Meine Damen und Herren! Wir befinden uns noch im § 3. Ich rufe nun den Änderungsantrag der Abg. Thomas Colditz und Alexander Krauß in der Drucksache 4/10966 auf und bitte Herrn Colditz um Einbringung.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf einen Sachverhalt lenken, der bislang möglicherweise eine untergeordnete Rolle gespielt hat,
jedoch mindestens die gleiche Brisanz wie der Vogtländische Weg hat. Frau Roth, ich möchte voranstellen: Es geht in diesem Zusammenhang um kein Placebo.
Ich möchte vorausschicken, meine Damen und Herren, dass es nicht darum geht, recht haben zu müssen oder eine mehrheitlich getroffene Entscheidung im Sinne der Beschlussvorlage einfach nur infrage zu stellen. Für mich und viele Betroffene vor Ort bleibt lediglich die Frage, ob bei der Abwägung der Kreissitzentscheidung für das Erzgebirge wirklich alle entscheidungsrelevanten Fakten objektiv gewichtet wurden und in die Entscheidung eingeflossen sind. Damit will ich das engagierte und umfängliche Arbeiten des Innenausschusses in keiner Weise infrage stellen.
Wer aber, meine Damen und Herren, der Entwicklung des Erzgebirges in Gegenwart und Zukunft gerecht werden will, der darf das Image nicht auf erzgebirgische Volkskunst und traditionelle Bergaufzüge zu Weihnachten beschränken. Zugegeben – Aue ist nicht die Bergstadt wie Annaberg, die mit solchen Traditionen nach außen hin punkten kann. Demgegenüber prädestinieren aber die Industrieentwicklungen von damals und von heute die infrastrukturellen Gegebenheiten als Verwaltungssitz und die landesweit anerkannte Entwicklung als Sportstadt Aue als eine starke, imageprägende Kreisstadt für das Erzgebirge. Fast alle Fraktionen des Hauses konnten sich von den Vorzügen von Aue als Kreissitz in den zurückliegenden Monaten überzeugen.
Wenn demgegenüber die Beschlussempfehlung mehrheitlich der Empfehlung für Annaberg folgt, dann drängt sich regional der Eindruck auf, dass die Argumentation für Aue mit einer gewissen Voreingenommenheit und einer grundsätzlichen Ablehnung entgegengenommen wurde. Meine Damen und Herren, dieser Eindruck macht es dann aber auch schwer, eine mehrheitlich getroffene Entscheidung im Nachgang als demokratisch legitimiert anzuerkennen. Ich kann meinen Kolleginnen und Kollegen aus den Koalitionsfraktionen die Vermittlung eines solchen Eindruckes aus der Region nicht ersparen.
Meine Damen und Herren! Sicher muss man gutachterliche Stellungnahmen, die für beide Kreissitze vorliegen, vor dem Hintergrund analysieren, ob die Gutachter ihre Meinung unabhängig vom jeweiligen Auftraggeber formuliert haben. Die Vermutung, dass bei solchen Gutachten der Grundtenor „Wess’ Brot ich ess’, dess’ Lied ich sing“ mitschwingt, ist sicher berechtigt. Dennoch gab und gibt es genügend vorgetragene Argumente, die objektiv und leitlinienkonform auf einen Kreissitz Aue abheben.
Laut dem zur Diskussion stehenden Gesetzentwurf sollten es insbesondere landesplanerische, historische und wirtschaftliche Gesichtspunkte sein, die der Entscheidung für einen Kreissitz zugrunde gelegt werden. Die zur Verfügung stehende Zeit zur Begründung des vorliegenden Änderungsantrages lässt es nicht zu, diese Argumentation noch einmal umfänglich für Aue darzustellen, deshalb möchte ich nur einige wenige schlaglichtartige Aspekte in Erinnerung rufen.
