Protocol of the Session on March 11, 2010

(Beifall bei der Linksfraktion, der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Werner. – Herr Zastrow, ich frage Sie mal. Ihre Körpersprache vermittelte irgendwie, dass Sie intervenieren wollten. Möchten Sie das jetzt noch öffentlich tun oder nicht? – Nein. Dann habe ich mich geirrt. Ich bitte um Entschuldigung.

Meine Damen und Herren, möchte noch jemand das Wort ergreifen? – Das kann ich nicht feststellen. – Ich frage die Staatsregierung. – Frau Staatsministerin Clauß, Sie haben das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich kann Sie beruhigen. Die Staatsregierung engagiert sich selbstverständlich sowohl bei der Neuorganisation der SGB-II -Träger – dazu hatte ich mich gestern deutlich positioniert – als auch bei der Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes zu den Regelsätzen. Jetzt ist aber das

Bundesministerium am Zug, die Regelsätze verfassungskonform auszugestalten und einen Vorschlag vorzulegen. Ich bin überzeugt, dass uns Frau Bundesministerin von der Leyen positiv überraschen wird.

Diesen Vorschlag werden wir selbstverständlich mit diskutieren, denn es geht um die wichtige Frage: Wie können und wie wollen wir unser Gemeinwesen gestalten, damit diejenigen, die auf die Hilfe des Staates angewiesen sind, auch in angemessener Weise die Unterstützung bekommen? Ich spreche absichtlich von „wollen“ und „können“, denn wir alle können nur das verteilen, was wir haben.

Vor diesem Hintergrund will ich kurz auf die einzelnen Forderungen eingehen. Erstens. Wenn Sie fordern, dass alle Arbeitsuchenden von der Bundesagentur für Arbeit vermittelt werden sollen, kann ich darauf nur antworten: Dies war jahrzehntelang so mit dem Ihnen bekannten Ergebnis. Wir haben es in Sachsen geschafft, die Vermittlung vor Ort einzuführen, wir haben in Sachsen optierende Kommunen, die Arbeitsuchende mit gutem Erfolg vermitteln, und wir haben engagierte ARGEn. Diese Erfolge werden wir bei der jetzigen Reform bestimmt nicht ohne Grund aufgeben. Ortsnähe, regionale Kenntnis und Kontakte sowie Flexibilität – all das soll erhalten bleiben, und zwar immer mit dem Ziel auf Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt. Auch die Forderung, der Bund solle in Zukunft die Kosten für Unterkunft und Heizung übernehmen, ist provokant und abwegig. Im Übrigen wäre eine solche Kostenübernahme sicherlich nicht verfassungsgemäß.

Zu Ihrer zweiten und dritten Forderung. Sie fordern die Abschaffung der Bedarfsgemeinschaft und gleichzeitig einen Regelsatz für alle Langzeitarbeitslosen von 500 Euro im Monat. Sie fordern diese 500 Euro zuzüglich der Kosten der Unterkunft für jeden Langzeitarbeitslosen, egal, wie alt er ist, egal, ob er in einer Familie lebt oder nicht. Meine Damen und Herren, das erklären Sie einmal denen, die jeden Tag arbeiten gehen

(Beifall bei der CDU und der FDP)

und am Monatsende weniger als 500 Euro zur Verfügung haben. Das ist unseriös und ungerecht. Außerdem frage ich Sie, wer das bezahlen soll. Wo wollen Sie das einsparen?

(Zuruf des Abg. Dr. André Hahn, Linksfraktion)

Viertens. Sie wollen einen gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von 10 Euro pro Stunde. Das klingt gut. Aber ist Ihnen klar, dass ein solcher Mindestlohn weitere Arbeitsplätze in andere Länder verlagern würde?

(Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion: Nein! – Zuruf des Abg. Klaus Tischendorf, Linksfraktion)

Sie wissen, dass es kaum noch möglich ist, Produkte zu erwerben, die nicht in einem Billiglohnland hergestellt worden sind. Mit einem solchen Mindestlohn – auch darüber wurde schon debattiert – würde in Sachsen gar nichts mehr produziert. Das bedeutet wiederum noch

weniger Steuereinnahmen, das bedeutet noch weniger Arbeitsplätze und das bedeutet auch noch mehr Menschen als ALG-II-Bezieher. Das wollen wir nicht.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Wir setzen zur Lösung des Problems auf Lohnkostenzuschüsse für Menschen mit geringem Einkommen. Im Übrigen ist das System der Tarifautonomie in Deutschland verfassungsrechtlich geschützt. Das sollten Sie, wenn Sie das Bundesverfassungsgericht zitieren, auch wissen.

Die Tarifautonomie besagt, dass die Aufgabe der Lohnfindung keine staatliche Aufgabe ist, sondern in den Bereich der Tarifpartner fällt. Erst wenn die Tarifpartner nicht in der Lage sind, die Lohnfindung autonom zu regeln, darf der Staat eingreifen.

Noch einmal zu Ihrer letzten Forderung der Einführung einer bedarfsorientierten Kindergrundsicherung. Diese Frage wird derzeit geprüft. Auch diese Einführung haben wir schon lange gefordert. Es ist keineswegs so, dass in der Vergangenheit das soziokulturelle Minimum willkürlich festgelegt worden wäre. Alle, die sich mit diesem Thema beschäftigt haben, wissen sehr genau, wie die Regelsätze zustande gekommen sind, und denjenigen, die es nicht wissen, empfehle ich dringend, das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, auf das Sie sich berufen, zu lesen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Frau Staatsministerin Clauß. – Meine Damen und Herren! Die Aussprache zum Antrag Drucksache 5/1518 ist beendet. Die Fraktion DIE LINKE hat nun die Möglichkeit zum Schlusswort. Herr Dr. Pellmann, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Debatte hat zumindest gezeigt – wenngleich sie kontrovers war, aber das war zu erwarten –, dass beide Urteile, über die noch einmal zu sprechen war, tatsächliche Einschnitte in arbeitsmarktpolitische und sozialpolitische Entwicklungen der Bundesrepublik sind. Nach meinem Eindruck sind die hier geäußerten Meinungen der Koalition weit ab davon, den Geist und den Sinn dieser Urteile bereits zu erfassen.

