Protocol of the Session on January 22, 2008

nalisierung ist das Paradebeispiel einer dem Wunschdenken der Staatsregierung entsprechenden rein theoretischen Kopfgeburt von Schreibtischtätern aus dem Wolkenkuckucksheim. Die sich im Zuge der vorgesehenen Aufgabenkommunalisierung in vielen Bereichen ergebende Kompetenzzersplitterung bei Spezialaufgaben lässt das Scheitern der Reform mehr als nur wahrscheinlich werden. Indem fachspezifisch ausgebildetes Personal von verschiedenen Landesämtern flächendeckend auf die Landkreise verteilt wird, muss dies doch zwangsläufig zur Folge haben, dass sich die Landkreise zur Erfüllung der vom jeweiligen Landesamt übertragenen Aufgaben nach der sogenannten Reform doch wieder zusammentun müssen. Das entspricht in keinem Fall dem angestrebten Reformziel.

Ich möchte auch noch einmal die Sachverständigenanhörungen in Erinnerung bringen, die im Wesentlichen ebenso deutlich machen, dass es – salopp gesagt – verrückt sein muss, fachspezifische Aufgaben zu kommunalisieren, ohne zu wissen, wie die Kommunen das notwendige Fachpersonal vorhalten sollen. Ich möchte hierzu beispielgebend nur kurz die Umweltverwaltung anführen. Die Staatsregierung möchte die Menschen im Freistaat allen Ernstes glauben machen, die Kreise verfügten künftig über einen hinreichenden Personalbesatz, um etwa den Immissions- und Strahlenschutz in bisheriger Qualität zu gewährleisten oder beispielsweise die Breite der fachspezifischen Aufgaben im Umwelt-, Natur- und Artenschutz kompetent zu besetzen. Das ist illusorisch, meine Damen und Herren, das wissen Sie selbst.

Das Gleiche gilt für die Kommunalisierung forstlicher Aufgaben. Die Zerschlagung der Einheitsforstverwaltung wird zwangsläufig nicht zu einer Einsparung, sondern letztlich zu höheren Kosten und empfindlichen Einschnitten bei der Erfüllung der zu bewältigenden Aufgaben führen. Die von der Staatsregierung vorgebrachten Argumente hinsichtlich einer Entlastung des Landeshaushaltes sind aus unserer Sicht lediglich Scheinargumente. Der personelle und finanzielle Aufwand lässt sich letzten Endes nicht weiter minimieren. Die Landkreise werden genau dieselben, wenn nicht sogar höheren Kosten zu tragen haben und werden dabei die zu erfüllenden Aufgaben nicht einmal vollumfänglich leisten können. Es ist mit erheblichen Abstrichen in der Qualität der Aufgabenerfüllung zu rechnen. Bestimmte Aufgaben, wie etwa die Organisation der Holzvermarktung, werden durch die Landkreise überhaupt nicht zu leisten sein.

Nicht weniger fehlerbehaftet ging man mit dem äußerst personalintensiven Bereich der Straßenbauverwaltung um. Schon seit Längerem bestätigen hier Expertenaussagen die Problematik, dass bereits innerhalb der noch zentral betriebenen Straßenbauverwaltung ein Fachkräftemangel vorherrscht, der sich im Zuge der Verwaltungsdezentralisierung weiter verschärfen wird. Darüber hinaus sieht die NPD-Fraktion angesichts des von der Staatsregierung beabsichtigten dezentralen Verwaltungsumbaus mit Blick auf Planung, Bau, Unterhaltung, Instandsetzung und Erneuerung eine Gefahr für das circa 13 500 Kilome

ter lange überörtliche Straßennetz im Freistaat Sachsen. Ob sich der Freistaat dies angesichts eines Anteils von circa 60 % der Staatsstraßen, die bereits jetzt Zustandsnoten schlechter als 3,5 haben, leisten will, sollte gut überlegt sein.

Abschließend möchte ich für die NPD-Fraktion feststellen, dass durch dieses von der Staatsregierung vorgelegte Verwaltungsneuordnungsgesetz vor allem unter dem Gesichtspunkt der kommunalen Selbstverwaltung die Kommunen immer mehr zu weisungsgebundenen staatlichen Verwaltungsstellen im Sinne von Dienstleistungsbetrieben umfunktioniert oder besser degradiert werden. Es ist ohnehin ein Hohn sondergleichen, es überhaupt zu wagen, die kommunale Selbstverwaltung hervorzukehren und zeitgleich die Anzahl der Landkreise halbieren zu wollen, indem artifizielle Großkreise kreiert werden.

