Protocol of the Session on December 20, 2007

Sie, das Parlament, haben den Finanzminister beauftragt, mit den Steuermehreinnahmen vor allem Zukunftsvorsorge zu betreiben. In dieser schwierigen Situation bedeutet die Bürgschaftsrücklage jedoch ebenfalls Vorsorge. Die 825 Millionen Euro ergeben sich nicht etwa aus der Kalkulation von Ausfallwahrscheinlichkeiten, sondern sind schließlich das Ergebnis unserer derzeitigen haushaltswirtschaftlichen Möglichkeiten. Wir haben an verschiedenen Stellen immer wieder Vorsorge betrieben. Das ist gute sächsische Tradition. Das ist immer unsere Politik gewesen. Es gibt angesichts dieser schwierigen Situation, angesichts der Ungewissheit keinen Grund, davon abzuweichen – ganz im Gegenteil.

Meine Damen und Herren! Immer wieder haben wir eine Diskussion über die Verantwortlichkeiten. So mancher will ein Opfer sehen, um dann wieder beruhigt seinem Alltag nachgehen zu können. Das mag man menschlich verstehen, das ist aber keine Lösung. Wir haben es hier mit einem komplizierten Räderwerk von Verantwortung, Entscheidungen und Informationen zu tun.

Ich plädiere deshalb dafür, die laufenden Prüfungen der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young abzuwarten. Dass diese umfangreich und kompliziert sind, erkennt man daran, dass sie noch nicht beendet sind, so wie es eigentlich schon hier im Plenum angekündigt war. Ich bitte um Verständnis dafür. Die Ergebnisse – so die Aussagen von Ernst & Young – werden im Januar vorliegen. Erst dann kann man über Verantwortung sprechen. Erst dann kann man Schlussfolgerungen ziehen. Vorher sollte man das lieber sein lassen. Das hat auch etwas mit politischer Kultur zu tun.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe in den letzten Wochen eine Ausnahmesituation erlebt. Wir haben vor drei Monaten geglaubt, mit der Sachsen LB auf sicherem Kurs zu sein. In der Zwischenzeit haben sich die Umstände für die Sachsen LB erneut verschlimmert.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Minister?

Ich bin gleich zu Ende, Herr Scheel. Lassen Sie mich wenigstens noch den letzten Gedanken ausführen.

Die Bank stand wieder vor dem Aus und konnte erst im letzten Moment gerettet werden. Die Lösung ist bitter. Aber wenn ich mir die Alternative vor Augen führe, muss ich sagen: Wir haben eine respektable und leistbare Lösung für Sachsen erreicht.

Die Sparkassenkunden sind von dieser Lösung – das möchte ich noch einmal ausdrücklich betonen – nicht betroffen. In unserem Staatshaushalt müssen und werden wir unseren Teil schultern. Die Sachsen LB hat einen starken Partner an ihrer Seite. Die Verschmelzung geht voran. Der Standort Leipzig bleibt gesichert und die Sachsen LB wird sich weiter profilieren. Bei allen gravierenden Problemen, bei aller Dramatik sollten wir das nicht aus dem Blick verlieren.

Jetzt noch bitte Sie, Herr Scheel.

Bitte, Herr Scheel.

Vielen Dank. – Herr Staatsminister, sind Sie der Auffassung, dass ein internationales Wirtschaftsprüfungsunternehmen Aussagen über die politische Verantwortlichkeit im Fall der Sachsen LB treffen kann?

(Lachen der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Das habe ich nicht gesagt, Herr Scheel.

Danke schön.

Genau wie der Auftrag seinerzeit formuliert worden ist, bedeutet das, dass dieses Unternehmen die Kompliziertheit der Mechanik und der Mechanismen aufzuklären hat, um festzustellen, an welchen Stellen welche Entscheidungen zu treffen waren oder getroffen worden sind und wer an welcher Stelle die Entscheidung hätte treffen müssen oder an welchen Stellen Informationen entweder korrekt oder unkorrekt transportiert worden sind, um letztendlich diejenigen, die zu entscheiden hatten, in die Lage darüber zu versetzen. Das wird die Aufgabe von Ernst & Young sein.