(Alexander Krauß, CDU: Dann haben Sie nicht zugehört!)

Sie gehen immer noch davon aus, dass man es irgendwie hinbiegen könne, dass es nicht teurer werden würde, dass es irgendwie so bleibt, wie es ist. Meine sehr geehrten Damen und Herren, aber genauso geht es nicht. Wir haben deshalb, nachdem wir in der Vergangenheit viele einzelne Anträge hatten, heute einen Komplexantrag gestellt, um in erster Linie darauf aufmerksam zu machen, dass wir einen Neubeginn brauchen; denn das, was bisher Hartz IV hieß, ist gescheitert.

Aber einen Neubeginn macht man nicht mit einem einzelnen Mosaikstein, sondern man geht komplex heran. Uns ist es völlig klar, dass all die von uns deutlich gemachten Forderungen und Prämissen auszugestalten sind. Wir haben das in der Vergangenheit teilweise bereits getan.

Frau Clauß hat heute wieder deutlich gemacht, dass Initiativen ergriffen werden, man aber zunächst darauf warte, was in Berlin geschieht. Genau das meinen wir aber nicht. Frau Clauß, Sie können ja eine andere Meinung haben; aber wenn Sie die Kommunen fördern wollen, warum starten Sie dann nicht eine Initiative oder schließen sich einer an, indem gesagt wird: Mit den Kosten der Unterkunft – es sind circa 10 Milliarden Euro – könnten wir die Kommunen entlasten.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Das wäre einmal eine Initiative aus Sachsen. Warum nicht? Sie sagen lediglich: Wir sind sehr initiativreich und warten aber ab, was Berlin macht.

Über den Mindestlohn haben wir lange diskutiert, und das wird sicherlich nicht das letzte Mal gewesen sein.

Herr Zastrow hat das, was ich in meinem Eingangsbeitrag gesagt habe, bestätigt, was die ökonomischen Irrwege betrifft, die er beschreitet. Ich will nur einen Satz dazu sagen: Als Partei des Marktliberalismus fordern Sie – –

(Holger Zastrow, FDP: Der sozialen Marktwirtschaft!)

Das sind Sie doch! Das sollte Ihnen zu denken geben. Was Sie mit dem Niedriglohn machen – –

Ihre Redezeit ist zu Ende.

Ja. – Was Sie mit dem Niedriglohn machen, ist nichts anderes, als den Staat in die Haftung für Niedriglöhne zu nehmen. Überlegen Sie sich das einmal.

Ihre Redezeit ist abgelaufen!

Insofern kann ich nur bitten, unserem Antrag zuzustimmen. Ich werde dann noch etwas zum Änderungsantrag der SPD-Fraktion sagen.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Meine Damen und Herren! Wir kommen nun zur Abstimmung. Es liegt Ihnen ein Änderungsantrag der SPD-Fraktion mit der Drucksache 5/1680 vor. Frau Neukirch, in Ihrem Redebeitrag sind Sie schon sehr ausführlich darauf eingegangen. Möchten Sie noch etwas ergänzen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist dieser Antrag eingebracht. Herr Dr. Pellmann, Sie wollen sich dazu äußern? Bitte schön.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD! Diese drei Punkte, die Sie uns heute als Änderungsantrag offenbaren, wären für uns eigentlich zustimmungsfähig, wenn sie als ein Antrag von Ihnen gekommen wären. Da Sie aber den Hauptpunkt unseres Antrages damit de facto nicht nur ergänzen und präzisieren, sondern wesentliche Punkte aushebeln – ich verstehe Sie, Sie können zunächst nur eine kleine Brücke von dem, was Sie bisher in Regierungen mitgetan haben, beschreiten –, können wir Ihrem Änderungsantrag heute nicht zustimmen.

Insofern kommen wir in die Bredouille – das gebe ich gern zu –, weil diese drei Punkte Wahrheiten sind, die wir teilen, uns jedoch aus diesen antragstechnischen Gründen zu Ihrem Antrag der Stimme enthalten müssen.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Vielen Dank, Herr Dr. Pellmann. – Gibt es weitere Wortmeldungen zum Änderungsantrag? – Das kann ich nicht feststellen. Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte um die DafürStimmen. – Vielen Dank. Die Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Danke sehr. Bei Stimmen dafür und zahlreichen Stimmenthaltungen ist der Antrag dennoch mit großer Mehrheit abgelehnt worden.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag, Drucksache 5/1518. Ich bitte um die Dafür-Stimmen. – Vielen Dank. Die Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Vielen Dank. Bei zahlreichen Stimmen dafür und Stimmenthaltungen hat der Antrag nicht die erforderliche Mehrheit gefunden und ist abgelehnt.

Meine Damen und Herren! Der Tagesordnungspunkt 5 ist damit beendet. Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 6

Schaffung eines einheitlichen bundesweiten Korruptionsregisters

Drucksache 5/1491, Antrag der Fraktion der SPD

Hierzu können die Fraktionen wie folgt Stellung nehmen: SPD, CDU, DIE LINKE, FDP, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Ich eröffne die Aus

sprache. Es beginnt die Fraktion der SPD. Herr Abg. Brangs, Sie haben das Wort; bitte schön.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin sehr gespannt, wie das Abstimmungsverhalten am Ende dieser Debatte sein wird.