Protocol of the Session on January 22, 2008

Die Kosten der Reform, meine Damen und Herren, sind hoch, sie sind erstaunlich hoch: Bereits jetzt fest stehen über 260 Millionen Euro, die diese Reform kosten wird, ohne dass eine einzige Einsparung verwirklicht ist. Welche Einsparungen durch diese Reform erreicht werden, ist fraglich. Von der Staatsregierung in den Raum gestellt wird eine Effizienzrendite von 20 %. Auf Nachfragen, wie sich diese Effizienzrendite denn berechne, wie man auf diese Zahl gekommen sei, folgt langes Schweigen, ein Achselzucken und die doch erstaunlich prägnante Aussage: Das haben wir uns mal so gedacht.

Nirgendwo im Gesetzentwurf oder in den Unterlagen hierzu findet sich irgendeine Erläuterung, wie eine solche Effizienzrendite tatsächlich erreicht werden soll. Nach dem, was wir bisher vorliegen haben, ist sie fraglich. Es ist ein Hoffnungswert, der hier aufgemacht wird; und im Verhältnis zu den Kosten, die jetzt bereits real sind, ist dies einfach zu wenig.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Bei diesen Kosten – sie sind erheblich, die Effizienzrendite ist fraglich – ist festzustellen, dass sie ein deutliches Mehr an Selbstverwaltung für die Kommunen nicht bringt. Die Bürgernähe dieser Reform bleibt ebenfalls fraglich.

Kurz zusammengefasst: Die Veränderungen in dem vorliegenden Gesetzentwurf sind für eine umfassende Verwaltungsreform zu wenig. Es findet keine Privatisierung statt; bei den Regierungspräsidien wird das Türschild ausgewechselt. Gleichwohl bezeichnet der Ministerpräsident diese Reform als großen Wurf. Das passt aber insofern ins Bild, als der Ministerpräsident auch der Auffassung ist, der Crash der Sachsen LB werde die Bürger nichts kosten.

Meine Damen und Herren! Diese Reform bringt die Verwaltungsstruktur Sachsens aus den frühen Neunzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts in das Jahr 2000, vielleicht auch in das Jahr 2003. Aber mit Sicherheit bringt diese Reform die Verwaltung Sachsens nicht in das Jahr 2020. Das sollte sie aber. Diesen Anspruch sollte eine wirkliche Reform haben, wenn wir das Vorhaben ernst nehmen, Sachsen dahin zu bringen, wohin es nach unserer Auffassung, nach Auffassung der sächsischen FDP gehört: in die Spitzengruppe der deutschen Bundesländer.

Meine Damen und Herren, mit dieser Reform springen Sie zu kurz. Hier werden Chancen nicht gewahrt, sondern vertan.

(Beifall bei der FDP)

Ich erteile der Fraktion GRÜNE das Wort. Herr Lichdi, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute und morgen also findet dieses jämmerliche Schauspiel sein wohlverdientes Ende – ein Schauspiel, das die Staatsregierung und die Koalitionsfraktionen in ihrem Schlepptau seit über zwei Jahren vor der sächsischen Öffentlichkeit und in diesem Hause aufführen, ein Schauspiel mit dem Namen: „Wir machen eine transparente Verwaltungsreform für die halbe Ewigkeit, bei der jeder mitdiskutieren darf, in die sich jede einbringen darf und bei der natürlich allein – und nur allein – nach sachlichen Gesichtspunkten entschieden wird.“

Meine Damen und Herren! Ich nenne dieses Schauspiel jämmerlich und ein ganz mieses Theater,

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der Linksfraktion)

da dieses Haus, insbesondere die Oppositionsfraktionen, zu keinem Zeitpunkt in einer fairen Weise eingebunden wurden, wie es sich – dieser Meinung bin ich allerdings – für das angeblich wichtigste Projekt dieser Legislaturperiode gehört hätte und wie es sich erst recht für eine Reform gehört hätte, die die nächsten zwei oder drei Generationen halten soll.

Die Koalitionsfraktionen waren in den letzten zwei Jahren nicht bereit, die Debatte in diesem Haus aufzunehmen; sie haben sie mit aller Macht verweigert. Stattdessen haben uns die Koalitionsfraktionen in einen Sitzungsmarathon des Innenausschusses im Dezember und Januar gezwun

gen. Sie haben uns in die demütigende Rolle parlamentarischer Komparsen und Statisten gezwungen –

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der Linksfraktion)

natürlich alles ganz „ergebnisoffen“, man möchte fast sagen: „brutalstmöglich ergebnisoffen“, um das Wort eines Politikers zu variieren, der am Sonntag hoffentlich Geschichte sein wird.