Wenn der Landesentwicklungsplan von 2003 keine Differenzierung von klassisch-originären und nachrangigen Mittelzentren vornimmt, kann doch auch in der Gesetzesbegründung zum Kreissitz im Erzgebirge nicht plötzlich eine derartige Begründung für Annaberg kreiert werden.
Nach dem geltenden Landesentwicklungsplan haben beide Städte, also Annaberg und Aue, den gleichen landesplanerischen Status, auch wenn Aue diesen im Zusammenhang mit einem Städteverbund erreicht.
Warum erkennt man im Nachgang nicht an, dass ein Städteverbund genau die gleiche zentralörtliche Funktion wie ein originäres Mittelzentrum hat? Demgegenüber findet jedoch der Aspekt der Bevölkerungskonzentration im Städteverbund um Aue in der Begründung zum Gesetzentwurf keine Beachtung. Die Bevölkerungskonzentration in und um Aue kann genauso wenig ausgeblendet werden wie die verkehrliche Erreichbarkeit und die Anbindung an das regionale und überregionale Verkehrsnetz, das Aue ohne Abstriche gegenüber Annaberg favorisiert.
Der Stadt Annaberg-Buchholz soll keineswegs ihre Bedeutung als touristischer Schwerpunkt abgesprochen werden. Allerdings ist es nicht nachvollziehbar, warum damit verstärkt der Kreissitz einhergehen muss und dieses Einzelargument in der Wertigkeit dermaßen hoch angebunden wird, dass andere Leitlinien und Kriterien zugunsten dieses Argumentes verdrängt werden.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich schließlich noch einen letzten, entscheidenden Aspekt in die Diskussion einbringen. Unter breitem öffentlichem Protest zieht sich die Bundeswehr in diesem Jahr aus dem Standort Schneeberg zurück. Bei dieser Entscheidung wird ignoriert, dass in den zurückliegenden Jahren mehr als 60 Millionen Euro investiert worden sind, die durch diese unwiderrufliche Entscheidung jetzt in den Sand gesetzt werden.
Nun erwartet niemand in der Region um Aue, dass dafür quasi als Ausgleichsmaßnahme das Landratsamt vor Ort erhalten bleibt. Ungeachtet dessen ist es aber nicht zu rechtfertigen, meine Damen und Herren, wenn durch die Verlagerung des Kreissitzes von Aue nach Annaberg Investitionen von rund 18 Millionen Euro in einen Auer Verwaltungskomplex mittel- und langfristig infrage gestellt werden. Eine solche Vorgehensweise ist genauso falsch wie das Vorgehen des Bundes am Standort Schneeberg. Ich denke, selbst die in Aussicht gestellte Beibehaltung von 300 Verwaltungsstellen in Aue ist keine Garantie, dass dies auch langfristig so bleibt; denn wir haben es bei früheren Kreisreformen erlebt, dass dort, wo der Kreissitz angesiedelt wurde, auch eine Konzentration der Verwaltungsgebäude erfolgte.
Ich bitte Sie vor dem Hintergrund dieser Überlegungen um Zustimmung zum vorliegenden Antrag. Der Transparenz wegen bitte ich darum, dass auch bei diesem Antrag die Stimmen ausgezählt werden.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte vorab zwei Punkte nennen, die mir wichtig sind. Der erste: Es gibt für mich Argumente, die für Aue sprechen, und es gibt auf der anderen Seite auch Argumente, die für Annaberg sprechen. Deswegen bin ich auch beiden Städten dankbar, dass sie ihre Argumente hier im Hause sowohl mündlich als auch schriftlich sehr ausführlich vorgetragen haben und dass diese Argumente wahrnehmbar waren.
