Ich appelliere noch einmal an meine Kollegen im Hohen Haus: Es ist Ihre letzte Chance, den Vogtländischen Weg zu unterstützen.
Nutzen Sie ihn, ansonsten laufen Sie sehenden Auges in eine Niederlage vor dem Verfassungsgerichtshof!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eigentlich wollte ich, da ich schon im Innenausschuss gesprochen habe, das heute nicht noch vor dem Parlament tun. Ich möchte aus regionaler Sicht sprechen, und zwar eine andere regionale Sicht darstellen; denn man kann das so nicht stehen lassen.
Ich selbst bin der tiefen Überzeugung, dass es für die Region das Beste ist, wenn wir das Vogtland als einheitliches Vogtland betrachten – auch von der Verwaltungsseite her.
Das möchte ich noch einmal relativieren, da immer von einem Kreistagsbeschluss gesprochen wurde. Der Kreistagsbeschluss ist sinngemäß so formuliert: Zum ersten Kreistagsbeschluss ist im Rahmen der Anhörung ein Erkenntnisprozess passiert, und zwar dass das vogtländische Modell ein möglicher Weg ist, wenn er leitbildgerecht ist und die rechtlichen Bedenken ausgeräumt sind. Diese Bedenken sind durch die Änderungsanträge nicht ausgeräumt worden.
Ich möchte das nicht noch einmal differenzieren, aber in eure Richtung sei gesagt: Für das Vogtland – auch für die wirtschaftliche Entwicklung – wäre es tödlich, wenn wir uns auf Experimentierklauseln einlassen. Das einheitliche Vogtland ohne Wenn und Aber und Plauen als unbestritten größte und wichtigste Stadt der Region werden davon partizipieren. Davon bin ich voll und ganz überzeugt.
Das macht unsere Region wettbewerbsfähig. Das ist meine tiefe Überzeugung. Von meiner Seite gibt es keinen Fraktionszwang oder Ähnliches. Nach Gesprächen mit vielen Bürgern habe ich festgestellt, dass der überwiegende Teil der Bürger diese Auffassung, die ich versucht habe rüberzubringen, auch teilt – zumindest wenn ich für den ländlichen Raum des Vogtlandes spreche.
Wenn man uns schon als „kleines, zänkisches Bergvolk am Rande des Erzgebirges“ bezeichnet – Wörterbuch aus dem Jahr 1898 –, dann sollte man uns nicht – ich möchte bewusst etwas überzeichnen – zur Spielwiese für fragwürdige Experimentierklauseln machen.
Es ist zumindest versucht worden, Herr Dr. Friedrich und Frau Roth, das zu durchdenken und die Dinge aus der
Anhörung mitzunehmen. Wenn dort Experimentierklauseln drinstehen und wenn wir 2012 feststellen – ich bin der festen Überzeugung, dass das so ist –, dass das System nicht funktioniert, dann ist die Post im Land Sachsen schon längst abgefahren. Das soll den vogtländischen Bürgern bitte erspart bleiben.
(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung – Sebastian Scheel, Linksfraktion: Experimentierklausel – man sollte die Gemeindeordnung gleich mal ändern!)
Dann kommen wir jetzt zur Abstimmung über den Änderungsantrag der FDP-Fraktion. Ich bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Die Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei einer großen Anzahl von Stimmen dafür ist der Antrag dennoch mit Mehrheit abgelehnt worden.
Gibt es Erklärungen? – Das ist nicht der Fall. Dann rufe ich die Drucksache 4/11039, Ziffer I Nr. 1, Änderungsantrag der NPD-Fraktion, auf. Ich bitte um Einbringung. Herr Abg. Petzold, bitte.
Vorab möchte ich eine kleine orthografische Berichtigung unseres Änderungsantrages vornehmen, und zwar in I Artikel 1 Abs. 1, § 3 zur Neubildung der Landkreise muss es heißen: „Die Wörter ‚Landkreis Görlitz’ werden durch die Wörter ‚Niederschlesischer Oberlausitzkreis’ ersetzt.“ Dort fehlt ein „r“.
