Dann nehme ich zur Kenntnis, dass die gemeldeten Abgeordneten zur Grundsatzaussprache nicht aufzurufen sind.
Meine Damen und Herren! Damit ist die Aussprache beendet. Ich frage die Staatsregierung, ob sie das Wort wünscht. – Bitte.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst entschuldige ich mich bei Ihnen. Ich hatte befürchtet, dass ich nicht zu Wort komme.
In der Tat werden Sie mir glauben, dass ich über den heutigen Tag der Diskussion der Verwaltungs- und Funktionalreform im Landtag sehr froh bin, ist doch mit dieser Diskussion der breite Meinungsbildungsprozess, den wir in den letzten Monaten und Jahren mit den Gemeinden, Landkreisen, mit Bürgern, mit Unternehmen, Gewerkschaften und Verbänden geführt haben, zu dieser Reform beendet.
Gestatten Sie mir bitte nochmals einen Rückblick auf die Historie. Bereits im Koalitionsvertrag vom November 2004 war sich die Koalition darüber einig, dass die begonnene Reform konsequent fortzusetzen ist.
Wir hatten in den Neunzigerjahren einen erfolgreichen Aufbau des Freistaates Sachsen zu verzeichnen. Trotzdem ist es unsere Aufgabe, ihn gegenwärtig zukunftsfähig aufzustellen. Die Notwendigkeit der Reform resultiert aus der demografischen Entwicklung, aus dem Bevölkerungsrückgang, aus der Veränderung der altersmäßigen Zusammensetzung unserer Bevölkerung und natürlich aus den sich verändernden Zuwendungen für den Freistaat.
Das Ziel – es ist heute schon mehrfach von der Koalition erwähnt worden – ist eine effiziente, leistungsstarke, transparente Verwaltung für den Freistaat Sachsen, die bürger- und unternehmensnah, bürger- und unternehmensorientiert arbeitet. Die Verwaltung muss an die zukünftigen Rahmenbedingungen angepasst werden. Wir müssen sie zukunftsfähig machen.
Bereits am 18. Januar 2005 hat mein Vorgänger Dr. de Maizière eine Expertengruppe eingesetzt und diese beauftragt, ein Gesamtkonzept für eine Verwaltungs- und
Funktionalreform zu erarbeiten, das ein Leitbild enthalten soll, aber auch eine Prüfung möglicher Varianten.
Ich möchte ausdrücklich auf diese drei Varianten kurz eingehen, da dies nach den Redebeiträgen der Opposition wichtig erscheint.
Die Expertenkommission hat einmal eine Struktur beim weitestgehenden Wegfall einer Verwaltungsebene und einer umfassenden Kommunalisierung herausgearbeitet. Das Ergebnis wären fünf Großkreise, in die auch die großen Städte Leipzig, Dresden und Chemnitz aufgegangen wären. Sie hätten immerhin 850 000 Einwohner im Schnitt, eine Lösung – ich darf an Mecklenburg-Vorpommern erinnern –, die verfassungsmäßig nicht halten würde.
Zum anderen war eine Bündelung im staatlichen Bereich ohne Aufgabenübertragung analysiert worden. Dies hätte zur Folge gehabt, dass keine Stärkung der Kommunen erfolgt wäre, ein Weg, der der kommunalen Verantwortung nicht gerecht würde. Deshalb die dritte Variante: die Bündelung der mittleren Ebene bei gleichzeitiger Kommunalisierung. Hier stärken wir in der Tat die kommunale Ebene. Wir geben letztlich dem ländlichen Raum mehr Chancen.
Am 18. Oktober 2005 wurde dieses Gutachten dem Sächsischen Landtag vorgelegt. Dieses Gutachten ist Grundlage für die weitere Diskussion im politischen Raum und für das Ringen um einen sächsischen Weg bei der Verwaltungsreform gewesen.
Ich komme noch einmal ausdrücklich auf den Lenkungsausschuss zurück. Ich bin sehr froh darüber, dass wir diesen Lenkungsausschuss installiert haben. Er war das Instrument für die politische Willensbildung innerhalb der Koalition und innerhalb der Staatsregierung, aber auch mit den kommunalen Spitzenverbänden. Ziel war es, die Ausarbeitung eines Maßnahmenkonzepts durch diesen Lenkungsausschuss zu bewerkstelligen. Er tagte vom November 2005 bis November 2006. Das Ergebnis liegt Ihnen vor. Es ist letztlich der Regierungsentwurf, der die Eckpunkte des Lenkungsausschusses natürlich aufgenommen hat.