Der zweite Punkt, den ich vorwegschicken möchte: In allen vier Landkreisen wächst die Überzeugung, dass wir Erzgebirgler zusammengehören, dass wir der größte und der stärkste Landkreis im Freistaat Sachsen sein werden. Das ist ein positiver Punkt. Darum freue ich mich auch auf die Zusammenarbeit in diesem Jahr mit allen anderen im Erzgebirge.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe die Entscheidung für Borna, die wir gerade getroffen haben, wegen eines Punktes begrüßt. Diese Entscheidung fördert nämlich die Argumentation für Aue, für die wir eintreten. Das ist auch der Grund, Herr Hahn und Frau Hermenau, wieso ich für Borna gestimmt habe und nicht für Grimma. Für Grimma wurde nämlich das Sachargument vorgebracht, dass die Stadt, die in der Mitte des neuen Landkreises liegt, nicht unbedingt Kreissitz werden muss, sondern dass die betreffende Stadt auch etwas weiter westlich liegen kann, ohne dass das ein Problem ist. Insofern hätte ich mir gewünscht, dass im Entwurf des Innenministeriums das Argument, das bei Borna abgewogen worden ist, auch für Aue entsprechend abgewogen worden wäre.
Punkt 1: Aue ist der größte Ballungsraum in dem neuen Landkreis. Wer diesen Raum kennt, weiß, dass in und um Aue, also zwischen Schneeberg, Lößnitz und Schwarzenberg, die meisten Einwohner des neu zu bildenden Landkreises wohnen. Es gibt einen fließenden Übergang von Aue über Bad Schlema nach Schneeberg. Man sieht, dass man Aue als Stadt nicht allein betrachten kann.
Punkt 2: Wir haben in der Kreisstadt Aue eine bessere Gebäudeinfrastruktur. Wir haben ein sehr modernes Verwaltungszentrum. Wir haben ausreichend Parkplätze für die Besucher. Wir haben also ideale Bedingungen für die Landkreisverwaltung. Klar ist natürlich auch, dass das Landratsamt nicht geschlossen werden wird, egal, wie die Entscheidung ausfällt. Aber als Hauptstelle des Landratsamtes wäre es ideal geeignet.
Und der dritte Punkt, meine sehr verehrten Damen und Herren: Aue liegt aus meiner Sicht verkehrsgünstiger. Vom Autobahnzubringer ist man null Komma nix in der Stadt. Das ist ein großer Vorteil. Wer die Strecke nach Annaberg schon einmal gefahren ist, weiß, dass das dort doch etwas mühsamer ist.
Diese drei Argumente wollte ich Ihnen zu Gehör bringen. Ich bitte Sie, unseren Antrag zu unterstützen und sich für die Kreisstadt Aue zu entscheiden.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin diesem Parlament dankbar, dass es zuerst über Borna und Grimma entschieden hat, weil das die Argumentation, die ich Ihnen jetzt vortragen möchte, etwas einfacher macht. Herr Krauß hat darauf hingewiesen, dass alles das, was für Borna gesprochen hat – dass es also am Rand liegt, verkehrsmäßig nicht so gut erschlossen ist –, jetzt gegen Aue spricht, die
Ich möchte Ihnen sechs weitere Punkte nennen, warum Sie sich in Ihrer Entscheidung nicht von der Entscheidung der Staatsregierung bzw. von dem Vorschlag des Innenausschusses leiten lassen, sondern dem Antrag der Herren Colditz und Krauß folgen sollten. Ich will, wie gesagt, noch weitere Punkte nennen.
Der zweite Punkt, den ich nennen möchte und auf den Herr Krauß ebenfalls hingewiesen hat, ist: Aue hat ein viel größeres Einzugsgebiet aufzuweisen als Annaberg. Sie erinnern sich daran, dass uns Herr Jähnichen heute Vormittag darauf aufmerksam gemacht hat, dass das ein Vorteil für Borna ist. Im Gegensatz dazu sagt die Staatsregierung, dass es ein Nachteil für Aue ist, weil die Struktur im Falle Annaberg viel günstiger sei.