Selbstverständlich ist die politische Bewertung dessen nicht die Angelegenheit von Ernst & Young, sondern das wird in der Verantwortung anderer liegen. Ich gehe davon aus, dass wir diese Diskussion dann auch hier im Plenarsaal weiter fortsetzen werden.

Ich möchte mich für Ihre Aufmerksamkeit bedanken.

(Beifall bei der CDU, des Abg. Gunther Hatzsch, SPD, und der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren! Wir kommen nun zur Aussprache zur Fachregierungserklärung. Die Redezeiten für die Fraktionen zu diesem Tagesordnungspunkt wurden bereits von mir genannt. Ich erteile der Linksfraktion das Wort; danach folgen CDU, SPD, NPD, FDP, GRÜNE. Bitte, Herr Dr. Hahn.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Staatsminister Tillich, da ich in Ihrer nun wahrlich mitreißenden Rede nicht wirklich etwas Substanzielles oder Neues vernommen habe, erspare ich mir dazu

(Zuruf des Abg. Heinz Lehmann, CDU)

jeden Kommentar und möchte einfach die Position meiner Fraktion vortragen, meine Damen und Herren von der CDU. Da können Sie vielleicht doch noch einiges lernen.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Lassen Sie mich eingangs ganz klar feststellen: Das, was jetzt hier stattfindet, ist nach den gestrigen Beschlüssen

des Haushalts- und Finanzausschusses eine absolute Farce.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Der Landtag, die Versammlung der gewählten Vertreter des Volkes, kann nach dem Willen der CDU-/SPDKoalition zwar noch einmal über die Milliardenbürgschaft für die Spekulationsverluste der Sachsen LB reden, darüber entscheiden darf er jedoch nicht. Ich füge hinzu: Auch der Entschließungsantrag der Koalition hat natürlich keinerlei Rechtsbindung. Deshalb bleiben wir bei unserer Einschätzung: Das Vorgehen ist nicht nur ein Verstoß gegen die Sächsische Haushaltsordnung und das Haushaltsgesetz, sondern glatter Verfassungsbruch.

(Beifall bei der Linksfraktion und des Abg. Holger Apfel, NPD)

Unsere Position in der Sache ist unverändert: Eine Entscheidung über Milliardenbeträge darf nicht hinter verschlossenen Türen in einem Ausschuss fallen, sondern muss dem gesamten Parlament vorbehalten bleiben.

Das ist nicht nur aus politischen Gründen geboten, sondern im vorliegenden Fall nach unserer festen Überzeugung auch rechtlich zwingend vorgeschrieben. In dieser Auffassung fühlen wir uns durch das vorliegende Gutachten des Juristischen Dienstes der Landtagsverwaltung bestätigt, das insbesondere auf die Verwaltungsvorschrift zu § 39 der Sächsischen Haushaltsordnung verweist, in der es heißt – ich zitiere –: „Die Übernahme von Bürgschaften, Garantien und sonstigen Gewährleistungen ist ausgeschlossen, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der Inanspruchnahme des Staates gerechnet werden muss. In diesem Fall sind Ausgaben oder Verpflichtungsermächtigungen auszubringen.“

Dies aber geht nur über einen förmlichen Nachtragshaushalt, und dass das der sauberste Weg wäre, hat gestern im Übrigen auch der Präsident des Sächsischen Rechnungshofes ganz deutlich ausgesprochen. Ein solcher Nachtragshaushalt war und ist im vorliegenden Fall zwingend, weil eine Inanspruchnahme des Staates für die Verluste aus den Spekulationsgeschäften der Sachsen LB nicht nur höchstwahrscheinlich, sondern absolut sicher ist.

Es geht nicht um irgendwelche vorsorglichen Bürgschaften. Das Geld ist weg. Das ist die Wahrheit. Und alle hier im Haus wissen das.

Für die Koalition haben sich Herr Dr. Rößler und auch Herr Pecher mehrfach dazu geäußert. Beide gehen von erheblichen Verlusten aus. Auch der Ministerpräsident und der Finanzminister glauben nicht ernsthaft, dass Sachsen ungeschoren davonkommt. Aber es wird halt eben mal behauptet, um das Verfassungs- und Haushaltsrecht brechen und das Parlament umgehen zu können.