An dieser Stelle, Herr Scheel, gehe ich auf Ihren Vorwurf ein. Sie hatten den Kommunen unterstellt, dass sie käuflich seien. So hatte ich zumindest Ihre Aussage verstanden.
Das bedeutet aber, dass sie sich kaufen lassen. Ich halte dies für einen ungeheuerlichen Vorwurf an unsere kommunale Ebene. Ich weise dies strikt zurück.
Es verträgt sich nicht mit dem Selbstverständnis von kommunaler Selbstverwaltung, wenn Sie diesen Damen und Herren unterstellen, dass sie käuflich seien.
Die Anhörung zu dem Referentenentwurf fand auch eine rege Beteiligung, denn wir hatten immerhin 120 Verbände aufgefordert, ihre Meinung zu äußern. Es gab 82 Rückläufe und 85 weitere Schreiben. Aufgrund dieser Anhörungsergebnisse fand eine Überarbeitung der Gesetzentwürfe statt und der Regierungsentwurf wurde von mir am 6. Juni 2007 in den Sächsischen Landtag eingebracht.
Auch ich komme noch einmal auf die Anhörungen, die der federführende Innenausschuss veranlasst hat, zurück. Die Expertenanhörung begann am 1. September. Sie zog sich über eine Woche hin und hat eine intensive Auseinandersetzung der Mitglieder des Innenausschusses mit den Gutachtern nach sich gezogen. Im Dezember 2007 wurden die kommunalen Spitzenverbände nochmals zu geplanten Änderungen der Koalition um Stellungnahme gebeten. Die Reform fußt also auf einer umfassenden Beteiligung aller Betroffenen sowie einer gründlichen Abwägung der Argumente.
Herr Lichdi – Sie sind mal wieder nicht da, kein Problem, trotzdem sage ich es –, die Gesetzentwürfe sind nicht das Ergebnis eines politischen Deals. Sie sind das Ergebnis eines Abwägungsprozesses der Staatsregierung, der Koalition und der kommunalen Spitzenverbände. Das als einen politischen Deal zu bezeichnen halte ich schon für fragwürdig.
Allein der Innenausschuss hat sich in der Endberatung über 70 Stunden mit den Gesetzentwürfen befasst. Wie intensiv die Auseinandersetzung stattgefunden hat, dokumentieren auch die 900 Seiten des stenografischen Protokolls. Niemand kann daher ernsthaft behaupten, die Reform sei nicht ausgiebig beraten worden. Wenn die Opposition Gegenteiliges behauptet, entbehrt dies jeder Grundlage; denn die Aussage unterstellt, die Reform sei nur dann richtig beraten, wenn sich die Vorstellungen der Opposition durchgesetzt hätten. Der Opposition fehlt schlichtweg ein schlüssiges Gesamtkonzept. Auf der einen Seite, Herr Dr. Martens – bei allem Respekt vor Ihrer Person –, fordern Sie eine umfassendere Reform und es sei zu kurz gesprungen, und auf der anderen Seite darf ich an Ihre Position im Innenausschuss erinnern, als der sogenannte Vogtländische Weg diskutiert wurde. Sie wollten, dass im Vogtland alles so bleibt, wie es ist, und wir sollten zu einem späteren Zeitpunkt darüber reden.
Die Staatsregierung hat ein Gesamtkonzept erarbeitet und dem Landtag übergeben. Dabei sind Funktionalreform und Kreisgebietsneugliederung tatsächlich eine untrenn
bare Einheit. Die umfassende Verlagerung von staatlichen Aufgaben auf die Landkreise und kreisfreien Städte ist verfassungsrechtlich allein zulässig, wenn diese Aufgabe zuverlässig und zweckmäßig erledigt werden kann. Durch die Kreisgebietsneugliederung werden die Voraussetzungen für die Leistungsfähigkeit bezüglich der Aufgaben, die übertragen werden, geschaffen.
Heute diskutieren wir die Neuordnung der sächsischen Verwaltung. Deswegen möchte ich mich ausdrücklich auf diesen Teil beschränken. Wesentlicher Teil des Gesetzes ist die umfassende Verlagerung von Aufgaben auf die kommunale Ebene. Wir erfüllen damit das Kommunalisierungsgebot nach Artikel 85 unserer Sächsischen Verfassung. Dem Hohen Haus ist bekannt, dass der Gesetzentwurf der Staatsregierung ein umfangreiches Paket für zu kommunalisierende Aufgaben ist.