Drittens. Es wird eine Gebietsreform geben. Auch da durften wir in dieser Woche in einer der vielen Zeitungen lesen, was der Ministerpräsident angekündigt hat. Eine Gebietsreform, die nach der Kreisgebietsreform stattfindet, wird also dazu führen, dass sich verschiedene Städte und Gemeinden in diesem Land zusammenschließen werden. Nun aber gibt es in einem Landkreis die Idee, eine Silberstadt zu gründen, nämlich aus den Städten Aue, Schneeberg, Schlema und Lößnitz. Diese Städte und Gemeinden, die in den letzten Monaten eine entsprechende Absichtserklärung abgegeben haben, wollen sich also freiwillig zu einer neuen Stadt zusammenschließen. Diese Stadt, die dann 50 000 Einwohner haben würde, würde durch die jetzige Kreisgebietsreform ad acta gelegt, weil die Staatsregierung und das Innenministerium der Meinung sind, dass dies ja nur eine Absichtserklärung sei, die man nicht so ernst nehmen müsse.
Viertens. Die Erreichbarkeit für den Wirtschaftsstandort Aue ist mehr als gegeben und hat überregionale Bedeutung für Sachsen. Das Leitbild, das wir aufgestellt haben und gegen das wir im Falle Borna eben regelrecht verstoßen haben, lautet „Stärken stärken“. Dieser Satz würde auch dafür sprechen, dass Aue der Kreissitz würde. In diesem Falle möchte ich Herrn Colditz zustimmen. Es kann nicht sein, dass Annaberg ausdrücklich nur mit der Begründung, dass diese Stadt der wichtigste touristische Standort für das Erzgebirge sei, als Kreissitz für den Erzgebirgskreis festgelegt wird.
Herr Jähnichen hat uns heute Vormittag ein weiteres Argument dafür geliefert, warum Aue eigentlich gegenüber Annaberg bevorzugt werden müsste. Er sagte heute früh, dass Borna weniger staatliche Mitarbeiterstellen als Grimma hat. Genau das trifft für Aue zu, gibt der Staatsregierung in diesem Falle aber völlig andere Argumente in die Hand. Plötzlich soll das in der Abwägung nicht so
wichtig sein. Dazu kann ich nur sagen, man muss konsequent sein und alle Argumente, die für Borna sprechen, dann auch für Aue anwenden, oder diese Argumente gelten alle für Grimma und damit dann auch für Annaberg.
Da sich aber die Mehrheit in diesem Hohen Hause gerade für Borna ausgesprochen hat, müsste in der logischen Konsequenz auch die Mehrheit für Aue sprechen.
Die letzten zwei Punkte: Es mag ja sein, dass der eine oder andere sagt, dass alles sei nicht so wichtig. Aber auch einige Mitglieder des Innenausschusse konnten sich davon überzeugen, dass im Landkreis AueSchwarzenberg im Gegensatz zu anderen Landkreisen in den letzten Jahren eine relativ starke Konzentration auf einen Verwaltungsstandort stattgefunden hat. Das Verwaltungsgebäude in Aue wird weiterhin erhalten. Das ist sicherlich okay, weil es auch im Gesetzentwurf steht. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir ernsthaft wollen, dass Effizienz einzieht, können wir doch nicht glauben, dass, wie wir jetzt den Bürgerinnen und Bürgern versprechen, tatsächlich alle Standorte auch in den nächsten fünf oder sechs Jahren erhalten bleiben. Wir können doch nicht als Staat sagen, wir geben das alles auf die Landkreise, und die Landkreise brauchen anschließend keinen finanziellen Ausgleich dafür. Sie werden Einsparungen vornehmen. Entweder wir bauen ein neues Gebäude in Annaberg und machen dasselbe, was Herr Colditz gerade an der Bundeswehr mit dem Standort in Schneeberg kritisiert hat, oder wir nutzen den vorhandenen Standort in Aue und können damit auch für die Zukunft planen.
Und schließlich der letzte Punkt, auf den ich aufmerksam machen möchte: Es gibt in Sachsen derzeit nur eine einzige Fußballmannschaft, die in der 2. Bundesliga spielt, nämlich Aue. Das ist auch ein Grund, weshalb man Aue zum Kreissitz machen sollte.