Meine Damen und Herren! Dieses Gesetz ist keine Verwaltungsneuordnung. Dieses Gesetz ist eine neue Verwaltungsunordnung, der die NPD auf keinen Fall zustimmen wird.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Ich erteile der Fraktion der FDP das Wort; Herr Dr. Martens, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Notwendigkeit einer Verwaltungsreform in Sachsen ist in diesem Hause wohl unbestritten. Nach 1990 haben wir in Sachsen die Behörden und die Behördenstruktur übernommen, wie sie Ende der Achtzigerjahre bereits in den Partnerländern im Süden Deutschlands anzutreffen war. Das Ergebnis sind über 200 Behörden. Der Befund ist eindeutig: Es war des Guten eindeutig zu viel, was wir da übernommen haben. Eine Reform ist also allein aus diesem Grund und unabhängig von der Frage der Finanz- und Bevölkerungsentwicklung im Freistaat notwendig und überfällig. Sie hätte bereits viel früher angegangen werden müssen.

(Beifall bei der FDP)

Diese Reform hätten wir dafür nutzen können, um in Sachsen eine Verwaltung zu schaffen, die bürgernah arbeitet, effizient ist und einen Kernbestand an Aufgaben kostengünstig und zukunftsfest erledigt. Um es vorwegzunehmen: Diese Chance ist mit diesem Gesetzentwurf nicht im ausreichenden Umfang genutzt worden.

(Beifall bei der FDP)

Der Ansatz – und das ist wieder ein Punkt, der von allen Oppositionsfraktionen in diesem Haus wiederholt herausgestellt wurde – versäumt bereits eine umfassende Aufgabenkritik. Wenn von der Koalition gesagt wird, dass es eine Aufgabenkritik gegeben hätte, so fand diese nur im Stillen statt. In der Öffentlichkeit war sie nicht wahrnehmbar. Eine Diskussion über eine Aufgabenkritik und deren Ergebnisse gab es nicht.

Eine Aufgabenkritik hätte nämlich – wenn sie wirklich ernsthaft betrieben worden wäre – wesentlich mehr Ergebnisse gebracht, als uns heute vorliegen. Sie hätte zunächst geprüft: Welche Aufgaben muss der Freistaat mit Steuermitteln für seine Bürger erledigen? Sie hätte sich auch ausführlich der Frage gewidmet: In welchem Umfang kann auf Aufgaben des Staates verzichtet werden? In welchem Umfang können Aufgaben privatisiert werden? Welche Aufgaben können von dem verbliebenen Aufgabenbestand kommunalisiert werden?

Dies alles fehlt. Deswegen haben wir es hier mit einer Reform zu tun, die in vielen Punkten zu kurz springt. Das Ergebnis der Reform ist in diesen Punkten sehr überschaubar. Es wird in keinem nennenswerten Umfang auf Aufgaben verzichtet. Die Beratungsaufgaben im Landwirtschaftsbereich sind der größte Brocken, wenn man es so nennen will, der hier dem Verzicht zum Opfer fällt. Weiterhin betrifft das noch das Institut für Balneologie und Kurortwissenschaften. Vor dem Erscheinen dieses Gesetzentwurfes haben die meisten in diesem Hause nicht einmal gewusst, dass es diese Einrichtung gibt.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Die Privatisierung sollte nach dem Gesetzentwurf neben Aufgabenverzicht und Kommunalisierung eine der wesentlichen Säulen der Verwaltungsmodernisierung darstellen. Dies führt der Gesetzentwurf in seinem Begründungsteil an. Wenn man sich dann ansieht, in welchem Umfang tatsächlich Privatisierung betrieben wird, stellt man fest, dass es überhaupt nicht der Fall ist. Keine einzige Privatisierung von Aufgaben ist in den drei Jahren, die sich diese Staatsregierung und die Koalition nun mit der Verwaltungsreform befassen, möglich geworden. Sie werden sich nicht wundern, dass wir als FDP, als Liberale im Sächsischen Landtag, dies ausdrücklich kritisieren und sagen: Da wäre sicherlich mehr möglich gewesen und Ihr eigener Anspruch hätte Sie eigentlich dazu treiben sollen.