Ich darf an dieser Stelle einige Ergebnisse aus der parlamentarischen Diskussion aus meiner Sicht erwähnen. Einige Änderungen am Kommunalisierungsumfang sind auf Initiative der Koalition vorgenommen worden. Trotzdem bleibt es nach wie vor bei einem umfassenden, bedeutsamen Kommunalisierungspaket. Auf jeden der neuen Landkreise werden Aufgaben übertragen, die durchschnittlich von circa 350 Mitarbeitern ausgeübt werden. Das ist eine sehr beachtliche Dimension und wird der Bedeutung der Landkreise für Bürger und Wirtschaft gerecht.
Eine kurze Darstellung der Aufgaben, die kommunalisiert werden, möchte ich mir trotzdem noch erlauben. Wir kommunalisieren in drei Bereichen, zum einen auf Landkreise und kreisfreie Städte, auf den KSV und auf kreisangehörige Gemeinden.
Zunächst zu den Aufgaben der Landkreise und kreisfreien Städte. Wir kommunalisieren alle Aufgaben der Vermessungsämter. Dass dies richtig und möglich ist, lässt sich daraus ableiten, dass wir gegenwärtig drei städtische Vermessungsämter haben, die bereits hervorragend arbeiten, wenn ich nur das Beispiel Vermessungsamt Dresden erwähnen darf. Wir übertragen Teilaufgaben der bisherigen Regierungspräsidien in den Bereichen Umweltvollzugs- und Umweltfachaufgaben und dem Denkmalschutz. Wir übertragen Aufgaben der bisherigen Straßenbauämter. Wir übertragen Teilaufgaben der Verwaltung für Familie und Soziales. Wir übertragen ebenso Teilaufgaben der Sächsischen Bildungsagentur sowie Teilaufgaben der staatlichen Ämter für Landwirtschaft. Alle Aufgaben der Ämter für ländliche Entwicklung werden übertragen, ebenso Teilaufgaben des Sachsenforst sowie Aus- und Fortbildungsaufgaben aus verschiedenen Bereichen.
Dem KSV als einer Institution der kommunalen Ebene werden Aufgaben des Landesamtes für Familie und Soziales übertragen. Bei den auf die kreisangehörigen Städte und Gemeinden zu verlagernden Aufgaben handelt es sich im Wesentlichen um Aufgaben im Bereich von Ordnungswidrigkeiten, soweit die Kommunen für den Vollzug zuständig sind, und um verkehrsrechtliche An
ordnungen. Darüber hinaus, und das ist für die Zukunft sehr wichtig, können Landkreise und kreisangehörige Gemeinden selbst in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag regeln, welche Aufgaben zusätzlich von der kreislichen Ebene auf die kommunale Ebene übertragen werden können. Dies ist eine deutliche Stärkung der Entscheidungskompetenz der kommunalen Seite.
Ich freue mich, dass im Zuge der parlamentarischen Beratung weitere Optimierungen stattgefunden haben. Beispielhaft ist die Übertragung der Ausführung des Landeserziehungs- und des Bundeselterngeldes unmittelbar auf die Landkreise und kreisfreien Städte und damit unmittelbar vor Ort zu nennen. Die betroffenen Bürger, meine sehr verehrten Damen und Herren, werden dies zu schätzen wissen. Ich möchte weiterhin erwähnen, dass die überörtliche Trägerschaft der Jugendhilfe als Steuerungsaufgabe beim Freistaat bleibt, um die enge Verzahnung zwischen staatlicher Wächterfunktion und der Grundsatzplanung der Jugendhilfe zu gewährleisten. Richtigerweise erfolgt die Übertragung der Heimaufsicht erst zum 01.01.2013. Damit wird das im Nachgang zur Föderalismusreform vorgesehene Altenhilfestrukturgesetz für Sachsen zunächst umgesetzt, bevor die Kommunalisierung erfolgt. Ebenso zu nennen ist der Vollzug von Gesetzen und Verordnungen zu Heilberufen, der nunmehr auf den KSV übergeht, weiterhin die Bildung des Landesamtes für Straßenbau zum 01.01.2011.
Als Ergebnis einer breiten Diskussion gab es Veränderungen in folgender Form. Es erfolgt keine Kommunalisierung der Beratung und Betreuung beim Privatwald, da sowohl das wirtschaftliche und dienstleistungsorientierte Handeln in der Hand des Staates besser funktioniert als auch Synergieeffekte bei der Waldbewirtschaftung, beim Holzverkauf und der Unternehmereinsatz für einen Verbleib beim Staat sprechen. Die Folge der Änderungen im Kommunalisierungspaket war eine Anpassung des Personalübergangs und des Mehrbelastungsausgleichs im Änderungsantrag der Koalition.