Zum eigentlichen Anliegen. Im Wappen des Niederschlesischen Oberlausitzkreises sind die Oberlausitzer mit
blauen und goldenen Zinnen, die Sorben mit Lindenblättern und die Schlesier mit dem Adler vertreten. Alle genannten Gruppen werden gleich behandelt und niemand konnte bislang über eine Verletzung seiner Identitätsgefühle klagen. Deshalb ist nach NPD-Auffassung der alte Name des Niederschlesischen Oberlausitzkreises auch der beste Kompromiss für die Namensgebung des neu zu bildenden Großkreises, der den bisherigen Landkreis Löbau-Zittau, die bisherige Kreisfreie Stadt Görlitz und den Niederschlesischen Oberlausitzkreis umfassen soll.
Aber es ist nicht nur die Ausgewogenheit verschiedener identitätspolitischer Ansprüche, die in Wappen und Namen des Niederschlesischen Oberlausitzkreises einen passenden Ausdruck finden. Auch die Lektüre der sächsischen Landesverfassung zeigt, dass der niederschlesische Landesteil unseres Freistaates mehr als eine reine Verwaltungseinheit ist und dementsprechend gewürdigt werden muss.
Wenn es jetzt um die Niederschlesier geht, dann hat vielleicht auch einmal unser Freund aus Österreich etwas gedämpft zu argumentieren und nicht zu blöken.
In der Präambel der sächsischen Landesverfassung heißt es, dass sich „anknüpfend an die Geschichte der Mark Meißen, des sächsischen Staates und des niederschlesischen Gebietes … das Volk im Freistaat Sachsen dank der friedlichen Revolution im Oktober 1989 diese Verfassung gegeben hat“. Auch in Artikel 2 Abs. 4 wird diese Sonderstellung des niederschlesischen Erbes noch einmal hervorgehoben. Hier heißt es, „dass im schlesischen Teil des Landes die Farben und das Wappen Niederschlesiens“ neben den Landesfarben „gleichberechtigt geführt werden“ können.
Die geplante Liquidierung des Niederschlesischen Oberlausitzkreises ist für die Schlesier und alle anderen Deutschen, deren Wurzeln in den Vertreibungsgebieten Ostdeutschlands liegen, deshalb so schmerzlich, weil ihnen nach den Schrecken der Vertreibung und dem Schweigegebot über die Vertreibungsverbrechen in der DDR jetzt auch noch der letzte greifbare Rest ihrer alten Heimat genommen wird, der sich bisher wenigstens im Namen dieses Kreises widerspiegelte.
Von unserer Freundin nicht; danke. – Der NPD-Fraktion ist klar, dass der Staatsregierung gerade dieser Aspekt der Diskussion um den neu zu bildenden Kreis besonders unangenehm war und sie ihn sogar auszublenden versuchte, womit sie in die Fußstapfen der identitätsfeindlichen Politik der SED tritt, die die Absicht hatte, die Erinnerung an die jahrhundertealte deutsche Provinz Schlesien zu tilgen.
Die Wäschekörbe voller Protestpost, die beim Innenministerium eingegangen sind, zeigen aber, dass eine Diskussion dann umso lebhafter von unten geführt wird, wenn sie von oben abgewürgt wird – insbesondere dann, wenn es um Themen wie landsmannschaftliche Identität und regionale Geschichte geht.
In der Frage der niederschlesischen Identitätspolitik liegt die NPD-Fraktion ausnahmsweise mal auf einer Linie mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Günther Beckstein. Dieser hatte im Februar 2007 in einem Schreiben an seinen Dresdner Amtskollegen, Albrecht Buttolo, mehr Sensibilität für die Belange der Reformbetroffenen angemahnt. Beckstein sorgte sich dabei vor allem um den heutigen Niederschlesischen Oberlausitzkreis und die geplante Tilgung seines Namens. Deshalb schrieb Beckstein in seinem Brief an Innenminister Buttolo: „Ich darf Sie bitten, die jahrhundertealte schlesische Tradition und die damit verbundenen Emotionen der schlesischstämmigen Bevölkerung bei der weiteren Entscheidung zu berücksichtigen.“
Meine Damen und Herren! Günther Beckstein hat in diesem Fall recht. Das bisschen Schlesien, das bislang dieser Kreis zumindest in seinem Kreisnamen hochgehalten hat, muss uns doch bleiben. Ich möchte Sie bitten, sich – zusammen mit der NPD-Fraktion – für einen Niederschlesischen Oberlausitzkreis mit dem Kreissitz Görlitz starkzumachen.