(Beifall bei der FDP)

Was an Kommunalisierung vorgenommen wurde, meine Damen und Herren, wird auch von den Vertretern der Kommunen als nicht befriedigend bezeichnet, und das ist noch eine freundliche Formulierung. Die Kommunalisierung ist nach unserer Auffassung nicht umfassend genug. Nach einem größeren Ansatz von zu übergebenden Stellen, die festgeschrieben werden sollten, verbleiben nach Artikel 2 § 3 des Gesetzentwurfes nun 4 167 Vollzeitäquivalente, die kommunalisiert werden sollen. Wichtige Bereiche, zu denen die Opposition auch Vorschläge gemacht hat, blieben unberücksichtigt oder sind wieder aus dem Gesetzentwurf herausgenommen worden.

Beispielsweise die Regionalschulämter. Hier haben wir vorgeschlagen, diese doch weitgehend zu kommunalisieren, besser gesagt, vollständig zu kommunalisieren. Im Gesetzentwurf war hier nur der Schulpsychologische Dienst vorgesehen, aber auch das ist im Laufe der Gesetzesberatung wieder zurückgenommen worden. Da fragen

wir uns: warum diese Ängstlichkeit? Die Heimaufsicht wird erst wieder ab 2013 den Kommunen übertragen. Begrüßenswert, allerdings ein Rückzug, den die Koalition in der Beratung gemacht hat, ist die Selbstständigkeit des Landesamtes für Denkmalpflege, das als eigenständige Behörde erhalten bleibt. Das begrüßen wir ausdrücklich.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, GRÜNE)

Meine Damen und Herren, es ist mitnichten eine Erfindung der Koalition gewesen, das Landesamt für Denkmalpflege selbstständig zu belassen, ganz gewiss nicht; sondern dies ist unter dem Druck der gesamten Fachwelt und der Anhörungen in diesem Hause und auf Drängen der Opposition passiert.

(Volker Bandmann, CDU: Es darf gelacht werden!)

Herr Bandmann, auf Ihren Zwischenruf hin: Mit Sicherheit ist die Selbstständigkeit des Landesamtes für Denkmalpflege keine originäre Erfindung der Union, und von Ihnen mit Sicherheit erst recht nicht.

(Beifall bei der FDP und ganz vereinzelt bei der Linksfraktion)

Diese Kommunalisierung – so wurde uns gesagt – bringt eine Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung mit sich. Aber das kann man mit Fug und Recht auch mal hinterfragen. Die übertragenen Aufgaben sind nahezu ausnahmslos als Pflichtaufgaben nach Weisung ausgestaltet, das heißt, die kommunale Ebene kann nicht einmal über das Wie der Aufgabenerledigung entscheiden, sondern ist an die Weisungen der jeweils vorgesetzten Fachbehörde gebunden. Eine Stärkung kommunaler Selbstverwaltung ist mit solchen Regelungen zweifelsfrei nicht verbunden.

(Beifall bei der FDP)

Eine weitere Frage ist auch im Zuge der Kreisgebietsreform die Frage der kommunalen Vertretung und die Frage der Kontrolle der neu zu bildenden Landkreise – auch hier eine unzureichende Vorstellung der Staatsregierung. Bei der Reform seien angemerkt – wir werden darüber im Einzelnen sprechen – die unzureichende Größe der Kreistage, die nachgebessert wurde, und die zunächst fehlende Ausstattung. Hier wird deutlich, dass die Staatsregierung kommunaler Selbstverwaltung und demokratischer Mitwirkung in Selbstverwaltungskörperschaften keinen besonders großen Stellenwert beimisst.

Die Modernisierung der gesamten Verwaltung, so wie es gesagt wurde, findet hier nicht statt. Es sind Einzelaufgaben, die kommunalisiert werden. Aufgabenverzicht und Privatisierung sind Fehlanzeige. Dabei wäre eine Modernisierung des gesamten Verwaltungsaufbaus in Sachsen tatsächlich möglich gewesen und sie wäre nach Auffassung der sächsischen Liberalen erforderlich gewesen. Als wichtigstes Beispiel lassen Sie mich hier die Frage der Regierungspräsidien ansprechen. Diese Behörde als Mittelinstanz mit 2 200 Stellen ist nach unserer Auffas

sung nicht zeitgemäß. Man hätte sie straffen können. Dieser Aufgabe haben Sie sich nicht gestellt; das bedauern wir ausdrücklich.