Sie haben uns mehr als einmal mit unausgegorenen Tischvorlagen drangsaliert. Sie konnten auf vertiefte Nachfragen nicht antworten. Sie haben sich immer dann, wenn es eng wurde, auf gut klingende Obersätze zurückgezogen – Herr Bandmann ist dafür das lebende Beispiel; er sitzt da drüben –, ohne in die Materie einzudringen. Wenn Sie überhaupt nicht mehr weiterkamen, dann haben Sie die Debatte mit Ihrer Mehrheit beendet.

Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie haben sich demaskiert. Sie haben deutlich gemacht, dass Sie unfähig und unwillig zu parlamentarischer Diskussion und Kooperation sind.

Nun gut, Sie haben uns als Opposition am langen Arm Ihrer Mehrheit verhungern lassen. Aber Sie haben es nicht geschafft, die Öffentlichkeit hinters Licht zu führen. Wir danken unserem Ministerpräsidenten, dass er letzte Woche zugegeben hat, was jeder wusste, was Sie im Ausschuss in gehöriger Vasallentreue aber stets bestritten hatten: Borna ist nicht aus sachlichen Gründen anstelle von Grimma zum Kreissitz bestimmt worden, sondern weil Sie von der CDU Ihrem Koalitionspartner doch ein ganz, ganz kleines Bröckchen vom Kuchen der Macht haben abfallen lassen wollen.

(Beifall bei den GRÜNEN – Martin Dulig, SPD: Das ist einfach nur Quatsch!)

So will ich denn heute noch einmal unsere Kritik ausrollen, wie wir sie seit zwei Jahren vorbringen und vor der Sie sich dauerhaft Ohren und Hirn verstopft haben. Ich weiß, meine Koalitionsfraktionäre, Sie werden auch heute nicht zuhören; aber die Rede ist für das Protokoll dieses Hauses zu halten.

Zunächst zur Notwendigkeit einer Reform. Diese tragen Sie wie eine Monstranz vor sich her, um damit die Sachdebatte gerade zu vermeiden. Die GRÜNE-Fraktion hat immer anerkannt, dass die zurückgehenden Solidarpaktmittel, die sinkende EU-Förderung und der sinkende Länderfinanzausgleich sowie der demografische Wandel zu neuen Überlegungen über die Verwaltungsstrukturen zwingen. Wir haben aber immer auch ein zweites, zentrales Element betont: Angesichts der Krise der Verankerung einer demokratischen Kultur in Sachsen dürfen wir Verwaltungsstrukturen nicht nur etatistisch und nach buchhalterischen Finanzkriterien diskutieren, wie es diese Staatsregierung tut, sondern wir müssen eine Reform machen, die die Rechte der Bürgerinnen und Bürger und die Rechte der demokratisch gewählten Vertretungsorgane auf kommunaler Ebene stärkt; sonst werden sich immer

mehr Bürgerinnen und Bürger von der gesellschaftlichen Mitwirkung abwenden, und das ist eine zentrale und reale Gefahr.

Innenminister de Maizière wollte noch eine einheitliche Kommunalverfassung vorlegen. Seitdem Sie, Herr Buttolo, im Amt sind, ist davon keine Rede mehr. Staatsregierung und Koalitionsfraktionen haben sich von Anfang an demokratieblind gezeigt. Erst das Greifswalder Verfassungsgericht hat Sie veranlasst, die Anzahl der Kreissitze wieder etwas zu erhöhen. Auch unser entsprechender Gesetzentwurf wird dazu beigetragen haben.

(Vereinzelt Lachen bei der CDU)

Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie behaupten immer, mit der Kommunalisierung würde mehr Bürgernähe geschaffen. Das Wort „Bürgernähe“ klingt gut. Aber was meinen Sie eigentlich damit? Offensichtlich glauben Sie, Bürgernähe werde allein durch die Aufgabenerledigung durch Kommunalbehörden hergestellt. Das ist dem Bürger aber ziemlich egal. Er will – erstens – ortsnahe Behörden haben und möchte – zweitens – politischen Einfluss auf die Aufgabenerledigung nehmen können. Tatsächlich wollen Sie aber verhindern, dass die neuen Kreise selbst in eigener Entscheidung dezentrale und ortsnahe Verwaltungsstrukturen einrichten können. Ihr Gesetzentwurf sieht zwar vor, dass die Kreise örtliche Verwaltungsstellen einrichten; doch ist diese Befugnis befristet und steht unter dem Genehmigungsvorbehalt der Staatsregierung.