Auch der angebliche Zeitdruck erscheint bei näherer Betrachtung fragwürdig. Denn wenn der Verkauf der Sachsen LB nun doch erst im März 2008 endgültig vollzogen werden soll, dann wäre für ein reguläres Gesetzgebungsverfahren ausreichend Zeit geblieben. Im

Interesse der Sache und um weiteren Schaden vom Land abzuwenden, hätte sich die Linksfraktion im Übrigen auch einem beschleunigten Verfahren nicht in den Weg gestellt.

Wenn jemand das ausgehandelte Paket gefährdet, dann ist es die Koalition, und zwar durch das von ihr gewählte und durchgedrückte rechtswidrige Verfahren.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Denn es ist dieses Verfahren, meine Damen und Herren, das die Entscheidung angreifbar macht, und zwar durch alle 124 Abgeordneten, durch jeden einzelnen, der sich in seinen Rechten verletzt sieht. Wenn es zu Klagen kommen sollte – und ich sage, auch wir werden das prüfen –, dann liegt die Verantwortung dafür bei CDU und SPD, nicht aber bei der Opposition in diesem Landtag.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Bei einem Nachtragshaushalt hätte der Ministerpräsident im Übrigen auch eine Gegenfinanzierung für die übernommene Garantiesumme vorlegen müssen. Genau das sollte offenkundig vermieden werden. Wie teuer uns das Ganze kommen wird, zeigt schon der jetzt beabsichtigte Verzicht auf die geplante Einzahlung von 575 Millionen Euro in den Rückstellungsfonds für Renten der Landesbeamten. Der Finanzminister hat eben darauf hingewiesen. Vor allem aber will man Zeit gewinnen und setzt darauf, dass die größten Verluste erst nach der nächsten Landtagswahl eintreten. Ich bin sicher: Die Menschen im Land durchschauen dieses unwürdige Spiel.

(Beifall bei der Linksfraktion)

In gewisser Hinsicht ist es schade, dass die gestrige Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses nicht öffentlich war. Was sich dort in den fast sechs Stunden abgespielt hat, dürfte deutschlandweit einmalig gewesen sein. Wichtige, entscheidungsrelevante Unterlagen wurden weder vorgelegt, noch wurden sie zur Einsichtnahme bereitgehalten.

(Zuruf von der CDU: Das ist ein Witz!)

Konkrete Zahlen, Daten und Fakten wurden verschwiegen, insbesondere was die bisherigen und absehbar zu erwartenden Verluste der Landesbank anbelangt.

(Zuruf des Abg. Karl Nolle, SPD)

Das einzige für die gestrige Abstimmung bedeutsame Dokument, das den Abgeordneten präsentiert wurde, war ein Vermerk von zweieinhalb Seiten über das Ergebnis der Sitzung zur Solvenzsicherung der Sachsen LB am 12./13. Dezember 2007. Dieser angeblich geheime Vermerk ist im Übrigen bekanntlich ebenso wie die Grundlagenvereinbarung vom August inzwischen für jedermann im Internet abrufbar.

(Dr. Fritz Hähle, CDU: Was reden Sie denn dann?!)

Der gestern endlich vorgelegte Treuhandvertrag war für die Frage der Gewährleistungsübernahme nun wirklich

Bei dieser Gelegenheit, Herr Milbradt, hätten Sie dann auch die Möglichkeit, dem Parlament zu erläutern, warum Sie in Ihrer Erklärung vom vergangenen Freitag die Kleinigkeit von 500 Millionen Euro, die der Freistaat gemäß der Vereinbarung zur Abdeckung der sogenannten Mark-to-Market-Verluste aufbringen muss, gegenüber den Abgeordneten und der Öffentlichkeit einfach verschwiegen haben. Redlichkeit sieht ganz sicher anders aus, Herr Ministerpräsident!

nicht von Belang. Wie bei allen Verträgen liegt auch hier der Teufel ohnehin im Detail.

Nach dem, was bislang bekannt ist, sollen die endgültigen Verträge zum Verkauf der Landesbank und der Verteilung der Risiken erst in zwei bis drei Monaten vorliegen. Die Staatsregierung verlangte gestern von uns, dass wir quasi die Katze im Sack kaufen. Das war und ist mit uns nicht zu machen, deshalb haben wir gestern mit Nein gestimmt.