erfahren.

Das hat sie alles innerhalb einer Woche geschafft. Wir quälen uns hier seit 20 Jahren mit der CDU herum, die es einfach nicht schafft, ihre Skandale zu klären.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und der SPD – Lachen bei der CDU)

Es gibt von Ihnen, Herr Ministerpräsident, einen Weihnachtsbrief – daran ist erst einmal nichts Schlechtes, Weihnachten soll man aneinander denken –, aber Sie schreiben an die Landesbediensteten, dass Sie für die Unterstützung und das Engagement im Wahlkampf danken. Da werde ich demokratisch hellhörig, das kann ich Ihnen sagen. Werden diese Landesbediensteten jetzt von der CDU bezahlt oder vom steuerzahlenden Volk?

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Dienen diese Staatsdiener der CDU oder dem Volk? Meiner Meinung nach haben Sie die Staatsdiener inzwischen mit diesen freundlichen Umarmungen gekapert. Man nennt so etwas in der Wirtschaft übrigens ein unfriendly takeover. Lustigerweise habe ich in der Antwort auf die Kleine Anfrage von Kollegin Friedel von der SPD-Fraktion lesen dürfen: Sie haben diesen Brief geschrieben, um „ein motivierendes Gruppengefühl zu begründen“.

(Große Heiterkeit bei den GRÜNEN und der SPD)

Vor 20 Jahren – und das wissen Sie, denn Sie waren auch dabei, irgendwie – haben wir versucht abzuschaffen, dass der Staat und die Partei eins sind, auch nicht als motivierendes Gruppengefühl.

(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und der SPD)

Ich bin mir auch nicht sicher – wie Sie es offensichtlich sind –, dass alle Staatsbediensteten durch die Kollektivierung in die CDU in Sachsen motivierbar sind. Ich halte das für ein kühnes Selbstverständnis und für ein absolutistisches Staatsverständnis.

Heute soll auf einem Holzgerüst vor dem Landtag ein Transparent angebracht werden, auf dem steht: Hier bestimmen Sie! Damit ist das Volk gemeint. Damit sollen bürgerliches Engagement und Mut zur Einmischung eingefordert werden. Nach den Dingen, die ich gerade genannt habe, müsste dort eigentlich stehen: Suchen willfährige Erfüllungsgehilfen! Gestern hatten Sie real engagierte und sich einmischende Bürger genau vor diesem Holzgerüst. Sie haben diese Bürger ignoriert! Das ist der Unterschied zwischen Ihrer Politiktheorie

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und der SPD)