Für mich wurde in der Anhörung deutlich, dass der Innenminister die Genehmigungspflicht restriktiv, zulasten örtlicher Verwaltungsstellen, ausüben möchte. Natürlich bestreitet er das jetzt; aber, meine Damen und Herren, wir werden es erleben.

Wir kennen den Bericht des Rechnungshofes, in dem steht: Die bürgernahe Verwaltung kostet ein bisschen mehr. Deswegen wollen wir sie nicht. – Deswegen brauchen wir aus dem Landtag das klare politische Signal: Wir wollen aus politischen Gründen, dass es diese Verwaltungsservicestellen auch im ländlichen Raum gibt. – Dieses Signal geben Sie aber gerade nicht.

Dasselbe gilt für die Möglichkeit, Kreisaufgaben auf kreisangehörige Gemeinden zu übertragen. Dies ist insbesondere für die eingekreisten Städte Zwickau, Plauen, Görlitz und Hoyerswerda eine Option. Doch auch dafür hat sich der Innenminister die Genehmigung vorbehalten. Wir werden erleben, wie restriktiv er die Genehmigungen handhaben wird.

Wie sieht es mit dem Einfluss der Bürgerinnen und Bürger im Kreis auf die Aufgabenerledigung aus? Sie haben so gut wie gar keinen Einfluss; denn die neuen Handlungsoptionen kommen allein in der Zuständigkeit des Landrates an und eben gerade nicht beim Kreistag.

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion)

So wird die bürgerschaftliche Mitwirkung gerade nicht gestärkt, sondern geschwächt, und das in einer Situation,

in der die Landräte und Kreisverwaltungen ohnehin ein großes Übergewicht gegenüber den Kreistagen haben.

Natürlich, meine Damen und Herren, ist das kein Zufall, sondern Ergebnis des Aushandlungsprozesses zwischen dem Innenministerium und den Landräten. Beide haben keinerlei Interesse an einer Stärkung der Kreistage. Das zeigen die Stellungnahmen des Landkreistages und des Innenministers.

Nun zur Datengrundlage Ihrer Reform. Auch hierzu haben meine Vorredner schon Richtiges ausgeführt. Ihre sogenannte Verwaltungsreform ist zu keinem Zeitpunkt transparent und verwaltungswissenschaftlich fachgerecht vorbereitet worden. Zwar betont Herr Buttolo immer, es habe eine Aufgabenkritik gegeben; er ist aber nicht in der Lage, diese Studien vorzulegen. Meinem Eindruck nach existieren sie gar nicht.

Noch einmal ganz kurz: Eine Aufgabenkritik, die diesen Namen verdient, muss die Aufgaben unabhängig von der Behördenstruktur nebeneinanderlegen und dann herausfiltern, ob es Aufgabenüberschneidungen gibt. Im zweiten Schritt ist eine neue Behördenstruktur anhand der zu erledigenden Aufgaben zu entwickeln. Doch das ist nie geschehen. Der Freistaat hat sich vor allem nie einer Kritik seiner behördeninternen Ablauforganisation gestellt, und wo es sie gegeben hat, etwa bei den ehemaligen Staatlichen Umweltfachämtern, da ignoriert er ihre Ergebnisse. Daher beginnt der eigentliche Prozess der Verwaltungsreform erst dann, wenn die neuen Behörden Tür an Tür sitzen und beginnen, sich kennenzulernen. Was dann passiert, kann man nur vermuten; wissen tun wir es nicht.

Meine Damen und Herren! Die Staatsregierung rechtfertigt die Reform mit der Erwirtschaftung einer sogenannten Effizienzrendite von 165 Millionen Euro. Sie glaubt, die neuen Verwaltungsstrukturen könnten 29 % der Mittel einsparen. Leider – Herr Kollege Scheel hat zu Recht darauf hingewiesen – hat sie sich nicht die Mühe gemacht nachzurechnen. Stattdessen will sie die Effizienzrendite auf dem Rücken der Kreise erwirtschaften. Der Mehrbelastungsausgleich ist bewusst so gestrickt worden, dass die Kreise ab 2012 gezwungen sein werden, Personal in Größenordnungen zu entlassen.

Der politische Sinn und Zweck ist völlig eindeutig: Der Freistaat wird dann, wenn es zum Schwur kommt, seine Hände in Unschuld waschen und scheinheilig auf die Verantwortlichkeit der Kreise hinweisen. Der Freistaat ist schön raus. Der Unmut der Bürgerinnen und Bürger wird sich gegen die Kreistage und die Landräte richten. Meine Herren Landräte, ich kann bis heute nicht verstehen, warum Sie sich auf dieses Spiel eingelassen haben. Das wird wohl Ihr ewiges Geheimnis bleiben. Vielleicht liegt es daran, dass jetzt einige doch ausscheiden werden.