(Beifall bei der FDP)

Sie haben sich der Aufgabe nicht nur nicht gestellt, sondern auch noch einen Täuschungsversuch unternommen, und das wird Ihnen, nehme ich an, der Wähler besonders übel nehmen; denn die Regierungspräsidien werden schlicht und ergreifend in Landesdirektionen umbenannt. Im Gesetzentwurf steht zwar zwischendrin, hier handelt es sich um die Errichtung einer Behörde neuen Typs, aber solche Formulierungen weisen unmissverständlich darauf hin, was hier wirklich gemeint ist: glatter Etikettenschwindel.

(Beifall bei der FDP und ganz vereinzelt bei der Linksfraktion)

Vorsicht vor solchen Superlativen in der Sprachschöpfung; dahinter verbirgt sich meist eine Luftnummer, und so ist es auch in diesem Fall.

381 Seiten hat der vorliegende Gesetzentwurf, meine Damen und Herren. 81 Artikel regeln die Verwaltungsmodernisierung. Ich habe nachgezählt: Über 40 dieser 81 Artikel beschäftigen sich ausschließlich mit dem zukunftsweisenden Änderungsbefehl, in Gesetzen und Regelungen das Wort „Regierungspräsidium“ durch das Wort „Landesdirektion“ zu ersetzen.

(Dr. Fritz Hähle, CDU: Muss ja sein!)

Meine Damen und Herren, das ist Bürger- und Wählertäuschung ersten Grades, und zwar nicht fahrlässig, sondern gemeinschaftlich absichtlich begangen.

(Beifall bei der FDP und ganz vereinzelt bei der Linksfraktion)

Oder – um im anderen Sprachgebrauch zu bleiben –: Hier haben wir es mit Teilen einer Potemkinschen Verwaltungsreform zu tun.

Das Verfahren, das uns zu diesem Gesetzentwurf gebracht hat, verdient ebenfalls nochmals beachtet zu werden. Zwar ist bereits im November 2004 im Koalitionsvertrag beschlossen worden, dass man eine Verwaltungsreform angeht; allerdings passierte dann lange gar nichts, bis in den Oktober 2005, als der Expertenbericht vorgelegt wurde, und auch danach blieb es ziemlich lange ziemlich dunkel und ziemlich still in diesem Hause. Auf mehrfache Nachfragen der Oppositionsfraktionen, und zwar aller Oppositionsfraktionen, waren weder die Staatsregierung noch die Koalition bereit, über die Ergebnisse einer angeblichen Aufgabenkritik, über die Vorstellungen und Leitbilder einer Verwaltungsreform auch nur zu diskutieren.

Das ist bedauerlich, zeigt aber, wie unsouverän und wie wenig selbstsicher Staatsregierung und Koalition mit diesem Vorhaben umgegangen sind. Langes Warten, abgelöst von jähem Erwachen – am 30.05. liegt dann ein Gesetzentwurf vor, der im September angehört wurde.

Die Befassung im Innenausschuss zu den Regelungen im Einzelnen findet dann ab 4. Dezember 2007 statt. Das ist eine unzureichend kurze Zeit für eine solide Befassung mit diesem umfangreichen Gesetzeswerk in einem Parlament. Ich glaube nicht, dass dieser Sitzungsmarathon mit Sitzungen zum Teil bis nach 22:00 Uhr, sogar mit Wochenendterminen, die eingeplant worden sind, tatsächlich dazu geführt hat, dass wir als Volksvertretung in diesem Fall unserer Aufgabe insgesamt umfassend gerecht werden konnten.

(Dr. Fritz Hähle, CDU: Zumindest nicht halbtags!)

Die Änderungsanträge, die dazu nachgereicht wurden, haben die Sache nicht leichter gemacht. Es gab Anfang Dezember Änderungsanträge im erheblichen Umfang, es gab Mitte Dezember ebenfalls Änderungsanträge im erheblichen Umfang, und es gab Anfang Januar auch noch einmal Änderungsanträge in ganz erheblichem Umfang.

Lassen Sie mich eines dazu sagen: Wenn die Koalition Änderungsanträge einreicht mit der Ansage, es handele sich nur um redaktionelle Ergänzungen, dann ist dies dazu angetan – wie bei der Gesetzesbegründung der Errichtung der Behörde neuen Typs –, größte Achtung walten zu lassen. Allein das Elfte Gesetz zur Änderung des Abgeordnetengesetzes mit der dort versteckten Aktion „goldene Nase für Frührentner“

(Heiterkeit bei der FDP)

hat uns wachsam werden lassen, und Sie werden uns deswegen nachsehen, dass wir uns solchen Änderungsanträgen sehr genau widmen. Wir haben aus den Erfahrungen des letzten Jahres alle Veranlassung dazu.