Anderen Änderungswünschen wurde nicht entsprochen. Ich nenne hier ausdrücklich den Vollzug des Landesblindengeldes und die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft. Ebenso bleibt es bei der Kommunalisierung im Straßenbau. Hier halte ich die Schnittstelle, die wir im Freistaat Sachsen gewählt haben, für beherrschbar. Sie ist im Vergleich zu Baden-Württemberg technisch eindeutiger definiert, und in Sachsen ist eine durchgreifende Fachaufsicht auch in diesem Bereich gegeben. Eine Zersplitterung bei den Spezialisten erfolgt keineswegs. Die Spezialisten der sieben Straßenbauämter werden lediglich auf zehn Landkreise aufgeteilt.
Die Kommunalisierung der Umweltfachbereiche verbleibt so wie vorgeschlagen. Es erfolgt eine Zusammenführung von Vollzugs- und Fachaufgaben auf ortsnaher kommunaler Ebene. Hier erwarte ich in der Tat Synergieeffekte und eine Steigerung der Verwaltungseffizienz. Ebenso möchte ich die Personalverstärkung gerade im Umweltbereich erwähnen. Die Landkreise und kreisfreien Städte werden
künftig im Mittel circa 80 Mitarbeiter haben. Eine interne Spezialisierung in den Kommunen ist somit fachlich und personell gesichert. Die Koalition spricht sich auch für die Kommunalisierung der behördlichen Aufgaben beim Wald aus. Hier sollen Synergieeffekte mit behördlichen Aufgaben der Landkreise gehoben werden. Eine ortsnahe Aufgabenerfüllung in diesem Bereich ist richtig und denkbar.
Ich halte es für richtig, dass es bei einem gesetzlichen Personalübergang bleibt, da dies rechtlich nicht zu beanstanden ist und für alle Beteiligten klare Verhältnisse schafft. An dieser Stelle möchte ich noch einmal zu Ihnen, Herr Scheel, zurückkommen. Sie haben an der Diskussion im Innenausschuss teilgenommen. Wir können in der Tat die Personalauswahl erst dann vornehmen, wenn die gesetzliche Grundlage dafür da ist. Und die wird heute und morgen durch Sie geschaffen. Danach kann die Auswahl der Mitarbeiter erfolgen. Vorher wäre das völlig ohne gesetzliche Grundlage.
Gestatten Sie mir an dieser Stelle noch etwas zur Änderung im staatlichen Bereich zu sagen. In der Tat: Wir konzentrieren bei den Landesdirektionen und wir verringern die staatlichen Sonderverwaltungen.
Sie, Herr Dr. Martens, hatten in der Diskussion die Landesdirektionen mehrfach angesprochen, weil sie in vielen Gesetzen und damit in vielen Artikeln aufgeführt werden. Es ist eine logische Konsequenz: Wenn im betroffenen Gesetz „Regierungspräsidium“ drin steht und die künftigen Direktionen „Landesdirektionen“ heißen, dann ist auch jedes Gesetz zu ändern.
Es ist in der Tat bei den Landesdirektionen ein neuer Behördentyp – ich sage es bewusst – auf der mittleren Verwaltungsebene, den wir installieren. Die Landesdirektion wird künftig weiterhin Mittler zwischen den Staatsministerien und der kommunalen Ebene sein. Sie wird aufgrund der umfangreichen Kommunalisierung vordergründig Aufsichtsaufgaben haben.
Zu den Bündelungsaufgaben in den Landesdirektionen möchte ich nur erwähnen, dass diese wahrgenommen werden, wenn dies Aufgaben mit einem hohen Spezialisierungsgrad erfordern oder wenn räumlich über das Gebiet eines Landkreises hinaus seine Geltung entsteht oder wenn zentrale, landeseinheitliche Regelungen zu realisieren sind.
Nur in wenigen hoch spezialisierten Aufgabenbereichen wurden besondere Staatsbehörden oder Staatsbetriebe vorgesehen. Ich möchte hier beispielsweise den Straßenbau, das Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie sowie den Staatsbetrieb Geobasisinformation und Vermessung Sachsen nennen.
Der Freistaat steht aus meiner Sicht bei der Umsetzung dieser Reform vor einer großen Herausforderung. Wir werden sie zum Erfolg führen.
(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung – Zuruf von der Linksfraktion: Nur die Koalition?!)