Meine Damen und Herren! Ich bin nicht so euphorisch zu glauben, dass allein mit einer Bündelung Effizienzgewinne zu erzielen sind. Ich erinnere mich, dass in der Anhörung ein Sachverständiger sagte, dass die Behördenstrukturen alle 20 Jahre entweder in Richtung Bündelung oder

in Richtung Verselbstständigung reformiert werden. Jetzt sind wir offenbar in einem Zyklus, in dem Bündelung als Allheilmittel gilt. In spätestens zehn Jahren werden wir wieder genau andersherum diskutieren, wenn nämlich klargeworden sein wird, dass jetzt eingebündelte Verwaltungen, wie etwa die Sozialverwaltung, nicht funktionieren. Auch hier hat sich die Staatsregierung einer rationalen Diskussion verschlossen.

In der Antwort auf unsere Große Anfrage hat sie zugegeben, dass bisherige Bündelungen weder auf ihre Erfolge evaluiert worden, noch, dass das jetzt beabsichtigt ist. Verwaltungsreform im Blindflug, kann ich da nur mit Kollegen Scheel ausrufen.

Meine Damen und Herren! Wir verkennen nicht, dass es in der Sächsischen Verfassung einen Kommunalisierungsauftrag gibt. Im Grundsatz teilen wir die Auffassung, dass es besser ist, möglichst viele Aufgaben auf unterer Ebene, also auf dezentraler Ebene, zu erfüllen. Nur, Ihre Kommunalisierung ist nicht das Ergebnis einer fachgerechten Abwägung, sondern das Resultat eines schlichten Tauschgeschäftes mit den Landräten, und zwar nach dem Motto: „Gibst du mir mehr Aufgaben, stimme ich deinen Kreiszusammenlegungen zu.“

Man möge uns diesen Tauschhandel aber bitte nicht als an den Sachfragen orientierte Entscheidungen verkaufen. Entsprechend haben Sie auch absurde Lösungen gefunden, Beispiel wiederum: kommunaler Sozialverband. Der kommunale Sozialverband ist ein Zweckverband auf Landesebene, der jetzt die Aufgaben erfüllen soll. Dies zeigt, dass diese Aufgaben im Grunde genommen nicht kommunalisierbar sind, denn Kommunalisierbarkeit heißt, dass die kleinere Verwaltungseinheit die Aufgaben besser als eine Landeseinheit, nämlich zweckmäßiger und zuverlässiger, erfüllen kann. Wenn Sie aber nun doch eine das ganze Land umfassende Einheit bilden, dann bestätigen Sie gerade die Nicht-Kommunalisierbarkeit dieser Aufgabe.

Die Landräte haben sich offensichtlich keine Gedanken darüber gemacht, wie sie ihre neuen Aufgaben bewältigen können. Dies zeigt die Zerschlagung der Umweltverwaltung. Es ist allein dem Antrag meiner Fraktion zu verdanken, dass diese verheerende Entwicklung überhaupt im Landtag diskutiert werden konnte.

In der Anhörung im Juni 2007 haben sich nicht nur Verwaltungswissenschaftler, sondern auch Wirtschaftsvertreter vor dem Hintergrund der Erfahrungen in NordrheinWestfalen und Baden-Württemberg ausdrücklich gegen die Zerschlagung ausgesprochen. Das ficht sie natürlich nicht an, denn es ist gerade ihr Ziel – das ist meine feste Überzeugung –, die Umweltverwaltung kalt abzubauen. Sie wollen keine Umweltprüfung und sie wollen auch keine Umweltüberwachung. Nein, meine Damen und Herren von der Koalition, sparen Sie sich Ihre schönen Worte, sparen Sie sich Ihre falschen Gesten staatspolitischer Verantwortung, mit denen Sie aus der Debatte fliehen! Das ist keine Verwaltungsreform, die Sachsen nützt. Wir werden sie ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Ich erteile der Fraktion der CDU das Wort. Wird das noch gewünscht? – Dann, bitte, die Linksfraktion; Herr Pellmann. – Bitte, Frau Lay.

Gestatten Sie an der Stelle die Nachfrage auch im Interesse aller Fraktionen. Es gab zwischen den Parlamentarischen Geschäftsführern eine Verständigung, die wir so verstanden haben, dass die inhaltlichen Beiträge zu den Fachthemen dann eingebracht werden, wenn die einzelnen Teile aufgerufen werden. Darauf haben wir uns jetzt eingestellt.